Aktueller Anlass - Rechtslage bei Schülerunfällen auf Exkursionen oder während Klassenfahrt

  • Zurückgekehrt von einer an sich sehr schönen Klassenfahrt, stelle ich mir immer wieder die Frage, mit welchen rechtliche Konsequenzen ich rechnen muss, wenn es zu einem Unfall während einer solchen Schulveranstaltung kommt.


    Der konkrete Fall: Klassenfahrt mit einer 5.Klasse 24 Schüler. Bei einer Wanderung von der Roßtrappe nach Treseburg, entlang der Bode kletterte einer der Jungen hinter eine Absperrung in Form eines
    Edelstahl-Geländers, stellte sich an einen ca 50 m hohen Abhang und pinkelte herunter ................... Ich selbst kam dazu, vor Schreck brachte ich kein Wort heraus. Der Junge wurde noch
    am selben Tag von seiner Mutter abgeholt.


    Ich bin froh, dass diese Situation kein tragisches Ende genommen hat. Dennoch bereitet mir die Frage "Was wäre wenn....." einiges Kopfzerbrechen. Die Klasse war im Vorfeld von mir belehrt worden. Dass man nicht hinter zur Sicherheit aufgastellte Absperrungen gehen darf, habe ich nicht explizit gesagt. Nur auf der Roßtrappe habe ich die Kinder auf die Bedeutung der Geländer hingewiesen.
    Ich werde wohl nie wieder eine Klassenfahrt durchführen. Das Risiko , "Opfer" von Gedanken- und Respektlosigkeit zu werden möchte ich nicht mehr tragen. Die rechtliche Auslegung solcher Fälle ist schwammig und am Ende stehen wahrscheinlich Konsequenzen, mit denen man auch als einigermaßen gewissenhaft arbeitender Lehrer zu rechnen hat.


    Bitte teilt mir Eure Erfahrungen und Meinungen zum beschriebenen Thema mit. Ich bin gespannt......

  • Ich würde vor solchen Veranstaltungen eine Belehrung machen und die Schüler unterschreiben lassen.
    Damit hast du deren Anwesenheit und zu-Kenntnisnahme dokumentiert. Die Belehrung würde ich dann noch den Eltern zukommen lassen.


    Damit solltest du einigermaßen abgesichert sein.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Ich würde vor solchen Veranstaltungen eine Belehrung machen und die Schüler unterschreiben lassen.


    Es handelte sich hier um 5. Klässler. Da kannst du dir mit den unterschriebenen Zetteln höchstens die Wände mit tapezieren...


    Zivilrechtlich haftbar ist man nur bei Vorsatz und Fahrlässigkeit. Zuerst trifft die Haftung aber deinen Dienstherrn. Der kann dich bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Regress nehmen. Vorsatz kann man i.A. derartigen Veranstaltungen (Klassenfahrten) wohl aussschließen, bleibt also nur die grobe Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig wäre z.B. mit 5. Klässlern alleine ohne zusätzliche Aufsichtspersonen so eine Wanderung zu machen oder solch eine Wanderung auf ungesicherten Wegen zu machen. Hängt also immer vom Einzelfall ab.


    Unabhängig von der zivilrechtlichen Haftung könnte aber noch eine strafrechtliche Verfolgung und ein Disziplinarverfahren stattfinden.


    Man sieht, so eine Klassenfahrt ist ein weites (Minen-)Feld.


    Sollte wirklich etwas passieren, kann man jedem nur empfehlen ohne Fach(!)anwalt keine Erklärungen zu den Vorkommnissen abzugeben, weder gegenüber Eltern, noch gegenüber Strafverfolgungsbehörden noch gegenüber der Schulleitung!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    Einmal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, ob du eine zweite Aufsichtsperson mitnehmen durftest oder nicht. Falls deine Schulleitung keinen zweiten Lehrer gestattet (Unterrichtsausfall), dann wirst du vermutlich Eltern oder Studenten, deren Zuverlässigkeit niemand im Vorfelde einschätzen kann, mitnehmen müssen. Auch wenn Schulleitungen das gerne abstreiten, aber die Auswahl der Begleitperson obliegt immer dem Klassenlehrer, d.h. du wirst vermutlich zur Rechenschaft gezogen werden, falls deine Begleitung versagt und etwas passiert, denn du hast sie ja ausgewählt und hättest sehen müssen, dass sie nicht als Begleitung taugt. Da möchte ich mal sehen, welche Schulleitung ihrem Lehrer im Falle eines Unfalls zur Hilfe eilt und die Verantwortung auf sich nimmt.
    In deinem konkreten Fall hätte es sein können, dass der Schüler zum lebenslangen Pflegefall wird. Wer übernimmt dann die Kosten? Die Versicherungen werden juristisch alles versuchen, um zu beweisen, dass der Lehrer versagt hat, z.B. dahingehend argumentieren, dass du im Vorfelde hättest erkennen müssen, dass der Schüler nicht zuverlässig ist und ihn von der Reise hättest ausschließen müssen. Hat man in einem solchen Fall einen anderen Llehrer mit dabei, der den Schüler ebenfalls aus dem Unterricht kennt und der bezeugt, dass dir kein Vorwurf zu machen sei, weil er den Schüler auch als zuverlässig eingeschätzt hätte, dann hast du immer die besseren Karten.
    Für mich gilt, Klassenfahrten ja, aber dann nur noch in Park- und Gartenanlagen, Zoos oder ins Kino im Umkreis von 30 km.

  • Zitat von klöni

    Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, ob du eine zweite Aufsichtsperson mitnehmen durftest oder nicht.


    Wobei eine zweite Aufsichtsperson "offiziell" z.B. in Niedersachsen nur bei schwierigen Aufsichtsverhältnissen "vorgeschrieben" ist - und die Definition ist eng (ich zitiere hier nur das halbwegs relevante...):

    Zitat

    Bei schwierigen Aufsichtsverhältnissen sind im Regelfall zwei Aufsichtsführende erforderlich. Schwierige Aufsichtsverhältnisse können z.B. vorliegen, wenn es sich um eine Schulfahrt mit Schuljahrgängen der Jahrgangsstufen 1 und 2 handelt

  • Na, also mit 30 Fünftklässlern würde ich auf keinen Fall alleine unterweg sein wollen. :staun:
    (Muss ich glücklicherweise aber auch nicht.)

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Es handelte sich hier um 5. Klässler. Da kannst du dir mit den unterschriebenen Zetteln höchstens die Wände mit tapezieren...


    Es geht darum, die Anwesenheit der Schüler zu dokumentieren und dass sie die Belehrung zur Kenntnis genommen haben, nicht um eine Unterschrift unter einen Vertrag.
    Wenn man das dann noch den Eltern zukommen lässt, sind diese sowohl über den Inhalt der Belehrung informiert, als auch darüber, dass ihr Filius anwesend war.


    Ich halte diese Vorgehensweise für tragfähiger, als im Zweifel bloß sagen zu können: "Ich hab das mal erwähnt.".

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_)Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Es geht darum, die Anwesenheit der Schüler zu dokumentieren und dass sie die Belehrung zur Kenntnis genommen haben, nicht um eine Unterschrift unter einen Vertrag.
    Wenn man das dann noch den Eltern zukommen lässt, sind diese sowohl über den Inhalt der Belehrung informiert, als auch darüber, dass ihr Filius anwesend war.


    Ich halte diese Vorgehensweise für tragfähiger, als im Zweifel bloß sagen zu können: "Ich hab das mal erwähnt.".


    Das mag sein, ist aber bei einem Unfall mit Personenschaden juristisch ohne jede Relevanz. Der Inhalt einer solchen Belehrung wird immer zu abstrakt sein, zu wenig auf die konkrete Situation bezogen, zu weit zurückliegend etc. als dass er mit Blick auf Schüler (und zumal 5.-Klässler) irgend eine Tragfähigkeit hätte.


    Ein solcher Zettel kann allenfalls dazu nützen, Eltern dazu zu bringen, ihre Kinder bei Fehlverhalten abzuholen, oder naive Eltern von juristischen Forderungen abzuhalten. Was bei einem verstauchten Fuß gehen wird. Aber nicht bei einem Kind, das einen 50-m-Hang hinunterstürzt.


    Dasselbe gilt übrigens für Zettel, die die Eltern selbst unterschreiben. "Hiermit gestatte ich meinem Kind, an Bergwanderungen auf ungesicherten Wegen teilzunehmen." Das wird vor keinem Gericht einfach als gültig akzeptiert, wenn es schief geht.


    Zitat

    Ich werde wohl nie wieder eine Klassenfahrt durchführen.


    Eine traurige, aber weise Entscheidung.


  • Eine traurige, aber weise Entscheidung.

    Interessant wäre mal eine Sammlung von (rechtskräftigen!!!) Urteilen, durch die Lehrer in die persönliche Haftung für irgendwelche Vorkommnisse auf Klassenfahrten genommen wurden. Jeder kennt Horrorgeschichten von Lehrern, die für irgendwas verknackt werden, das auf einer Klassenfahrt passiert ist (Zeugung unehelicher Kinder durch Schülerpärchen, Ladendiebstähle, etc. pp.), aber niemand kennt Kollegen, denen das passiert ist.


    Aber gut - glaubt man den Versicherungen, wird auch jeder Dritte irgendwann berufsunfähig; blickt man sich im Kollegen- und Bekanntenkreis um, sieht man wohl viele Unfähige, aber keinen, für den so eine Versicherung nützlich wäre...



    Viele Grüße
    Fossi

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.


  • Eine traurige, aber weise Entscheidung.


    Ich finde das ehrlich gesagt nicht sonderlich traurig. Klassenfahrten sind Luxusveranstaltungen einer alten Zeit. "Schön aber unnötig." Wenn das nicht mehr geht, dann wird es die Arbeitsbelastung nicht hochfahren... Es gibt schließlich sehr viel wichtigere Aufgaben, die das Kerngeschäft betreffen.


    Nele

  • Zitat

    Interessant wäre mal eine Sammlung von (rechtskräftigen!!!) Urteilen, durch die Lehrer in die persönliche Haftung für irgendwelche Vorkommnisse auf Klassenfahrten genommen wurden. Jeder kennt Horrorgeschichten von Lehrern, die für irgendwas verknackt werden, das auf einer Klassenfahrt passiert ist


    Es ist nicht nötig, verurteilt zu werden. Es reicht, durch das Verfahren zu müssen. Aber klar: Es geht hier um extrem seltene Fälle.


    Zitat

    Aber gut - glaubt man den Versicherungen, wird auch jeder Dritte irgendwann berufsunfähig; blickt man sich im Kollegen- und Bekanntenkreis um, sieht man wohl viele Unfähige, aber keinen, für den so eine Versicherung nützlich wäre...


    :victory:


    Zitat

    Es gibt schließlich sehr viel wichtigere Aufgaben,


    Ist wohl so.


  • Eine traurige, aber weise Entscheidung.


    Diese Sammlungen existieren doch schon längst. In meinem Büro und in dem von meinem Chef stehen diese und ich denke, in jedem Schulleitungsbüro müssten sie ebenfalls einzusehen sein.


    Die, auf die ich mich beziehe, sind sogenannte "Ergänzungen für die Bezieher der schulrechtlichen Sammlungen". Letztere muss jede Schule ja parat haben. Die Ergänzungen sind quasi Kommentare, in denen die Anwendung des Schulrechts anhand von Urteilen erklärt wird.


    Ich habe hier mal an anderer Stelle aus einem Band zitiert:


    "Mit der oft zu hörenden Bemerkung "Bei der Aufsichtspflicht steht man mit einem Bein im Gefängnis" spielen Lehrer auf die strafrechtlichen Konsequenzen einer Verletzung der Aufsichtspflicht an. Diese Einschätzung entspricht aber erfreulicherweise nicht der Realität. Verurteilungen durch ein Strafgericht /.../ sind selten." Usw.


    Quelle: Thomas Böhm. Grundkurs Schulrecht II. Zentrale Fragen zur Aufsichtspflicht und zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen.


    Unsere schulrechtliche Sammlung beziehen wir von Luchterhand.


    Das Zitat entspricht meiner eigenen Erfahrung aus den annähernd 17 Jahren, in denen ich selbst als Lehrer arbeite.



    PS. Und da wir bei Meinungen sind: Ich fahre weiterhin auf Klassenfahrten, weil sie nach meiner Erfahrung zwei wichtige Aufgabe erfüllen, zum einen sind sie eine Ergänzung meiner schulischen Bildungsarbeit (unter der Voraussetzung, dass die Klassenfahrt auch als Studienfahrt und nicht als Urlaub läuft) und zum anderen kann ich hier in sozialer Sicht die Beziehung zur Klasse auf andere Weise ordnen. Bedeutet, dass ich bisher mit jeder Klasse, mit der ich auf Fahrt war - als Klassleiter oder mittlerweile lediglich als Begleitung - danach deutlich weniger Probleme im Unterricht hatte als vorher, bzw. deutlich besser arbeiten konnte. Somit erlebe ich das nicht als Mehrarbeit, weil es mir auf der anderen Seite viel andere Arbeit erspart.

  • Tja, mag ja sein, dass die Chance in der Realität Opfer der Rechtsprechung zu werden, eher gering ist. Aber warum soll man das Risiko denn überhaupt eingehen? Damit irgendwelche Jugendlichen, die einen nach dem Schulabschluss sowieso vergessen werden, ein paar unerhaltsame Tage haben? Probleme im Unterricht habe ich nicht, weil ich sorgfältig und überlegt im Sinne meiner Schüler arbeite. Warum soll ich denen also als Reiseveranstalter dienen?


    Das sollen sie sich doch bitteschön selber organisieren...


    Nele

  • Tja, mag ja sein, dass die Chance in der Realität Opfer der Rechtsprechung zu werden, eher gering ist. Aber warum soll man das Risiko denn überhaupt eingehen? Damit irgendwelche Jugendlichen, die einen nach dem Schulabschluss sowieso vergessen werden, ein paar unerhaltsame Tage haben? Probleme im Unterricht habe ich nicht, weil ich sorgfältig und überlegt im Sinne meiner Schüler arbeite. Warum soll ich denen also als Reiseveranstalter dienen?


    Das sollen sie sich doch bitteschön selber organisieren...


    Nele


    1+

  • Zitat Hawkeye :

    Zitat

    Bedeutet, dass ich bisher mit jeder Klasse, mit der ich auf Fahrt war -als Klassleiter oder mittlerweile lediglich als Begleitung - danach deutlich weniger Probleme im Unterricht hatte als vorher, bzw. deutlich besser arbeiten konnte.

    Da habe ich oft andere Erfahrungen gemacht !8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

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