Ich bin gerade etwas ratlos und wüsste gern eure Erfahrungen

  • Hallo,


    wie ich schon in einem anderen Thread geschrieben habe, habe ich mich für ein Lehramtsstudium beworben. Ich möchte euch noch einmal kurz meine Situation schildern bevor ich zu meinem "Gedankendilemma" komme: Ich bin (noch) 35, Mutter von 2 Kindern und studiere zur Zeit noch Bildungswissenschaften an der FernUni in Hagen (angestrebter Abschluss Ende 2017). Im Laufe des Studiums ist der Wunsch sehr groß geworden, an einer Schule zu unterrichten. Mein Wunsch war es schon immer zu unterrichten, aber ursprünglich dachte ich immer, dass ich in die Erwachsenenbildung gehen möchte (und so ganz abgeneigt bin ich davon noch immer nicht). Angeblich hätte mein Studium Biwi das auch "ermöglicht". Nun habe ich mit einigen Instituten und Schulen Kontakt aufgenommen und alle wollten das Staatsexamen oder mind. ein studiertes Fach sehen, Biwi alleine würde nicht ausreichen...Nun habe ich mich für Lehramt Grundschule (Kernfach Mathe; 4. Fach Werken) beworben und auch für Lehramt Mittelschule Deu und Mathe und für beides eine Zusage erhalten. Nun zu meinem "Dilemma": Irgendwie "sehe" ich mich eher im Grundschulbereich aufgehoben, vielleicht liegt das aber auch daran, dass meine Große jetzt gerade in die 2. Klasse kommt und ich dadurch etwas "hineingeschnuppert" habe. Mich reizt der Matheunterricht aber auch auf Sachkunde freue ich mich sehr. Mit Mittelschule kenne ich mich gar nicht aus, weder als Schüler noch kenne ich Lehrer, die ich zum Berufsalltag fragen könnte. Ich habe etwas Zweifel, ob ich mich zB in einer 9. oder 10. Klasse wirklich behaupten könnte und auch müsste ich eine Betreuung für die Klassenfahrtszeiten für meine Kinder sicherstellen etc...andererseits habe ich zusätzlich den Abschluss in Biwi mit dem Schwerpunkt Mediendidaktik, der in Mittelschulen vielleicht eher einen Anwendungsbereich findet als an Grundschulen. Nun möchte ich aber auch irgendwann einmal "Geld" verdienen denn bis jetzt habe ich immer nur studiert. Im Grundschulbereich haben sich 2431 Studenten auf 280 Plätze beworben...in der Mittelschule habe ich keine Statistik gesehen aber wenn ich von den Facebookgruppen ausgehe, sind es nur sehr wenige Studierende (Gym ist mehr als reichlich vertreten, steht aber bei mir nicht zur Debatte). Was mir jetzt durch den Kopf geht: sollte ich lieber auf Mittelschule gehen und darauf hoffen, dass ich mir völlig umsonst Gedanken mache, ob ich das "packen" könnte und dürfte ich im Zweifel mit Mittelschule auch Grundschule unterrichten oder sollte ich auf meinen Bauch hören und Grundschule studieren und gäbe es die Möglichkeit, an Mittelschulen dann ggf. "aufstockend" zB über Bildungswissenschaften noch in "Projekte" hineinzurutschen? Wie gravierend sind die Einkommensunterschiede? Ich habe Angst, dass ich mir jetzt mit einer Bauchentscheidung evtl. Chancen verbaue, die ich später bereue. Möchte auch nicht mehr ewig lange studieren, sondern wirklich zielstrebig auf den Abschluss hinarbeiten. Wie sind eure Einschätzungen? Was würdet ihr tun? Bis 19.8. muss die Annahmeerklärung postalisch vorliegen


  • Ich habe etwas Zweifel, ob ich mich zB in einer 9. oder 10. Klasse wirklich behaupten könnte

    Ich glaube da schenken sich die verschiedenen Klassenstufen wenig. Respektlose Kinder kannst du in jeder Klassenstufe haben und in den Klassen 9 und 10 kannst du immerhin Druck machen, dass sie die guten Noten für ihre berufliche/schulische Zukunft brauchen. Das zieht eigentlich ganz gut. Die anstengendsten Klassenstufen sind, meiner Meinung nach, eher die Klassen 7 und 8...aber wie gesagt, im Grunde schenkt es sich wenig. Ich habe zwar keine Unterrichtserfahrung in der Grundschule, aber habe auch schon so manches über befreundete Grundschullehrer mitbekommen.

  • Hast du schon Praktika in beiden Schulformen gemacht? Ich würde es danach entscheiden. Meiner Ansicht nach bringt dir ein Abschluss in Bildungswissenschaften exakt null Komma null für die Schule. Es wird keine Projekte geben, die einen solchen Abschluss voraussetzen.

  • Praktika habe ich bisher keine gemacht. Ich habe nur Erfahrungen im Nachhilfebereich gesammelt allerdings ist das ja kein Vergleich zum wahren Schulalltag. Bisher wurden für die Praktika immer Lehramtsanwärter bevorzugt.

  • Ich habe Praktika an beiden Schulformen gemacht und finde, dass Grundschüler die extremeren Vor- und Nachteile haben. Sie lieben einen und sind sehr leicht zu motivieren (ganz im Gegensatz zur Sek I). Dafür aber müssen sie noch deutlich stärker erzogen werden, was mitunter sehr kräftezehrend sein kann. Und damit meine ich nicht nur Maßregelungen, sondern auch einfache Dinge wie ihre Explorationslust oder Arbeitstechniken.
    Es stimmt, dass 7./8. Klasse schwieriger sind, weil sie sich in einer Nullbock-Phase befinden, aber du wirst in der Mittelschule nicht nur die Klassen haben. Ein Vorteil dieser Schulform ist zudem, dass es immer Klassen- und Schüler-abhängig ist, wie anstrengend der Unterricht sein kann. Auch ich hatte schon super liebe 7. und 8. Klassen. Die Grundschüler brauchen definitiv mehr Fürsorge.
    Zudem solltest du auch die Arbeit außerhalb des eigentlichen Unterrichts beachten. Das ist in der Grundschule deutlich mehr, weil du als Klassenlehrer für alles verantwortlich bist, was mit der Klasse zu tun hat, und zudem fast alle Fächer in der Klasse unterrichtest. Und die Arbeit mit den Eltern ist viel umfangreicher. Generell gilt: Je jünger die Kinder, desto mehr mischen sich die Eltern ein.


    Als Alternative: Wenn du nach dem Studium und Referendariat merkst, dass du so junge Schüler doch nicht unterrichten möchtest und lieber in die Erwachsenenbildung gehen willst, kannst du auch Sozialpädagogik unterrichten. Ich bin an einer Privatschule, an der die Schüler auch eine Ausbildung zum Erzieher oder Kinderpfleger machen können. Und da reicht es, wenn du BW studiert hast. Jedoch solltest du definitiv ein abgeschlossenes Lehramtsstudium haben - und dafür benötigst du Fächer.

  • Ich habe etwas Zweifel, ob ich mich zB in einer 9. oder 10. Klasse wirklich behaupten könnte

    Hör auf die Bauchentscheidung. In der Grundschule hast du natürlich auch Disziplinschwierigkeiten, aber man hat im Gefühl, ob man sich eher bei 9-Jährigen oder bei 15-Jährigen durchsetzen kann, das sind nämlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich würde mir das Risiko nicht antun, dass du in furchtbaren Oberschulklassen stehst und verzweifelst, dann lässt sich das nämlich nicht mehr ändern. Und die Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist, ist zumindest in den Großstädten enorm, v.a. als Berufseinsteiger, als der man immer erst mal da hingeschoben wird, wo niemand hin will.


    Ob du mit Oberschule einen Platz an der Grundschule bekommst, ist auch mehr als fraglich. Evtl. mit Englisch als Fach, Englischlehrer werden an der Grundschule in Sachsen eher mal gesucht, weil das neben Ethik und Sport zu den Fächern gehört, die man studiert haben muss, um sie zu unterrichten.


    Was man mit Bildungswissenschaften machen kann, weiß ich nicht. Als Lehrer arbeiten wohl kaum, allerhöchstens als DaZ-Lehrer, wenn gesucht wird. Wirst aber dann schlechter eingruppiert.
    Vielleicht findest du aber mit dem Abschluss eine Stelle als Pädagoge oder Sozialpädagoge? Käme auf ein paar Bewerbungsversuche an. Oder du studierst Förderpädagogik, dann ist eh alles offen, wegen Inklusion und so. Da haste dann große und kleine Kids, kannst ggf. auch an GS oder OS eingesetzt werden.

  • Du bist nicht mehr besonders jung und wenn alles gut läuft, bist du in 7 Jahren fertig. Dann bist du über 40. Ich weiß nicht, was du bisher alles studiert hast, ist ja auch egal. Auf jeden Fall bin ich der Meinung, dass die nächste Entscheidung dann die richtige sein sollte. Ich würde NICHT nach Bauchgefühl gehen. Ruf in Schulen an, frage nach Praktika und Hospitationsmöglichkeiten. Sonst stehst du womöglich in 7 Jahren genau da, wo du jetzt stehst, nur 7 Jahre älter.


    Schau dir auch die Lehrerbedarfsprognosen an. Im Moment ist der Arbeitsmarkt für Lehrer günstig, dass heißt, alles wird eingesammelt, was nicht bei drei auf den Bäumen sitzt. Wenn es so wird, wie es immer war, gibt es einen Schweinezyklus und in 7 Jahren ist alles dicht.

  • Vielen Dank für eure Meinungen :top:


    Was den Erziehungsaspekt angeht, kann ich euch sehr gut verstehen und gebe euch recht. Ich beobachte seit einiger Zeit sehr genau wie es so auf dem Schulhof und vor der Schule usw zugeht und da stelle ich für mich selbst immer wieder fest, dass mir die "Großen" doch eher "fremd" wirken. Ich meine damit, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, da wirklich Zugang zu finden. Bei den Grundschülern gibt es selbstverständlich auch "wilde Jungs" und "gewaltige Zicklein" und v.a. Eltern können recht anstrengend werden (zumindest was ich so bei Elternabenden und auf dem Schulgang so mitbekomme) aber dennoch komme ich damit wesentlich besser zurecht. Es ist diese Mischung aus kindlicher Neugier und zT noch kindlichen Zügen (in der 1. Klasse v.a.) und gleichzeitig dem "Ich-bin-ja-jetzt-groß" Verhalten, was die Arbeit als interessante Herausforderung erscheinen lässt. Zudem gefallen mir die Themen sehr gut. Da steckt viel Potenzial drin wie man es didaktisch aufbereiten könnte. Das man mehrere Fächer unterrichtet, finde ich auch eher reizvoll statt stressig. Ich denke aber, dass Musik, Kunst und Sport schon den eigentlichen Lehrern überlassen bleibt (das hoffe ich zumindest für die Schüler).


    Für Praktika bleibt jetzt keine Zeit mehr vorab. Ab Oktober beginnt das Semester und bis 19.08. muss der Antrag eingereicht sein. Sonst heißt es noch ein Jahr länger warten bis das nächste WS beginnt. Wenn alles gut läuft, bekomme ich den größten Teil der Biwi-Module angerechnet und dann könnte ich in 2 Jahren bereits ins Referendariat gehen...wenn nicht, dauert es entsprechend länger. Aber ich möchte einfach nicht noch ein Jahr verlieren. Auf Sonderpädagogik habe ich mich nicht beworben. Da habe ich einfach zu große Bedenken. Dafür bin ich nicht der Typ. Meine Entscheidung ist denk ich gefallen. Ich habe hier einige Beiträge gelesen und seit Tagen für mich selbst immer wieder überlegt, welche Argumente für welchen Studiengang sprechen.


    Ja, ich hätte schon vor einigen Jahren auf Lehramt studieren können aber direkt nach dem Abi kam der Lehrerberuf für mich nicht in Frage. Meine Schulzeit war nicht gerade mein schönster Lebensabschnitt. Ich habe zwar den Unterricht und auch die meisten Lehrer sehr gemocht aber die meisten Mitschüler waren nicht gerade mit mir befreundet...Mobbing war Tagesprogramm und das hat mich lange geprägt. Nach dem Abi habe ich Linguistik und Erziehungswissenschaft studiert, weil ich fasziniert war von "Phänomenen" wie Aphasie, Dyskalkulie, Legasthenie usw...ich wollte gern Kindern mit LRS usw helfen oder in die Sprachtherapie gehen...dann kam Bologna, Umstellung der Studiengänge,Dozentenabbau, Streichung von Lehrveranstaltungen und ich hätte zwischen 2 Unis pendeln müssen. Das war damals familiär und logistisch nicht machbar. Ich habe dann einige Zeit bei SOS Kinderdorf gearbeitet und eigene Kinder bekommen. Berufsbedingt mussten wir aller 2 Jahre umziehen, sodass ein fester Job für mich als "mitziehende Ehefrau" nicht möglich war und ich immer nur zeitweise gearbeitet habe. Inzwischen lebe ich mit meinen Kindern alleine und habe mich - da zeitlich nicht anders möglich - das Studium an der FernUni Hagen begonnen, um meinem Ziel, einen akademischen Abschluss im pädagogischen Bereich zu erreichen - näher zu kommen. Inzwischen ist die Kleine 4 und die Große 7, sodass ich jetzt noch einmal den Schritt wagen möchte, um endlich anzukommen in einem Beruf, der in den letzten Jahren immer mehr zu meinem Wunschberuf geworden ist. Ich habe spätestens im Studium einen ganz anderen Blick auf das Schulwesen bekommen und nun ist es mein größter Wunsch zu unterrichten.

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