Marken der rechten Szene in Schulen verbieten?

  • Abgesehen davon, dass der Kleidungsstil der Rechtsradikalen sich in den letzten Jahren signifikant verändert hat und heute kaum noch von anderen Subkulturen zu unterscheiden ist, halte ich es generell für schwierig, in einem freiheitlichen Land wie Deutschland den SuS vorzuschreiben, welche Kleidung sich nicht tragen dürfen. Es ist auf jeden Fall ein gravierender Widerspruch zum sonstigen Erziehungsstil an den Schulen dieses Landes.


    Des Weiteren ist es mitnichten so, dass Thor Steinar auch schon früher nur von Rechtsradikalen getragen wurde. Vielmehr war Thor Steinar lange Jahre in den Ultraszenen der Fußballverein vertreten, bevor nach und nach ein Selbstreinigungsprozess einsetze. Dennoch wird Thor Steinar immer noch vor allem von dem gewaltbereiten Teil der Ultra-Gruppierungen getragen, ebenso wie andere Marken, die von der Threadstellerin angedeutet wurden. Früher nannten sich diese Menschen Hooligans. Hooligans sind aber keine Rechtsradikale. Ich empfehle hierzu einen Film, in dem Frodo auch mitspielt und sich einer Hooligan-Gruppierung von West Ham United anschließt. Ein sehr authentischer Film, ist aber nichts für schwache Nerven, da man meinen könnte, dass hier Gewalt z.T. verherrlicht wird (Am besten vorher die Frauenbeauftragte ansprechen und eine Petition ins Leben rufen). Sehr wichtiges Thema, sollte man mal vielleicht eine Projektwoche avisieren! Und verbieten!


    Die Pauschalisierung und Simplifizierung eines milieuspezifischen und zum Teil gesellschaftspolitischen Problems lässt sich meines Erachtens nicht auf das Tragen von Polo-Shirts reduzieren. Vielmehr muss hier der erziehende Unterricht Teil eines Wertekanons und damit integrativer Bestandteil abendländischen Denkens und Handelns sein, wie es schon die Philosophen, Dichter und Denker seit Jahrhunderten anstreben. Doch dies wird eben durch solch dumme wie populistische Aussagen, die hier getroffen wurden, torpediert.


    Denn sollte ein Kollegium wirklich auf die Idee kommen, die Bekleidungsmarke Thor Steinar in der Schule zu verbieten, dann geraten all diejenigen unter Generalverdacht, die Sneakers von New Balance, Polo-Shirts von Fred Perry oder Hemden von Ben Shermann tragen. Es gibt bei uns im Kollegium völlig unverdächtige Kolleginnen und Kollegen, die ganz selbstverständlich diese Marken tragen und nicht im Verdacht stehen, in irgendeiner Weise rechtsradikalen Gruppierungen anzugehören. Obwohl... vielleicht sollte man da mal genauer nachschauen...

  • Nuja nun, ich hätte jetzt wenig Schmerz damit, wenn man versehentlich statt einer Marke, die nahezu nur bei Rechten verboten ist, eine Marke verbietet, die bei Neonazis UND gewaltbereiten Fussballfans beliebt ist. Zumal es da häufig Schnittmengen gibt ;)


    Thor Steinar und Konsorten mit Marken wie New Balance, Fred Perry und Ben Shermann auf eine Stufe zu stellen, zeugt von Unkenntnis. (Du hast Londsdale ganz vergessen in deiner Aufzählung.)

  • Das Verbot führt doch nur zu Ausweichbewegungen auf andere Erkennungssymbole. Auch wiegt m.E. das Recht auf freie Entfaltung (Hier: durch Tragen nicht verfassungsfeindlicher Kleidung) höher als die Gefahr, Erkennungsmerkmal Gleichgesinnter zu sein. Aufgabe von Schule ist es doch vielmehr, mit Schülerinnen und Schülern Argumentationsmuster usw. von Radikalen zu entlarven und zu diskutieren, anstatt einfach mit Verboten zu reagieren.

  • Das Verbot führt doch nur zu Ausweichbewegungen auf andere Erkennungssymbole. Auch wiegt m.E. das Recht auf freie Entfaltung (Hier: durch Tragen nicht verfassungsfeindlicher Kleidung) höher als die Gefahr, Erkennungsmerkmal Gleichgesinnter zu sein. Aufgabe von Schule ist es doch vielmehr, mit Schülerinnen und Schülern Argumentationsmuster usw. von Radikalen zu entlarven und zu diskutieren, anstatt einfach mit Verboten zu reagieren.

    Kann man nicht das eine tun ohne das andere zu lassen? Wenn an einer Schule das Problem diskutiert wird, kann man davon ausgehen, dass es nicht um einen Einzelfall geht. Denkt an die üblen Geschichten von Schulen im Erzgebirge und wie Jugendliche dort schon auf Leute reagiert haben, die über Antisemitismus aufklären wollten. Da geht es irgendwann nicht mehr um einen verstandesmäßigen Zugang oder Überzeugungsarbeit, sondern schlicht darum zu signalisieren: "Wir dulden an dieser Einrichtung keine menschenfeindliche Gesinnung." Auch wenn sich die Brut vor allem auf Konzerten radikalisert und nicht weil Justin Lonsdale trägt. Das heißt nicht, dass ich Justin aufgebe, oder ihn ausschließe und nicht mehr mit ihm rede.


    Wer solche Schulen kennt weiß auch, dass Eltern mit Runen tätowiert daherkommen und mit 110kg Kampfgewicht verkünden, wer wem was zu sagen hat und wer in der Klasse per se schuldig ist, wenn ein Klebestift wegkommt. Manche Familien sind überhaupt nicht mehr zugänglich, trotzdem kann ich das nicht einfach dulden.

  • Da bin ich doch vollkommen bei dir: Solches Verhalten ist nicht zu dulden und muss thematisiert werden. Ein rechtlich fragwürdiges Verbot von Kleidung bestimmter Marken hilft aber letztlich nur dabei, die betreffenden Personen weniger sichtbar zu machen. Das hat für mich etwas von "Das Problem ist weg, weil ich es nicht mehr sofort sehe".

  • ...sondern schlicht darum zu signalisieren: "Wir dulden an dieser Einrichtung keine menschenfeindliche Gesinnung."

    Sorry, aber das ist m.E. Blödsinn. Du stellst ein Kriterium auf, was weder überprüfbar, noch durchsetzbar ist. Außerdem hat die Frage nach der Gesinnung aus unserer historischen Erfahrung heraus einen sehr schalen Beigeschmack.


    Was man allerdings nicht dulden muss, sind menschenfeindliche Handlungen. Und ja, Sprachhandlungen zählen auch dazu.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • An meiner Schule gibt es eine in meinen Augen gelungene Regelung, die besagt, dass Bekleidung, die eine politische Agenda transportiert, nicht geduldet wird. Egal, ob links oder rechts. Bisher sind wir damit gut gefahren.

  • An meiner Schule gibt es eine in meinen Augen gelungene Regelung, die besagt, dass Bekleidung, die eine politische Agenda transportiert, nicht geduldet wird. Egal, ob links oder rechts. Bisher sind wir damit gut gefahren.

    Und wo ist da die Grenze, was "geduldet" wird bzw. nicht mehr, zählen einschlägige Marken dazu oder nur Symbole, die sowieso verboten sind, (dann bräuchte man keine eigene Regelung). Und was heißt "nicht dulden"?

  • An meiner Schule gibt es eine in meinen Augen gelungene Regelung, die besagt, dass Bekleidung, die eine politische Agenda transportiert, nicht geduldet wird. Egal, ob links oder rechts. Bisher sind wir damit gut gefahren.

    Also wird ein Shirt mit #blacklivesmatter oder ähnlichem nicht geduldet. Es ist echt mittlerweile frech was sich Schule herausnehmen. Ich finde die Regelung überhaupt nicht gut.

  • Das ist ziemlich sicher unzulässig und verfassungswidrig. Bei Lehrern könnte man das aufgrund des Mäßigungsgebotes versuchen durchzuziehen, aber bei Schülern? Auf welcher Rechtsgrundlage soll die Meinungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingeschränkt werden?


    Was Thor Steinar angeht, gibt es ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit von Verboten in Parlamenten, das könnte man evtl. übertragen: Verfassungsrechtlicher Rahmen für spezifische Bekleidungsmarkenverbote in Hausordnungen von Parlaments- und Verwaltungsgebäuden

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Naja, die Herausforderung ist halt, dass es bei der Meinungsfreiheit in beide Richtungen gehen muss, denn sobald man sagt "Black Lives Matter ist OK.", muss man auch sagen, dass Thor Steinar und co. OK sind. Um zumindest einem Interessenkonflikt bei Lehrern aus dem Weg zu gehen, würde ich sagen, dass diese sich beruflich politisch neutral verhalten sollten - ob diese in ihrer Freizeit für Pegida oder Black Lives Matter auf die Straße gehen, ist dann eine andere Geschichte.

    • Offizieller Beitrag

    Lehramtsstudent - bitte bestätige einmal, dass du das Tragen von Thor Steiner Klamotten (was ja doch primär in der rechten Szene angesiedelt ist) und Pegida mit dem Hinweis darauf, dass das Leben von Schwarzen eine Rolle spielt, gleichsetzt.


    Oder habe ich dich da falsch verstanden?


    Kl.gr.Frosch, Moderator

  • Moralisch stimme ich PrimaBallerina durchaus zu, die Frage ist, ob du das auch juristisch begründet bekommst. @Lehramtsstudent: Lehrer müssen sich keinesfalls politisch neutral verhalten, sie dürfen nur nicht politisch werbend auftreten. Was unsere demokratischen Werte und Normen sind und warum man auf dieser Basis an der Grenze nicht auf Flüchtlinge schießen sollte u.ä. kann man Schüler durchaus vermitteln, auch wenn man dann vielleicht auf einer bösen Meldeplattform für alternative Faktenfans landet. ;)


    kleiner gruener frosch: BLM ist aktuell ja nicht nur in der "das Leben von Schwarzen spielt eine Rolle"-Szene unterwegs, sondern auch in der "wir bringen pro Tag mehr Leute zu Tode als die amerikanische Polizei"-Szene und der "wir machen auch Statuen von Leuten kaputt, die eindeutig gegen Sklaverei gewesen sind ("54th Massachusetts Regiment", Kościuszko, etc.)-Szene. Das kann man durchaus als strafbares Verhalten ansehen und kritisieren wollen.

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  • Es ging ja darum, ob politische Symbole in der Schule erlaubt sind - Thor Steinar ist, wie selbst von dir dargelegt, eine in der rechten Szene benutzte Marke, Black Lives Matter eine Forderung, die, wenn man sie zwingend ins politische Spektrum einordnen müsste, eher dem linken Teil zugeordnet werden kann. Und dann eben die Frage: Dürfen Lehrer beides tragen? Dürfen Schüler beides tragen?

    Inhaltlich haben beide natürlich nichts gemeinsam - und vlt. gibt es auch passendere Gegenbeispiele, sehe ich ein ("FCK AFD" und "FCK NZS" sieht man ja gelegentlich.).

  • Lehramtsstudent - bitte bestätige einmal, dass du das Tragen von Thor Steiner Klamotten (was ja doch primär in der rechten Szene angesiedelt ist) und Pegida mit dem Hinweis darauf, dass das Leben von Schwarzen eine Rolle spielt, gleichsetzt.


    Oder habe ich dich da falsch verstanden?

    Auch wenn das moralisch unstrittig ein ganz anderes Kaliber ist, so kann in beiden Fällen das Tragen der jeweiligen Kleidung als politisches Statement gesehen werden. Das Beispiel sollte doch nur aufzeigen, wie unsinnig ein Verbot des Tragens von Kleidung mit politischer Note ist, ganz abgesehen davon, dass ein solches Verbot vermutlich verfassungswidrig wäre.

  • Was Thor Steinar angeht, gibt es ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit von Verboten in Parlamenten, das könnte man evtl. übertragen: Verfassungsrechtlicher Rahmen für spezifische Bekleidungsmarkenverbote in Hausordnungen von Parlaments- und Verwaltungsgebäuden

    Dann gibst du die Antwort doch selbst, in dem Moment, wo eine extremistische Gesinnung (der Begriff wird dort ebenfalls benutzt) symbolisiert wird, ist der Hausfrieden (hier sogar der Begriff "Würde des Parlaments") gestört.


    Dass Thor Steinar da eine definierte Rolle einnimmt mag sein, dann müsste man dies eben für seine Hausordnung ebenso definieren, oder nicht?


    Wir haben keinen Sicherheitsdienst, der irgendwen vor die Tür setzen könnte. Es geht also m.M.n. nicht um ein Verfolgen mit Ordnungsmaßnahmen oder sowas, sondern um den Passus in der Hausordnung, das Gespräch mit Schulleitung, Eltern und Kind.

  • @samu : Du hast dir nicht die Mühe gemacht das Gutachten zu lesen, oder? Diese indirekte Lösung über den "Hausfrieden" funktioniert, aber die geht eben nicht nur nach rechts. Damit kannst du dann auch das Tragen von schwarzen Schuhen, Hosen und Pullovern mit Sonnenbrillen verbieten. Du kannst das aber eben nicht wirklich sauber für einzelne Marken machen i.S.v. "Das Tragen von Bekleidung der Marken Thor Steinar und Lonsdale ist im gesamten Schulgebäude untersagt."


    P.S.: Die Uni Greifswald wollte ja auch Thor Steinar loswerden und hat diese Lösung hier gewählt "Untersagt werden insbesondere die Verwendung von Kennzeichen mit verfassungswidrigen, rassistischen, fremdenfeindlichen, gewaltverherrlichenden oder anderen menschenverachtenden Inhalten. Ebenfalls untersagt werden Verhaltensweisen, die geeignet sind, diesbezügliche Missverständnisse hervorzurufen."

    Ist rechtlich auch umstritten (die einen sagen so (Bildungsministerium), die anderen sagen so (Juraprofessor aus Greifswald)), aber ist zumindest allgemein gehalten und ermöglicht das entsprechende Verbot (und es gibt keine Gerichtsentscheidung dagegen, also kann man das als Schule vielleicht als Vorbild nehmen).

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  • Dann gibst du die Antwort doch selbst, in dem Moment, wo eine extremistische Gesinnung (der Begriff wird dort ebenfalls benutzt) symbolisiert wird, ist der Hausfrieden (hier sogar der Begriff "Würde des Parlaments") gestört.


    Dass Thor Steinar da eine definierte Rolle einnimmt mag sein, dann müsste man dies eben für seine Hausordnung ebenso definieren, oder nicht?

    Das im Gutachten aufgeführte VG Gera hat da 2013 den Hinweis formuliert, dass das so pauschal selbst in Ratssitzungen nicht gilt. Es müsse jeweils am Einzelfall (also dem Tragen eines konkreten Einzelkleidungsstücks und nicht an der Marke insgesamt) abgewogen werden, ob eine erhebliche Störung davon ausgeht. Nur dann wäre eine Aufforderung zur Unterlassung zulässig.


    Es darf m.E. sehr bezweifelt werden, dass vom Tragen von Thor Steinar Kleidung einzelner Schüler eine erhebliche Störung der Schule ausgeht. Das mag anders aussehen, wenn sich z.B. darüber gezielt Leute auf dem Pausenhof zusammenrotten und Angst und Schrecken verbreiten. Ich denke da ein bisschen an "American History X".

    • Offizieller Beitrag

    Lehramtsstudent:

    Ja, es ist moralisch unstrittig ein ganz anderes Kaliber. Daher ist es

    1. erstklassiger Whataboutism

    2. ein schlechter Vergleich. BLM ist (trotz der derzeit teilweise schlechten Vereinnahmung) eine menschliche und demokratische Ausrichtung - im Gegensatz zu den Leuten, die üblicherweise Thor Steiner tragen und zu dem, was bei Pegida so vertreten wird.


    Sprich: natürlich sollte ein Lehrer dazu Stellung nehmen, dass das Leben der Schwarzen zählt. Darauf wurdest du vereidigt.


    Kl.gr.Frosch

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