Gespräch mit Eltern eines minderjährigen Schülers wegen 2. Mahnung / Tipps

  • Ich sage schon mal, dass die die vorgelegte Ausrede langweilig finde. Wer keine Lust habe, die Aufgaben zu machen, möchte sich doch bitte die Mühe geben, sich eine lustige Geschichte auszudenken.

    Ich habe einen Schüler, der gnadenlos ehrlich zu mir ist: "Frau Haubsi, ich hatte keinen Bock auf den Kram, zocken war wichtiger, ich sag', wie's ist."

  • Finde ich deutlich sympathischer.

    Ja, ich auch. Rechne ich dem auch immer hoch an. Und befrage ihn auch manchmal ehrlich zu seiner Stimmung. Meist ernüchternd. ("Dat hier is alles Mumpitz für mich. Liegt aber nicht an Ihnen, sondern an dem ganzen Lehrkram." "Aber warum hast du denn Wirtschaft als Schwerpunkt genommen, wenn es dich nicht interessiert?" "Weil mich nichts interessiert außer zocken - das gibt es aber nicht als Fach." "Aber Leon, das kannst du der doch nicht so sagen?" "Doch klar, ist doch so." Willkommen in meiner HBF.^^

  • Wenn man nicht ständig von Medien und Politik vermittelt bekommen würde, dass der Fachkräftemangel so gravierend sei, wenn nicht immer mehr Geschäfte ihre Öffnungszeiten aus Personalmangel einschränken würden, wenn die Wartezeit auf einen Handwerker nicht immer länger werden würde, man könnte fast lachen. Haubsi1975 , da du direkt an der Quelle sitzt: Ist deinen Schülern bewusst, dass gerade ein ganzes Land seine volle Hoffnung in diese zukünftigen Fachkräfte setzt?

  • Wenn man nicht ständig von Medien und Politik vermittelt bekommen würde, dass der Fachkräftemangel so gravierend sei, wenn nicht immer mehr Geschäfte ihre Öffnungszeiten aus Personalmangel einschränken würden, wenn die Wartezeit auf einen Handwerker nicht immer länger werden würde, man könnte fast lachen. Haubsi1975 , da du direkt an der Quelle sitzt: Ist deinen Schülern bewusst, dass gerade ein ganzes Land seine volle Hoffnung in diese zukünftigen Fachkräfte setzt?

    Wäre ja schön, wenn sie sich als ebenjene Fachkräfte sehen würden - aber denen schwebt eher ein duales Studium oder eine Ausbildung zum Industriekaufmann oder zur Industriekauffrau vor. Was Einzelne auch durchaus leisten können - aber das sind nur wenige... In den von dir beschriebenen Ausbildungsberufen sieht sich aber tatsächlich keiner...

  • Ist dir klar, dass das keine Azubis sind in der HBF?

    Wahrscheinlich nicht. Und die streben auch eher keine Ausbildung in den aufgezählten Ausbildungsberufen an: Auch wenn das realistischer und meist besser für sie wäre. Aber richtig arbeiten wollen die wenigsten.

  • Ich habe kurz nachgeschaut, wofür HBF steht (Die Abkürzung war mir nicht bekannt.). Es ist eine vollschulische Berufsqualifikation. Ich sehe da nicht unbedingt den großen Widerspruch zu meinem letzten Betrag.

    Nee, nicht vollschulisch. Die machen jetzt in der Oberstufe an 2 Tagen ein Praktikum. Aber eben überhaupt nicht in den von dir angesprochenen Bereichen, sondern im rein kaufmännischen Bereich. Nebenbei wollen die das Fachabi erwerben, ich schreibe es jetzt einfach mal. Es ist unglaublich, aber wahr.

  • Aber richtig arbeiten wollen die wenigsten.

    Das finde ich durchaus legitim. Kann man für sich so entscheiden. Dass wir allerdings unsere Zeit verschwenden mit Leuten, die weder an den Inhalten noch an den Abschlüssen Interesse haben, ist schon frustrierend. Da kann ich Haubsi1975 schon verstehen. In der Zeit könnten wir ja auch etwas sinnvolles machen.


    Man muss halt zusehen, dass man sich von dem Frust entkoppelt, damit er einen nicht krank macht.

  • ... es gibt das geflügelte Wort BF3.

    (Für nicht-BBSlerinnen: BF 1 und 2 ist für Hauptschülerinnen ohne Ausbildung, um 1. die Schulpflicht zu erfüllen, 2. die Berufsreife zu vertiefen und 3. die mittlere Reife nachzuholen.) HBF ist ja eigentlich eine sehr ambitionierte Schulform, die zu einem Assistentenabschluss und zur Allgemeinen Fachhochschulreife führt (vereinfacht ausgedrückt). Zu erwarten wäre, dass ambitionierte, leistungsfähige und lerninteressierte Jugendliche nach ihrem Realschulabschluss da auftauchen. Das Gegenteil ist leider häufig der Fall: Die HBF zieht zu einem großen Teil die an, denen die Bewerbung für eine Ausbildung zu anstrengend ist (und - O-Ton - echtes arbeiten auch) und die meinen, leistungslos für einen höheren Abschluss (Höhere Berufsfachschule) gemacht zu sein. Oder der Abschluss für sie. Aus diesem Grund nennen manche KuK die HBF BF3.


    Und dann mengt sich da zusammen, was Frau Haubsi beschreibt. Meine aktuelle 11. Klasse ist da zum Beispiel wirklich lieb aber in großen Teilen verpeilt, eingeschränkt leistungsbereit und nur in Maßen talentiert. Die Haltungen, die Frau Haubsi beschreibt, sehe ich auch bei mir, habe aber das Glück, dass sich die Überforderung und der mangelnde Leistungswille nicht in großen Konflikten entlädt.

    Aber ich (wir) versuche(n) sie halt einigermaßen zu orientieren und zu fördern, auch wenn statistisch in den letzten 10 Jahren beobachtet von denen, die beginnen, nur die Hälfte das Fachabi schaffen wird. Wenn dann eine(r) nach dem ersten Jahr abgeht und eine Ausbildung beginnt, ist das kein Scheitern sondern ein großer Schritt im Leben.


    Und noch ein paar anekdotische Beobachtungen: Wenn jemand von einem Gymi nach der 10. zu uns in die HBF kommt, kommt er/sie in der Regel locker durch bis zum Fachabi. Und wenn bayrische Realschüler und -innen bei uns landen: Genauso locker. ;)

  • Ich habe kurz nachgeschaut, wofür HBF steht (Die Abkürzung war mir nicht bekannt.). Es ist eine vollschulische Berufsqualifikation. Ich sehe da nicht unbedingt den großen Widerspruch zu meinem letzten Betrag.

    Es ist ein "Berufsqualifikation" und keine Berufsqualifikation ;)

    Außerhalb von KiTas (Sozialassistenten) sehe ich keine Unternehmen, die diese Quali anerkennen. Die Berufsqualifikation ist formal notwendig, um auf diesem Weg mit "nur" 26 Wochen Praktikum das Fachabi machen zu können. Wenn man die 12 im Gymi macht, braucht's doch 52 Wochen?

  • Das finde ich durchaus legitim. Kann man für sich so entscheiden. Dass wir allerdings unsere Zeit verschwenden mit Leuten, die weder an den Inhalten noch an den Abschlüssen Interesse haben, ist schon frustrierend. Da kann ich Haubsi1975 schon verstehen. In der Zeit könnten wir ja auch etwas sinnvolles machen.


    Man muss halt zusehen, dass man sich von dem Frust entkoppelt, damit er einen nicht krank macht.

    An dem Abschluss haben die ja schon ein Interesse, Fachabi liest sich gut und kommt auch bei Firmen gut an. Das wollen sie unbedingt haben. Und dabei eben möglichst wenig Stress. Das ist so die Zielsetzung würde ich sagen. Und ja, es ist teilweise echt Zeitverschwendung, wobei ich da versuche, mich auf die Leute, zu konzentrieren, die wirklich einen guten Abschluss machen wollen und mitmachen. Das sind aber von aktuell fast 20 in meiner Klasse realistisch 4 oder 5.

  • Haubsi1975 : Ich denke nicht, dass ich da etwas verwechselt habe, sondern eher die Azubis und deine HBF-Schüler in einen gemeinsamen Topf geworfen habe, nämlich verallgemeinert als dem Arbeitsmarkt möglichst bald zur Verfügung stehende Fachkräfte. Ob sie sich selbst als solche wahrnehmen, ob sie sich bewusst sind, dass gesellschaftliche Erwartungen auf ihnen liegen *, da bin ich mir jedoch nach deinen Beschreibungen unsicher.


    * Ja, ich gebe zu, dass man da vielleicht zwischen einem angehenden kaufmännischen Assistenten und einem angehenden Handwerksgesellen differenzieren sollte.

  • Man muss halt zusehen, dass man sich von dem Frust entkoppelt, damit er einen nicht krank macht.

    Die meisten Lehrer sind nur noch bereit, in der HBF zu arbeiten, wenn sie "als Ausgleich" z. B. Industriekaufleute kriegen. Natürlich kannst du auch das Pech haben, als Vertretungskraft an eine Schule zu kommen, da bekommst du kumuliert die HBF-Wirtschaft.:( Ich bin aber schon im 2. Jahr an der Schule und habe jetzt auch das berufliche Gymnasium und auch die Bürokaufleute.:)

  • Meine aktuelle 11. Klasse ist da zum Beispiel wirklich lieb aber in großen Teilen verpeilt, eingeschränkt leistungsbereit und nur in Maßen talentiert. Die Haltungen, die Frau Haubsi beschreibt, sehe ich auch bei mir, habe aber das Glück, dass sich die Überforderung und der mangelnde Leistungswille nicht in großen Konflikten entlädt.

    So war die HBF-Mediendesign in der Unterstufe auch, die ich unterrichtete letztes Jahr- damit hatte ich überhaupt kein Problem: Wenn sich die Überforderung und / oder der mangelnde Leistungswille darin äußern, dass die Klasse einfach eher ruhiger ist und du mit einigen wenigen Lernern den Unterricht machen kannst, dann passt das für mich. Einige konnte ich dann auch für's Marketing begeistern. Und insgesamt meinten die Lerner aus der jetzt Oberstufe, als ich letztens im Medienraum war sogar, sie würden mich vermissen. :)


    Wenn du aber wie ich jetzt in einer HBF-Wirtschaft bist, wo sich die Überforderung der SuS und der mangelnde Leistungswille hauptsächlich an der Lautstärke und den ständigen Konflikten im Klassenraum bemerkbar macht, dann ist das sehr sehr anstrengend. Mit einigen habe ich daher - weil ich ja auch Klassenleiterin bin - ein Gespräch unter 4 Augen geführt, ob sie sich das wirklich zumuten wollen. Ich meine, das kann denen ja eigentlich auch keinen Spaß machen. Aber nee, die wollen das versuchen - wohl auch, weil sie keine wirkliche Alternative sehen und eine abgebrochene HBF es ja tatsächlich auch nicht wirklich ist....

  • dass gesellschaftliche Erwartungen auf ihnen liegen *, da bin ich mir jedoch nach deinen Beschreibungen unsicher.

    Die können mit "Erwartungen, die auf ihnen liegen", rein gar nichts anfangen, glaube es mir. Die versuchen, bestmöglich ihr Bedürfnis nach einem möglichst chilligen Leben in der HBF weiter zu verwirklichen. Nicht alle, nochmal, ich will sie auch nicht alle über einen Kamm scheren. Aber viele. Die meisten eben. Und das sind zu viele. Und denen versuche ich eben jetzt klar zu machen, dass es nicht so chillig für sie wird, wie sie denken. Und dafür hassen mich manche, glaube ich.;)

  • Handwerk wäre für sie vermutlich auch keine Alternative, oder?

    Nein, die wollen meist in die Industrie. Dahin wollen aber auch die SuS aus dem beruflichen Gymnasium und sind da meist erfolgreicher. Handwerk ist in jedem Fall verbunden mit viel körperlicher Arbeit - das wollen die nicht. Ich hatte einen Schüler in der Unterstufe, der hat geschmissen und eine Ausbildunng beim Discounter angefangen. Da hat er sich aber auch nicht lange gehalten wohl - er konnte sich nicht an regelmäßige Zeiten und eine gewisse Frustrationstoleranz da gewöhnen.

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