Die Recht Schreip-Katerstrofe

  • :autsch:


    Muss mich grad mal ein bisschen durch Schreiben abreagiere.


    Hat noch jemand die Spiegel-Titelstory mit obiger Überschrift gelesen?


    Wieder einmal ist die Methode Lesen-durch-Schreiben an allem Schuld, bzw. nein eigentlich sind es die GrundschullehrerInnen!
    Die haben nämlich keinen blassen Schimmer in Bezug auf Rechtschreibdidaktik und lassen Kinder kreativ jahrelang falschschreiben.
    Die Schüler dürften heute sogar ihre eigene Rechtschreibung erfinden!
    Einzig die Tobifibel kommt gut weg und ansonsten Frontalunterricht in Gleichschrittdrill....


    War ja auch mal wieder Zeit für Lehrerschelte - Sommerloch?

  • Hat noch jemand die Spiegel-Titelstory mit obiger Überschrift gelesen?


    Ich habe den Artikel gerade gelesen und muss sagen, er bringt die Problematik exakt auf den Punkt, in jeder Hinsicht. Er ist an mancher Stelle etwas zu polemisch
    geschrieben, aber stellt die Probleme und Schwierigkeiten der Methoden Lesen durch Schreiben der verschiedenen Vertreter richtig dar.

  • Heute Nachmittag bei Google+ in der Gruppe 'Grundschule' geschrieben:


    "Und welches Über-Konzept schlagen die Autoren vor?
    Worüber ich immer wieder erstaunt bin, wie viele die Ursachen und Lösungen für alle "schulischen Probleme" in Konzepten(!) sehen und suchen. Ich bezweifle, dass wir allein in "Konzepten" die Ursachen für Probleme und durch sie auch nicht die Lösungen finden werden. Lernen war und ist doch weit mehr, als das Anwenden eines Konzeptes / Rezeptes."


    siehe auch: http://skolnet.de/ursachen-fur…e-rechtschreibleistungen/

    • Offizieller Beitrag

    So, habe den Artikel gerade gelesen. Interessant und sehr zutreffend.


    @MarekBr: Sie geben im Artikel doch ein paar Antworten, wie es besser laufen kann. Zumindest kann es damit aber nicht schlechter laufen. Suchst du sie dir selber raus? Habe im Moment keine Zeit dafür.


    kl. gr. frosch

  • Ich finde Teile des Artikels sehr sachlich und sie scheinen fundiert recherchiert zu sein. An anderen Teilen stört mich die massive Polemik doch sehr. Schade, denn diese Teile machen den Artikel für mich ein kleines Stückchen unglaubwürdiger. Man muss nicht über das Wohnumfeld eines Didakters herziehen, um über Rechtschreibung zu berichten.


    Das empfinde ich als schlechten Stil.


    Methoden und Konzepte haben grundsätzlich Vor- und Nachteile. Was mich an dem Artikel stört ist, dass es ein wenig so klingt, als unterrichte nahezu fast ganz Deutschland in allen Grundschulen nach "Lesen durch Schreiben" bzw. adaptierten Methoden.
    Mir mangelt es hier an dem fehlenden Vertrauen in die kritische Reflexionsfähigkeit von Grundschulpädagogen.


    Ich finde es wichtig, im eigenen System, anhand der eigenen Schülerschaft und des Schulumfelds zu beobachten, zu evaluieren und zu reflektieren, was nötig, möglich und sinnvoll ist - und zwar in Bezug auf alle Methoden und die Unterrichtspraxis in allen Lernbereichen und Fächern.


    Schwierig finde ich immer diese Ausschließlichkeitspositionen. Alleine das Wort "Jünger" einer Methode....
    So erlebe ich Schule nicht und habe Schule auch noch nie erlebt.


    Die zum Ende des Artikels empfohlene Seite im Netz kenne ich seit langem und habe sie noch nie als seriös empfunden.


    Den angekündigten Musterbrief halte ich für "problematisch", da viele Eltern zu wenig in die Materie eingebunden werden, um sachlich-fundiert Stellung beziehen zu können.


    Auf der anderen Seite lese ich Stellungnahmen zu diesem Artikel im Netz, die getrieben sind von einem "Drauflosschelten". Auch das ist meiner Ansicht nach wenig konstruktiv.


    Diskussionen dieser Art halte ich für wichtig und ganz und gar nicht für überflüssig. Nur so kann Weiterentwicklung in Schule und Unterricht vonstatten gehen.



    Herzliche Grüße am noch frühen Morgen
    strubbelsuse

  • Im Bemühen um Versöhnlichkeit geht im Artikel allerdings verloren, dass laut Steinig das "Kreative" im Schreiben die Rechtschreibdefizite nicht (!) ausgleicht.


    Der Zuwachs an Kreativität gilt nämlich ausschließlich für die Kinder bildungsnaher Schichten. Sie verlieren im Bereich einer Kompetenz, gewinnen aber an anderer Stelle.


    Dagegen verlieren die Kinder bildungsferner Schichten ausschließlich. Weder lernen sie richtig schreiben, noch gewinnen sie im Bereich der Kreativität.

  • Zitat

    @ strubbelsuse: Diskussionen dieser Art halte ich für wichtig und ganz und gar nicht für überflüssig.


    Wenn du nur über Randphänomene diskutieren möchtest, ist eine Diskussion allerdings schon doch überflüssig. Eine Disskussion über den tatsächlichen Inhalt wäre wohl eher geboten.


    Zitat

    @ simon e61: Wieder einmal ist die Methode Lesen-durch-Schreiben an allem Schuld, bzw. nein eigentlich sind es die GrundschullehrerInnen!


    Das ist m. E. so nicht richtig. Schuldzuweisungen in dem Artikel sind an die Adressen derer gerichtet, die LdS tatsächlich erfunden, gelehrt, verbreitet, verteidigt und mit viel Gewinn verkauft haben - und noch immer weiter davon profitieren.

  • Ich finde den Artikel ziemlich gut und auch nicht sonderlich polemisch. Natuerlich geht er nicht auf alle Aspekte ein, die heutzutage womöglich erschwerdend hinzukommen, aber darum geht es dort ja auch nicht.
    Linguistische Basics werden auch fuer Laien verständlich erklärt.
    Ich kann uebrigens gar nicht glauben, dass (meine Tastatur ist grade auf Schwedisch/Finnisch umgestellt, darum habe ich kein ue und sz) an der Uni Muenster so ein Vortrag möglich ist. Absolut undenkbar bei uns.
    Ich frage mich, wie man/frau sich ernsthaft gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis zu dem Thema verschliessen kann. Eigentlich reicht doch schon ein "normales" Germanistikstudium bzw. der linguistische Teil dessen aus um zu erkennen, dass diese Methode jeder sprachlichen/schriftlichen Logik des Deutschen entbehrt?

  • Hallo erstmal. Da hat der Spiegel also wieder "echte Spezialisten" auf den Plan gerufen. Der gute Herr Jansen ist schon lange nicht mehr im Job (73) und die Verweise auf neurobiologische Erkenntnisse sind ja wohl mehr als zweifelhaft (siehe Hasler: Neuromythologie) Besonders geärgert haben mich aber die Kommentare der Leser bei Spiegel online. Viele, aber wirklich viele meinen sie wüssten genau, wie wir Lehrer den Kindern etwas beibringen müssen. Was würde wohl ein Bäcker sagen, dem ich erkläre, wie er seine Brötchen backen muss? Oder ein Zahnarzt, wie er meine Zähne zu behandeln hat? Das ist das Problem von uns Lehrern, meine ich. Unsere Kompetenz, unsere Bemühungen allen Kindern gerecht zu werden, werden ständig angezweifelt. Natürlich muss auch ein Lehrer für Kritik an seinem Vorgehen immer offen sein, aber zählen am Ende nicht die Ergebnisse? Für mich war es immer wichtig Kindern Freude am Lernen zu vermitteln und natürlich auch, Notwendigkeiten (z.B. Rechtschreibung) aufzuzeigen. Es ist doch gut, wenn inzwischen individuelles Lernen anerkannt wird. Viele Lehrwerke versuchen diesem Ziel gerecht zu werden. Herr Jansen möchte aber etwas Anderes. Dann doch lieber Gerald Hüther, trotz seiner unkritischen Unterstützung der Neurobiologie. Aber es ist sehr gut, dass Hüther den Spaß am Lernen unterstützt. Also ich habe beschlossen, mich nicht mehr aufzuregen über solche Artikel. Es gibt zwei Dinge, die ich meinen Schülern vermitteln möchte, Toleranz gegenüber anderen und Einsicht in die Notwendigkeit von Lernen. wenn ich das schaffe, dann bin ich zufrieden. Dabei sollten meine Schüler ohne Angst und mit Freude in die Schule kommen. Wie ich das erreiche ist doch eigentlich egal, oder?

  • @sehrrratlos


    Ein zentrales Problem von GrundschullehrerInnen gegenüber Eltern ist, dass sie fachlich UND(!) methodisch angezweifelt werden. LehrerInnen in der Sek 1/2 werden bestenfalls nur noch methodisch in Frage gestellt.


    Wichtig ist es daher meiner Erfahrung nach, dass sich GrundschullehrerInnen untereinander und nach außen vernetzen! Nichts geht über gute Kontakte, auf die man sich gerne auch mal berufen kann. ;)



    P.S.
    Herrn Jansen sehe ich im übrigen auch kritisch. Ich bin vor ein paar Jahren schon auf seine Webseite "Grundschul'SERVICE'" gestoßen und war damals über seinen Feldzug "überrascht". Aber so ist halt Schule. Es wird immer die geben, die FÜR eine Sache sind, andere, die strikt DAGEGEN und wieder andere, denen es egal sein wird. Ich glaube, wenn man das einmal als Lehrer begriffen hat, geht man mit vielen Dingen, die auf "Schule" einprasseln, gelassener um.

  • Zitat

    Was würde wohl ein Bäcker sagen, dem ich erkläre, wie er seine Brötchen backen muss? Oder ein Zahnarzt, wie er meine Zähne zu behandeln hat?


    Ich bin sicher, dass Du keinem Zahnarzt schweigend zuhören würdest, der Deine Zähne im Mund verfaulen lässt und Dir dabei erzählt, sie würden (irgendwann) von selbst heilen.


    Zitat

    Natürlich muss auch ein Lehrer für Kritik an seinem Vorgehen immer offen sein, aber zählen am Ende nicht die Ergebnisse?


    Es zählen die Ergebnisse. Die Ergebnisse sind schlecht.

  • unter uns , ich finde Dein Vergleich mit dem verfaulten Zahn hinkt etwas. Die Aufgabe eines Zahnarztes ist es, Zähne zu erhalten. Deswegen würde kein Zahnarzt Zähne zur Gesundung verfaulen lassen.
    So ist es auch bei uns Lehrern, denke ich. Keiner will, dass Kinder die Schule ohne etwas gelernt zu haben verlassen. Nur gibt es halt verschiedene Ansätze und natürlich zählt das Ergebnis am Ende. Nimmt man einmal seriöse Untersuchungen, dann sind die Ergebnisse gar nicht so schlecht.
    Dazu habe ich einen guten Link gefunden:
    http://www.carta.info/60026/di…carta-standard-rss+(Carta)


    Ich denke, dass dieser Beitrag einiges wieder ins rechte Licht rückt, zumindest für mich.

  • Ich muss leider feststellen, dass der von Dir verlinkte Blogeintrag - der keineswegs eine "seriöse Untersuchung" darstellt - imho nicht ganz ernst zu nehmen ist. Er gibt nicht nur den "Spiegel"-Artikel zum Teil falsch wieder, sondern enthält eine Reihe eher seltsamer Behauptungen. Z. B.:


    Zitat

    Zuerst einmal trifft vieles von dem, was über mangelhafte Rechtschreibung gesagt wird, auch auf andere Kenntnisbereiche zu. Vor allem die Tatsache, dass der Bildungshintergrund in Deutschland entscheidend für den Schulerfolg ist, gilt für den Erfolg insgesamt, keineswegs nur für den Schriftspracherwerb (auch wenn dieser einen großen Teil davon ausmacht). Insofern müsste man korrekterweise von einer Bildungskatastrophe sprechen – und dann wäre auch klar, dass diese nicht an bestimmten Lehrinhalten und deren Vermittlung hängt.


    (1.) "Schulerfolg" und "Kenntnisse/Können" am Ende der Grundschulzeit lassen sich nicht einfach verrechnen. Es gehört zur Standardkritik an der deutschen Schule, dass schulische Karrieren (!) sich NICHT nur in Abhängigkeit von Wissen und Können vollziehen. Es ist daher unzulässig, Rechtschreibprobleme mit allgemeinen Schulerfolgs-Fragen in einen Topf zu werfen. Daraus, welchen Erfolg Schüler aus bildungsnahen oder -fernen Schichten im deutschen Schulsystem haben, kann man eben nicht schließen, wie gut sie schreiben oder andere Dinge tun. Hier geht es um zwei verschiedene Probleme.


    (2.) ist es falsch, so zu tun, als würde in den einzelnen Schulen alles gleich gut oder gleich schlecht unterrichtet. Natürlich gibt es an allen Schularten Dinge, die besser, und Dinge, die schlechter gelehrt oder gelernt werden. Es geht um einzelne Fähigkeiten, die oft auch einzeln messbar sind. Und natürlich muss man darüber nachdenken, wie sie einzeln zu verbessern sind. Deshalb geht es natürlich um einzelne Lehrinhalte und Vermittlungsmethoden. Wenn der Eindruck entsteht, dass Kinder schlecht rechnen, muss der Mathematikunterricht verbessert werden, nicht der Kunstunterricht. Der Hinweis "irgendwie" gehe es um eine "Bildungskatastrophe", nämlich "um alles" nützt hier nichts.


    (3.) geht es beim Rechtschreiben um eine Basis-Fähigkeit, die "keine komplexeren kognitiven Fähigkeiten" erfordert (so Steinig auf S. 385 der von Goschler lobend erwähnten Studie). Es ist - vorsichtig gesagt - ein Alarmzeichen, wenn diese Fähigkeit nicht mehr hinreichend vermittelt werden kann. Es geht hier letztlich um prozedurales Wissen, das in der Regel durch Üben erworben werden kann. Wir reden nicht darüber, dass Kinder die Relativitätstheorie verstehen sollen. Wir reden über Dinge, die traditionell fast alle Kinder erwerben konnten.

    Zitat

    Konzentriert man sich auf Rechtschreibung, so ist die Studie des Siegener Germanisten Wolfgang Steinig sicher am interessantesten.


    Dem ist wohl zuzustimmen. Allerdings ist auch klar, dass Frau Goschler diese Studie nicht gelesen hat, sondern bestenfalls die Medienberichterstattung darüber (die sie hoffentlich nicht dem "Spiegel" entnommen hat). Wenn sie die Studie gelesen hätte, hätte sie bemerkt, dass das von ihr gebrachte Zitat Wissenschafts-Rhetorik ist. Ein Autor stellt sich gegen einen gefühlten pädagogischen Mainstream und formuliert entsprechend vorsichtig. Wenn Frau Goschler die Studie gelesen hätte, wüsste sie auch, dass das


    Zitat

    Die positiven Aspekte der Veränderung werden aber im SPIEGEL komplett unter den Tisch fallen gelassen.


    eine problematische Aussage ist. Frau Goschler tut so, als würden negative Effekte durch positive Effekte an anderer Stelle ausgeglichen. Die "positiven Aspekte" der Veränderung sind aber schichtspezifische Effekte und zeigen sich nur bei einem privilegierten Teil der Schülerschaft. Negative Effekte dagegen gibt es bei allen Schülern. "Etwas sarkastisch könnte man anmerken, dass die heutige Grundschule zuverlässiger und genauer selektiert als die der 1970er Jahre" (Steinig, S. 385) - und zwar nach Herkunft.


    Übrigens ist ungeklärt, welchen positiven Einfluss die Eltern (!) der bildungsnahen kinder auf deren Schreibfähigkeiten haben und wie die Ergebnisse aussähen, wenn es diese Eltern nicht gäbe.


    Schließlich enthält Frau Goschlers Text vor allem starke Thesen, wie diese:


    Zitat

    verzögert sich die Entwicklung einer normgerechten Orthografie – aber in der Zeit werden dafür Dinge gelernt, die früher überhaupt nicht Teil der Grundschulausbildung waren. Dass die Ausbildung einer korrekten
    Rechtschreibung in vielen Fällen auch später nicht erfolgt, liegt an verschiedenen Problemen, aber nicht vorrangig an diesem.


    Welche Probleme denn nun ausschlaggebend sind, erfahren wird leider nicht.


    Der Text enthält eine Menge Mittelschichten-Arroganz, wie hier:


    Zitat

    Wow – “kannst du einen Riesen anfassen?” Wenn solche Weisheiten den Zerfall der Rechtschreibnation verhindern sollen, dann könnte meinetwegen auch alles so bleiben, wie es ist. Viel schlimmer kann es aus sprachwissenschaftlicher Sicht nämlich kaum noch werden. Man wünscht sich, der Schüler hätte korrekterweise geantwortet, dass man einen Riesen nicht anfassen könne, da es keine Riesen gebe.


    Man muss es leise sagen: Es geht nicht um Sprachwissenschaft und nicht um eine ontologische Diskussion über die Frage, ob es Riesen gibt. Es geht darum, dass Kinder (!) korrekt Schreiben lernen.


    Was bleibt, ist der Wunsch nach Wärme:


    Zitat

    Sondern es geht vor allem gegen eine bestimmte Art, mit Kindern umzugehen, nämlich respektvoll statt autoritär, ermutigend statt bestrafend, kreativ statt normativ.


    Das aber ist ganz einfach eine Unterstellung, die durch den Artikel nicht gedeckt ist.

  • Noch nicht selbst gehört, aber am Wochenende!


    Ortokrafih nach Lust und Laune

    Rechtschreibung will durch Üben gelernt sein. Wer hat die besseren Argumente? Haben Rechtschreibprobleme überhaupt zugenommen? Und wer trägt die Verantwortung?


    Es diskutierten:
    Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der GEW
    Prof. Dr. Hans Brügelmann, Grundschulpädagoge und Schriftsprachdidaktiker
    Prof. Dr. Wolfgang Eichler, Germanist und empirischer Bildungsforscher
    Matthias Politycki, Schriftsteller



    http://www.ndr.de/ndrkultur/programm/kontrovers177.html

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