Inklusion Übergang Arbeitsmarkt

  • Guten Morgen!


    Entschuldigt, es wird lang.


    Mich treiben seit einiger Zeit Gedanken zur Inklusion und der beruflichen Perspektive insbesondere von Kindern mit Lernschwierigkeiten um, die den Förderschulabschluss erlangen werden. Wie handhabt ihr das?


    Anfangs hatten wir eine gute Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur. Es gab einen Rehaberater, der sich dieser Schüler angenommen hat. Wir konnten Schüler in eine durch die Agentur finanzierte 2jährige Ausbildung vermitteln (in Kombination mit einem vorangegangenem Langzeitpraktikum) inklusive kostenloser Nachhilfe. Seit einiger Zeit ist das nun nicht mehr der Fall. Stellenkürzung. Keine Ansprechpartner mehr. Die vorhandene Ansprechpartner sind bis zum abgesprochenen Termin wieder versetzt und nicht mehr zuständig... Die Organisation ist schwierig...


    Ich frage mich aktuell, ob es überhaupt sinnvoll ist, alle Lerner in der Klasse 10 noch in dem "normalen" Schulsystem zu behalten. Teilweise wurde bei uns bereits versucht, im letzten Schuljahr (Klasse 10) irgendwie inklusiv auf den HA 9 zu kommen. Es klappte bisher nicht. Sie gehen dann nach der 10 mit dem Förderabschluss ans BK in die Berufsvorbereitung (BV).

    In der Regel sollen dort nur Kids hin, die ihre Vollzeitschulpflicht erfüllt haben. Doch in Ausnahmefällen darf man bereit die 10 dort verbringen. Nun stellt sich mir wirklich die Frage, ob die Kids dann nicht bereits nach der 9 (je nach Reife) in dieser Maßnahme besser aufgehoben sind.


    Auf der Seite des Schulministeriums finde ich folgende Ausnahmeregelung:


    Aufnahmevoraussetzungen

    Schulpflichtige, die von der zuletzt besuchten Schule abgemeldet worden sind, dürfen in die außerunterrichtliche Einrichtung aufgenommen werden, wenn


    1. nach dem Schulbesuch keine Versetzung in Klasse 9 erfolgt,

    2. bei Schülerinnen und Schülern von Förderschulen mit elfjähriger Schulpflicht nach zehn Schulbesuchsjahren keine Versetzung in Klasse 9 erfolgt,

    3. nach neun Schulbesuchsjahren keine Versetzung in Klasse 10 erfolgt und die Versetzungskonferenz auf Antrag der Eltern die Überzeugung gewinnt, dass sie dort besser gefördert werden können,

    4. bei Schülerinnen und Schülern von Förderschulen mit elfjähriger Schulpflicht nach zehn Schulbesuchsjahren keine Versetzung in Klasse 10 erfolgt und die Versetzungskonferenz auf Antrag der Eltern die Überzeugung gewinnt, dass sie dort besser gefördert werden können,

    5.nach neun Schulbesuchsjahren eine Förderschule, Förderschwerpunkt Emotionale und soziale Entwicklung, verlassen wird und die Versetzungskonferenz auf Antrag der Eltern die Überzeugung gewinnt, dass sie dort besser gefördert werden können.



    https://www.schulministerium.n…oraussetzungen/index.html


    Auf Inklusion für Lerner geht das meiner Ansicht nach überhaupt nicht ein. Punkt 3 betrifft immerhin die anderen Schüler. Und was ist gemeint mit 11jähriger Schulpflicht bei Förderschulen? Ich nahm an, dass alle Schüler eine 10jährige Schulpflicht haben und habe noch nie etwas anderes gehört.


    Leider habe ich bei mir an der Schule keinen Ansprechpartner, der mir hier wirklich weiterhelfen kann. Ein Gespräch mit einem Dezernenten der Bezreg eröffnete mir erst letztens, dass Lerner, die ihre Schulpflicht erfüllt haben, unsere Schule verlassen müssen. Das war uns nicht bewusst. Schriftlich gibt es das allerdings noch nicht. Es wird noch an dem Handout für Inklusion in der Sek 1 gearbeitet. Hm... woher sollen wir also wissen, was richtig ist?


    Wie handhabt ihr es? Was machen eure Lerner nach ihren Pflichtschuljahren? Oder nutzt ihr die Regelung für Ausnahmefälle und schickt sie bereits im 10. Schuljahr woanders hin?


    Ich danke euch!


    Ps: Ich bin einfach momentan unzufrieden und habe oft das Gefühl, dass die einfach nur noch verwahrt werden, ab und zu ein paar AB kopiert bekommen. Es ist aber egal, ob das Niveau stimmt. Dann meldet man sie in der 10 über Schüler-online für die BV an und klopft sich auf die Schulter. Haken hinter.


    edit: Formatierung

  • Bei uns geht die L-Schule 9 Jahre, danach gehen fast alle ins BVJ. Verhältnismäßig Leistungsstarke machen im 10 SJ an einer L-Schule, die es anbietet, den Hauptschulabschluss, der leichter zu erwerben ist, weil v.a. Englisch nicht aufgeholt werden kann. Nach dem BVJ werden ggf. weitere Maßnahmen angehängt.


    Bei uns kümmern sich auch nach der Erfüllung der Schulpflicht Rehaberater vom Arbeitsamt, das ist sicher bundesweit gleich. Blöd natürlich, wenn die Stelle nicht besetzt ist.


    Könnt ihr bei den Schwächeren jedes Jahr nach der 9 per Klassenkonferenz beschließen, dass sie ins BVJ gehen? Dort wird in Berufsbereiche reingeschnuppert, das ist für viele motivierend. Dort ist der HSA auch noch mal durch "Anwesenheit und Fleiß" zu erwerben.

    Was sagt denn dein Schulleiter?

  • Danke für deine Antwort!

    Der SL befasst sich mit so etwas nicht. Wir sind sehr groß und es gibt viele Koordinatoren. Ich bin Stubo und wir suchen seit Jahren einen Sonderpädagogen, der mich/uns unterstützt. Es macht/möchte niemand.


    Ich versuche gerade erst mal herauszufinden, ob ich besagte Schüler nach der 9 wechseln lassen darf, obwohl die Schulpflicht noch nicht erfüllt ist. Erfahrungen aus NRW wären super!

    Dann würde ich mich im nä Schritt an die Abteilungsleitung wenden und mit den kooperierenden BK's sprechen.

  • Ps: Ich bin einfach momentan unzufrieden und habe oft das Gefühl, dass die einfach nur noch verwahrt werden, ab und zu ein paar AB kopiert bekommen. Es ist aber egal, ob das Niveau stimmt. Dann meldet man sie in der 10 über Schüler-online für die BV an und klopft sich auf die Schulter. Haken hinter.


    edit: Formatierung

    Ja, leider. Das Gefühl bekommt man. Am günstigen wäre es natürlich, dass man spätestens in Klasse 9 es hin bekommt, dass der Förderbedarf aufgehoben wird, damit die Schüler einen "normalen" Abschluss machen können. Das Problem ist natürlich, dass es bei weitem nicht bei allen Sinn macht, diesen aufzuheben. Dann gehen sie max. mit einem Förderschulabschluss von der Regelschule. Bekommen sie die nicht, geht es in Berufsvorbereitungsmaßnahmen. Befriedigend ist das bei weitem nicht. Man hat das Gefühl man nimmt diese Schüler bis Klasse 10 mit und dann auf Wiedersehen. Wenn sie dann Pech haben geht es von einer Maßnahme in die nächste, bis vielleicht dann irgendwann mal ein Job daraus wird.


    Auf deine letzte Frage hin. Es gibt Maßnahmen, die ersetzen den Schulbesuch, weil dort auch ein Abschluss angeboten wird. Dann machen die Schüler an drei Tagen in der Woche Praktikum und an zwei Tagen sind sie in der Schule. Da müssen natürlich die Eltern mitspielen und die Maßnahme muss auch noch Plätze haben. Manchmal ist das für Schüler der sinnvollere Weg. Ich hatte letztes Jahr eine Schülerin in so eine Maßnahme gebracht. Was aus ihr geworden ist, kann ich die leider nicht beantworten, weil ich nicht mehr an dieser Schule bin.

  • Hallo,

    also ich bin StuBo an einer HS und habe ähnliche Fragen zZ. Bei mir geht es allerdings um VK Schüler...

    Ich würde mich an deiner Stelle tatsächlich direkt an die entsprechenden BKs wenden, bzw an die Koordinatoren der verschiedenen Maßnahmen (AV Klassen zB auch).

  • Morgen!


    Dann bin ich ja nicht alleine ;)


    Ich lese mich gerade in den Abschlussbericht-Ausbildungsvorbereitung aus NRW ein. Hier heißt es:


    nimmt sich die Bilanz der Ausbildungsvorbereitung in NRW eher ernüchternd aus: Die Zahlen für das

    Schuljahr 2009/2010 zeigen, dass maximal 19% der Jugendlichen, die in diesem

    Schuljahr ohne Hauptschulabschluss in die Ausbildungsvorbereitung eingetreten

    sind, diese mit einem frisch erworbenen Hauptschulabschluss verlassen haben.

    Hierbei schneidet das BOJ mit einer Erfolgsquote von über 42% noch vergleichsweise

    gut, die anderen Typen der Ausbildungsvorbereitung und insbesondere die

    TZ-Klassen für Jugendliche mit („Jungarbeiter“) und ohne Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnis

    weisen deutlich niedrigere Erfolgsquoten auf (vgl. Tabelle 1.1).


    Laut der Statistik ist das BOJ die beste Wahl. Das ist allerdings auch schon furchtbar alt. Vielleicht finde ich noch eine aktuellere Version.

  • Wenn der HS9 bzw ein gleichwertiger Abschluss vorliegt, warum nicht gleich ab in die Berufsfachschule 1 mit dem Ziel HS10? Ausbildungsvorbereitung ist meist nur parken und verwahren, was sich schon an den Zahlen s.o. zeigt. Da sitzen dann zwei, drei willige Lerner zwischen 25 Krawallhosen, die nur da sind, weil sie müssen und das Amt sonst Gelder kürzt. Dementsprechend effektiv ist auch der Unterricht dort.


    Edit-: Einwand zurückgezogen, habe überlesen, dass kein HS9 vorliegt. Schade.

  • Hallo Jazzy,


    wir entlassen im kommenden Schuljahr zum ersten Mal LE-Schüler. Der Plan ist sie in eine berufsvorbereitende Maßnahme zu vermitteln und nicht an BKs. Hier (Stadt in NRW) wird dies auch von den Förderschulen aus angestrebt. Ich verstehe ich nicht ganz, warum du die SuS bereits nach der 9 vermitteln möchtest. Ich halte jedes Jahr für einen Gewinn.

  • Welchen Gewinn haben sie denn bei euch in diesem Jahr?


    Ich sehe bei vielen Schülern leider keinen Gewinn in einem weiteren Jahr Regelschule.

    Viele sind schulmüde und unmotiviert. Die AA an sie sind entweder viel zu schwierig oder nur eine ABM. Musste ich leider heute bei der Lernbetreuung erst wieder feststellen. Ein Mathearbeitsblatt über Körperberechnung war absolut unlösbar, da nicht mal die Namen der Körper bekannt sind noch andere Fachbegriffe (Umfang, Volumen, Fläche...). Es war ein AB, welches auch die Schüler ohne Förderstatus bearbeiten sollten. Dafür durfte in Deutsch eine fremde Bewerbung handschriftlich abgeschrieben werden. Beide Aufgabenstellungen waren von Sonderpädagogen gestellt worden, die diese Schüler in äußerer Differenzierung unterrichten. Im Fach Englisch können nicht mal die Aufgabenstellungen übersetzt werden. Außerdem sitzen sie natürlich in Fächern wie Physik und Chemie usw. und verstehen gar nix. Die Differenzierung dort? Sie müssen die Aufgaben nicht machen, dürfen es aber versuchen. In den knapp 3 Stunden, die ich sie wöchentlich betreue, haben sie deswegen meistens nichts zu tun.

  • Klingt aber auch ein bisschen arg planlos...


    Ich halte ein weiteres Schuljahr aber auch nicht für zielführend, das praktische Arbeiten mit Material und der Einblick in richtiges Berufsleben ist dann doch motivierender als noch weiteres Wiederholen von unverständlichen Sachverhalten in der Theorie.


    Edit: zeigt mir auch noch mal, dass man den Unterricht an der Förderschule schon viel berufsnäher, praktischer gestalten sollte...

  • @jazzy: ich glaube, wir arbeiten evtl. anders als bei euch an der Schule. Wir haben einen Schüler, den wir gerne nach der 9 vermitteln würde, weil er schulmüde ist. Der hat es aber auch in er BuS-Maßnahme nicht geschafft und es liegen viele soziale Schwierigkeiten vor. Eine Option, dass er bereits nach der 9 gehen kann, gibt es bisher leider nicht. (Bundesland NRW)

    Alle anderen 9er sind motiviert und lernwillig, sie werden aber auch zu 75% ihrer Unterrichtszeit begleitet bzw. haben Unterricht in einer Differenzierungsgruppe. Wir probieren sehr stark auf den Übergang hinzuarbeiten und die nötigen Qualifikationen zu vermitteln. Sie arbeiten in den Hauptfächern aktuell an Hauptschulmaterial (Ich arbeite in der Inklusion an einer Realschule) und haben so die Chance eventuell notwendige Inhalte zu erwerben.

  • Klingt aber auch ein bisschen arg planlos...


    Ich halte ein weiteres Schuljahr aber auch nicht für zielführend, das praktische Arbeiten mit Material und der Einblick in richtiges Berufsleben ist dann doch motivierender als noch weiteres Wiederholen von unverständlichen Sachverhalten in der Theorie.


    Edit: zeigt mir auch noch mal, dass man den Unterricht an der Förderschule schon viel berufsnäher, praktischer gestalten sollte...

    Ich weiß. Und das finde ich ja so furchtbar. Ich habe die Sonderpädagogen schon mehrfach angesprochen, dass die Schüler doch bitte passendes Material für die betreuten Lernzeiten erhalten sollen. Leider passiert da nichts.

  • @jazzy: ich glaube, wir arbeiten evtl. anders als bei euch an der Schule. Wir haben einen Schüler, den wir gerne nach der 9 vermitteln würde, weil er schulmüde ist. Der hat es aber auch in er BuS-Maßnahme nicht geschafft und es liegen viele soziale Schwierigkeiten vor. Eine Option, dass er bereits nach der 9 gehen kann, gibt es bisher leider nicht. (Bundesland NRW)

    Alle anderen 9er sind motiviert und lernwillig, sie werden aber auch zu 75% ihrer Unterrichtszeit begleitet bzw. haben Unterricht in einer Differenzierungsgruppe. Wir probieren sehr stark auf den Übergang hinzuarbeiten und die nötigen Qualifikationen zu vermitteln. Sie arbeiten in den Hauptfächern aktuell an Hauptschulmaterial (Ich arbeite in der Inklusion an einer Realschule) und haben so die Chance eventuell notwendige Inhalte zu erwerben.

    Interessant. Denn sie haben doch einen Lernerstatus, eben weil ihnen dieses Niveau zu schwierig ist. Sonst könnten sie doch den HA9 oder sogar HA10 erwerben. Ich habe in meinen Kursen hauptsächlich Schüler, die den HA anstreben. Die Lerner kommen an dieses Niveau nicht (annähernd) heran und benötigen natürlich differenziertes Material.

  • @jazzy: ich glaube, wir arbeiten evtl. anders als bei euch an der Schule. Wir haben einen Schüler, den wir gerne nach der 9 vermitteln würde, weil er schulmüde ist. Der hat es aber auch in er BuS-Maßnahme nicht geschafft und es liegen viele soziale Schwierigkeiten vor. Eine Option, dass er bereits nach der 9 gehen kann, gibt es bisher leider nicht. (Bundesland NRW)

    Alle anderen 9er sind motiviert und lernwillig, sie werden aber auch zu 75% ihrer Unterrichtszeit begleitet bzw. haben Unterricht in einer Differenzierungsgruppe. Wir probieren sehr stark auf den Übergang hinzuarbeiten und die nötigen Qualifikationen zu vermitteln. Sie arbeiten in den Hauptfächern aktuell an Hauptschulmaterial (Ich arbeite in der Inklusion an einer Realschule) und haben so die Chance eventuell notwendige Inhalte zu erwerben.

    Hat er nach der 9 eventuell 10 Schulbesuchsjahre voll? Dann könnte er ans BK. Es gibt ja viele FöSch, die mal wiederholt haben, bevor sie den Status bekommen haben.

    Schöne Grüße,
    dzeneriffa



    Am Ende wird alles gut! Wenn´s noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende =)

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