Proteste in SH: Förderzentrum soll geschlossen werden

  • Ich wollte mit meinem Beitrag auch zum Ausdruck bringen, dass die Inklusion von lernzieldifferenten Kindern in einer ansonsten lernzielgleichen Klassen schon nicht bei einer Gruppengröße von 8-10 Schülern klappt. Das liegt dann aber nicht an der Klassengröße (die ist ja klein), der fehlenden Differenzierung (machen wir) oder dem fehlenden Personal (wir haben sogar in manchen Klassen Unterstützungspersonal).


    Es liegt einzig und allein an den sozial-emotionalen Folgen für die behinderten Kinder. In einer Klassengruppe, in der alle Kinder der Gruppe so mehrere Beeinträchtigungen haben, fällt man nicht mehr auf. Man ist nicht mehr besonders. Aber man ist auch nicht mehr ständig das Schlusslicht. Man muss nicht mehr etwas hinterher rennen, was alle anderen schaffen, aber man selbst nicht! Man muss sich nicht mehr verstecken oder anpassen. Man darf einfach sein.


    Es gibt übrigens einen Blog im Internet von einem Mädchen mit Down-Syndrom, welches eine inklusive Waldorf-Schule besucht. Ich lese diesen Blog schon seit Jahren. Je älter das Mädchen wird, desto öfter liest man, wie unglückliches sie oft ist. Sie fühlt sich nicht akzeptiert, nicht gesehen, eben einfach anders als alle anderen. Sie wird zu Geburtstagen eingeladen, hat Freundinnen in der Klasse und merkt doch jeden Tag, dass bei ihr viele Dinge doch anders sind. Oft weint sie abends im Bett heimlich oder wird vor lauter Frust über sich selbst extrem wütend. Die Schule hat ein tolles Konzept für die besonderen Kinder, aber es reicht scheinbar nicht aus.


    Dann brachte die Mama sie in einen Jugendtreff für geistig behinderte Jugendliche und das Mädchen blühte auf und man sah ihr an, wie sie sich plötzlich gänzlich unbefangen verhielt, einfach genau so wie sie war. Alle anderen waren genau so wie sie und ihre Mutter fühlte, wie die Last der Anpassung von ihr abfiel.

  • Hm, das klingt so, als ob es zwei Gruppen von Menschen gibt, nämlich Behinderte und Nichtbehinderte. Alle ohne Behinderung passen zusammen, alle mit einer Behinderung auch. So ist das natürlich nicht.


    Ich sehe schulische Inklusion allerdings auch nicht mehr so rosig wie vor einigen Jahren noch. Es liegt aber nicht daran, dass I-Kinder gemobbt würden, das sehe ich nicht. Allerdings sehe ich auch den Mehrwert nicht. Sie haben weniger Unterstützung, weniger passgenauen Unterricht und weniger spezialisierte Pädagog*innen.


    Vor allem aber ist es umgekehrt genauso verrückt zu denken, dass es an einer Regelschule für ein Kind mit Behinderung automatisch besser wäre, nur weil es mit anderen Kindern ohne Behinderung zusammen lernt. Als ob man diesem Kind nicht zumuten könne, mit anderen Kindern mit einer Behinderung zusammen zu lernen.


    Ich würde meine eigenen Kinder mit Förderbedarf jedenfalls lieber auf eine Förderschule schicken.


    Ach und kürzlich las ich einen Artikel einer alleinerziehenden US-Amerikanerin, die gesetzlich einen Anspruch auf einen Spezialkindergarten für ihren autistischen Sohn hätte, aber aus Kapazitätsgründen keinen hat. Folge: der Junge sitzt vormittags isoliert in einer Gruppe von Kindern ohne Behinderung und isst nicht, weil keiner Zeit hat, sich um ihn zu kümmern. Mittags muss er entsprechend abgeholt werden, weswegen die Frau nicht arbeiten kann. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als fachgerechte Betreuung für ihr Kind. Und da hab ich mich schon gefragt, warum die Sonderbeschulung zum Problem auserkoren wurde und nicht die mangelnde Inklusion in der Gesellschaft. Wenn Eltern behinderter Kinder selbst Angst vor anderen Kindern mit Behinderung und einem Förderschulzeugnis haben (müssen?) Dann stimmt doch was mit unserem Menschenbild nicht und nicht mit der Förderschule?

  • In meinen Augen gibt es nicht zwei Gruppen von Menschen, die Behinderten und die Nicht-Behinderten. Für mich gibt es ganz viele verschiedene Gruppen von Menschen.


    Seid ihr alle nicht auch lieber mit Menschen zusammen, die euch ähnlich sind, ähnliche Interessen haben, ähnliche Werte haben, euch gut verstehen können usw…? Ich bin unglaublich gern mit meinen Freunden aus meinem Musikverein zusammen. In einer Gruppe Extremsportler würde ich unglücklich werden, egal wie nett diese zu mir wären. Ich hätte auch keinerlei Spaß daran, diesen immer hinterher zu rennen. Da würde ich mich garantiert sportlich auch nicht verbessern, sondern wäre eher extrem frustriert. Und genauso fühlen meine kognitiv und körperlich eingeschränkten Schüler.

    Auch Auswanderer/Expats (völlig egal welcher Herkunft) oder Flüchtlinge/Migranten haben gerne Kontakt zu Menschen mit der gleichen Herkunft. Hier fühlen sie sich oft verstandener und müssen sich ggf. mal nicht anpassen (bitte nicht falsch verstehen!).

    Oft geschieht die Wahl der Freunde/Bekannten eher unbewusst, aber wenn wir alle mal ehrlich zu uns selbst sind, erfüllen unsere Freunde und Bekannte jeweils ganz spezifische Kriterien.

    Ich mag nicht mit jedem Menschen befreundet (aber bestimmt nicht wegen einer Behinderung!) sein und trotzdem bin ich in der Regel zu jedem höflich, freundlich und respektvoll.


    Wenn also nur ein geistig behindertes Kind in einer Klasse lernt, dann wird es irgendwann einsam werden. Während die Interessen und die Entwicklung in der Grundschule vielleicht noch nicht so eine große Rolle spielen, geht es spätestens in der Pubertät immer weiter auseinander. Da können die anderen Jugendlichen in der Klasse noch so respektvoll, freundlich und höflich sein, es wir sehr schwer werden eine wirklich enge und ehrliche Freundschaft zu finden und aufzubauen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Denn die anderen Kinder haben eine weit größere Auswahl an „passenden“ Kindern. Es liegt einfach in der Natur der Menschen, sich mit ähnlich tickenden Menschen zu umgeben.


    Wenn es also um eine positive gesamtgesellschaftliche Entwicklung geht, in dem jeder Schüler zu seinem Recht kommt, gibt es für mich nur noch zwei Wege. Entweder gibt es weiterhin ein mehrgliedriges Schulsystem, dann aber auch bitte mit Förderschulen für behinderte und hochbegabte Kinder oder ein Gesamtschulsystem mit einem strengen Kurssystem. Da aber nicht jede Schule einzelne Kurse für kleinere Gruppen anbieten kann, müsste es dann eben Schwerpunktschulen mit Kursangeboten für Kinder mit Lern- oder geistigen Beeinträchtigungen, Sinnesbeeinträchtigungen, Hochbegabungen usw… geben.

    Das Schulleben mit Feiern, Mittagessen, ggf. AGs findet dann eben gemeinsam statt. Dann sind die Kinder mit Förderbedarf eben sichtbar im Leben der Gesellschaft dabei und könnten trotzdem nach ihren Bedürfnissen lernen. Es bräuchte dann auch weit weniger Förderschullehrer als bei Einzelinklusion. Zusätzlich hätten ALLE Kinder einen größeren Pool, aus denen sie ihre Freundschaften wählen und aufbauen können. Den respektvollen Umgang miteinander müsste man dann innerhalb eines Gebäudes trotzdem noch genug lernen.

  • Zur Ergänzung, dass nur behinderte und nicht-behinderte Menschen zusammenpassen:


    In meiner Schule arbeiten mehrere hörgeschädigte Lehrer und obwohl wir alle gut miteinander auskommen, bevorzugen alle von ihnen in ihrer Freizeit überwiegend Aktivitäten mit anderen hörgeschädigten Menschen.


    Es gibt ja auch nicht DIE Behinderten. Aber seien wir doch mal ehrlich, wer von euch hat Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung in seinem Freundeskreis, also nicht nur als Mitglieder Familie oder als Geschwister von Freunden, sondern so richtig als eigene echte Freunde? Das ist doch unrealistisch.


    Auch behinderte Menschen wollen nicht automatisch mit jedem behinderten Menschen befreundet sein, nur weil man eben behindert ist. Sie wollen aber auch wählen können aus einer Gruppe Menschen mit ähnlichen Einstellungen, Interessen, Werten usw… Sie wollen echte Freundschaften finden.


    Zu hoffen, dass irgendwann jeder mit jedem befreundet ist, egal was die andere Person mitbringt, ist doch eine Utopie, die nie eintreten wird. Würde ich selbst heute bewusst eine Freundschaft mit einem stark kognitiv beeinträchtigten Menschen suchen, dann wäre das einfach nicht ehrlich und eigentlich nur für mein Gewissen gut. Und genauso läuft es auch in inklusiven Klassen. Es entstehen eben keine echten Freundschaften.

  • Das ist doch unrealistisch.

    Vielleicht haben es über Jahrzehnte viele Menschen auch gar nicht gelernt, sich anzufreunden oder überhaupt damit zu beschäftigen, weil Menschen mit Beeinträchtigungen immer in anderen Schulen waren, in anderen Betrieben arbeiten, in der Gesellschaft kaum sichtbar sind und man sie gar nicht kennenlernt.


    Das, was du erlebst, erlebe ich nicht und ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft sehr viel offener wäre für Menschen mit Behinderungen, die überall teilhaben könnten.


    Bei deinen Beiträgen frage ich mich, wie viele Spezial-Klassen und -Schulen du denn eröffnen möchtest.

    Wie weit sollen Schüler:innen denn fahren oder wie früh wegziehen, damit sie dann die Spezialklassen besuchen können?

    Ich halte deine Vorstellung ebenso für eine Utopie, ebenso wie die Vorstellung der Einzel-Inklusion oder durchgängigen Betreuung durch Förderschullehrkräfte von Schüler:innen mit Beeinträchtigung in Kleingruppen von 4-5 Personen.

  • Zu hoffen, dass irgendwann jeder mit jedem befreundet ist, egal was die andere Person mitbringt, ist doch eine Utopie, die nie eintreten wird.

    Aber dass alle Kinder mit Down-Syndrom dieselben Interessen haben uns alle mit einem IQ von 65 Freunde werden ist halt genauso verkürzt.


    Es entstehen eben keine echten Freundschaften.

    ... zwischen wem und wem genau?

  • Also ich kann jetzt nur für meine Förderschule sprechen, an der ich arbeite. Bei uns gibt es in einem Gebäudekomplex alle Bildungsgänge vom Kindergarten, der Grundschule, der Werkrealschule, der Realschule bis hin zu einer gymnasialen Oberstufe. Seit wenigen Jahren gibt es zusätzlich den Bildungsgang Lernen, für Kinder mit einer Hörschädigung und dem Förderbedarf Lernen.


    In der Realität heißt das aber, dass in den Förderklassen aber eigentlich alle Kinder sitzen, die den zielgleich Bildungsplan nicht erfüllen können. Die Gründe dafür sind vielfältig und haben oft erst sekundär zu Lernstörungen geführt.


    Unsere „Regelklassen“ haben maximal 11 Schüler. Gelegentlich werden die Lehrer durch Dolmetscher unterstützt. Vereinzelt gibt es auch Schüler mit einem I-Helfer (i.d.R. Autisten).


    Die „Spezialklassen“ haben wir ab Klasse 5, wenn die Schüler extrem große Sprach- und Lernrückstände haben, so dass ihr Unterricht eher wie an einer GENT-Schule aussieht oder ab Klasse 7, wenn es langsam in Richtung Prüfung geht. In den letzten Jahren mussten wir zunehmend merken, dass die zieldifferenten Kinder immer mehr hinten herunter fallen, je mehr es Richtung Abschluss geht. Außerdem kämpfen sehr viele dieser Kinder damit, dass sie (in ihren eigenen Augen) nie gut genug sind.


    Ich habe in diesem Schuljahr 4 Schüler, letztes Jahr waren es 7. Es sind immer frühkindliche Autisten, Lernstörungen bis hin zur geistigen Behinderung, psychische Probleme mit starken Auswirkungen auf die Lernfähigkeit und Körperbehinderungen mit Lernstörungen dabei. Allen meinem Kids ist dabei gemein, dass sie nie oder momentan keinen Hauptschulabschluss schaffen können. Ich muss und will sie gar nicht weiter separieren. Ich will nur keine zielgleichen Schüler dazu.


    Übrigens, ALLE meine Schüler und ihre Eltern sind sehr glücklich, seit sie in meiner Förderklasse sind und melden das auch zurück. Zwei Schüler waren vorher auch bei mir in einer gemischten Regelklasse mit Differenzierung. Sie sagen einstimmig, dass es jetzt einfach viel viel besser ist. Ob das also ausschließlich an meiner Unterrichtsqualität liegen kann?

  • Aber dass alle Kinder mit Down-Syndrom dieselben Interessen haben uns alle mit einem IQ von 65 Freunde werden ist halt genauso verkürzt.


    ... zwischen wem und wem genau?

    Aber genau das sage ich doch. Die beeinträchtigten Kinder wollen eben auch eine Auswahl haben, wen sie als Freunde haben wollen. Im inklusiven Setting mit wenigen ähnlichen Mitschülern, haben sie eben kaum eine Wahl. Sie finden sich immer zwangsweise zusammen.

    Aber dass, überspitzt gesagt, das Ärzte- Anwalts- oder Lehrerkind eine Freundschaft auf Augenhöhe mit dem inklusiven geistig behinderten oder auch nur lernbehinderten Kind führt, ist doch einfach eine Utopie. Das hat auch meiner Meinung nach nicht damit zu tun, ob diese Kinder sichtbar in der Mitte der Gesellschaft sind, sondern damit, dass wir Menschen uns einfach am liebsten mit uns ähnlichen Menschen umgeben.


    An meiner Schule gibt es mehr als 300 hörgeschädigte Schüler aller Art, auch mit zusätzlichen Beeinträchtigungen. Da ist die Chance, gleichgesinnte Freunde zu finden, die das eigene Leben nachvollziehen und verstehen können, eben doch größer.


    Ich habe in der Realität noch keine echte und ehrliche Freundschaft zwischen nicht kognitiv beeinträchtigten und kognitiv beeinträchtigen Menschen erlebt und schon gar keine Partnerschaft. Bei rein körperlichen Behinderungen sehe ich das anders und erlebe dies auch in meinem Umfeld sehr unproblematisch. Und unsere gehörlosen Schüler bewegen sich quasi ausschließlich in der „Gehörlosenwelt“.


    Ich bleibe dabei, dass Einzelinklusion oder Einzelintegration irgendwann einsam macht. Man kann eben trotz aller Konventionen niemanden zu Freundschaften und Partnerschaften zwingen, nur weil es so sein soll.


    Palim und Quittengelee: Führt ihr ehrliche Freundschaften auf Augenhöhe mit kognitiv beeinträchtigten Menschen?

  • Ich will nur keine zielgleichen Schüler dazu.

    Du meinst zieldifferente? Denn wenn du jetzt SuS hinzu bekämst, die den Hauptschulabschluss schaffen sollen, dann wäre deren Ziel doch different zu den Zielen deiner aktuellen SuS?

    dass, überspitzt gesagt, das Ärzte- Anwalts- oder Lehrerkind eine Freundschaft auf Augenhöhe mit dem inklusiven geistig behinderten oder auch nur lernbehinderten Kind führt

    Diese Gegenüberstellung finde ich trotz des "überspitzt gesagt" reichlich schräg. Auch ein Ärzte-, Anwalts- oder Lehrerkind kann eine geistige Behinderung oder eine Lernbehinderung haben.

    die Chance, gleichgesinnte Freunde zu finden, die das eigene Leben nachvollziehen und verstehen können

    Kann man das Leben anderer nur nachvollziehen und verstehen, wenn es dem eigenen ähnelt?

  • Es ist echt etwas holprig formuliert, natürlich hat geistige Behinderung auch nichts mit sozialer Herkunft zu tun. Wahrscheinlich meint Flixe es so, dass in einer Klasse mit 25 Gymnasiasten eine Jugendliche mit Down-Syndrom keinen Anschluss findet, weil die intellektuellen Unterschiede zu groß sind und die Gespräche nicht auf Augenhöhe stattfinden. M.a.W., die Mädelzgang zieht am Ende abends ohne das liebe Mädchen mit Down-Syndrom um die Häuser.


    Aber das sind ja alles Einzelbeispiele, die Schnittmenge zwischen Jugendlichen der Lernförder- und Hauptschule ist wesentlich größer. Natürlich entstehen da auch Freundschaften in der Inklusion. Eine Schulfreundin von mir ist auch wesentlich intelligenter als ich und sie gibt sich trotzdem immer wieder mit mir ab... Manches muss sie dann halt langsamer erklären^^ Wäre sie auf einer Hochbegabtenschule gewesen, hätten wir uns wohl leider nicht kennengelernt.

  • Führt ihr ehrliche Freundschaften auf Augenhöhe mit kognitiv beeinträchtigten Menschen?

    Einer meiner besten Freunde in der Jugend hatte am Ende unserer Kindergartenzeit einen schweren Autounfall, in dessen Abfolge deutliche kognitive Einschränkungen als Folge einer schweren Gehirnschädigung zurückblieben. Für mich hat das nie eine Rolle gespielt, er war mein bester Freund und ich mochte ihn so, wie er war, auch wenn ich erst lernen musste nach seinem Unfall, was er verloren hatte, um ihn anzunehmen, wie er dann eben war. Das Problem hatte er mit sich und in der Folge auch mit unserer Freundschaft, die er im Laufe der Pubertät deshalb aufgegeben hat. Sein Selbstbild sah so aus, dass er „nur“ einen Hauptschulabschluss schaffen könne und viel dümmer wäre als ich, weshalb es gar nicht möglich wäre, dass ich mit ihm eine Freundschaft auf Augenhöhe führen wolle. Ich habe ihn nie so gesehen und das immer bedauert, weil er mir wirklich wichtig war genau so, wie er war und ich ihn auch einfach so annehmen und wertschätzen konnte. Ich bin bis heute der Überzeugung, dass sein Selbstbild bedeutend besser gewesen wäre, wenn ihm nicht immer wieder von außen vermittelt worden wäre, dass Menschen verschiedener kognitiver Potentiale nicht miteinander befreundet sein könnten, sondern in verschiedene Welten gehörten, womöglich wären wir dann immer noch befreundet.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Eine Schulfreundin von mir ist auch wesentlich intelligenter als ich und sie gibt sich trotzdem immer wieder mit mir ab... Manches muss sie dann halt langsamer erklären ^^ Wäre sie auf einer Hochbegabtenschule gewesen, hätten wir uns wohl leider nicht kennengelernt.

    Daran habe ich auch gedacht, auch die HBG-Menschen schaffen es, mit den weniger Begabten umzugehen, ich verstehe nicht, warum andere Menschen das nicht schaffen und lernen können sollten.

    Zudem würde ich mir generell eine andere Einstellung anderen gegenüber wünschen, denn mit der ständigen Ausgrenzung sucht man in jeder Gruppe wieder jemanden, die oder den man ausgrenzen kann. Warum geht es nicht so, dass man das Gemeinsame sieht und sich um die Gemeinschaft kümmert?

  • Führt ihr ehrliche Freundschaften auf Augenhöhe mit kognitiv beeinträchtigten Menschen?

    Ich bin zwar weder Palim noch Quittengelee, antworte aber ehrlich mit nein und kann ich mir auch nicht vorstellen. Ich kann den Wunsch nach Utopie durchaus nachvollziehen, bin bei dem Thema aber oftmals auch irritiert über die Vorstellung, wie angeblich homogen der Intellekt an weiterführenden Schulen verteilt ist. Wenn ich Zahlen nennen sollte, schätze ich, dass ich ein Spektrum von IQ 90 bis 130 unterrichte. Natürlich pflegen unsere Jugendlichen Freundschaften über die Abteilungen, die reden doch die meiste Zeit übers Handballtraining, TikTok und die nächsten Parties am Wochenende. Das erfordert keinen überdurchschnittlichen Intellekt. Allerdings muss man sich doch mal klar machen, dass der alltagsrelevante Unterschied zwischen IQ 65 und 90 sehr viel grösser ist als zwischen 90 und 130. Die 130 beanspruchen die Fraglichen in der Regel nicht in alltagsrelevanten Situationen. Ich erlebe am Gymnasium die deutlich überdurchschnittlich Begabten oftmals sehr sozialkompetent. Die wissen ganz genau, mit wem sie wie reden können. Dass so jemand aber dauerhaft keine Lust auf Leute hat, mit denen über seichtes TikTok-Blabla hinaus praktisch gar nicht viel mehr möglich ist, kann ich mehr als nachvollziehen. Ich bekomme hin und wieder schon ne Krise, wenn ich den Gesprächen der Jugendlichen vom benachbarten Zentrum für Brückenangebote lausche. Ich hätte ehrlich Mühe, die zu unterrichten. Ich glaube, wir fahren hier mit den zwei grundsätzlichen "Haufen", Berufsbildung auf der einen und Mittelschulen auf der anderen Seite, schon ganz gut. Jeder Haufen für sich ist relativ breit, aber die Maxima sind halt ein paar Punkte verschoben. Ich halte es nicht für beliebig sinvoll, die beiden Mengen zwanghaft zu vereinen.

  • Daran habe ich auch gedacht, auch die HBG-Menschen schaffen es, mit den weniger Begabten umzugehen, ich verstehe nicht, warum andere Menschen das nicht schaffen und lernen können sollten.

    Umgehen und befreundet sein sind doch leicht unterschiedlich. Zudem geht es hier herade eher darum, dass Förderschulen für die Schüler, die sie besuchen besser sind, als eine erzwungene Regelbeschulung ohne Förderung.

    Zitat

    Zudem würde ich mir generell eine andere Einstellung anderen gegenüber wünschen, denn mit der ständigen Ausgrenzung sucht man in jeder Gruppe wieder jemanden, die oder den man ausgrenzen kann. Warum geht es nicht so, dass man das Gemeinsame sieht und sich um die Gemeinschaft kümmert?

    Gruppenbildung ist menschlich, warum willst du das unterbinden? Innerhalb von Gruppen kümmern sich Menschen in der Regel auch um die Gemeinschaft. Da Menschen aber nur begrenze Lebenszeit, emotionale und kognitive Kapazitäten haben, müssen sie auswählen um wen sie sich in welcher Form kümmern wollen. Das können nicht alle sein. Deshalb ist niemand mit allen Menschen bspw. seiner Schulklasse oder des Kollegiums befreundet.

  • Zudem geht es hier herade eher darum, dass Förderschulen für die Schüler, die sie besuchen besser sind, als eine erzwungene Regelbeschulung ohne Förderung.

    Eine erzwungene Förderschul-Beschulung ohne angemessen Förderung ist auch nicht vergleichbar mit einer gut ausgestatteten Inklusion.

    Deshalb ist niemand mit allen Menschen bspw. seiner Schulklasse oder des Kollegiums befreundet.

    Nein, aber man ist auch nicht allein mit Menschen befreundet, die den gleichen IQ haben, die gleiche Sportlichkeit und Musikalität an den Tag legen, die gleiche emotionale Intelligenz zeigen, den gleichen Käse essen oder die gleichen Pullover tragen.

    Und gerade weil eine Schulklasse zusammengewürfelt ist, kann man sich dort mit den anderen Schüler:innen arrangieren - Abwertung und Mobbing sollte ausgeschlossen sein, generell, auch wenn man es nicht an sich verbieten kann.

  • Eine erzwungene Förderschul-Beschulung ohne angemessen Förderung ist auch nicht vergleichbar mit einer gut ausgestatteten Inklusion.

    Sind Förderschulen wirklich schlecht ausgestattet? Wäre mir neu. Inklusion hingegen ist, jedenfalls bei uns, gar nicht ausgestattet.

  • Förderschulen mit Lehrkräftemangel, die dann Quereinsteigende und anderes Personal in den Unterricht stellen oder Klassen zusammenlegen müssen, halte ich nicht für gut ausgestattet. So war es aber jahrelang schon vor der Inklusion. Die Förderschulen vor Ort suchen Lehrkräfte, es gibt Abordnungen an die FöS GE auch in unserer Region, andere haben es aus anderen BL hier schon geschrieben.

    Auch vor der Inklusion hatten diese Kinder und diese Eltern keine Lobby. Vielleicht fällt es jetzt mit schlecht ausgestatteter Inklusion einfach weit mehr auf, dass bei der Förderung gespart wird.

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