FAZ-Artikel: "Schraibn nach gehöa"

  • Auszug zur Autorin:

    Zitat

    Geboren 1971 in Beckum. Nach dem Abitur 1990 Studium der Geschichte, Publizistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Barcelona und Münster. Magisterarbeit über die Vorbehalte der deutschen Katholiken gegenüber dem Nationalstaat im 19. Jahrhundert. Seit 1997 Redakteurin der Rhein-Main-Zeitung sowie der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. ImJahr 2000 Wechsel zur „Welt“ nach Berlin. Ein Jahr später Rückkehr zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung in die politische Redaktion. Dort befasste sie sich mit dem Islam in Deutschland, Einwanderung und Familienpolitik. Seit August 2014 im Politikressort der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Verheiratet, zwei Töchter.

    Personen, die beruflich nicht im Entferntesten etwas mit Didaktik, Linguistik, Medizin oder Psychologie zu tun haben, aber meinen darüber professionell urteilen und schreiben zu können, nehme ich grundsätzlich in etwa so ernst wie den Scheidungsanwalt, der mit dem Neurochirurgien darüber diskutiert, an welchen Stellen das Skalpell am besten anzusetzen ist.

  • Allerdings ist es schon erschreckend, wie massiv in den letzten 10 Jahren die Rechtschreibfähigkeit der Schüler nachgelassen hat. Inzwischen ist es fast die Regel, dass in der Eingangsklasse der Oberstufe bis zu 50% der Schüler Punkteabzug wegen sprachlicher Mängel bekommen. Und die Zahl der Förderkursschüler im Lese- und Schreibbereich steigt auch stetig an. Woran liegt das?

  • Ja und auch in Mathe sind die Kinder viel schlechter als früher, können das 1x1 nicht mehr und konzentrieren sie sich auch viel schlechter... Könnte es sein, dass die Schüler im Allgemeinen schlechter geworden sind... ;)

    • Offizieller Beitrag

    Inzwischen ist es fast die Regel, dass in der Eingangsklasse der Oberstufe bis zu 50% der Schüler Punkteabzug wegen sprachlicher Mängel bekommen.


    Echt? Bei und ist das nicht normal. Und ich arbeite mitten im MultikultiGhetto, 40% Migrantenkinder mit so einigen Lehrern, die Fehlerfinden als Hobby haben. ;) An der übertriebenen Großzügigkeit liegts sicher nicht.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Ich würde das am liebsten einmal statistisch erheben.
    In unserer Schule kann ich schon fast wetten, wer die Lautmethode in der GS hatte. Die RS dieser Kinder in 5 ist gelinde gesagt - kreativ. Die Lehrerinnen, die nach "alter Schule" unterrichtet haben, generieren deutlich bessere RS-Leistungen bei ihren SchülerInnen.
    Ich finde den Artikel weder polemisch noch unzutreffend. Er stimmt einfach.

  • Heute lernen alle Kinder nach der Lautiermethode. Ich kenne kein Lehrwerk, was am Anfang nicht so arbeitet. Der Unterschied ist, wie weitergemacht wird und ob relativ schnell Rechtschreibphänomene behandelt und Fehler behutsam korrigiert werden. Lesen durch Schreiben ist nicht gleichzusetzen mit dem Schreiben nach Gehör am Anfang. Schuster bleib bei deinen Leisten, wenn du dich mit Anfangsunterricht Deutsch beschäftigen möchtest, dann besuche doch mal Einführungsseminare an der Uni.

  • Der Unterschied ist, wie weitergemacht wird und ob relativ schnell Rechtschreibphänomene behandelt und Fehler behutsam korrigiert werden. Lesen durch Schreiben ist nicht gleichzusetzen mit dem Schreiben nach Gehör am Anfang.


    "Lesen durch Schreiben" ist ja eine Methode, wo Schüler den Weg nicht vom Graphem zum Phonem sondern einfach rückwärts vom Phonem zum Graphem gehen. Das Hauptziel ist, dass sie das Lesen lernen. Nirgendwo finde ich dabei aber, dass Fehler nicht korrigiert werden dürfen oder dass Fehlerschwerpunkte während dieser Zeit nicht individuell verbessert werden dürfen. Da ich fachfremd bin, musste ich mich da eben erst einlesen.


    Meine Frage ist nun, wieso laut Schilderungen der Presse dennoch die Fehlerkorrektur über solche langen Zeiträume (bis zu 2 Jahre) ausbleibt und welche empirischen Daten dieses Vorgehen als sinnvoll belegen.

  • Ich habe nie nach der Methode gearbeitet. Ich glaube aber, dass viele es vor Jahr(zehnt)en so (falsch) verstanden haben. Ich weiß auch nicht ob Reichen das vielleicht so vertreten hat. Fakt ist, ich kenne nicht eine einzige Kollegin, die so arbeitet. Aber wie gesagt, alle Jahre wieder, wird die Sau durchs Dorf getrieben...

  • Zitat

    Einen seltenen Einblick in die schlechten Rechtschreibkenntnisse eines ganzen Jahrgangs von Drittklässlern, die so lernen, gewährte diese Woche Mecklenburg-Vorpommern


    Es ist richtig, dass der Landtag die Ergebnisse der "Vera 3" für den Bereich Schreibaufgaben so angegeben hat. Aber dass "die so lernen" steht in der Pressemitteilung nirgends und leider auch nicht im Rahmenplan Deutsch für die Grundschule.

  • Letztens bei der Rückgabe der Reliarbeit in der 5. Klasse:


    Eine Schülerin hat eine inhaltlich ganz ordentliche Arbeit geschrieben, aber unterirdische Rechtschreibung verwendet. Diese hatte ich nicht einmal in die Bewertung mit einbezogen, aber anstreichen musste ich sie natürlich.
    Frage der Schülerin: Warum ist Ihnen denn die Rechtschreibung so wichtig? Es geht doch um Inhalte und Kreativität... :autsch:


    Klar kann sich eine weniger gute Rechtschreibung mit den Jahren glätten, das sehe ich ja mit zunehmender Jahrgangsstufe. Aber mein Beispiel (eines von vielen traurigen!) zeigt ganz deutlich, dass nicht nur die Rechtschreibung der aus den Grundschulen kommenden Schüler schlecht ist, sondern auch ihre Einstellung zur Rechtschreibung und zum Lernen allgemein.


    Mein Neffe geht jetzt in die 1. Klasse. Gut, dass meine Schwester auf meinen Rat hin mit ihm das Schreiben übt. Alle anderen Jungs in der Klasse sind im Schreib-Förderunterricht...

  • Ich muss gestehen, dass ich davon jetzt zum ersten mal etwas mitbekomme - und eine kurze Internetrecherche hat hier auch nicht viele Daten zutage gefördert. Ohne umfassende empirische Vergleichsstudien lässt sich jedoch nur schwer überprüfen, wie erfolgreich diese Lehrmethode ist. Man müsste also viele demographisch vergleichbare Klassen jeweils mit der einen und der anderen Methode beschulen und dann standardisiert Vergleichsarbeiten schreiben lassen (unter den Kriterien Rechtschreibung, Wortschatz, Ausdrucksfähigkeit etc.).



    Mich würde eher interessieren, wie es denn zur Einführung dieser Methode kam. Gab es verschiedene Schulversuche? Oder wissenschaftlich-empirische Untersuchungen? Oder war es rein Ideologie-getrieben, ohne vorherige und aktuelle empirische Evaluation? Letzteres passiert im Schulsystem offenbar leider häufiger.

  • Der Unterschied ist, wie weitergemacht wird und ob relativ schnell Rechtschreibphänomene behandelt und Fehler behutsam korrigiert werden.


    Warum können die Kinder nicht gleich richtig schreiben lernen? Es ist doch in der Pädagogik lange (nicht erst seit Aufkommen der Neurowissenschaften) bekannt, dass umlernen viel schwieriger ist, als es gleich richtig zu lernen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich finde die ganze Debatte - leider auch hier im Forum - mal wieder etwas sehr schwarz-weiß gedacht. Als gäbe es nur die beiden Extreme: Also entweder die ersten zwei Schuljahre lang nur "Schreiben nach Gehör", keine Rechtschreibregeln, Korrekturen etc. - macht das wer? Das haben auch Reichen, Brügelmann unter andere nie so postuliert. Oder auf der anderen Seite den "klassischen" Schriftspracherwerb: Wie muss ich mir das vorstellen? Nur Wörter schreiben, die die Kinder als Lernwörter automatisiert haben? Keine freien Texte? Ich kenne aus der Praxis (glücklicherweise) nur Grautöne dazwischen.


    Das grundlegende Prinzip der deutschen Rechtschreibung sowie die erste Stufe des Schriftspracherwerbs ist aber nun einmal das alphabetische Prinzip. Die Kinder müssen lernen, dass Buchstaben sich auf Laute beziehen und diese verinnerlichen. Wenn sie das können, sind natürlich sukzessiv Rechtschreibregeln einzuführen.
    Die Schüler bei uns an der Sprachheilschule haben i.d.R. erhebliche Probleme, dieses alphabetische Prinzip zu erwerben. Am Anfang wird mit einer Lauttabelle gearbeitet. Trotzdem werden aber auch schon in der ersten Klasse Rechtschreibregeln eingeübt und natürlich wichtige Wörter als Lernwörter rechtschreibkonform geübt.


    Man sieht aber bei Kindern, die Rechtschreibregeln lernen mussten, bevor sie einigermaßen alphabetisch schreiben konnten, dass deren Schreibungen auch im fortgeschrittenen Alter noch sehr konfus sind. Wenn die Schüler noch nicht alle Laute verschriften können, bringt es ihnen auch nichts, Auslautverhärtung o.ä. zu lernen, sondern es irritiert sie nur.

  • Das grundlegende Prinzip der deutschen Rechtschreibung sowie die erste Stufe des Schriftspracherwerbs ist aber nun einmal das alphabetische Prinzip. Die Kinder müssen lernen, dass Buchstaben sich auf Laute beziehen und diese verinnerlichen. Wenn sie das können, sind natürlich sukzessiv Rechtschreibregeln einzuführen.


    Genau so ist es. Eigentlich ist ja das alphabetische Prinzip die erste Rechtschreibregel, die die Kinder lernen. Dass ich bei Banane eben mit einem B anfange, aber dass in dem Wort kein x oder l oder ... vorkommt.
    Ich kann den Kindern ja nicht vom 1. Schultag an sämtliche Rechtschreibregeln beibringen. Die lernen sie eben nach und nach. Wir haben bisher in meiner 1. Klasse thematisiert, dass Nomen groß geschrieben werden (eher nebenbei, das grammatische Thema Nomen haben wir noch nicht ausführlich behandelt), ebenso wie Satzanfänge. Auch die Schwa-Laute sind immer wieder dran. Jetzt aktuell, bei den Buchstaben b und g, wurde die Auslautverhärtung angesprochen, wenn auch natürlich nicht so vertieft wie in der 3. Klasse.



    Ich finde, man kann das Schreibenlernen mit dem Sprechenlernen vergleichen. Da können die Kinder am Anfang auch noch nicht alle Laute. Trotzdem sagt ihnen keiner ständig, dass das aber falsch ist, was sie da von sich geben (--> durchstreichen und ausbessern). Sehr wohl aber wird gerne mal das Wort nochmal in der richtigen Aussprache wiederholt. Dem entspricht, dass die meisten Lehrkräfte z.B. bei selber verfassten Geschichten den Text in richtiger Rechtschreibung ("Erwachsenenschrift") noch einmal unter den vom Kind geschriebenen Text schreiben. So hat das Kind das richtige Vorbild, bekommt aber bei seiner mühevoll geschriebenen Geschichte nicht alles durchgestrichen. Zumal die Kinder von der Entwicklung her einfach (oft) noch nicht so weit sind und es einfach nicht anders können (Skelettschreibweise etc.).

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