Politikunterricht in der Abendschule: Mietpreisbremse

  • Moin,


    ich hatte am Montag einen interessanten Beitrag im Politikunterricht in der Abendschule. Ein Schüler war der Auffassung, daß die Mietpreisbremse nicht gerechtfertigt ist, weil damit die Städte zusätzlich zum subventionierten ÖPNV gegenüber den ländlichen Regionen bevorteilt werden.


    Sein Gedanke:
    Hätten wir keine Mietpreisbremse, hätte das die Folgen:

    • Die Mieten bzw. Kaufpreise für die Eigentumswohnungen steigen drastisch
    • Die Menschen, die sich das nicht mehr leisten können, also die Normalsterblichen, ziehen dann ins Umland
    • Da jetzt mehr Menschen im Umland wohnen, wird dort auch die Infrastruktur ausgebaut
    • Der ÖPNV kommt auch in der Fläche an und es werden nicht einzelne Ballungszentren komplett damit überschüttet, während wenige km weiter gar nichts mehr geht
    • Die teuren Wohnungen in den Städten werden von Investoren gekauft, die dort eh praktisch nie wohnen, der Verkehr nimmt ab
    • Der Lehrstand geht entsprechend hoch
    • Der ÖPNV in den Ballungszentren wird weniger nachgefragt und entsprechend zusammengestrichen
    • Durch die Verkehrsabnahme in den Ballungszentren haben wir kein Problem mehr mit Fahrverboten wegen Stickoxiden, Feinstaub, ...
    • Wenn in den Zentren irgendwann mal praktisch gar keiner mehr wohnt, gehen auch dort die Immobilienpreise wieder runter und es gleicht sich aus


    Also irgendwie hat die Logik etwas. So gesehen wäre ich auch dafür die Mietpreisbremse abzuschaffen. ;)

  • Moin,


    eine interessante Theorie, wie ich finde. Ich glaube auch, dass es oftmals besser ist, nicht in die Marktgeschehnisse einzugreifen. Dadurch entwickelt sich alles von selbst. Genauso, wie eine geschwächte Währung durch den dadurch resultierenden verstärkten Export belebt wird und sich selbst regeneriert.


    Immer wieder toll, dass es Menschen gibt, die selbst aktiv mitdenken.

  • Ich glaube auch, dass es oftmals besser ist, nicht in die Marktgeschehnisse einzugreifen. Dadurch entwickelt sich alles von selbst.

    Neoliberaler Unsinn. Wozu ungezügelte Marktwirtschaft führt, kann man z.B. in Bezug auf Wohnraum hier nachlesen:
    https://bazonline.ch/ausland/a…osenzahlen/story/23024521


    Die Leute ziehen nicht dahin, wo die Mieten billig sind, sondern dahin wo es Arbeitsplätze gibt. Das hat der Schüler von plattyplus komplett ignoriert. Warum ziehen die Menschen immer noch aus Ostdeutschland weg? Wegen der billigen Mieten im Osten?


    Zitat

    Genauso, wie eine geschwächte Währung durch den dadurch resultierenden
    verstärkten Export belebt wird und sich selbst regeneriert.

    ROTFL. Sieht man ja sehr gut aktuell an der Türkei...


    Und plattyplus: Das Problem an solchen "Argumentationsketten" ist, dass die Realität in jeder Stufe anders kommen kann als sich einige zusammenphantasieren...


    Gruß !

  • Da es um Ballungszentren und deren direktes Umland geht ist das Argument mit den Arbeitsplätzen hinfällig, da diese in jedem Fall erreichbar wären (das sieht die Politik seit Jahrzehnten ähnlich, Stichwort: Pendlerpauschale). Auch das Argument mit der Türkei ist eher schwach, da ein großer Teil des Booms in der Türkei durch die Bauwirtschaft ausgelöst worden ist, die massiv unter der Währungsschwäche leidet. Tourismus und landwirtschaftliche Exporte (in der Türkei ebenfalls nicht ganz unwichtige Wirtschaftsfaktoren) werden durch die aktuelle Schwäche mittel- bis langfristig schon gestärkt.


    Allerdings ja, die Weltsicht ist sehr wirtschaftsliberal, aber wenn man jede andere Weltsicht nur als Unsinn ansieht, braucht man schon eine Diktatur um das auch durchzusetzen. :P

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • :


    • Die teuren Wohnungen in den Städten werden von Investoren gekauft, die dort eh praktisch nie wohnen, der Verkehr nimmt ab
    • Der ÖPNV in den Ballungszentren wird weniger nachgefragt und entsprechend zusammengestrichen
    • Durch die Verkehrsabnahme in den Ballungszentren haben wir kein Problem mehr mit Fahrverboten wegen Stickoxiden, Feinstaub, ...

    diese Punkte sind Quatsch, denn die Arbeitnehmer müssen aus den Vororten ja zu ihrer Arbeit kommen. Deshalb nimmt der Verkehr in die Städte rein eher zu. Ich sehe das jeden Morgen, denn ich lebe an einer der Haupt-Zufahrtsstraßen aus dem Umland in eine mittelgroße Stadt.


    Wichtiger als die Mietpreisbremse finde ich allerdings, dass die betroffenen Städte flexibler bei Bebauungsplänen reagieren. Hier wird gerade ein Viertel fertig gebaut nach einem Bebauungsplan aus den 90ern. Maximal 4 Stockwerke haben die Häuser. Würde man ein Stockwerk mehr zulassen gäbe es deutlich mehr Wohnungen. Und bei 5 Stockwerken leidet doch auch noch keine Optik oder Infrastruktur


    Oder vor ein paar Jahren wurde an der Stelle eines ehemaligen Unternehmens bei mir ums Eck ein Einkaufszentrum hingestellt. Kein Mensch braucht das da. 2km weiter seht nämlich seit Jahren schon das Nächste. Wohnbebauung hätte da perfekt hingepasst, da neben nem Park und zudem verkehrsgünstig gelegen. Aber die bringt ja keine Gewerbesteuer. Also hat die Stadt auf biegen und brechen das Einkaufszentrum durchgezogen. Müßig zu erwähnen, das das zu 50% leersteht, oder,n

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Nicht nur diese Punkte sind "Quatsch" - die ganze Struktur ist in sich schlicht Unfug.
    Es wäre wichtig, in dem Politikunterricht, wo einer so etwas von sich gibt, die völlige Realitätsferne herauszustellen, nachher glauben das noch entsprechend denkunfähige Mitschüler...
    Man sieht ja jetzt schon (da die "Mietpreisbremse" nicht wirklich das bringt, was sie soll), wieso es nicht funktioniert:
    Die Infrastruktur woanders ist ja nicht da.
    Kein Mensch ist bereit, da vorher "hinzuziehen" und darauf zu "warten", schließlich ist das kein "Luxus", sondern Lebensstandard.
    Von daher das Pferd von hinten aufgezäumt, ohne vorher bestehende Infrastruktur wird da keiner hinziehen.
    Und die wird keiner bauen wollen, denn die das Geld dazu haben sitzen lieber drauf.


    Ergo - das war n Satz mit X.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • ...
    ohne Infrastruktur wird da keiner hinziehen.
    Und die wird keiner bauen wollen, denn die das Geld dazu haben sitzen lieber drauf.

    ...oder kaufen schweineteure Häuser, um sie zu Mondpreisen weiterzuvermieten.


    Ehrlich gesagt ist mir nicht klar, wie der Schüler auf diese Aussage kommt. Wenn es seit anno dazumal eine Mietpreisregulierung gegeben hätte, könnte man ja heute alle möglichen hypothetischen Überlegungen anstellen. Aber die Strukturen sind doch bereits, wie sie sind.

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

  • ...was hier zu Leerstand führt, denn die, die so viel Geld haben, haben Eigentum bzw wollen "dort" nicht wohnen.
    Logische Konsequenz: Enteignung der Raffzähne durch den Staat, um wieder Wohnraum sinnvoll nutzbar zu machen. Sowas ist dringend überfällig und wird noch viel zu selten durchgezogen.

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  • Enteignung der Raffzähne durch den Staat, ...

    Entschädigungslose Enteignung gibt es in Deutschland nicht. Also kann es höchstens auf einen Rückkauf und das wahrscheinlich zu Marktpreisen hinauslaufen. Wenn man bedenkt, dass kommunale Wohnungen noch vor wenigen Jahren in 10.000er-Paketen an Finanzinvestoren verscherbelt wurden, kann man das K... kriegen, oder aber an einen Masterplan zur Plünderung der öffentlichen Kassen glauben. Aber das wäre ja Verschwörungstheorie...


    Gruß !

  • hm, afaik kann das durchaus passieren, nämlich dann, wenn - und das ist leider Realität - Eigentümer/Investoren Wohnraum bewusst verkommen lassen und dennoch überhöhte Mieten fordern (die natürlich keiner zahlt), bis zu dem Punkt, wo von Amts wegen dann die Immobilie als "unbewohnbar" geschlossen wird... eines der prominentesten Beispiele dürften die "Hannibal"-Wohnblöcle sein, aber von der Sorte gibt es noch weit mehr...

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  • Ich finde bei solchen Themen kann man immer mal nach London schauen zu allen möglichen Zeiten der Geschichte. Drei Beispiele:
    1. Früher (zum Bau der Tube) war es um London herum recht ruhig. Die Metropolitain Line wurde einfach mal in die Landschaft gebaut und machte die City of London in einer akzeptablen Zeit erreichbar. Zack, war Metroland zugebaut.
    2. London ist mittlerweile so teuer, dass manches nur noch als Investition gekauft wird und in manchen Gegenden viel hochpreisiger Wohnraum leersteht. Da brennt abends kein Licht in den Wohnungen, weswegen da dann auch keiner wohnen will.
    3. Die Pendelei nach London rein ist mittlerweile trotz aller möglichen Infratrsukturprojekte so lang und die Netzwerke an ihren Kapazitätsgrenzen, dass da auf Dauer auch nicht mehr so viel mehr geht. Ähnliches kann man doch zum Teil schon auch in Deutschland sehen. Frankfurt, München, Hamburg, ...


    Die Digitalisierung macht das Arbeiten in anderen kleineren Ballungsräumen möglich. Theoretisch könnte man bei vielem praktisch überall arbeiten, wenn man eine gute Internetverbindung hat.

  • Die Leute ziehen nicht dahin, wo die Mieten billig sind, sondern dahin wo es Arbeitsplätze gibt. Das hat der Schüler von plattyplus komplett ignoriert. Warum ziehen die Menschen immer noch aus Ostdeutschland weg? Wegen der billigen Mieten im Osten?

    Also ich kenne es inzw. auch schon andersrum, nämlich das die Firmen dort ihre neuen Standorte aufmachen, wo sie ausreichend brauchbare Arbeitskräfte finden. Bei meiner buckligen Verwandtschaft (Mittelstand, ca. 400 Arbeitnehmer beschäftigt) ist es jedenfalls so. Die neuen Standorte sind weit weg vom Stammwerk, weil man bei uns am Ort keine ausgebildeten Arbeitskräfte in der Branche mehr findet oder extreme Löhne zahlen muß. Die Konkurrenz ist zu groß. Die Konkurrenten verfahren inzw. auch so. Die machen auch ihre neuen Produktionsstandorte mindestens 50km entfernt auf.


    Die Arbeit zieht also auch dort hin, wo die Menschen sind. Gleiches gilt für die Infrastruktur. Da, wo sie gebraucht wird, wird sie auch gebaut.

  • ...und dafür dann da, wo die Werke bisher standen, zugemacht, und so mehr Arbeitsplätze abgebaut als geschaffen, und trotzdem staatliche Mittel kassiert... toll, oder?
    https://www.youtube.com/watch?v=XnRUKrQyYm0


    So ein Beispiel wäre doch mal interessant für den Politikunterricht, oder?

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • So ein Beispiel wäre doch mal interessant für den Politikunterricht, oder?

    Also an meinem Heimatort hat sich praktisch die komplette deutsche Küchenindustrie versammelt. Egal ob ihr Nolte, Siematic, Poggenpohl, BauForMat, ... bei euch in der Bude stehen habt, wird alles hier im Umkreis von 5km gefertigt. Sogar die Fronten und Arbeitsplatten von IKEA-Küchen werden hier produziert.


    Ergebnis: Möbeltischler findet man praktisch keine mehr. Ausbilden mag auch so recht keiner, weil die dann nach der Ausbildung sofort weg sind, wenn der nächste Arbeitgeber 50 Cent mehr zahlt.


    Antwort von Nolte: Neues zusätzliches Werk in Melle
    Antwort meiner Verwandtschaft: Neues zusätzliches Werk in Salzhemmendorf

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