Amoklauf - wie verhalten als Lehrer?

  • Hallo,


    sicherlich habt ihr in den Nachrichten von dem Schüler gehört, der einen Amoklauf angekündigt hatte. Es hieß, die Lehrer seien aufgeklärt worden, was zu tun ist. Bin ich aber nicht . Ich war gestern nicht in der Schule und heute hatte ich keine Zeit um mit dem Rektor zu reden. Morgen habe ich Schulrechtsprüfung und rechne damit, dass man mich fragt, was man in so einem Fall tut. Abgesehen davon würde es mich natürlich auch persönlich interessieren.
    Wer kann mir was dazu sagen?


    Liebe Grüße
    Reffi

    Der Lehrer hat die Aufgabe, eine Wandergruppe mit Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdliche Richtung zu führen und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen.

  • Also bei uns wurde eben die Pausenaufsicht erhöht, d. h. jeder der irgendwie zur Verfügung stand, wurde eingesetzt.
    Die Anweisung war darüber hinaus: Verdächtige Dinge bzw. Personen melden


    Manche Schulen haben die Türen (Eingang) verschlossen.


    Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass die das in Schulrecht wirklich thematisieren. Denn auch die Rektoren wussten nicht unbedingt, wie sie damit umgehen sollten. Im Endeffekt musst du deiner Aufsichtspflicht nachkommen. Vielleicht etwas mehr als sonst. Aber du kannst eben nicht jeden Schüler zur Toilette begleiten! Und vor allem, was sollst du tun, wenn "der Amokläufer" vor dir steht????
    Ob du nun da bist oder nicht, ändert wohl wenig an seinen Absichten. In dem Moment wirst du dir nicht überlegen, ob du dich aus lauter Dienstpflicht schützend vor deine Schüler stellst oder nicht. Wenn du es tust, dann tust du es, weil du eben so bist. Wenn du es nicht tust? Kann man sein Verhalten in einer solchen Situation überhaupt ausmalen? Ich nicht! Ich wüsste nicht, wie ich mich verhalten würde. Und von "Einsatz des eigenen Lebens" steht auch nirgendwo etwas geschrieben!


    Viel wichtiger in Anbetracht der aktuellen Situation ist doch die Frage, wie geht man im Unterricht bzw. den Schülern gegenüber mit so etwas um. Wie beantwortet man die Fragen der Kinder? Wie kann man ihnen etwas von ihrer Angst nehmen? Wie kann man sie davon überzeugen, dass das Ganze überhaupt nicht lustig ist und keiner ähnliche Drohungen loslassen sollte?

  • Da das Schulrecht keine Amokläufe thematisiert, halte ich es für unwahrscheinlich, dass soetwas in der Schulrechtsprüfung gefragt wird.


    Als Lehrer sind die Schüler natürlich deine Schutzbefohlenen - das ist rechtlich definiert. Außerdem gibt es die Aufsichtspflicht, die eine besondere Aufmerksamkeit durch die Lehrer erfordert. Andererseits gehören aktive Sicherungsaufgaben nicht zu den Lehrerfunktionen, dazu fehlt uns Ausbildung und Ausstattung. Ebenso gilt für den Lehrer genauso wie für Polizei und Feuerwehr, dass der Eigenschutz Vorrang vor dem Fremdschutz hat - der Dienstherr kann uns nicht rechtlich verpflichten, Leib und Leben für unsere Schüler in Gefahr zu bringen. Niemand kann uns vorwerfen, wenn wir uns selbst retten.


    Unterlassene Hilfeleistung ist ein Strafbestand - aber der Gesetzgeber verlangt nur, dass man aktiv wird: weglaufen und dann die Polizei rufen ist keine unterlassene Hilfeleistung.


    Ansonsten muss dich der gesunde Menschenverstand leiten: schulfremde Personen ansprechen, sich verdächtig benehmende Schüler besonders beobachten und ansprechen. Verdächtige Vorgänge der Schulleitung melden. Im Zweifelsfall sich nicht scheuen, die Polizei über 110 zu alarmieren. Wäre ich gestern in BaWü Lehrer gewesen, hätte ich eventuelle, in der Schulordnung vorgesehe Handyverbote stillschweigend ignoriert.


    Wenn Schüsse fallen, weiss sowieso niemand, was passieren wird. Hier gilt wohl wie bei Brand oder anderen Unglücksfällen, einen klaren Kopf zu behalten - nur muss jedem Lehrer klar sein, dass er derjenige ist, von dem die Schüler im Zweifelsfall Führung, d.h. schnelle und entschlossene Entscheidungen erwarten.


    Nele

  • Zitat

    neleabels schrieb am 07.12.2006 15:23:
    Unterlassene Hilfeleistung ist ein Strafbestand - aber der Gesetzgeber verlangt nur, dass man aktiv wird: weglaufen und dann die Polizei rufen ist keine unterlassene Hilfeleistung.


    Falls Du hierfür einen Paragraphen benötigst:


    § 323 c, Strafgesetzbuch.


    Ansonsten schliesse ich mich Nele an: schulrechtlich prüfbar ist der Fall "Amoklauf" m.E. nicht. Du musst Deine Pflichten kennen und die entsprechen - rechtlich gesehen - den Pflichten in anderen "aussergewöhnlichen Fällen", z.B. bei Ausbruch eines Feuers, Bombenalarm oder was weiss ich.


    LG, das_kaddl.

  • Bei uns waren gestern nur 2 Türen geöffnet, zudem liefen im gesamten Schulzentrum 8 Polizisten Streifen. Sie schauten auch zu mir in den Unterricht, da ich die Tür offen hatte.
    Ein Schüler, der auf die Toilette musste, wurde nach dem Personalausweis gefragt.


    Wie genau man sich zu verhalten hat, wenn wirklich ein Amokläufer herinkommt, haben mich meine Schüler auch gefragt. Eine richtige Antwort wusste ich darauf nicht.


    Zudem wurden wir Lehrkräfte dazu aufgefordert, in den Pausen "Streife zu laufen". Naja, ob das so richtig was bringt, sei dahingestellt.


    Gruß
    Super-Lion

  • Zitat

    Super-Lion schrieb am 07.12.2006 18:39:
    ...
    Wie genau man sich zu verhalten hat, wenn wirklich ein Amokläufer herinkommt, haben mich meine Schüler auch gefragt. Eine richtige Antwort wusste ich darauf nicht.
    ....


    Klassenzimmer abschließen, Türe verbarrikadieren, alle Schüler weg von Türe und Fenster - und abwarten......


    Die "Mutigen und Neugierigen" sterben zuerst. Falls er wirklich schon im Klassenzimmer steht, hilft nur beten und die Hoffnung darauf, die richtige Intuition zu haben..


    Nachtrag: Bauchschmerzen bekomme ich deswegen jedoch nicht. Schaut man sich die Geschichte an, wird deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit, einem solchen Irren zu begegnen sehr gering ist.


    Cool down.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

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  • Ich, als Sicherheitsbeauftragte unserer Schule, soll in der nächsten Lehrerkonferenz darüber sprechen, wie sich Lehrer und Schüler bei einem Amoklauf verhalten sollen.


    Gibt´s denn mittlerweile noch immer keine "allgemein formulierten Verhaltensweisen"/ "zu berücksichtigende Verhaltensmaßnahmen" ? , wie z.B. bei Feueralarm (möglichst schnell das Gebäude verlassen z.B.) ?


    Hab mich schon im www umgesehen aber leider nix gefunden, bei KIBBS (Krisen-Interventions-und Bewältigungsteam Bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen) geht´s ja v.a. um die Bewältigung der Krise...


    Hoffe sehr, ihr könnt mir helfen! Danke schon mal!

  • Zitat

    Original von funke
    Hab mich schon im www umgesehen aber leider nix gefunden, bei KIBBS (Krisen-Interventions-und Bewältigungsteam Bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen) geht´s ja v.a. um die Bewältigung der Krise...


    Der sinnvollste Ansprechpartner ist sicherlich deine örtliche Polizeidienststelle, die dir wahrscheinlich Kontakte zu Spezialisten nennen kann. Hier in NRW führt die Polizei auch Schulungen und Fortbildungen an Schulen durch. Vielleicht gibt es in Bayern auch so etwas?


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Bei uns war in einer der letzten Konferenzen der Leiter der zuständigen Polizeidienststelle und hat uns darüber informiert, wie die Polizei im Falles eines Amoklaufes vorgeht und wie wir Lehrer uns verhalten sollten.

    • Offizieller Beitrag

    Bei uns gibt's inzwischen massig Fortbildungen - für alle Blickrichtungen: für Schulleiter, Beratungslehrer, "normal"-Lehrer, Lehrer im Krisenteam, etc... ich war bei zweien verschiedener Anbieter, muss aber sagen, dass es für den Ernstfall keine klare/eindeutige Richtlinie gibt - es zählt das richtige "Bauchgefühl" ... na HOFFENTLICH hat man das, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht...

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Hallo,


    dAuf unserer Fortbildung wurden noch folgende Hinweise gegeben:


    die Raumnummern sollten auch für Außenstehende nach klaren Regeln vergeben sein, so dass sich die Polizei besser orientieren kann. Dazu müssen die Nummern von außen und innen an den Türen gut sichtbar angebracht sein. Die nächste Polizeistation sollte zudem einen Raumplan für die Schule besitzen.
    Finger weg vom Knopf für Feueralarm, sonst laufen die Schüler dem Täter noch "vor die Flinte".
    Das andere, verbarrikadieren, weg von der Tür etc. wurde schon genannt.


    Ich hoffe, dass wir alle nicht in eine solche Situation kommen!


    Viele Grüße, jinny44

  • Wir haben in einer Fobi folgendes gelernt:
    Wenn es geht, "geordnet" weglaufen
    wenn nicht, verbarikadieren im Klassenzimmer: Tür abschließen alles was geht davor schiebe und ganz wichtig: In die Mitte vom Raum flach auf den Boden legen.


    Ich lasse übrigens immer mein Handy lautlos geschaltet in meiner Nähe liegen damit ich zur Not auch Hilfe rufen könnte. Ich bin in meinem Klassenzimmer nämlich meilenweit von einem Telefon entfernt. Dort habe ich mir auch die Rufnummern der Krisenintervention etc. gespeichert, ebenso die der Polizeiwache.


    Ab und an übe ich mit meinen Kinder wie wir uns im Notfall verhalten. Es hilft meinen Kleinen ziemlich und sie möchten immer wieder üben wo wir uns auch im Fall der Fälle wieder treffen, denn eines weiß ich: Ich werde dann alle so schnell laufen lasse wie es nur geht und die langsamsten notfalls tragen bevor wir uns in Zweierreihen aufstellen...


    Dazu sollten eigentlich Positionen verteilt sein für den Notfall. An meiner alten Schule hätte ich Verletzte zählen müssen.
    Im Fall der Fälle ghen übrigens die Gesunden vor. Erst alle in Sicherheit bevor Du Dich um die Verletzten kümmerst.
    Ich weiß von mir ganz sicher, dass ich das nicht kann. Ich kann an keinem Kind das meinen Namen schreit und Angst hat vorüber gehen und meine Schüler sind noch so klein das ich einfach probieren würde sie mit mir zu schleifen auch wenn man das NICHT darf.


    ich denke im Nachhinein interessiert das dann sowieso niemanden mehr. Wer kann schon planen wie er dann reagiert. Ich weiß von mir, weil ich soooo oft Erste Hilfe leisten muss bei Autounfällen, dass ich zumindest helfen kann und ruhig bleibe. Ich hoffe, bei einem Amoklauf ist das genauso.

  • "in die Mitte vom Raum flach auf den Boden legen"


    Wieso in die Mitte? Möglichst weit weg von der Tür ist mir klar...


    oder hat die Mitte des Raumes noch einen anderen, mir im Moment nicht erschließbaren Sinn, Nuki?

  • weg von Türe und Fenster


    da gibt's nur einen Ort, der beide Bedingungen ideal erfüllt...


    der liegt jedoch nicht unbedingt in der Mitte.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Wenn geschossen wird, sterben diejenigen zuerst, die sichtbar sind. Die Polizei in NRW rät deshalb davon ab, zu evakuieren, weil dann sehr viele Menschen gleichzeitig sichtbar werden. Tür zu, abschließen, verammeln und flach hinlegen ist die beste Möglichkeit, zu überleben.


    Worauf die Polizei hier noch ganz eindringlich hinweist, ist, dass man beim Notruf unbedingt sagen muss, dass es sich um einen Amok-Lauf handelt. Die Polizeitaktik ist bei Amokläufen eine ganz andere als bei bewaffneten Geiselnahmen - die Polizei muss das unbedingt so schnell wie möglich wissen.


    Die Medienresonanz für den jüngsten, gestern ausgelösten Amokalarms in Sankt Augustin wird wahrscheinlich heute im Laufe des Tages anrollen. Dabei fällt der Vorfall allerdings aus dem Rahmen üblicher Amokläufe.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Mich haben heute Schüler auf das Thema angesprochen. Weiß aber nicht, wie sie drauf kamen. Sie wollten eben wissen, ob das irgendwie Thema ist an der Schule, weil sie nicht wüssten, ob die Lehrer wüssten, wie man sich da konkret verhalten müsse.


    Dass Handys ausgeschaltet werden müssen und eben nicht jeder erstmal zu Hause anruft, wurde ständig hinterfragt. Da hab ich mich gefragt, wie ich die in einer Notsituation dazu bekomme, es einfach zu machen, ohne es 10x zu hinterfragen.


    Als ich erklärt habe, dass man sich unterhalb des Fensters hinlegen solle und nicht gegenüber der Tür, meinte ein Schüler und was ist mit den Fenstern da oben? Tja, auf der Türseite sind oben Fenster eingelassen, die von der Decke abwärts etwa 50 cm groß sind. Da hab ich dann auch etwas ratlos gekuckt, wo in diesem Klassenzimmer wohl "in Deckung" ist.

  • Dalyna: Ich glaube das ist auch das Schwere an diesen "Regeln", etwas zu vereinbaren was für alle gelten kann. Möglicherweise kann man bei der Polizei mal nachfragen ob jemand kommen kann und dann mit Euch einen individuellen Plan ausarbeiten kann?


    Bei uns an der alten Schule war damals auch eine Begehung der Polizei.


    Ich würde meine Kinder trotzdem evakuieren weil ich in einem anderen Gebäude bin und wir aus dem Fenster fliehen könnten- theoretisch- wenn im Haupthaus geschossen wird. Uns kann man nicht einsehen. Ich glaube schon es ist besser wenn man nicht mehr da ist als in einer "Falle" , also im verschlossenen Klassenzimmer zu sitzen.
    Wer nicht mehr da ist kann auch nicht getroffen werden.


    Mir ist es wichtig solche Dinge so gut es geht einzuüben in der Hoffnung, dass es immer nur bei Übungen ohne den Ernstfall bleibt. Aber das gibt Kindern Sicherheit und ist das Einzige was man vorher machen kann, also präventiv für den Ernstfall. Ist meine Meinung.
    Wenn man immer wieder auch durchspricht was zu beachten ist, fruchtet vielleicht doch das eine oder andere Wort.


    Ich finde z. B. auch das viel zu wenig Feueralarm geübt wird.

  • Wir evakuieren ... ich weiß gar nicht, ob ich den Plan hier erzählen soll ... weniger aus Angst, dass ein potentieller Täter mitliest, als dass hier einige mit dem Kopf auf der Tischplatte aufschlagen.


    Es gibt eine Durchsage - die man kennt oder auch nicht (die Neuen dieses Jahr kannten sie erstmal nicht). Aus dieser Durchsage ist zu entnehmen, wo der Täter zuletzt gesehen wurde - und nun soll der Lehrer eigenverantwortlich mit der Klasse das Schulgebäude verlassen und zu einer Sammelstelle gehen (Tiefgarage).


    Problem: der schnellste und beste Weg zu diesem Sammelpunkt liegt die ganze Zeit im Blickfeld des Täters, falls dieser sich in einem zentralen Raum unserer Schule aufhalten sollte ... bestes Schussfeld.


    Mein Einwand, dass man da dem Täter ja direkt ins Schussfeld laufen würde, wurde vom zuständigen Polizeibeamten (!) abgetan mit: "Wir schießen schneller." ... ich sag nix mehr ...


    Dieser Plan ist mit den Einsatzkräften vor Ort abgesprochen, also nicht nur ein toller Einfall der Schulleitung ...

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