Aufsichtspflicht der Lehrer auf dem Schulweg

  • Ich habe heute ein interessantes Gespräch mit einer Mutter der 6. Klasse zum Thema Aufsichtspflicht der Lehrer. Da die Mutter sich vom Vater getrennt hat, sollen wir darauf achten, dass der Vater das Kind nicht mehr von der Schule abholt!!! Ich dachte, ich falle vom Stuhl!
    Als ich ihr klar machte, dass sich die Aufsichtspflicht nicht auf den Schulweg erschreckt, meinte sie, dass sie die Schule anzeigt, wenn der Vater dann das Kind entführt. Auf meine konkrete Nachfrage hin, hat sie aber auch zugegeben, dass sie noch nicht geschieden sind und beide immer noch Erziehungsberechtigte sind. Es war auch keine Rede von körperlicher Gewalt durch den Vater.


    Kann die ja dann mal versuchen, die Schule oder mich als Klassenlehrerin anzuzeigen, weil ich es nicht verhindert habe, dass ein 11 jähriges Mädchen mit dem Vater heimgegangen ist. Kennt irgendjemand einen Fall, wo die Schule zwecks Aufsichtspflichtverletzung angezeigt wurde, wenn das Kind auf dem Schulweg durch den noch sorgeberechtigten Vater entführt wurde?


    Ganz ehrlich, danke für die Info, dass die Eltern jetzt einen Scheidungskrieg haben, aber bitte, worum soll mich als Lehrerin noch alles kümmern? Scheidungskrieg ist doch wohl Sache der Eltern. Da muss die Mutter eben ihr Kind selbst abholen! So lange in meinen Schulakten immer noch steht, dass beide erziehungsberechtigt sind, werde ich dem Vater auch jede Info über sein Kind geben und auch jede Unterschrift vom Vater unter Tests akzeptieren.

  • Vor allem darfst Du das gar nicht, so lange kein Beschluss eines Richters vorliegt, der den Umgang des Vaters mit dem Kind verbietet.


    So war es jedenfalls bei uns.


    Dann wurden wir jedoch von der Sl angehalten, sofort die Polizei zu rufen, wenn der Vater das Schulgeöände betritt.

  • Hmm, kommt drauf an. Je nachdem wer das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat. Wenn es bei der Mutter liegt und kein Umgangsbeschluss vorliegt, kann sie es dem Vater verweigern das Kind abzuholen. Wenn das nicht der Fall ist, darf er aber das Kind abholen.

  • Die Aufsichtspflicht der Lehrer endet aber mit Verlassen der Schule. Gibt es denn irgendwo eine Realschule, die Lehrer an die Schultür stellt und aufpasst, dass nur sorgeberechtige oder erziehungsberechtigte oder umgangsberechtige Menschen das Kind abholen?
    Deswegen ja auch die Frage: Hat jemand schon den Fall gehabt, dass die Schule wegen Verletzung der Aufsichtspflicht angezeigt wurde, weil das Kind von einer nicht sorgeberechtigen Person auf dem Schulweg im Rahmen eines Scheidungskrieges entführt wurde???

  • Ich würde die o.g. Mutter zu einem Gespräch bestellen und ordentlich Tacheles reden, geehrte marie74 ! Das geht gar nicht , was sich manche Eltern alles so vorstellen und von den Lehrern fordern !


    Ich frage mich immer, wie sich so eine Denke bei den Eltern in den letzten Jahren entwickeln konnte. Kann es vielleicht mit der insgesamt zu weich gespülten und kuscheligen Pädagogik in Deutschlands Schulen zusammenhängen ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

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  • Ich würde die o.g. Mutter zu einem Gespräch bestellen und ordentlich Tacheles reden


    Nomen est omen. Du bist laut Schulrecht zu einer vertrauensvollen Elternarbeit verpflichtet.


    Wir hatten einen ähnlich gelagerten Fall. Dabei ging es jedoch um ein Grundschulkind. Die Mutter holte das Kind immer direkt am Klassenzimmer ab. Das Verfahren war mit der SL abgesprochen. Dem Vater habe ich einmal höflich - aber bestimmt (mit Verweis auf das Hausrecht) - den Weg aus dem Schulhaus gewiesen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat alias :

    Zitat

    Nomen est omen. Du bist laut Schulrecht zu einer vertrauensvollen Elternarbeit verpflichtet.

    Ja, und sich dabei von den Eltern instrumentalisieren lassen ? Nein, geehrter alias, ab und zu muss man bei den Eltern ordentlich auf den Tisch hauen ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Ich lasse mich nicht instrumentalisieren. Wenn es jedoch darum geht, ein Kind vor einer traumatischen Erfahrung zu schützen, bin ich dabei. Da drohe ich so einem Vater auch mit dem Staatsanwalt, falls er sich nicht vom Acker macht.


    Das schließt nicht aus, dass ich in 99,9% der Gespräche mit den Eltern auf eine freundliche und kooperative Art einen Lösungsweg für die schulischen Belange ihrer Kinder suche. Auf den Tisch zu hauen, kommt in 99,9% der Fälle nicht gut rüber und ist kontraproduktiv.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • alias: ich gebe Dir völlig recht, aber in diesem Fall hieß es doch, dass die Eltern nicht geschieden sind und beide nach wie vor erziehungsberechtigt...? Dann lässt sich sowas doch schwerlich umsetzen, oder siehst Du das anders? Mit welcher Handhabe will man da jemanden aus der Schule "werfen" oder mit dem Staatsanwalt drohen? Theoretisch könnte ja der Vater mit dem gleichen Anliegen - umgekehrt - kommen.

  • Mit welcher Handhabe will man da jemanden aus der Schule "werfen" oder mit dem Staatsanwalt drohen?


    Hier gilt das ganz normale Hausrecht. In Vertretung der Schulleitung kann das der Hausmeister und auch jeder Lehrer durchsetzen.
    Edit: Das Hausrecht erstreckt sich auf das gesamte Schulgelände. Mit einem Verweis auf §123 StGB lassen sich herumlungernde Gestalten ziemlich problemlos zum Verlassen des Geländes bewegen. Da diskutiere ich auch nicht lange, sondern zücke das Handy.
    Wird gegen das Hausverbot verstoßen, liegt der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs vor (§ 123 StGB).


    In dem von mir genannten Beispiel lag zudem eine Absprache und Anweisung der Schulleitung vor, dass das Kind nur von der Mutter abgeholt wird.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    2 Mal editiert, zuletzt von alias ()

  • Schon klar, bei rumlungernden Gestalten ist die Entscheidung ja meist einfach. Aber im beschriebenen Fall find ich es schon schwierig, da die Sachlage ja nur von einer Partei geschildert wird und diese eigentlich nicht mehr Rechte hat, als die andere (der Vater). In dem von Dir beschriebenen Fall liegt die Sache ja anders.

  • Solange dir als Lehrer keine richterliche Verfügung vorliegt machst du dich unter Umständen sogar strafbar, wenn du das Kind dem vater NICHT aushändigst.


    Sorgerechtsschlammschlachten- und kriege sind NICHT Sache der Lehrer/Schule. Erst wenn eine richterliche Verfügung vorliegt (egal ob vorläufig, oder alleiniges Sorgerecht oder alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht), kann die Schule mit der sorgeberechtigten Person gemeinsam eine Lösung überlegen, aber eben erst DANN.

  • aber in diesem Fall hieß es doch, dass die Eltern nicht geschieden sind und beide nach wie vor erziehungsberechtigt...? Dann lässt sich sowas doch schwerlich umsetzen, oder siehst Du das anders? Mit welcher Handhabe will man da jemanden aus der Schule "werfen" oder mit dem Staatsanwalt drohen? Theoretisch könnte ja der Vater mit dem gleichen Anliegen - umgekehrt - kommen.

    Richtig. Erstens hat der Vater hat dasselbe Recht, wie die Mutter, auch wenn
    die Mutter mehr Aufstand macht und in der Schule rumpöbelt.


    Zweitens- und das war ja die Ausgangsfrage- müsst ihr m.E. nicht aufpassen, wer von wem abgeholt wird. Bei uns steht in der Hausordnung, dass die Kinder bis Klasse soundso nach Unterrichtsende im Hort und ab Klasse soundso zum Unterrichtsende das Schulgelände verlassen müssen und zwar ohne Beaufsichtigung durch Lehrer und Übergabeprotokoll. In dem Alter fahren viele allein nach Hause und ich kann nicht überprüfen, ob sie niemand entführt.


    Wenns in der Hausordnung nicht steht, findet sichs garantiert in einer anderen Verordnung zur Aufsichtspflicht.

  • Und hängt Euch nicht in zu viele Sachen rein ! Wir Lehrer werden die RTL2-Gesellschaft/Welt eh nicht mehr retten können ! 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Ach ja, jetzt hat sich der Vater am Elternsprechtag angemeldet. Und da er schließlich erziehungsberechtigt ist (und mir kein richterlicher Beschluss bekannt ist) habe ich ihm auch Auskunft über sein Kind erteilt. Und über die Forderung der künftigen Ex, dass das Kind nicht vom Vater abgeholt werden darf. Übrigens, die Kleine hat jetzt einen Freund, mit dem sie jedem Tag gemeinsam heim geht :aufgepasst:

  • Ich hätte ihm nichts über diese Forderung gesagt... irgendwie hätte ich das Gefühl,. ich mische mich damit in den Rosenkrieg.
    Und ich mache pro Kind einen Termin zum Elternsprechtag. Da können dann gerne beide kommen.
    Wenn die Eltern nicht miteinander sprechen, ist das nicht meine Sache.
    Aber ich mache nicht pro Elternteil einen Termin und habe dann so 30 Termine und nicht nur 23.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Und ich mache pro Kind einen Termin zum Elternsprechtag. Da können dann gerne beide kommen.
    Wenn die Eltern nicht miteinander sprechen, ist das nicht meine Sache.
    Aber ich mache nicht pro Elternteil einen Termin und habe dann so 30 Termine und nicht nur 23.


    Genau so hatte ich es auch mal gemacht. Mit dem Ergebnis, dass mir der Vater seinen Rosenkriegsanwalt auf den Hals hetzte: Schreiben an die Schulleitung, ich würde "Informationsverweigerung" betreiben... :staun:
    Schließlich hatte er dann doch seinen Extra-Termin (Bei dem es gar nicht viel zu besprechen gab, weil das Kind völlig in der Spur war. Hatte ich zwar seiner Ex in spe bereits erzählt...). :sauer:

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