1. Klasse: Massive Konflikte zwischen den Jungs

  • Hallo,


    ich bin mittlerweile echt verzweifelt! Ich habe eine erste Klasse. Die ersten Wochen waren richtig schön und trotz einiger schwieriger Kinder händelbar. Leider kamen im Februar/März zwei neue Kinder in die Klasse, die für ordentlich Unruhe gesorgt haben. Der eine macht bei jedem Blödsinn mit, der andere hat quasi die Opferrolle eingenommen. Jetzt ist es so, dass sie zumindest bei mir im Unterricht "laufen". Allerdings gibt es in jeder Pause zwischen den Jungs Ärger, Beleidigungen, Schläge, Tritte etc. Heute hatten wir Bundesjugendspiele und es war eine Katastrophe :weinen: Dauernd weinende Kinder.. Belohnung, Bestrafung, Gewaltpräventionsprogramm, Kooperationsspiele, nichts hilft!


    Wer hat noch Ideen??? Danke schon mal..

  • Hallo,
    das klingt nach einem typischen Verlauf im 1. Schuljahr. Zusätzlich zu den neuen Kindern (bleibt die Frage, warum sie die Schule gewechselt haben, gabs schon in der anderen Schule ein Problem?) haben sich die anderen an die neue Situation Schule gewöhnt und "kommen langsam an". Dann bilden sich auf einmal Strukturen und Konflikte, die das Leben schwer machen.
    Also gilt für dich: DURCHHALTEN!
    Immer wieder Konflikte und mögliche Lösungen thematisieren und besprechen. Immer wieder und wieder. Zusätzlich gemeinsame schöne Dinge einplanen, damit ein Klassengefühl entsteht. Bei den Extremfällen auf jeden Fall die Eltern ins Boot holen.
    Sagt sich von außen allerdings leicht, ich weiß. Aber denk dran: Alles was du nun in die Entwicklung des Sozialverhaltens investierst, zahlt sich in den folgenden drei Jahren aus!


    Halte durch! :sterne:
    Gruß

  • Danke für deine Antwort, bin ja schon mal beruhigt, dass das "normal" ist. Muss dazu sagen, dass das meine erste 1. Klasse ist..
    Die beiden neuen Kinder hatten auch in den vorigen Schulen massive Probleme, man vermutet, dass sie deshalb umgezogen sind, kommt ja immer öfter vor :autsch: Der eine wird die erste Klasse wiederholen :victory: , aber dafür bekomme ich nach den Sommerferien mindestens 2 neue Kinder, mal sehen, was da kommt..
    Die Eltern sind natürlich mit im Boot, aber auch hilflos und das Zentrum für schulische Erziehungshilfe ist Stammgast bei mir :(
    Das Problem ist, dass es quasi 8 Jungs sind, die Terror machen. Wenn wir Konflikte besprechen oder Faustlos machen, sind sie in der Regel auch einsichtig (es sind definitiv keine bösartigen Kinder), aber an ihrem Verhalten ändert sich nichts. Nachdem ich jetzt 1,5 Wochen krank war, ist es nun so schlimm, dass ich dringend ein paar "Notfallmaßnahmen" brauche.. Das kann unmöglich so weitergehen.. Ich überlege, besagte Jungs erst mal in der Pause drin zu lassen, weiß aber nicht so recht, was ich sinnvolles mit ihnen machen kann..


    Hat jemand noch Tipps?

  • Wenn es räumlich einigermaßen möglich ist: Getrennte Pausen (bei mir ging das, weil ich schnell mal vor die Tür konnte um nach den Jungs zu sehen).
    Pausenverbot ist bei solchen Kindern eher kontraproduktiv, weil denen dann die notwendige Bewegung fehlt. Lass dieses Kind in der Pause drinnen (mit Arbeitsauftrag) und wenn die Pause beendet ist, dann darf er alleine auf den Pausenhof.


    Alternative: Aufenthalt in direkter Nähe der Pausenaufsicht (wenn die Kollegen mitspielen). So können sie keinen Mist bauen, haben trotzdem bewegung und bekommen auch mit, wie es den Kindern geht, die immer geärgert werden.


    Sei konsequent!!! Ich hatte eine ähnliche 1. Klasse - 8 Jungs, am 2 Schultag das erste blaue Auge, schlagen, treten, spucken, beleidigen. Jede Pause gabs hinterher Gespräche, Elternkontakt selbstverständlich auch. Inzwischen sind sie die liebste 4. Klasse die ich mir vorstellen kann und kommen alle gut miteinander klar!

  • Im Idealfall sitzt du mit den Jungen zusammen und spielst ein friedliches kooperatives Spiel und hast dann zu Beginn der Stunde eine Doppelbesetzung, damit sie noch ein paar Minuten unter deiner Aufsicht raus und rennen können. Sonst drehen sie durch weil sie keine Bewegung hatten.....


    Leider gibt es diesen Idealfall nie...


    Welche Konsequenzen kannst du durchführen? Was ist mit Belohnungen für "streitlose pausen"? Absprachen, dass die Schüler die Pausen nicht miteinander, sondern mit anderen verbringen? Verhaltenspläne mit täglicher Rückmeldung an die Eltern?

  • Ich kenne diese Situation auch sehr gut...


    Hast du es schon mit Rückmeldungsheftchen versucht? Es wird für jede Woche eine Regel beobachtet, die sie einhalten müssen. Dann wird jeden Tag angekreuzt, wie der Tag/die Stunde gelaufen ist. Dadurch erhalten sie auch mal positives Feedback. Smiley Stunden finde ich auch immer super (wenn es mal eine wirklich ruhige Stunde werden soll, also ohne GA oder PA). Die Kids können sich 3 Smiley erarbeiten durch leises Arbeitsverhalten. Jedes Kind das stört, wird angeschrieben und erhält für weitere Störungen Striche. Zum Schluss wird bei erreichen der 3 Smileys ein kurzes Spiel gespielt. Wenn ein Kind 2 Striche hinter dem Namen hat, darf es nicht mitspielen. Beim ersten Mal mussten 3 Kinder zusehen. Danach haben es immer alle geschafft. Und es ist eine wirklich, wirklich schwierige Klasse. Wenn ein schwieriges Kind sich eine Stunde mal wirklich vorzeigbar verhält, male ich ins Hausaufgabenheft Smileys mit einer positiven Nachricht an die Eltern.
    Ich halte es also mit positiver Verstärkung aber auch Bestrafung.


    Wünsche dir viel Erfolg!!!

  • Was mich mal interessieren würde: Wie stellt ihr denn eigentlich sicher, dass diejenigen Kinder, die lernen wollen und könnten, das auch dürfen, in der ganzen Zeit, in denen sich der Lehrer drum kümmern muss, dass die Rötzlöffel einander nicht an die Gurgel gehen, bzw. die Fälle aufklärt, in denen die Rotzlöffel sich einander an die Gurgel gegangen sind?

  • Ganz ehrlich? Teilweise gar nicht! Das ist ja das Dramatische. Wir sind in einer Klasse quasi fast nur noch zu zweit oder sogar zu dritt. Die Kinder kommen teilweise aus der Pause nicht zurück oder verschwinden während des Unterrichts mal eben. Oder sie prügeln sich einfach nur... Sind echt sehr schwierige und kaum sozialisierte Kinder drin. Bei einigen ist jetzt auch schon der Förderbedarf ES diagnostiziert worden. Empathie? Fremdwort...

  • Ganz ehrlich? Teilweise gar nicht! Das ist ja das Dramatische.


    Aber diese Kinder, die lernen wollten und könnten, die gibt es doch, oder? Was machen die denn dann in der ganzen Zeit? Sitzen die dann staunend da oder lassen die sich gar von den anderen mit runterziehen und machen auch Unsinn?

  • Klar gibt es diese Kinder und sie haben mein volles Mitgefühl. Fakt ist, dass die Störenfriede den Kindern den Unterricht madig machen. Ich versuche diese Kinder immer besonders zu loben und zu bestätigen. Natürlich erhalten sie auch ihre Arbeitsaufträge etc. Aber die lernatmosphäre ist einfach nicht schön. Häufig streiten sich die anderen Kinder lautstark, bzw. ist einigen ihr Pegel gar nicht bewusst. Diese Kinder sind ebenfalls sehr leistungsschwach und brauchen viel Hilfe. Somit ist man fast die ganze Stunde damit beschäftigt zu maßregeln oder zu helfen. Die guten Kids kommen absolut zu kurz.
    Ich finde Kinder mit ES-Förderbedarf in der Klasse und ein lehrer alleine im Unterricht ist einfach ein Wagnis.. Wenn dann auch noch mehrere auf einen Haufen kommen, bist du als lehrer einfach nur aufgeschmissen und hoffst, es irgendwie hinter dich zu bringen.

  • Danke für die vielen Antworten :)
    Wie ich ja bereits geschrieben habe, haben wir das ganze im Unterricht recht gut im Griff (zumindest in meinem, meine Kollegen verfluchen mich, wenn ich nicht da bin ;) ). Es ist eine fitte Klasse, die gut arbeiten kann. Das Problem sind die Pausen und Ausflüge.
    Mit zwei Müttern hatte ich heute mal wieder Gespräch, mit zweien habe ich mal wieder telefoniert. Alle wissen Bescheid und sind vollkommen überfordert. Nachdem heute 5 meiner Lieben einen 2. Klässler verprügelt haben, werde ich das jetzt durchziehen, dass sie in den Pausen drin bleiben und ein paar Lektionen zum Thema "Soziales Miteinander" über sich ergehen lassen müssen. Wie ich das mit der fehlenden Bewegung mache, weiß ich noch nicht. Ideen?
    Verhaltenspläne hatte ich auch schon, interessieren sie gar nicht. Sie haben auch keine Angst vor der Rückmeldung an die Eltern. Mit anderen Kindern spielen wird schwierig, wir sind nur 100 Kinder an der Schule, es gibt keine andere 1. Klasse.
    Wie würdet ihr streitfreie Pausen belohnen?

  • Ich werde wahnsinnig.. Was mache ich mit den Kindern, die allen Ernstes stolz auf ihre Prügelattacke sind???

  • Wie ich das mit der fehlenden Bewegung mache, weiß ich noch nicht. Ideen?


    Sie haben sich in den Pausen ja nicht bewegt, sondern geprügelt. Dann brauchen sie auch keine Pause. So begründe ich das meinen (etwas älteren) Schülern. Die Gefahr, die von ihnen ausgeht ist zu groß für die Mehrheit der anderen Kinder. Diese müssen geschützt werden. Dieses Recht auf Schutz steht immer noch vor dem Recht auf Bewegung. Auch das erkläre ich den Schülern.
    Ich finde es gut, dass Du sie in der Pause drin lässt, auch wenn es für Dich mehr Arbeit ist.

  • Carina: Habt ihr eine Sozialarbeiterin an eurer Schule? In so einem Fall wird bei uns gerne ein Gesprächstermin mit ihr vereinbart. Erst das Kind, dann auch die Eltern. Kinder, die Prügelattacken in so jungen Jahren cool finden, finde ich persönlich immer sehr bedenklich. (Was erleben die Zuhause?)

  • Nein, wir haben leider keine Sozialarbeiterin, sonst wäre die schon längst engagiert ;) Interessanterweise sind die Kinder, die ganz stolz darauf sind, aus bestem Elternhaus :schreien: Meiner Meinung nach recht verwöhnt..

  • Zitat Scooby :

    Zitat

    Was mich mal interessieren würde: Wie stellt ihr denn eigentlich sicher, dass diejenigen Kinder, die lernen wollen und könnten, das auch dürfen, in der ganzen Zeit, in denen sich der Lehrer drum kümmern muss, dass die Rötzlöffel einander nicht an die Gurgel gehen, bzw. die Fälle aufklärt, in denen die Rotzlöffel sich einander an die Gurgel gegangen sind?

    Und genau das ist eben die Tragik in unserem Schulsystem, dass den letzten Rotzlöffeln und Störenfrieden auf Kosten der (noch) einigermaßen gut funktionierenden Schüler viel zu viel Beachtung und Raum zuteil wird.-Ich frage mich, wie lange das Ganze so noch gehen soll.


    In meiner Zeit hat man früher da ganz anders und viel härter durchgegriffen. Das hätten sich die o.g. Schüler damals nicht getraut.


    Wenn ich heutzutage ein Elternteil wäre, würde ich meine Kinder auf eine gut funktionierende Privatschule schicken oder sie vom Hauslehrer unterrichten lassen. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Elternschreck:
    Wie hat man denn in deiner Zeit "da ganz anders und viel härter durchgegriffen"? Weshalb haben sich die Schüler das "damals nicht getraut"? Ernst gemeinte Frage, ich würde daraus gerne ein paar Ideen ziehen. Berichte doch mal.

  • Kurzer Zwischenbericht: Die betreffenden Schüler hatten eine Woche komplettes Pausenverbot. In der Zeit haben wir Elemente zum sozialen Lernen gemacht. Es gab Einzelgespräche mit den Eltern, sowie eine gemeinsame Gesprächsrunde mit den Eltern, bei der unter anderem die Ordnungsmaßnahmen erläutert wurden. Nach einer Woche durften die Schüler wieder in die Pause, ich bin in jeder Pause mit draußen. Jeden Tag erhalten die Kinder eine schriftliche Rückmeldung über ihr Verhalten, das die Eltern unterschreiben müssen. Ein Kind wurde nach einem Vorfall von einem Projekttag ausgeschlossen. Dies drohe ich auch täglich an (haben gerade Projekttage und es stehen noch Ausflüge an). Ansonsten läuft es, die Kinder beherrschen sich seit 2 Wochen und nehmen langsam das Angebot an, bei Streitigkeiten zu mir zu kommen, bevor sie zuschlagen :) Ich muss sagen, die harte Tour zieht ;)


    Danke für alle Tipps hier!!!

  • Danke für den Zwischenbericht! Und herzlichen Glückwunsch, dass es vorangeht!!


    "Harte Tour" würde ich umformulieren in "klare Erwartungshaltungen, die so von den Schülern verstanden, anerkannt und erfüllt werden können." Und die sie einfordern!

  • Immer wieder erlebe ich, dass jeden Tag Rückmeldung geben echt hilfreich ist. Ist zwar mühsam, aber bei den meisten Kinder wirkt es sehr gut.
    Die Kollegin malt dafür jeden Tag ein Kästchen an, also grün, orange und rot, wie eine Ampel.


    Bei Ausflügen würde ich mir überlegen, ob ich die Verantwortung für diese Kinder tragen kann, wenn nicht, müssen sie auch einmal in der Schule bleiben, wirkt oft Wunder.
    Oder die Eltern des Kindes müssen an dem Tag zusätzlich als Begleitperson, also als Begleitung für ihr Kind persönlich mitgehen.


    LG MM

Werbung