Faktorisierung. Was haltet ihr davon?

  • ein anspruchsvolles Studium

    Du hast ja nun den Komparativ nicht verwendet, aber irgendwie steckt er im Subtext ja doch drin.

    Die Sache mit dem Anspruch ist so eine Sache. Ich habe als studierter Sprachler immer auch Interesse an Physik gehabt, war in Mathe in der Schule ziemlich gut. Hätte ich Mathe/Physik studieren können? Keine Ahnung, meine Mathelehrer hat es mir damals empfohlen. Ob ich es geschafft hätte, werden wir nie wissen. Ein Chemiestudium hätte ich nie gepackt.

    Ich kenne Texte verschiedener Art von Naturwissenschaftlern, die mich daran zweifeln lassen, dass sie ein sprachliches Studium geschafft hätten. Ich kenne einen Diplom-Physiker, der für den Wechsel ins Lehramt ein geisteswissenschftliches Fach nachstudiert hat und daran beinahe gescheitert wäre.

    Ich kenne Sprachler, die keinerlei, also wirklich keinerlei Abstraktionsniveau haben.

    Langer Rede kurzer Sinn: Ich halte den akadamischen Schw*nzvergleich im Sinne von "mein Studium war aber so viel schwerer als deins" für völligen Unsinn.

    Was zweifelsohne stimmt ist die Tatsache, dass mich mit meinem Germanistik/Anglistik Studium vermutlich niemand mit Begeisterung eingestellt hätte. Dass ist bei MINTlern sicherlich anders. Aber dann frage ich mich, warum die nicht alle in den hoch dotierten Jobs gelandet sind. Und gilt da dann diesses unsägliche Zitat "hätte man vorher wissen können" plötzlich nicht?

    Und nochmal: Woher kommt denn diese Gewissheit, dass MINT-Lehrer nach einer ordentlich durchgeführten Faktorisierung mehr unterrichten müssten, wenn sie doch an anderer Stelle so hohen Zeitaufwand haben?

  • Der Frust, dass man ein anspruchsvolles Studium durchgemacht hat, um mit dem selben Gehalt abgespeist zu werden. Und dann soll man auch noch mehr unterrichten? Falls das kommt, braucht sich nun wirklich keiner mehr zu wundern, dass niemand Mathe, Physik, Chemie, Informatik unterrichten möchte.

    Und ja, das hier wird jetzt Downvotes Verwirrend-Reaktionen regnen. Bring it on.

    Ich glaube mittlerweile überhaupt nicht, dass eine Mathekorrektur weniger intensiv ist als eine Korrektur in den Geisteswissenschaften. Die Belastung hängt mit anderen Dingen zusammen, siehe oben meinen Beitrag. Wie arbeitsintensiv eine Mathekorrektur ist, hängt sicherlich von der Schulart, Klassenstufe und Teilnehmerzahl ab. Eine Faktorisierung könnte dabei helfen, dass diejenigen, die ständig das Matheabi korrigieren müssen, auch etwas Entlastung bekommen. Es von den Fächern abhängig zu machen, halte ich für fatal. Eine Oberstufenklausur ist mit Vorbereitung, Erwartungshorizont, Korrektur und ordentlichen Besprechung in jedem Fach eine Menge Arbeit.

  • Langer Rede kurzer Sinn: Ich halte den akadamischen Schw*nzvergleich im Sinne von "mein Studium war aber so viel schwerer als deins" für völligen Unsinn.

    Keine Ahnung, ich kann nur berichten, was ich an der Uni gesehen habe. Meine ersten richtigen Ferien hatte ich als Lehrer. In den Semesterferien waren entweder (aufwendige Praktika) oder es standen Prüfungen an, für die man Wochen und Monate lernen musste. Innerhalb des Semesters musste man ebenfalls wöchentlich die Übungen abgeben. Die Studierenden anderer Fächer waren damit überfordert ab und an mal eine Hausarbeit zu schreiben, wo im Wesentlichen Quellen aneinander gereiht wurden. Aber ich möchte es nicht noch weiter vertiefen.

  • Was zweifelsohne stimmt ist die Tatsache, dass mich mit meinem Germanistik/Anglistik Studium vermutlich niemand mit Begeisterung eingestellt hätte. Dass ist bei MINTlern sicherlich anders. Aber dann frage ich mich, warum die nicht alle in den hoch dotierten Jobs gelandet sind. Und gilt da dann diesses unsägliche Zitat "hätte man vorher wissen können" plötzlich nicht?

    Ich habe tatsächlich mit Anfang 20 nicht antizipiert, welche massiven Nachteile der Lehrerberuf mit sich bringt. Diese Unflexibilität, das nicht mögliche Home Office etc. Das ist mir durch die Corona-Zeit erst wirklich aufgefallen. Nochmal würde ich den Weg nicht gehen. Aktuell bin ich aber schulformbedingt trotzdem beruflich zufrieden. An einem Regelgymnasium wäre ich das vermutlich nicht.

    Und nochmal: Woher kommt denn diese Gewissheit, dass MINT-Lehrer nach einer ordentlich durchgeführten Faktorisierung mehr unterrichten müssten, wenn sie doch an anderer Stelle so hohen Zeitaufwand haben?

    Weil man Sorge hat, dass überlastete Kollegen anderer Fächer so viel Rumjammern, dass gesagt wird "ok, ihr macht weniger". Meistens sind diese Kollegen aber auch unglaublich ineffizient und viele Probleme sind hausgemacht. MINT-Kollegen sind im Schnitt pragmatischer angelegt.

  • Ich glaube, das ist teilweise auch sehr abhängig vom Studienorte gewesen.

    Natürlich muss jeder Physikstudent Praktika machen, allerdings gab es bei uns keine harten Klausuren. Es gab die wöchentlichen Aufgabenzettel und ein- oder zweimal im Semester eine Präsenzübung während der Vorlesungszeit, in der man mit 20% richtigen Lösungen zeigen musste, dass man zumindest ein bisschen etwas selbst kann und nicht alle Zettel abgeschrieben hat.

    Das erste Staatsexamen bestand dann aus mündlichen Prüfungen.

    Viele Freunde mit anderen Studienfächern hatten entweder ständig Hausarbeiten zu erledigen oder auf schriftliche Prüfungen zu lernen.

  • Bin da eher gegen:

    Sprachliche Fächer haben eine künstlich aufgeblähte Korrektur und ineffizienz.

    Diese sollte man zuerst abbauen, entweder mit den Fachschaften oder in Eigenregie (zweites geht natürlich bei Bildungsgängen unter strenger Beobachtung nicht).

    Sprachliche Fächer haben in der Regel nicht starke Innovation/ Inhaltsänderung, die permanente Fachfortbildung in Eigenregie erfordert. In der Schule gibt es keinen anderen, der vom spezifischen fachlichen Inhalt etwas versteht.

    Wie viele Sprachen unterrichtest du selbst, um das valide beurteilen zu können, was in sprachlichen Fächern wie effizient oder ineffizient gestaltet wird, wie innovativ trotz zahlreicher starrer Vorgaben zur Konzeption von Klassenarbeiten (die dann die Korrekturen „aufblähen“) Leistungsmessung teilweise erfolgt, welche Fortbildungen in Fachdidaktik in welcher Häufigkeit sinnvoll sind oder auch schlicht, was in Fremdsprachen zum Erhalt der Sprache investiert werden muss (der Teil natürlich in Eigenregie und kontinuierlich)?

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Die Studierenden anderer Fächer waren damit überfordert ab und an mal eine Hausarbeit zu schreiben, wo im Wesentlichen Quellen aneinander gereiht wurden.

    Ja, das ist halt - in dieser Formulierung - eine Wahrnehmung von außen, die zeigt, dass man in geisteswissenschaftliches Arbeiten nie echten Einblick bekommen hat. Wie denn auch, man ist ja mit seinem eigenen Studium beschäftigt.

    Aber die Formulierung "im Wesentlichen Quellen aneinander gereiht" ist in etwa so, wie wenn ich schreiben würde "Die MINT Studenten waren schon damit überfordert, nach vorgebener Anleitung irgendwelche Technikspielchen zu machen oder Flüssigkeiten zu vermischen."

    Von außen sieht halt alles immer irgendwie anders aus.

  • Ich glaube, das ist teilweise auch sehr abhängig vom Studienorte gewesen.

    Natürlich muss jeder Physikstudent Praktika machen, allerdings gab es bei uns keine harten Klausuren.

    Ich war bereits im Ba/Ma-System und aufgrund dessen wurden alle Prüfungsleistungen in mündliche Prüfungen umgewandelt statt, dass schlecht ausfallende Klausuren genommen wurden.

    Nun war der Vorteil dieser mündlichen Prüfungen, dass sie weniger hart als Klausuren waren, die Vorbereitung aber deutlich aufwendiger war, weil echt jeder Furz gefragt werden konnte. Da musste man mehr Beweise und co wirklich im Kopf haben als es in den meisten Klausuren nötig gewesen wäre.

  • Der Frust, dass man ein anspruchsvolles Studium durchgemacht hat, um mit dem selben Gehalt abgespeist zu werden. Und dann soll man auch noch mehr unterrichten? Falls das kommt, braucht sich nun wirklich keiner mehr zu wundern, dass niemand Mathe, Physik, Chemie, Informatik unterrichten möchte.

    Und ja, das hier wird jetzt Downvotes Verwirrend-Reaktionen regnen. Bring it on.

    Nicht nur die MINT- Lehrkräfte haben ein anspruchsvolles Studium absolviert… Etwas weniger „ich ich ich“ und sich direkt übervorteilt fühlen wäre der inhaltlichen Auseinandersetzung dienlich.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Die Studierenden anderer Fächer waren damit überfordert ab und an mal eine Hausarbeit zu schreiben, wo im Wesentlichen Quellen aneinander gereiht wurden. Aber ich möchte es nicht noch weiter vertiefen.

    Verflixt, irgendwie sind bei den vier Fächern, die ich an Uni und PH abgeschlossen habe einfach nicht diese magischen „im Wesentlichen Quellen aneinanderreihen“- Hausarbeiten dabei gewesen. Dabei habe ich wirklich sehr viele Hausarbeiten schreiben müssen, in Politikwissenschaft gab es die nämlich in jedem einzelnen Seminar.

    Wenn man keine fundierte Ahnung hat vom Studium oder Unterricht eines Faches sollte man sich etwas mehr zurückhalten bei der Bewertung des Aufwand, den diese jeweils erfordern. Weniger meinen, dafür mehr wissen hilft an der Stelle durchaus.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Zitat

    Die Abbruchquote im universitären Bachelorstudium fällt in den Geisteswissenschaften sowie in Mathematik und Naturwissenschaften besonders hoch aus: Die Hälfte der Studierenden gab hier vorzeitig auf. Besser schlugen sich die Studierenden in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Hier brachen nur 21 Prozent ab. In Lehramtsstudiengängen brachte sogar nur jede oder jeder Zehnte das Bachelorstudium nicht zu Ende.

    Jetzt ist natürlich die Frage, wie man das mit MINT und dem Vergleich zum "Lehramt" beurteilt.

  • Man könnte doch einfach so an die Sache herrangehen.

    Da jeder von uns in der Regel zwei Fächer studiert hat und diese auch in der Regel in der Schule bedient, kennt man sich in diesen Bereichen - zumindest in der Theorie aus. Und da setzt meine Idee an.

    Wir setzen nur unsere unterrichteten Fächer in Beziehung.

    Bspw. Sag ich der Arbeitsaufwand von Mathe und Informatik ist etwa 1:2. Sprich eine Mathestunde dauert in der Regel doppelt so lange vorzubereiten als eine Informatik Stunde.

    Der Deutsch/Geschichte-Kollege sagt Deutsch zu Geschichte verhält sich 1:3 usw.

    Wenn man das ganze im großen Stil sammelt bekommt man ein Bild welche Fächer "arbeitsitensiver" sind als andere. Danach kann man dann eine Art Ranking aufstellen und die Fächer entsprechend entlassten. Der große Vorteil ist, dass sich keiner über Fächer auslassen kann, von denen er selbst keine Ahnung hat.

  • Man kann MINT auch auf Lehramt studieren. Ich verstehe deine Bemerkung nicht.

    Auf meine Uni trifft die Quote völlig zu. 50% der Studierende in den Sprachen, Geschichte und Philosophie haben abgebrochen, so wie in MINT auch. Ob Lehramt oder nicht spielte bei uns keine Rolle, denn die Anforderungen waren für geisteswissenschaftliche Studiengänge gleich.

  • Man könnte doch einfach so an die Sache herrangehen.

    Da jeder von uns in der Regel zwei Fächer studiert hat und diese auch in der Regel in der Schule bedient, kennt man sich in diesen Bereichen - zumindest in der Theorie aus. Und da setzt meine Idee an.

    Hm, da fängt es doch schon mal an, dass das evtl. für Sek I oder noch eher Sek II gilt, aber in den anderen Bereichen hat man nicht unbedingt 2 Fächer studiert, sondern mehr oder weniger und bedienen tut man in der Schule viel mehr, teilweise auch ganz andere als man studiert hat, das ist schon wieder sehr durch die Gymnasialbrille betrachtet.

  • Warum ist eigentlich die Dropout-Quote in MINT-Studiengängen so unglaublich viel höher?

    Ich halte das für den Beleg, dass Studierende mit einer gewissen Affinität zu MINT Fächern kein Durchhaltungsvermögen und insgesamt oft einfach nicht die intellektuelle Fähigkeit für ein Studium haben.

    (Sprachanalyse für alle MINT-Menschen: ironisierende Hyperbel um deutlich zu machen, wie albern diese Argumentation ist)

  • Wo ist das Problem? Dann setzt man halt alle seine aktiv unterrichteten Fächer in Verhältnis. Es Ist ja wurscht, ob es 2 oder 20 Fächer sind. (Wobei man evtl. irgendwo eine Grenze setzen sollte, nur weil ich vor 5 Jahren mal n halbes Jahr Fach x fachfremd unterrichtet hab, heißt das noch nicht, dass man es bewerten kann, wie anstrengend es ist - genau wie, wenn man erst gestern mit dem Ref fertig geworden ist). Man kann auch nochmal differenzieren zwischen Primar, Sek1, Sek2 usw.

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