adipöser Schüler

  • (Eine 7.Klasse- der Schüler ist seit 2Wochen in der Klasse- und ausgerechnet jetzut waren einige Wandertage / Projektwoche geplant.)


    Wie geht ihr mit einem extrem übergewichtigen Schüler um? Wandertage an denen wirklich gewandert wird- sind mit ihm nicht machbar--nach 10min normalen Laufens geht kaum noch was. Dinge wie z.B. Boot fahren ebenfalls nicht. Ein Kinobesuch scheitert dadurch, dass er in keinen Sitz passt. Ich könnte diese Liste fort setzen.
    Im Sportunterricht traue ich mir schon gar nicht ihn irgendwie zu belasten - es wird bei uns kein Schwimmunterricht angeboten.


    Dieser Schüler ist neu in der Klasse. Ihn von jeder Aktivität auszuschließen wäre im Sinne der Integration kontraproduktiv. Ständig auf ihn Rücksicht zu nehmen wäre den anderen Schüler aber unfair gegenüber.


    PS: Die Mutter gab keinerlei gesundheitl. Einschränkungen an- und einen Diätarzt wurde von der Familie ab gelehnt, da er zu "schwierige" Forderungen stellt. Das extreme Übergewicht scheint also wirklich nur -sorry- angefressen zu sein.


    Vg skydep

  • Hm, ich denke im Alltag wird das immer eine Gradwanderung bleiben. Vielleicht macht es Sinn, genau darüber auch mit dem Schüler ein Vier-Augen-Gespräch zu führen, um ihm das transparent zu machen.


    Vielleicht überziehe ich jetzt aber spontan muss ich doch sagen, dass ich auch daran gedacht habe, ob in solch einem Extrem-Fall nicht das Jugendamt informiert werden sollte. Zumindest mittelfristig entsteht hier ja ein durchaus erhebliches gesundheitliches und seelisches (Selbst-)Gefährdungspotential. Bei magersüchtigen Kindern in Kombination mit offensichtlich uneinsichtigen Eltern würde man ja auch so handeln.

    • Offizieller Beitrag

    Ich würde zuerst nochmal mit den Eltern sprechen, ihnen das Problem schildern und sie fragen, wie sie denken/wünschen, dass damit umgegangen wird. Im schlimmsten Falle bekommst du nur heraus, dass es ihnen egal ist, ob ihr Kind irgendetwas mitmachen kann - im besten Falle ergibt sich aus dem Gespräch für die Eltern die Einsicht, dass Übergewicht in dieser Größenordnung mehr ist als nur ein Aussehensfaktor und man kann ins Gespräch über Maßnahmen kommen.
    Und natürlich kannsz du mit ihnen Absprachen darüber treffen, wie man vorgeht, wenn die Klasse Dinge tun will, bei denen er nicht mitmachen kann: kann ja in der Tat nicht sein, dass in einer Klasse kein Kino, kein Waldausflug und kein Sport&Spieletag mehr möglich ist.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Mmmmmmh,


    auch wenn das jetzt nicht wirklich political correct ist, was ich jetzt sage, so würde ich doch gar nichts weiter unternehmen.


    Wir Lehrer können nicht die Welt verbessern, und selbst wenn wir es versuchen würden, wären wir damit ziemlich alleine gelassen. Wenn die Familie oder der Schüler selber (das Alter wäre noch interessant zu wissen) nicht mal ansatzweise mitziehen, kannst du m.E. nichts machen. Es ist nicht deine Aufgabe für das Lebensglück von anderen zu sorgen, die das selber nicht wollen.


    Ich würde mit der Klasse Wanderausflüge machen, und wenn der Schüler halt nicht kann, muss er halt in der Schule bleiben und den Tag in der Parallelklasse verbringen, hart aber einfach. Es kann nicht sein, dass die komplette Klasse darunter leidet, wenn eine Familie zu bl*d ist, ihr Kind richtig zu erziehen.


    Du bist Lehrerin, keine Diätberaterin, irgendwo findet deine Dienstleistung an den Schülern auch ein Ende, du kannst nicht im Alleingang Menschen zum Guten verändern, auch wenn das schön wäre.


    Und wenn der Schüler als junger Erwachsener Schuldige sucht, die ihn in diese Lage gebracht haben (was sicherlich kommen wird), dann wird er dabei an seine Eltern denken und sicherlich nicht an seine Lehrerin.


    Für mein Dafürhalten hast du bereits getan was möglich ist.


    Grüße
    MN

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Modal Nodes
    Für mein Dafürhalten hast du bereits getan was möglich ist.


    Wo liest du das? Ich lese nur, dass die Mutter keine Einschränkungen angegeben hat, nicht, dass da irgendwelche tiefergehenden Gespräche geführt wurden.
    Muss man mit der Zeit so zynisch werden? Sory, aber das regt mich grad auf, wie schnell Schüler aufgegeben werden. Sooo viel Mühe macht doch ein intensives Elterngespräch auch wieder nicht! Vielleicht kann man da zu einer gemeinsamen Regelung finden. Wenn nicht, hat man es wenigstens versucht.


    Ich finde nicht, dass man als Lehrer keinen anderen Auftrag als die Wissensvermittlung hat! Vielleicht hat man nicht immer Erfolg, aber dem ein oder anderen Kind kann man schon helfen.

  • Modal Nodes hat hier absolut Recht !


    Nach meiner Wahrnehmung leiden zu viele Lehrer unter einem Helfersyndrom und reiben sich gerade an den Leuten auf, die sich nicht helfen lassen wollen.
    Für das (private/gesundheitliche) von uns nicht beeinflussbare Lebensglück des Einzelnen tragen wir keine Verantwortung.


    In dem o.g. konkreten Fall hätte ich 1 (!) Gespräch mit den Eltern geführt. Wenn es ebenfalls fruchtlos verlaufen wäre, hätte ich das Jugendamt verständigt, wenn für den Schüler (gesundheitlich) Gefahr in Verzug gewesen wäre.


    Ansonsten kann das Kind halt eben nicht an den o.g. Veranstaltungen teilnehmen, wenn die Eltern nicht für die Besserung der Lage sorgen. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Erst mal vielen Dank für eure Antworten.


    Ich bin zur Zeit intensiv dabei einen Gesprächstermin mit der Mutter zu organisieren. Dies gestaltet sich schwieriger als gedacht. (an das Telefon wird nicht gegangen- auf Briefe und Infos von mir über den Schüler wird nicht reagiert)- ist für uns halt typisches Brennpunktschulelternklientel - (ein schönes Wort;-).)



    Der Schüler ist 14 Jahre alt. Wenn sich in der nächsten Woche nichts erreichen lässt verständige ich unsere Sozialarbeiter und denke das Jugendamt wird dann eingeschaltet. (wobei ich mich immer frage- der Schüler war bereits 7 Schuljahre in der Schule- warum hat sich bis jetzt noch Keiner irgendwie gekümmert- in den Akten ist nichts zu finden).


    VG skydep

  • Hey,
    ich hab einen ganz ähnlichen Fall in meiner Klasse - gleiches Alter, gleiche Jahrgangsstufe, Gewicht liegt ca. bei 130 kg und bereits bei der Einschuluntersuchung bestanden Bluthochdruck-Probleme und Übergewicht (mit 6 Jahren wog er bereits 70 kg (!))
    Ich bin sein vierter Lehrer, jede Lehrkraft hat Elterngespräche geführt, das Jugendamt war eingeschaltet, der Schularzt war involviert, etc.
    Fakt ist, wenn die Eltern nicht wollen, kann hier niemand irgendwas machen!
    Was soll das Jugnedamt schon tun??? Den Eltern wurden Beratungsgespräche angeboten, eine Diätkur wurde in Kooperation mit Schul- und Hausarzt in die Wege geleitet, es wurde eine Ernährungsberatung in der Familie durchgeführt (alle Familienmitglieder sehen übrigens ähnlich aus).
    Trotzdem ist nix nachhaltiges passiert.


    Aber vielleicht ist das bei dir ja anders ;) Du solltest das Gespräch führen, um dein Gewissen zu beruhigen - aber mach dir keinen Streß, wenn am Ende nichts bei rumkommt! Wie oben schon erwähnt wurde: wir können die Welt nicht alleine retten! :P


    Gruß
    Potilla

    Man muss nicht immer jeden da abholen, wo er steht - manchmal ist es auch wichtig jemaden da zu lassen, wo er sein will!

  • Ich denke, wir sollten uns endlich auf die Bildung und unser Kerngeschäft konzentrieren, das wir wirklich beherrschen, Fachunterricht !


    Das andere überlassen wir Profis. Wir können lediglich einen vermittelnden Anruf tätigen, und das wars. Ansonsten Bildung !


    Über die Effizienz der Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter, Jugendämter etc. möchte ich mich hier nicht äußern.


    Auch möchte ich mich nicht an dieser Stelle beklagen, dass hart erarbeitete Steuergelder sinnlos verprasst werden, wenn die Eltern zwar alles in Anspruch zu nehmen gedenken, aber auf der anderen Seite nicht bereit sind, konstruktiv mitzuarbeiten.


    Ich denke, wir Lehrer sollten uns nicht in die (persönlichkeits- und kraftverzehrende) Helferfalle hineinbegeben, wenn von den o.g. Profis und Eltern nur heiße Luft kommt.8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    3 Mal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Zitat

    Original von Melosine
    Sory, aber das regt mich grad auf, wie schnell Schüler aufgegeben werden.


    Mich regt auch auf, wie schnell Kinder von ihren Eltern aufgegeben werden.


    Ja ja, "Eigeninitiative", dieses böse neo-liberale Wort...

    »...Aus Mettwurst machste kein Marzipan! «
    Bernd Stromberg

  • Zitat

    Wo liest du das?


    hier:


    Zitat

    ...und einen Diätarzt wurde von der Familie ab gelehnt, da er zu "schwierige" Forderungen stellt.


    Daraus folgt zwingend, das wegen des Problems schon Kontakt zur Familie des Jungen aufgenommen wurde.


    Und wenn es gesundheitsgefährdend für den Schüler wird/ist, dann bleiben nur die schon beschriebenen Maßnahmen: Schulsozialarbeiter und Jugendamt.
    Alles andere liegt nicht mehr in den Händen des Lehrers.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Wenn die Eltern beratungsresistent sind, das Problem gar nicht sehen, bzw. sehen wollen, die Behörden (JA, Ärzte) schon informiert sind, dann kannst du gar nichts machen. Wenn das Kind dann bei Wandertagen zuhause bleibt, dann bleibt es eben zuhause. Ist das dein Problem? Oder das Problem der restlichen Klasse?
    Die Eltern (und das Kind) wollen offensichtlich nichts ändern - und von daher sehe ich die ansonsten sinnvolle Rücksichtnahme anders als bei z.B. einem Rollstuhlkind.
    Wir können uns als Lehrer in unserem Job für alle Schüler aufopfern, bis wir selber daran kaputt gehen... Aber wir müssen das nicht tun.

  • Zitat

    Original von Anja82
    Ist unsere Aufgabe wirklich nur Fachwissen vermitteln. Das sehe ich nicht so.


    Nein, ist es nicht. Aber irgendwo sind Grenzen. Und diese ist hier erreicht.


    Gruß
    Anna

  • Wer Hilfe will, bekommt sie auch. Wer sie nicht will, bekommt sie eben nicht.
    Wenn weder Eltern noch Kind an einer Änderung interessiert sind, dann ist der Lehrer Job damit erledigt. Ist zwar schade für das Kind, dass seine Situation noch gar nicht richtig verstehen kann, aber geht halt nciht anders.

  • Zitat peselino


    Zitat

    Wir können uns als Lehrer in unserem Job für alle Schüler aufopfern, bis wir selber daran kaputt gehen...


    Ja, das versuchen tragischerweise einige Kollegen, die ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit sich selbst verheizen. Die hohe Burn-Out-Rate spricht Bände ! Gedankt wird ihnen dabei freilich von keiner Seite.


    Ich frage mich immer wieder, warum etliche Lehrer es nicht schaffen eine sachliche professionelle Distanz zu wahren.


    Zitat

    Aber wir müssen das nicht tun.


    Ich möchte es auch nicht tun ! Im Sinne meiner eigenen physischen und psychischen Gesundheit, die für mich Priorität hat und natürlich im Sinne der Kollegen und Schüler.


    Eine gut funktionierende Schule braucht Lehrer, die bis zum Pensionsalter fit bleiben. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Nein, ist es nicht. Aber irgendwo sind Grenzen. Und diese ist hier erreicht.


    Ob oder ob nicht diese Grenze hier erreicht ist, können wir aus der Ferne wohl nicht beurteilen, aber das muss ja auch nicht sein, der threadstarter kann und wird da ja seine eigenen Maßstäbe anlegen.


    Aber selbst wenn Elterngespräche oder Jugenamtintervention nichts nutzen, ist für den Lehrer die Verantwortung noch nicht zuende: dann gilt es zu sehen, wie das Kind in die Klasse und deren Aktivitäten integriert werden kann, wie man es - vielleicht auch trotz Eltern oder ohne Eltern - zumindest über gesunde Ernährung und deren Wichtigkeit informieren und da Akzente setzen kann, wie man ihm Erfolgserlebnisse verschaffen kann, die seinen sicher schwierigen Stand in der schulischen peer group etwas ausgleichen etc.
    Wir haben nunmal neben der fachlichen auch eine pädagogische Verantwortung und die hat nix mit Helfersyndrom zu tun (vor dem ich auch ausdrücklich warne, nicht nur aus Selbstschutzgründen, sondern weil das oft übergriffiges Verhalten ist!), sondern ist ganz normaler Teil unseres Berufsprofils.

  • Zitat

    Original von Meike.
    Wir haben nunmal neben der fachlichen auch eine pädagogische Verantwortung und die hat nix mit Helfersyndrom zu tun (vor dem ich auch ausdrücklich warne, nicht nur aus Selbstschutzgründen, sondern weil das oft übergriffiges Verhalten ist!), sondern ist ganz normaler Teil unseres Berufsprofils.


    Pädagogische Verantwortung ja, aber nur für den schulischen Bereich, die zudem für diesen Bereich gleichberechtigt neben die Verantwortung der Eltern tritt. So sieht es der Gesetzgeber und alles andere ist auch unrealistisch. Die Welt retten werden wir als Lehrkräfte sicherlich nicht.


    Es sind dann auch oft diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die diese Verantwortungsgrenzen überschreiten, die dann irgendwann einen Burn-Out o.ä. bekommen. Am Ende wird einem niemand diesen "Einsatz" danken und die anderen sind genervt, dass XXX schon wieder (dauer-)krank ist. Einige von diesen "Weltrettern" flüchten sich am Ende auch in Teilzeit, Sabbat-Jahr oder was auch immer... überlegt euch selbst, ob ihr das wollt.


    "Professionelle Distanz" ist wichtig. Ein Arzt solte ja auch keine schlaflosen Nächte haben, wenn seine Patienten seine Ratschläge nicht befolgen...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat Meike :


    Zitat

    Aber selbst wenn Elterngespräche oder Jugenamtintervention nichts nutzen, ist für den Lehrer die Verantwortung noch nicht zuende: dann gilt es zu sehen, wie das Kind in die Klasse und deren Aktivitäten integriert werden kann, wie man es - vielleicht auch trotz Eltern oder ohne Eltern - zumindest über gesunde Ernährung und deren Wichtigkeit informieren und da Akzente setzen kann, wie man ihm Erfolgserlebnisse verschaffen kann, die seinen sicher schwierigen Stand in der schulischen peer group etwas ausgleichen etc

    .


    Ich frage mich nur, wie die Lehrer das zeitlich schaffen sollen, die sich auch um die restlichen 32 Schüler in der Klasse kümmern müssen. Summa summarum kann ein Fachlehrer innsgesamt auf ca. 400 Schüler kommen-Jeder Schüler hat da so seine Wehwechen.


    Und bitte nicht die Fachinhalte quantitativ und qualitativ herunterfahren !
    Wir sind Fachlehrer und keine Psychologen !


    Abgesehen davon bin ich auch kein Ernährungsberater und maße mir nicht an, hier irgendwelche Hinweise zu geben.


    Wenn Elternhäuser und Profis es nicht hinkriegen (Die Eltern z.T. nicht wollen) können wir absolut nichts mehr richten.


    Den Schwarzen Peter würde ich mir auf keinen Fall zuschieben lassen !


    Im Erlass steht auch nichts darüber, dass man es als Lehrer muss. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

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