37° Grad Reportage "Immer am Limit" Lehrer und ihr harter Job

    • Offizieller Beitrag

    Meine Schulleitung an der Oberstufe hat einem jungen und extrem vielseitigen Kollegen mal ein neues Projekt, in das er sich stürzen wollte, verboten. Begründung: Wir haben keine Stunde mehr im Budget und Sie haben gerade eine kleine Tochter bekommen, außerdem leiten Sie eine AG und machen den Austausch! DAS machen Sie jetzt nicht auch noch. Kommen Sie wieder, wenn ihre Kleine im Kindergarten ist. Oder wir melden uns, wenn wir ne Entlastungsstunde haben."
    Der Kollege hat sich erstmal über die Bevormundung aufgeregt - jetzt, da die Kleine krabbeln kann und die Mutter tags richtig fertigmacht, so dass sie sie ihm abends nur noch in die Arme drückt, ist er froh und dankbar.


    Fand ich gut.


    Die eigentlichen Belastungen fand ich im Report allerdings auch unscharf dargestellt. Es ist, zumindest in meiner Schulform, eher der administrative Wahnsinn, der einen nervt und die Zeit raubt, die man eigentlich fürs Kerngeschäft bräuchte. Wenn das dann noch Dokumentationsaufgaben fürs KM oder sinnlose Zeitverschwendung mit dem immer noch funktionsunfähigen Programm LUSD, das das Ministerium den Schulen aufgedrückt hat, sind, die also nicht nur zeitraubend, sondern in vollem Umfang überflüssig und unverschämt sind, dann geht es mir auch an die Magenschleimhaut!! Darüber berichtet aber keiner, leider.



    Die beiden Lehrer sind sicher typische Fälle. Leider. Null Privatleben, 12 - Stunden - Tage, die Arbeit wird so hin/angenommen, wie sie kommt, kein Funke Wehrhaftigkeit - immer ganz der Beamtenhamster im Rädchen. Lauflauflauflauf. Steigen die Anforderungen, lauf ich halt schneller. Und noch schneller. Und noch länger. Wetten die sind nicht in der Gewrkschaft und wissen nicht, dass sie einen Personalrat haben?


    Auch die relative Naivität, mit der die beiden Kollegen über ihre Kraftreserven gesprochen haben, erstaunte mich etwas: unspezifische Bauchschmerzen und Herzrasen - und die Frau kommt ncht drauf, dass das mit der Schule zusammenhängt? Und der Kollege meinte, es sei angemessen, sich bei der Frage nach Essen oder Listen ausfüllen gegen das Essen zu entscheiden - !!??? Käme mir nie in den Sinn. Versteh ich nicht.
    Ich weiß doch, dass ich noch 30 Jahre funktionieren muss, und ich weiß doch, dass das nur geht, wenn man sehr gesund ist. Wem nützt die ausgefüllte Liste, wenn ich irgendwnn nur noch unzuverlässig und muffelig zum Unterricht erscheine, weil ich dauernd krank bin? Den Schülern nicht. Und ob die Verwalter von oben ihre Liste gleich oder etwas später bekommen - das juckt mich weniger. Ich fang mal bei den Schülern an und dann mach ich bei mir weiter.


    Ich denke, dass es in diesem Beruf immer noch einen kontraproduktiven Aufopferungstrieb gibt, der zwar gefühlte Märtyrer, aber sicher keine verlässlichen, weil gesunden und somit belastbaren Kollegen produziert.


    Nicht gut.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat

    Original von Meike.



    Auch die relative Naivität, mit der die beiden Kollegen über ihre Kraftreserven gesprochen haben, erstaunte mich etwas: unspezifische Bauchschmerzen und Herzrasen - und die Frau kommt ncht drauf, dass das mit der Schule zusammenhängt? Und der Kollege meinte, es sei angemessen, sich bei der Frage nach Essen oder Listen ausfüllen gegen das Essen zu entscheiden - !!???



    Vielleicht liegt das ja an der Öffentlichkeit bzw. diversen Studien, die die Meinung verbreiten, dass ein ausgebrannter Lehrer ein schlechter Lehrer ist und dass ein Lehrer, den der Beruf kaputtgemacht hat, selbst schuld ist.
    Insofern erfüllen diese Studien wohl ihre Funktion.


    Man darf auch nicht vergessen, dass die Kamera dabei war. Die beiden Kollegen mussten damit rechnen, dass der Beitrag sowohl von Bekannten als auch von Schülern und Eltern gesehen wird.


    Gruß


    Animagus

  • Nur mal so zwischendurch:


    Nele, ich fand deinen zweiteiligen Beitrag ;) sehr gut. Einige Aspekte habe ich so nicht gesehen, kann sie aber durchaus teilen.


    Gruß DO_it

  • So, ich hab's mir jetzt auch mal angeschaut. Danke fuer den Link. :) Gibt's ja fuer England ganz viel, ich hab aber schon ewig keine Programme aus Schland mehr geschaut. Lustig, dass ich aehnliche Methoden hab um meine Klasse ruhig zu bekommen. Allerdings find ich das runterzaehlen gerade etwas langweilig...und wir klatschen deswegen derzeit haeufiger. :D


    Ich frag mich, warum die Dame denn glaubt in jeder Stunde erstmal die Probleme ihrer Schueler bewaeltigen zu muessen. Mal abgesehen davon, dass mir Fachlehrer meine Knirpse hoechstens an die Hand geben, damit ich sowas als Klassenlehrerin machen kann...ich hab noch nie Stundenzeit fuer solche Diskussionen geopfert. Besonders bei aelteren Klassen (und wenn ich se nur in Englisch hatte) hab ich hoechstens nen Vermerk gemacht und dann mussten die ihr kindisches Gerangel vor der Tuer lassen und es eben bis zum Ende der Stunde erstmal dabei belassen. Wie kann man denn jede Stunde mit sowas anfangen? ?(
    Ausserdem schien ihre fuenfte Klasse nur 18 Kinder zu haben (oder wurden da einige schnell aus dem Raum entfernt...mitsamt ihrer Tische und Stuehle?). Wenn's wirklich nur 18 sind, schrei ich bald. Meine Parallelklasse (ich hab einige von denen in Mathe) hat 32 Schueler, ca. 12 davon mit Verhaltenschwierigkeiten oder so schwacher akademischer Veranlagung, dass selbst mit extra Hilfe da nix mehr draus wird.
    Ich hab 33 und mindestens 4 die ich staendig unter Beobachtung hab wegen ihrem Verhalten. Und damit mein ich keineswegs Elterngespraeche, sondern eher, dass ich fast minuetlich schaue, ob sich gerade einer von ihnen kloppt, tritt, beschimpft oder generell meinen Anweisungen nicht folgt. :D


    Der Typ war aber wirklich ein bissl komisch. Haben die jemals Zeit mit ihren Kindern? Einfach mal ohne Hektik und Zeitdruck? Ist doch irre...


    Und bezueglich der "Schwaechen eingestehen". Wer nicht fragt, der bekommt auch keine Hilfe. Ich versteh gar nicht, warum das immer so was Schlimmes sein soll. Man kann schliesslich nur besser werden. Nach einer absoluten Alptraumstunde mit meiner Sportgruppe (ich hatte wirklich fast alle unsere verhaltensgestoerten 5.-Klaessler, und dann in nem Fach wie Sport...) hab ich mit unserer Fachleiterin geredet. Sie bot mir an die Maedchengruppe zu nehmen, und sie haette meine Jungs gehabt. Hab ich dankend abgelehnt. Allerdings hab ich zwei meiner schwierigsten Jungs in die andere Gruppe abgegeben und auch Ratschlaege bezueglich meiner Stundenplanung umgesetzt (wir rennen jetzt...viel...sehr viel...bis sie vor Erschoepfung zusammenbrechen und keine Kraft mehr haben sich daneben zu benehmen). Haett ich tapfer weiter gekaempft, ohne Hilfe, wuerd ich die jetzt wirklich nicht mehr haben wollen.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Vielleicht liegt das ja an der Öffentlichkeit bzw. diversen Studien, die die Meinung verbreiten, dass ein ausgebrannter Lehrer ein schlechter Lehrer ist und dass ein Lehrer, den der Beruf kaputtgemacht hat, selbst schuld ist.

    Nein, da hast du recht. DEN Eindruck sollte man so auch nicht aufkommen lassen und das wollte ich auch nicht ausdrücken.
    DIESE beiden Kandidaten erschienen mir typische Fälle von Selbstausbeutung bzw. Verleugnung des Tributs, den der Job fordern kann, wenn man keine Grenzen zieht - vor allem der Kollege und seine Frau.

    Es gibt natürlich genug Kollegen, bei denen ungünstige Konstellationen an der Schule / Mobbing seitens Eltern/Kollegen/SL oder das Zusammentreffen der teils mörderisch hohen Anforderungen des Jobs mit privatem Unglück oder Krankheit zum burn-out führen, völlig unverschuldet, bzw. fremdverschuldet.


    Nur, diese Menschen wurden hier nicht dargetellt und nur über die beiden dargestellten sprach ich.

  • Ein paar Gedanken aus der Diskussion heute mit Kollegen:


    - Sitzen die Kollegen wirklich jede Nacht - so hat es die Reportage vermittelt - an ihrem Schreibtisch und bereiten Unterricht vor und nach? Oder wurde hier vor dem Kamerateam vermittelt, wie arbeitsam man ist? Ganz ehrlich, wie würden wir unseren "Alltag" darstellen - denn was das Reportageteam zu sehen bekommt, bestimmen zumindest in der unterrichtsfreien Zeit die Kollegen?


    - Und wenn der ältere Kollege behauptet, er müsse so viel Energie in die Unterrichtsvorbereitung legen, lügt er entweder oder er hat es nicht drauf. Ein Kollegen mit seinen Dienstjahren sollte mit einem Text und einem Einstieg - Vorbereitungszeit 10-20 Min ohne Kopieren - eine gute Stunde im traditionellen Stil hinbekommen. Ganz abgesehen davon, dass fertige Stunden für annährend jede Klasse schon existieren müssten. Aufwändig sind - nach den Anfangsjahren als Junglehrer - nur methodisch anspruchsvolle Stunden. Aber jede Stunde Gruppenpuzzle und Projektarbeit ist schlichtweg daneben. Das wollen weder die Schüler noch bringt es ihnen was. Letztendlich sind beide hochgradig unprofessionell, weil sie es nicht schaffen, eine gesunde Mischung zwischen Belastung in der Vorbereitung (= Rückzugsmöglichkeiten für den Lehrer im Unterricht) und Belastung im Unterricht (=lehrerzentrierter Unterricht mit kurzer Vorbereitungszeit) zu schaffen.


    - Auch in Bezug auf Nele: Wie kann man denn so rückgratlos sein, sich alles zumuten zu lassen? "Ach gut, jetzt sind die Schüler halt doch in meiner Klasse" passt von Seite der Kollegin als Pendant zu den Fahrorgien, die Nele ansprach. Bei uns finden Wechsel nur halb- normalerweise ganztagesweise bei abgeordneten Lehrern statt. Belastend sind hier viel mehr die (doppelten) Konferenzen und die Absprachen mit Kollegen und Schülern vor Ort, wenn man nicht so gut greifbar ist. Verdammt nochmal, unser Beamtenstatus und - wie von Meike angesprochen - unsere Personalvertretungen geben uns doch eine gute Möglichkeit, unsere Interessen effizient zu vertreten. Und wenn jetzt jemand anfängt, er kusche wegen der Kinder, erinnere ich an die Szene mit der Kollegin (sinngemäß): "Ich werde jetzt gleich sauer". Schüler: "Aber das sind sie doch schon." (Motto: Aus einem verzagten A.... kommt kein fröhlicher Furz )


    - Und zum Thema Verwaltungstätigkeit sehe ich das auch so wie Meike. Alles wird in arbeitsintensiven Phasen erst auf Termin - und wenn es nicht wichtig ist - auch später erledigt. Desweiteren lässt sich vieles von der formalen Kleinarbeit auch mal in einer Stillarbeitsphase oder neben einem netten Plausch mit dem Kollegen (Ablage von Dokumenten) machen. Können viele Lehrer kein Multitasking?


    Und bevor Klagen kommen: Dass als Junglehrer vieles anders läuft, als ich gerade beschrieben habe, weiß ich. Aber es geht mir hier explizit um die Lernresistenz, die manche subjektiv belastete dienstältere Kollegen an den Tag legen.


    edit:


    Noch eins vergessen: Die Belastung für die gezeigten Kollegen liegt doch wohl auch zu einem großen Teil im Unterricht, wenn man aus den wenigen Szenen darüber überhaupt schlussfolgern darf. Deswegen fände ich eine Reportage viel spannender, die einfach mal einen Kollegen, einen Tag durch 6-8 Stunden Unterricht begleitet und zumindest aus jeder Stunde mal ein paar Facetten darstellt. Dann kann die Außenwelt vielleicht mal annährend nachvollziehen, was Unterrichten bedeutet...

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    4 Mal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    Original von Timm
    Ein paar Gedanken aus der Diskussion heute mit Kollegen:
    ...
    edit:


    Noch eins vergessen: Die Belastung für die gezeigten Kollegen liegt doch wohl auch zu einem großen Teil im Unterricht, wenn man aus den wenigen Szenen darüber überhaupt schlussfolgern darf. Deswegen fände ich eine Reportage viel spannender, die einfach mal einen Kollegen, einen Tag durch 6-8 Stunden Unterricht begleitet und zumindest aus jeder Stunde mal ein paar Facetten darstellt. Dann kann die Außenwelt vielleicht mal annährend nachvollziehen, was Unterrichten bedeutet...


    Hallo Timm
    und danke (auch) für diesen Deiner Beiträge!


    Zu Deinem "edit" möchte ich aber doch etwas hier schreiben.


    Es gibt bei uns in der Celler Region mehrere Schulen (von GS über Gym. bis BBS), die meine Frau und ich gut kennen und für gut, weil stringend und meinetwegen auch etwas "konservativ" geführt halten, in denen eben keine so chaotischen Zustände wie in den beiden Klassen des 37°-Beitrages herrschen.
    Wenn man in der Unterrichtszeit durch die Korridore geht, herrscht überall "arbeitsame Ruhe" in den Klassen.
    Auch hat man in DIESEN Schulen nicht so viele überlastete und von Schülern genervte Lehrer. Migrantenkinder haben wir hier auch - überproportional viele sogar. Trotzdem funktioniert's sehr gut.


    Warum zeigt kein Fernsehteam solche Schulen / Klassen / Lehrer? Na ja, es ist halt nicht so medienwirksam ...

  • Zitat

    Original von Meike.
    ...
    Die eigentlichen Belastungen fand ich im Report allerdings auch unscharf dargestellt. Es ist, zumindest in meiner Schulform, eher der administrative Wahnsinn, der einen nervt und die Zeit raubt, die man eigentlich fürs Kerngeschäft bräuchte. Wenn das dann noch Dokumentationsaufgaben fürs KM oder sinnlose Zeitverschwendung mit dem immer noch funktionsunfähigen Programm LUSD, das das Ministerium den Schulen aufgedrückt hat, sind, die also nicht nur zeitraubend, sondern in vollem Umfang überflüssig und unverschämt sind, dann geht es mir auch an die Magenschleimhaut!! .


    Solidarische Grüße aus Ba-Wü. Auch bei uns wird alle paar Wochen "eine neue Sau durchs Dorf getrieben", alles wird evaluiert, gemessen und gewogen. - Um im Bild zu bleiben: "Vom vielen Wiegen wird die Sau jedoch nicht fetter" - statt die Kollegen zu entlasten oder Förderstunden einzurichten, werden 100 Deputate an Fulltime-Evaluatoren abgezweigt. Oh Pisa!


    Wir hatten bereits das Vergnügen, mehrere "Steuergruppen" einzurichten und einige Konferenzen zur Selbstevaluation abzusitzen, Umfragen unter Schülern und Lehrern auszuwerten um festzustellen, dass wir bereits viel erreicht haben - auch ohne das ganze Brimborium. Ganz einfach, weil's unser Job ist. Aber jetzt haben wir es schriftlich und in schönen Diagrammen vor uns.


    Dummerweise sind uns jedoch auch ein paar altbekannte Probleme erhalten geblieben - die in den Erhebungsdaten nicht auftauchen - weil nicht danach gefragt worden war...


    Wie gesagt. Vom Wiegen allein...

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Zitat

    Original von Meike.
    ...
    Die eigentlichen Belastungen ...[sind]... eher der administrative Wahnsinn, der einen nervt und die Zeit raubt, die man eigentlich fürs Kerngeschäft bräuchte. Wenn das dann noch Dokumentationsaufgaben fürs KM oder sinnlose Zeitverschwendung mit dem immer noch funktionsunfähigen Programm LUSD, das das Ministerium den Schulen aufgedrückt hat, sind, die also nicht nur zeitraubend, sondern in vollem Umfang überflüssig und unverschämt sind, dann geht es mir auch an die Magenschleimhaut!! .


    Mal nebenbei gefragt, weil ich genug Beamte kenne, die einfach solchen Papierkrieg in den Papierkorb "verschieben" (ich trau' mich nicht immer bzw. werde nicht gefragt als Angestellter bzw. Honroarkraft - je nach Vertrag):
    Warum verschiebt man diesen Mist nicht einfach auch in den Papierkorb? Es wird doch eh nicht gelesen ...


    Und als Beamter kann man sich doch solche "Fehler" leisten, wenn es andere Beamte auch können, oder doch nicht?


  • Das ist natürlich die Krux. Wenn ich meine Klassen halbwegs diszipliniert führe, dann kann ich nebenher auch mal etwas anderes machen oder einfach zehn Minuten dasitzen und den Schülern entspannt beim Arbeiten zuschauen. Der best vorbereitete Unterricht nutzt nichts, wenn er im Lärmpegel der Klasse untergeht.
    Wobei arbeitsame Ruhe natürlich auch nicht alles ist. Wenn bei mir 27 Schüler aufgeregt diskutierend an einer schülerzentrierten Phase sitzen, wird es naturgemäß laut. Da es für mein Handy als neuesten Gimick ein db-Messer gibt, muss ich das demnächst mal antesten ;)


    Zitat

    Original von row-k


    Mal nebenbei gefragt, weil ich genug Beamte kenne, die einfach solchen Papierkrieg in den Papierkorb "verschieben" (ich trau' mich nicht immer bzw. werde nicht gefragt als Angestellter bzw. Honroarkraft - je nach Vertrag):
    Warum verschiebt man diesen Mist nicht einfach auch in den Papierkorb? Es wird doch eh nicht gelesen ...


    Und als Beamter kann man sich doch solche "Fehler" leisten, wenn es andere Beamte auch können, oder doch nicht?


    Diesen "Mist" kann man nicht in den Papierkorb geben. Die RPs melden sich nach einiger Zeit schon, wenn Daten fehlen. Ich habe aber noch nie mitbekommen, dass man von deren Seite aus massiv wurde. Die sind ja selbst an der Belastungsgrenze.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    Original von gingergirl
    @rauscheengelsche: Warum denkst du denn, dass solche Reportagen nichts in der Gesellschaft bewirken?


    zum einen glaube ich, dass die öffentlichkeit grundsätzlich ihr meinungsbild über lehrer inzwischen so gefestigt hat, dass sich daran in absehbarer zeit eh nichts ändert. und zum anderen fürchte ich, dass gerade dieser beitrag noch zu negativen vorurteilen mehr führen kann, weil zumindest ein wenig der eindruck des dauerjammernden lehrers entsteht es ist bei beiden als außenstehender schwer zu sagen, ob ihre überfordeurng an persönlicher unfähigkeit liegt oder am beruf und das wirft damit auch die frage auf, ob die falschen leute diesen beruf wählen).

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ich habe aber noch nie mitbekommen, dass man von deren Seite aus massiv wurde.

    Ich leider schon. Durch die Arbeit im GPRLL krieg ich ja durchaus intime und interessante Einblicke in die Führungsstrukturen und Vorgehensweisen - ganz besonders intensive Lerneinheit: "Wie man Druck von oben nach unten weitergibt - unter Verstärkung des Drucks auf dem Weg nach unten".


    Ein hessischer Schulleiter hat mal wegen der 200-300 Überstunden, die jedes Mitglied der erweiterten Schulleitung pro Jahr wegen des funktionsunfäihigen Zwangsprogramms LUSD in den Oberstufen entstanden sind (verwalte mal das Abi mit dem Scheiß!), die Direktoren zu einem gemeinsamen Rundbrief ans KM überredet und angedroht, dieses Programm nicht mehr zu nutzen und mit der Arbeitsüberlastung, die das Programm erzeugt hat, an die Presse zu gehen.
    Dienstgespräch im Amt, offizielles Maulverbot seitens des Juristen des KM, Abmahnung.
    Außerdem hat diese Schule nicht die LUSD, sondern ein eigenens Programm genutzt, in Mehrarbeit von Kollegen erstellt, damit richtige Zeugnisse (i.e. mit allen AGS und Zusatzprojekten/Zertifikaten drauf - in der LUSD nicht vorgesehen) erstellt werden konnten. Darauf legen Schüler und Eltern und Unis und Arbeitgeber nämlich wert. Konsequenz: der Schule wurde Geld gestrichen, weil sie die "Dienste der LUSD" nicht genutzt hat. Folglich brauchen sie auch weniger Stundenbudget und weniger Geld, is ja logisch, gell?
    Das finde ich massiv!


    Als nur eins von vielen Beispielen.


    Ob wir guten Unterricht machen oder nicht, ist dem KM im Prinzip scheißegal. Dafür gibt's auch gar kein Evalutaionsinstrument (kommt mir jetzt bloß nicht mit der lachhaften Schulinspektion, die sich nur die Oberfläche und auch wieder die Dokumentationen angucken, da kann man schön faken! Dafür frisst sie hunderttausende Euro..).


    Das sind die Dinge, die mich Nerven kosten können, weil sie so unfassbar unverschämt, unprofessionell, am Thema vorbei und nachgerade in kabarettistischem Maße grotesk sind. Bzw. kabarettistisch wären - denn leider sind sie abendfüllende Lebensrealität für die Kollegen, die sich damit zwangsweise befassen müssen.

  • Heike: Ich habe das Gefühl, wir reden von unterschiedlichen Sachen. Ich meine die kleinen, aber in der Menge zeitfressenden Aufgaben: Statistiken über Abschlussprüfungen, An- und Abwesenheiten inkl. Krankmeldungen, Berichte über Schulversuche usw. Da sind - zumindest in meiner Schullaufbahn - die Maßnahmen noch nie über sanften Druck hinausgegangen, wenn man zu spät war.
    Dein Beispiel halte ich jetzt auch nicht für unbedingt geeignet, lehrertypische Belastungen darzustellen. Fast in jedem größeren Betrieb mit entsprechender Bürokratie wird man dir von ähnlichem Nonsens berichten.
    Aber ich habe schon das Gefühl, dass wir hier in B-W vor allem im beruflichen Bereich noch wirklich gut dastehen. Das liegt aber auch an unserer Struktur, dass wir viele Schulassistenten mit Anrechnungsstunden haben (z.B. bekommt ein Schulassistent bei uns pro Klasse einer Vollzeitschulart eine Anrechnungsstunde; dafür hält er in vielen koordinierenden und verwaltungstechnischen Bereichen auch den Kollegen und Klassenlehrern den Rücken frei). Dafür ist bei uns das AG-Angebot sehr gering, was ich aber in dieser Zusammensetzung eher angenehm empfinde.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Zitat

    Original von Dejana
    Ich frag mich, warum die Dame denn glaubt in jeder Stunde erstmal die Probleme ihrer Schueler bewaeltigen zu muessen. Mal abgesehen davon, dass mir Fachlehrer meine Knirpse hoechstens an die Hand geben, damit ich sowas als Klassenlehrerin machen kann...ich hab noch nie Stundenzeit fuer solche Diskussionen geopfert.


    Weil deutsche Lehrer und Lehrerinnen neben dem Unterrichten die Kinder auch noch erziehen sollen/müssen. Das verlangen Eltern, Bildungspolitik, PISA und die B**D-Zeitungs-kritische-Öffentlichkeit.


    Den Luxus von Solzialarbeitern oder Schulpsychologen leistet man sich kaum. Ich jedenfalls habe an meiner Schule noch nie solche Fachkräfte gesehen.


    Ergänzung: Verfügungsstunden für pädagosche Arbeit gibt's bei uns am Gymnasium nur in Klasse 5 (1 Stunde pro Woche).


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Zitat

    Original von Mikael
    Weil deutsche Lehrer und Lehrerinnen neben dem Unterrichten die Kinder auch noch erziehen sollen/müssen. Das verlangen Eltern, Bildungspolitik, PISA und die B**D-Zeitungs-kritische-Öffentlichkeit.


    Ergänzung: Verfügungsstunden für pädagosche Arbeit gibt's bei uns am Gymnasium nur in Klasse 5 (1 Stunde pro Woche).


    Das muss ich auch, aber doch nicht in meinen Stunden. Da wuerd meine Stufenleiterin mir ja schoen was husten, wenn ich soviel Zeit verschwenden wuerde. Dafuer sind Pausen da...und meine PPA (Planning, Preparation, Assessment) Zeit. Wenn ich dann Kinder zur "Erziehung" aus anderer Leute Unterricht entfernen muss, dann mach ich das. Allerdings in meiner Rolle als Klassenlehrerin. Ich seh nicht, warum sich Fachlehrern mit den Problemfaellen in meiner Klasse rumplagen sollen. Das ist mein Job. :rolleyes:

  • Zitat

    Original von Mikael


    Weil deutsche Lehrer und Lehrerinnen neben dem Unterrichten die Kinder auch noch erziehen sollen/müssen.


    Erziehung ist eine klassische Lehrerfunktion und daran ist ja nun auch gar nichts auszusetzen.


    Allerdings verstehe ich die Verwirrung der Kollegin im Fernsehbeitrag nicht so ganz - offensichtlich hat sie ihre Schüler dazu erzogen, dass ihre individuelle Befindlichkeit erst einmal breit im Plenum diskutiert werden muss. Da sollte sie sich nicht wundern, wenn die Schüler das dann auch tun. Damit bekommen die Aufmerksamkeit und welcher pubertierende Jugendlicher will die nicht?


    Erziehung muss ja nun nicht regelmäßig dieses fürchterliche Befindlichkeitsgequatsche sein. Längere Gespräche sind in schwierigen Situationen außerhalb(!) des Unterrichts sicherlich gegebenfalls angemessen. Und die gruppendynamische Situation in einer Lerngruppe kann unter Umständen so vor die Wand gefahren sein, dass auch(!) eine Gruppendiskussion nötig ist. Aber das sind doch Ausnahmen - bloß weil bei Jugendlichen ein verrutschter Hosenträger zu Weltschmerzattacken und auf ewig zerbrochenen Freundschaften führt, muss man das nun nicht jedesmal reflektierend umwälzen.


    Disziplinprobleme lassen sich nicht durch Diskussion und Einsicht lösen, sondern nur durch Übung. Die Einsicht kommt dann schon - aber eben als zweiter Schritt, wenn die Schüler merken, dass eine ruhige und höfliche Arbeitsumgebung für alle Beteiligten angenehmer ist.


    Interessant übrigens auch bei der Kollegin die Vermischung von Sach- und Beziehungsebene inklusive nöligem Mama-Tonfall. Wahrscheinlich hätte sie mit distanziert-nüchterner Konsequenz sehr viel weniger Streß.


    Nele

    2 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()


  • Genau das meinte ich ja. Ich versteh wirklich nicht, warum sie das so mittendrin und oeffentlich mit der gesamten Klasse machen muss. Der Rest sitzt dann erstmal rum und langweilt sich. Da wuerden sich meine auch net benehmen. Dabei sind meine Schueler sogar noch juenger.
    Ich hab heute auch zwei meiner Maedels gebeten mich in der Mittagspause zu sehen, obwohl sie sich waehrend er Stunde gezankt haben und nun keine Freunde mehr sein wollten (mit Traenen und Gejammer). Dafuer war in dem Moment einfach keine Zeit.
    In der Mittagspause haben wir uns dann zu dritt hingesetzt und darueber geredet. Siehe da, wir konnten in Ruhe alles besprechen, ich hatte Zeit zuzuhoeren (und nebenbei was zu essen) ...sie moegen sich doch noch. Damit ist die Sache erledigt.


    Auch ich sag meinen gelegentlich, dass ich gleich sauer werd. Allerdings in nem ganz anderen Tonfall und auf Individuen gerichtet.

  • Ich wollte mit meiner Bemerkung nicht sagen, dass Lehrer nicht erziehen sollten. Das "Erziehen" hat nur leider keinen angemessenen Platz im "System" Schule, so wie ich es erlebe. Vielleicht ist es in anderen Schulformen / Ländern anders. Mein Eindruck ist, dass erwartet wird, dass "Erziehung" insbesondere bei problematischen Schülern nebenbei stattfinden soll. Wir haben keinen "Trainingsraum", keine Sozialpädagogen oder -psychologen. "Erziehung" findet bei uns notgedrungen im "Vorbeigehen" statt, d.h. durch kurze Gespräche in den Pausen oder "Ermahnungen" im Unterricht. Bei uns kommt es zudem vor, dass die Kinder pro Woche von zehn unterschiedlichen Kollegen/Kolleginnen unterrichtet werden. Sehr schwierig, dabei eine einheitliche "Linie" zu finden...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Original von Dejana
    Das muss ich auch, aber doch nicht in meinen Stunden. Da wuerd meine Stufenleiterin mir ja schoen was husten, wenn ich soviel Zeit verschwenden wuerde. Dafuer sind Pausen da...und meine PPA (Planning, Preparation, Assessment) Zeit. Wenn ich dann Kinder zur "Erziehung" aus anderer Leute Unterricht entfernen muss, dann mach ich das. Allerdings in meiner Rolle als Klassenlehrerin. Ich seh nicht, warum sich Fachlehrern mit den Problemfaellen in meiner Klasse rumplagen sollen. Das ist mein Job. :rolleyes:


    Schön, dass du diese Zeit hast. (Keine Ironie!) Ich habe sie an einer niedersächsischen HRS leider nicht. Mit 29 Wochenstunden habe ich gerade mal eine Freistunde pro Woche. Und in der vertrete ich meist. Am Tag habe ich 2 große Pausen (15 und 20 min). in dieser Zeit bin ich froh, wenn ich noch schnell einen Apfel verzehren, einen Schluck Wasser trinken kann, die noch fehlenden Kopien machen (am vorherigen Tag war mal wieder der Kopierer kaputt/überfüllt/kein Papier/Folien mehr da) und schnell ein wichtiges Gespräch mit Kollegen führen kann. Meistens stehen dann da noch 1-5 meiner 5.Klässler mit hochwichtigen Problemen (Der hat mich geschubst, mein Füller ist weg, haben wir morgen die 6. Stunde frei?...) die ich auch schnell mal abfertigen/-schütteln muss. Außerdem gehen 70 min meiner Pausen pro Woche für Aufsicht drauf. Zeit für Schülergespräche bleiben da nicht. Nach der Schule übrigens auch nicht, denn ca. 4 Minuten nach dem klingeln fährt der Bus weg, so dass schon der Aufräumdienst nach der 6. Stunde dazu führen kann, dass ich einen heulenden Schüler vor mir stehen habe, der den Bus verpasst hat und jetzt nicht nach Hause kommt, denn die Eltern arbeiten ja. Außerdem: wenn ich eine 6. Hauptschulklasse komme, und mir schon auf dem Flur zwei völlig aufgelöste Mädels (nein, keine Show) entgegenkommen, weil ein Mitschüler völlig durchgedreht ist und um sich geschlagen und gebrüllt hat, da ein anderer Mitschüler ihn aus Versehen angestoßen hat, dann würde ich auch gerne mit meinem Englischunterricht weitermachen, denn schließlich habe ich ja nur 3 Englischstunden die Woche, wo 5 vorgesehen wären. Aber DAS GEHT NICHT. Diese Schüler sind dermaßen aufgewühlt, das ein Übergang zur Tagesordnung einfach nicht funktioniert.
    Was mir im Schulalltag im Moment wirklich am meisten fehlt, ist Zeit für Gespräche. Der Ganztagsschulbetrieb, der einiges entzerren und erleichtern würde, wurde uns leider nicht genehmigt, dafür ist kein Geld da.



    Insgesamt höre ich bei dieser Diskussion auch den Tenor, dass das Leiden der in der Reportage gezeigten, quasi ausgebrannten Lehrer hausgemacht sei und sie den ganzen Stress ja nicht hätten, wenn sie selbst besser mit ihrer Situation umzugehen wüßten /die äußeren Zwänge geschickter umgängen / einfach ein bißchen mehr Selbstverantwortung zeigen würden.


    -


    Glaubt ihr das wirklich?
    Ich habe mich in einigen, wenn auch nicht allen Situationen besonders der Kollegin im Film wiedererkennen können. Auch mich stressen diese Tücken des heutigen Lehreralltages enorm. Aber wahrscheinlich bin ich selber Schuld.

  • Zitat


    Insgesamt höre ich bei dieser Diskussion auch den Tenor, dass das Leiden der in der Reportage gezeigten, quasi ausgebrannten Lehrer hausgemacht sei und sie den ganzen Stress ja nicht hätten, wenn sie selbst besser mit ihrer Situation umzugehen wüßten /die äußeren Zwänge geschickter umgängen / einfach ein bißchen mehr Selbstverantwortung zeigen würden.


    -


    Glaubt ihr das wirklich?
    Ich habe mich in einigen, wenn auch nicht allen Situationen besonders der Kollegin im Film wiedererkennen können. Auch mich stressen diese Tücken des heutigen Lehreralltages enorm. Aber wahrscheinlich bin ich selber Schuld.


    ich hab mich sicherlich in einigen situation auch wiedererkannt, keine frage. aber ich seh schon punkte, an denen die beiden durchaus etwas an ihrer lage verbessern könnten und ich vermute, dass sie das auch erst schmerzlich nach einem herzinfarkt/ kollaps o.ä. sehen werden. ich selbst durfte meine grenzen kennenlernen und deshalb wird eben nicht mehr abends endlos korrigiert und auch mal unterricht nach dem buch gemacht - die kinder lernen komischerweise trotzdem was. das ganze privatleben existierte ja bei dem mann gar nicht mehr, wann will er sich denn erholen?
    man kann den stress sicher so nicht ganz ausschalten, aber ganz bestimmt die gesundheitlichen risikofaktoren reduzieren.

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