1. Kind mit Dyskalkulie-Diagnose in der 3.Klasse: Mit welchem Material im Unterricht arbeiten lassen?

  • Hallo Zusammen,


    in einigen Wochen wird die offizielle Dyskalkulie-Diagnose bei meiner Schülerin festgestellt. Die Mutter hat mich bereits informiert.
    Nun kann das Kind wschl. im Untericht nicht mehr an den gleichen Themen arbeiten wie die anderen Kinder.


    Meine Frage: wer hat Erfahrung mit der Situation und welche evtl. speziellen Materialien kann ich ihr nun geben?


    Vielen Dank im Voraus
    j

  • Eine Dyskalkulie Therapie kannst du nicht ersetzen (auch wenn von höherer Ebene davon ausgegangen wird, aber sofern du dich dahingehend nicht weiterbildest UND mind eine Unterrichtsstunde als Einzelförderstunde im Stundenplan verankert bekommst, klappt das m.E. nicht).
    Mittlerweile gibt es aber zum Glück eine gute Auswahl an Förderarbeitsheften, an denen die Kinder halbwegs selbstständig arbeiten können während du mit den restlichen Kindern den “normalen“ Stoff machst.
    Wichtig ist wirklich ganz von unten anzufangen, schauen, ob der Zahlbegriff da ist, ganz kleinschrittig Zahlzerlegungen üben (z.B. eine Zahl pro Woche) etc. Nur wenn diese Grundlagen neu geschaffen wurden, lässt sich darauf aufbauen.
    Auch wenn ich das Kind nicht kenne, bin ich fast sicher, dass es KEINEN Sinn macht ein Förderheft fürs 3. Schuljahr bzw. den Zahlenraum bis 1000 anzuschaffen. Es müssen erst die Grundlagen her.
    Empfehlenswerte Förderhefte finde ich sind die Fördern inklusiv Hefte von Denken und Rechnen oder die Förderhefte von den Klett Indianerheften.
    Außerdem eignen sich gut die Mieze Mia Hefte (die kannst du kostenlos runterladen).
    Aber wie geschrieben: ganz am Anfang anfangen. Nur wer versteht was Zahlen bedeuten und im kleinen Zahlenraum sicher ist (vor allem auch die Zehnerergänzungen), kann dann irgendwann auch in größeren Zahlenräumen klar kommen.
    Den Eltern würde ich unbedingt nahelegen, einen Antrag für Eingliederungshilfe beim Jugendamt zu stellen. ist aufwendig, aber kann sich sehr lohnen. Eine professionelle Therapie kostet mehrere Tausend Euro (und dauert meist zwischen 1,5 und 2 Jahren).

  • Nun kann das Kind wschl. im Untericht nicht mehr an den gleichen Themen arbeiten wie die anderen Kinder.

    Da Dyskalkulie nicht offiziell anerkannt wie z.B. LRS ist, wird es das aber quasi müssen, mit den selben Klassenarbeiten und es bekommt auch eine Note, entsprechend der Kompetenzen der jeweiligen Jahrgangsstufe.


    Du kannst jetzt nicht einfach sagen, das Kind arbeitet nur noch auf dem Niveau der 1. Klasse und wird zusätzlich gefördert.

  • Hallo, wir haben gute Erfahrungen mit den Heften der Reihe "Denken und Rechnen-Fördern inklusiv" gemacht (westermann). Sehr hilfreich fand ich dabei, dass sich auf wenige konkrete Anschauungsmittel beschränkt wird (im Zahlenraum bis 20 waren es Steckwürfel, später diese Mathematischen Würfel aus Holz). Diese werden immer wieder im Heft abgebildet, so dass das Kind die Rechnungen immer auch mit diesem Material als Handlung ausüben kann.
    Wir hatten die Hefte für Kinder mit LB-Diagnose. Die brauchten dabei natürlich immer wieder auch Hilfestellung, konnten dann aber auch gut alleine damit weiterarbeten.

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Karl-Dieter, da kannst du jetzt über nur für dein Bundesland sprechen.
    In Brandenburg haben wir die VV LRSR --> Verwaltungsvorschriften über die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben oder im Rechnen

  • Du kannst jetzt nicht einfach sagen, das Kind arbeitet nur noch auf dem Niveau der 1. Klasse und wird zusätzlich gefördert.

    Doch, genau das wird sie müssen! Wenn der Zahlenraum bis 100 nicht gesichert ist, kann es schlicht noch nicht im Zahlenraum bis 1000 rechnen. Es würde kostbare Lernzeit vergeuden, indem es vor Aufgaben sitzt, die es nicht bewältige kann, und hätte bald überhaupt keine Lernfortschritte mehr (und würde vermutlich komplett aufgeben). Diese Zeit sollte man sinnvoller nutzen um die Grundlagen aufzubauen!
    Mit den Noten hast du leider recht, das ist ätzend, aber: schlechte Noten hätte das Kind so oder so.... (und dann doch lieber mit Lernfortschritt, als mit Stillstand)

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Da Dyskalkulie nicht offiziell anerkannt wie z.B. LRS ist, wird es das aber quasi müssen, mit den selben Klassenarbeiten und es bekommt auch eine Note, entsprechend der Kompetenzen der jeweiligen Jahrgangsstufe.
    Du kannst jetzt nicht einfach sagen, das Kind arbeitet nur noch auf dem Niveau der 1. Klasse und wird zusätzlich gefördert.

    Jein, so ganz stimmt das nicht. Aber ja die Situation ist rechtlich so, dass sie nicht praxistauglich ist.
    Wir sind laut Schulgesetz dazu verpflichtet, jedes Kind individuell zu fördern.
    Ein Kind mit Dyskalkulie kannst du nicht fördern, indem du ihm vermeintlich “vereinfachte“ Aufgaben im selben Zahlenraum gibst.
    Was stimmt ist, dass man soweit ich informierr bin LEIDER in keinem Bundesland bisher die Mathenote aussetzen kann.
    Als Lösung kann man es je nach Schulleitung und Schulrat z.B. mit den Eltern so vereinbaren, dass das Kind zwar eine fünf auf dem Zeugnis bekommt, aber die Klassenarbeiten nicht mitschreiben muss (wozu auch? Das bringt nur Frust.). Dafür schreibt man unter Bemerkungen dann sowss wie: xY konnte nicht zielgleich unterrichtet werden und hat Aufgaben auf seinem /ihren Niveau erhalten etc. xY hat im Bereich Z so große Fortschritte erlangen können etc.

  • Mag sein, aber sofern die rechtlichen Grundlagen nicht praxistauglich sind, muss man eben ein wenig tricksen.
    Und mir persönlich ist es wichtiger, ich arbeite sinnvoll mit einem Kind, also so dass es auch persönlichen Lernzuwachs erreichen kann als dass ich mich stur an Vorschriften halte (die noch dazu mit anderen kollidieren, siehe individuelle Förderung).

  • Was stimmt ist, dass man soweit ich informierr bin LEIDER in keinem Bundesland bisher die Mathenote aussetzen kann.

    Stimmt nicht, wie immergut schrieb, gibt es bei uns in Brandenburg glücklicherweise die genannte VV und damit können wir Noten bis einschließlich Klasse 4 aussetzen, mit Schulpsychologin auch noch höher. Das ist nur richtig so, alles andere ist dem betroffenen Kind gegenüber eine Farce. Da diese Kinder oft z.B. in Geometrie kein Problem haben, solange es nicht ums Rechnen geht, kann man auch nur den arithmetischen Bereich aussetzen, so dass das Kind eine Zeugnisnote im Fach erhält und eine Bemerkung mit der Abweichung in der Bewertung und gut.
    Ich wusste bisher nicht, dass ich in einem - was diesen Bereich betrifft- echt fortschrittlichen BL lebe. Zum Glück!


    http://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/vvlrsr


    hervorragende Elternbroschüre dazu
    http://www.mbjs.brandenburg.de…Erlernen_des_Rechnens.pdf

  • Ein komplettes Programm wäre der Kieler Zahlenaufbau. Weiß allerdings nicht, ob du dich da reinarbeiten willst und die Kapazitäten dafür hast.


    Zahlenfuchshefte vom Jandorfverlag sind sicher am Praktikabelsten im Unterrichtsalltag.
    Das Material hängt halt sehr davon ab, auf welchem Lernstand das Kind ist.

  • Zahlenfuchs finde ich aus meiner Erfahrung heraus nicht wirklich gut geeignet in diesem Fall (ansonsten sind die nicht schlecht, aber für Kinder mit Dyskalkulie gibt es deutlich besser geeignete).

  • Mag sein, aber sofern die rechtlichen Grundlagen nicht praxistauglich sind, muss man eben ein wenig tricksen.
    Und mir persönlich ist es wichtiger, ich arbeite sinnvoll mit einem Kind, also so dass es auch persönlichen Lernzuwachs erreichen kann als dass ich mich stur an Vorschriften halte (die noch dazu mit anderen kollidieren, siehe individuelle Förderung).

    Djr ist schon klar, dass das ein Verwaltungsakt ist und du da nicht einfach "tricksen" kannst? Ich bin ehrlich gesagt, etwas erschrocken. Du kannst da doch nicht einfach willkürlich was aufs Zeugnis schreiben.

  • Natürlich in Absprache mit Schulleitung und ggf Schulrat (hab ich ja oben auch schon geschrieben).
    Meinetwegen schreibt auch nur eine fünf ohne Kommentar hin (oder eine vier, falls das betreffende Kind in Geometrie und vielleicht Diagrammen etc fit genug ist), aber bitte bitte fördert das Kind so, dass es wenigstens eine Chance hat, etwas wirklich zu verstehen und aufzuholen. Nicht umsonst gibt es die Möglichkeit zur Eingliederungshilfe im Fall von Dyskalkulie, weil das die Alltagsfähigkeiten des Kindes enorm einschränken kann und zur seelischen Behinderung führen kann (sonst gäbe es nämlich keine Eingliederungshilfe, per Definition muss das Kind dafür von seelischer Behinderung bedroht sein).

  • Djr ist schon klar, dass das ein Verwaltungsakt ist und du da nicht einfach "tricksen" kannst? Ich bin ehrlich gesagt, etwas erschrocken. Du kannst da doch nicht einfach willkürlich was aufs Zeugnis schreiben.

    Jetzt interessiert mich aber - lieber Pfennigfuchser - mal wirklich, wie du dann einerseits den Rahmenplan- und Inklusions- und x,y,z-Forderungen nach individueller Förderung und "Abholen auf dem Bildungsstand, auf dem das Kind sich befindet" und Differenzierung nachkommst und gleichzeitig bis ins letzte Krümelchen unsere Gesetze über Leistungsbewertung rechtskonform praktikabel umsetzt ...
    Das meine ich ehrlich, weil es mir bisher nicht gelungen ist.

  • Zahlenfuchs finde ich aus meiner Erfahrung heraus nicht wirklich gut geeignet in diesem Fall (ansonsten sind die nicht schlecht, aber für Kinder mit Dyskalkulie gibt es deutlich besser geeignete).

    dann wundere ich mich sehr über den Vorschlag von "Mieze Mia", hab mir das vorhin angesehen und deswegen den
    Zahlenfuchs vorgeschlagen. Der ist allemal brauchbarer für den Unterrichtsalltag und gut aufgebaut. Aber wie gesagt, den genauen Lernstand des Kindes muss die TE selbst ermitteln, um dann konkreter planen zu können.

  • Ja, da hast du recht damit, dass man zuerst den Lernstand des Kindes ermitteln muss.
    Evt. passt der Zahlenfuchs auch für manche, aber im Gegensatz zu den Fördern inklusiv Heften und den Förder Indianerheften finde ich ihn schon eher überladen und mit recht häufig wechselnden Übungsformen. Ich kann nur von drei Kindern mit Rechenschwäche ausgehen, die damit nicht so gut klar kamen (mit dem Erstklässlerheft, obwohl sie nicht mehr im ersten Schuljahr waren).
    Mieze Mia Hefte (da gibt es ja etliche verschiedene) sind eher zusätzlich sinnvoll und natürlich passen sicher bei weitem nicht alle für den Zweck, aber sie kosten nichts extra und sind sehr stringent aufgebaut, deshalb fand ich sie erwähnenswert.

  • Wirklich gut finde ich auch aus dem Persen Verlag: "Den ZR bis 10 (bzw. 20, 100…) aktiv entdecken". Das nehme ich gern für Förderschüler Lernen, weil es schön langsam und systematisch aufgebaut ist.


    Wichtig ist natürlich, dass das Kind immer Anschauungsmaterial zur Verfügung hat. Ich arbeite gern mit den Montessori Materialien wie den Perlen, den Dienes Würfeln und Rechenschiebern. Am besten wäre es, sobald/falls das Kind jetzt eine Dyskalkulie-Therapie beginnt, dass du dich mit dem Therapeuten absprichst. Dann weißt du, wo du stofflich in Mathe bei dem Kind beginnen kannst und es kommen nicht zu viel verschiedene Anschauungsmaterialien zum Einsatz.


    Das mit der Benotung finde ich in NRW auch problematisch! Leider kassieren die Schüler/innen dann oft ihre 5 auf dem Zeugnis, da man die Note nicht aussetzen kann.

  • Auf einer Fortbildung zum Thema Dyskalkulie wurde u.a. das Material "BEO - Mengenbilder" vorgestellt.
    Allerdings denke ich nicht, dass ein Kind da so gut selbstständig mit arbeiten kann.
    Ich würde auch eher die hier schon genannten Arbeitshefte bevorzugen.


    Wichtig ist vor allem, dass du dich gut mit den Eltern austauscht und erstmal schaust, inwieweit die Eltern die Diagnose "verstanden" haben und wie sie damit umgehen.
    Denn wie hier schon einige geschrieben haben, ist es in den meisten Fällen unumgänglich, wieder in den ZR 10/20 zurückzukehren. Wie die Förderung in der Schule aussieht, muss den Eltern also transparent gemacht werden. Sonst sind Missverständnisse und Schwierigkeiten vorprogrammiert.


    Ich würde mich also mit allen Beteiligten zusammensetzen und mich immer beim Schulamt rückversichern. In NRW wie in den meisten Bundesländern darf die Note nunmal nicht ausgesetzt werden. Da wird dann vermutlich die 5 stehen, so bescheuert das auch ist.
    Eine Bemerkung im Zeugnis ist meines Wissens durchaus möglich. Das Wort "zielgleich" könnte man entweder umgehen oder es explizit nur auf Mathematik beziehen (so war es von Mara sicher auch gemeint).

Werbung