Ist unser Bildungssystem jungenfeindlich?

  • Ich habe das jetzt nicht alles gelesen, aber wenn - ich sage mal die Lehrpläne - jungenfeindlich sein sollten, dann ist das nichts Neues. In all den Jahren als Lehrerin habe ich immer bewusst Jungsthemen eingebaut (in Sachkunde können wir teilweise auswählen) oder auch Angebote gemacht, Freiarbeitsmaterial bereitgestellt, von dem ich dachte, es spricht Jungs mehr an. In der Grundschule können wir das bissel steuern, also wir haben es eigentlich auch in der Hand, darauf zu achten, dass alle Kinder bei der Stange bleiben. Auch in all den Bereichen, die unter Schulleben fallen, hat man bei uns freie Hand. Ich hatte im letzten Durchgang eine sehr jungslastige Klasse und die Mädels haben sowieso gerne alles mitgemacht. In der GS sind wir meist Frauen und wir sollten die Jungs nicht vergessen.

    Was sind "Jungsthemen" und welches Material spricht deiner Ansicht nach Jungen mehr an und warum?


    Ich glaube nicht, dass es reicht, sich vorzunehmen, Jungen nicht zu vergessen. Ich bin nunmal weiblich, bereits mein Leben lang, ich kann nie ein anderes Rollenvorbild sein als für mein eigenes Geschlecht. Allerdings halte ich das auch nicht für zwingend notwendig, ich unterrichte bloß und ersetze keine davongelaufenen Elternteile.

  • Allerdings haben sie sich dann gleich wieder in der Pause bei der Pausenaufsicht Ärger eingehandelt, weil sie es im Sommer auf dem Pausenhof ausprobiert haben.

    :lach:


    Sehr gut. Wir hatten mal zwei Frauen, die mit zwei Bleistiften eine Mikrowelle zum Brennen gebracht haben. Die Schulleitung war mässig amüsiert, wir Chemiker*innen hatten unsere liebe Note damit, das Experiment überhaupt erfolgreich nachzustellen.

  • Mit einer Lupe Feuer entfachen haben wir als Kinder auch gemacht, das ist doch kein explizit männliches Interesse/Verhalten. Wenn man meint, irgendwas extra für Jungen oder Mädchen anbieten zu müssen, sitzt man den Klischees selbst am meisten auf, fürchte ich. Wenn es "typisch männliches" Verhalten gibt, (welches wäre das?) dann kann man es sich nicht einfach ausdenken und nachahmen.

  • Das hat mich Fachwissen in der Chemie nichts zu tun sondern mit Sicherheit am Arbeitsplatz.

    Naja... Arbeitsschutzmaßnahmen sind ja durchaus sehr fachspezifisch. Insofern würde ich das schon unter die Fachkompetenz zählen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Der Lehrplan tut es aber nicht, habe ich zitiert.


    Es gibt hierbei durchaus noch die Variante, explizites Fachwissen mit einzubeziehen, soweit komme ich in der Regel aber an der Maturabteilung nur im Schwerpunktfach und an der FSM im Berufsfeld Gesundheit/Naturwissenschaften. Die SuS lernen dann selbständig abzuschätzen, welche Arbeitsschutzmassnahmen überhaupt erforderlich sind. Per Default gilt einfach "alles und immer". SPF Chemie und BF GN steht bei der photometrischen Bestimmung eines Lebensmittelfarbstoffes in Gummibären hingegen auch schon mal in kurzen Hosen und ohne Schutzbrille im Labor, weil es gar nicht nötig ist. Von denen erwarte ich aber den Switch zu Synthese von Schiessbaumwolle und Umgang mit konzentrierter Nitriersäure. Der Unterschied zwischen Sozial- und Fachkompetenz ist hier sehr eindeutig.

  • Mit einer Lupe Feuer entfachen haben wir als Kinder auch gemacht, das ist doch kein explizit männliches Interesse/Verhalten. Wenn man meint, irgendwas extra für Jungen oder Mädchen anbieten zu müssen, sitzt man den Klischees selbst am meisten auf, fürchte ich. Wenn es "typisch männliches" Verhalten gibt, (welches wäre das?) dann kann man es sich nicht einfach ausdenken und nachahmen.

    Hat niemand gesagt, dass da nur Jungs dabei waren.

  • ....ich habe das jetzt nicht alles gelesen, aber wenn - ich sage mal die Lehrpläne - jungenfeindlich sein sollten, dann ist das nichts Neues. In all den Jahren als Lehrerin habe ich immer bewusst Jungsthemen eingebaut (in Sachkunde können wir teilweise auswählen) oder auch Angebote gemacht...

    Für Sachkunde 3/4 kann ich es für Bayern jetzt nicht so bestätigen. Elektrizität, was du erwähnt hast, ist für uns Pflicht und sowohl die Jungs als auch die Mädchen haben mit Interesse die Materialien aus den alten CVK- Kästen genutzt, wo sie herumschrauben können. Feuer inklusive Feuerwehr (die wir besuchen), Brücken (Konstruktionen), Türme, technische Konstruktionen (Wie funktioniert...), Wasser und Wetter, das Auge mit den optischen Sachen sind jetzt auch keine typischen Mädchenthemen. Wald ist ein großes Thema, dann gibt es auch noch geschichtliche Sachen. Ich erinnere an Ritter und Burgen oder die Römer. Ich habe es regionalgeschichtich aufgezogen. Gemeinde und anfängliche Kartenkunde machen wir auch. Gerade in Sachkunde kann ich nicht sagen, dass es dort viele sg. mädchenlastige Themen gibt. Eher in die andere Richtung, wenn man einmal typisch stereotyp denkt. Vielleicht hat Ba-Wü andere Schwerpunkte.

  • Hat niemand gesagt, dass da nur Jungs dabei waren.

    Und? Ich denke, du hast nicht verstanden, was ich sagen wollte. Die Vorstellung, Elektrizität und Feuer würde nur Jungs interessieren, halte ich für klischeehaft. Und wenn man davon ausgeht, es sollte so viele Männer wie Frauen geben an Grundschulen und in Kindergärten, damit auch männliche Vorbilder erziehen und bilden, dann könnte man sich bis das soweit ist überlegen, was genau Kindern entgeht, wenn sie ausschließlich von Frauen erzogen und unterrichtet werden. Dass Männer mal was mit Strom oder Feuer machen ist es wohl eher nicht, die Antwort ist komplexer, würde ich meinen. Wenn Männer etwas grundsätzlich anders machen als Frauen (was ich nicht weiß, ich bin keine Soziologin), dann glaube ich kaum, dass ich das mal eben genauso machen kann, damit das männliche Vorbild ersetzt wird. Ich bin kein Mann.

  • Man stelle sich die Diskussion mal unter umgekehrten Vorzeichen vor.

    Ich weiß nicht genau, was du hier mit „Vorzeichen“ meinst. Deshalb kann ich mir gar nichts so recht vorstellen. Könntest du etwas ausführen, was du so meinst? Und, was du dir da so vorstellst?

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Davon würde ich sehr stark ausgehen. Mir haben in den Stufen 1-6 schon gefühlt 1000 Mädchen gesagt, sie würden gerne mal (Grundschul-)Lehrerin werden. Das wächst sich bei den meisten raus. Von einem Jungen habe ich noch nie gehört, er wolle Lehrer werden, in keiner Jahrgangsstufe. Das kann man beklagen oder nicht, aber auffällig ist es schon.

  • Von einem Jungen habe ich noch nie gehört, er wolle Lehrer werden, in keiner Jahrgangsstufe. Das kann man beklagen oder nicht, aber auffällig ist es schon.

    Hm. Und trotzdem gibt es männliche Lehrerinnen. Irgendwann müssen sich ja auch die für den Beruf entschieden haben.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

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