Kind mit Down-Syndrom im Regelschulbetrieb - Bitte um Erfahrungen

  • Das kann ich nicht. Ich arbeite seit mehr als 10 Jahren in "inklusiven" Grundschulen (verschiedene, wegen dauernder Abprdnungen) als Sonderpädagogin und sehe einfach, dass es nicht läuft. Damit sage ich gar nicht, dass das die Schuld der Lehrer ist, völlig egal ob es die Regelschullehrer oder die Sonderpädagogen sind. Wir haben alle Inklusion nicht gelernt und die Rahmenbedingungen sind mehr als bescheiden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine Öffnung von Unterricht am besten funktioniert, in Kombination mit sehr viel Wert auf soziale Interaktion. Aber ich weiß, dass Inklusion bisher nichts als Utopie ist und unter den gegebenen Umständen nicht gut funktioniert. Nur, die Kinder sind jetzt da und haben eigentlich auch ein Recht darauf, entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse unterrichtet zu werden. Ich habe Kollegen, denen das vollkommen egal ist, die nach dem Motto arbeiten "Friss oder stirb". Das geht in meinen Augen nicht. Aber ich habe wie schon gesagt, keine Lösung für das Problem. Ich verstehe ja such, dass man als Lehrer auf sich und seine Gesundheit schauen muss und fühle mich oft in dem System Geundschule zerrieben. Wie das an weiterführenden Schulen aussehen kann, kann ich mir erst Techt nicht vorstellen.

    Grundsätzlich ist Inklusion schon das richtige Ziel, aber noch sehr, sehr weit entfernt, weil nichts stimmt und niemand darauf richtig gut vorbereitet ist.

  • Ich habe gerade im Fernsehprogramm gesehen, dass heute Abend bei Vox eine Doku über Menschen mit Down-Syndrom kommt. Vielleicht wäre es für dich ja interessant..

  • Kann sich noch jemand an den "Fall Henri" aus dem Jahr 2014/15 (Walldorf, BAWü) erinnern? Damals wollte die Mutter des 11-jährigen Henri mit Downsyndrom, dass er unbedingt auf's Gymnasium soll. Es gab einen riesigen Medienzirkus, die Dame war auch in div. Talkshows und es gab einen Einspieler von Henri in der Grundschule. Dort rannte der Kleine während des Unterrichts quer durchs Klassenzimmer, verlor die Buxe, etc. Das lokale Gymnasium weigerte sich dann auch, den Jungen am Gymnasium aufzunehmen.


    2019 gab es dann noch einen Artikel in der "Zeit" darüber, aber an den Artikel kommt man wohl ohne Abofreischaltung nicht dran :( , daher habe ich jetzt nur den älteren Artikel aus einem anderen Medium für euch: https://www.spiegel.de/lebenun…realschule-a-1032911.html

  • Ja, ich erinnere mich an den Fall, warum? Wir hatten hier auch vom Behindertenbeirat organisiert eine Podiumsdiskussion, bei der die Mutter von Henri mit dabei war.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Ja, ich erinnere mich an den Fall, warum? Wir hatten hier auch vom Behindertenbeirat organisiert eine Podiumsdiskussion, bei der die Mutter von Henri mit dabei war.

    Weil es mich interessiert, wie die Sache weiterging. Meine letzte Info war - wie gesag - dass Henri dann in der Realschule aufgenommen worden war.

  • Ach, der Fall Henri... Das Kind kann einem nur leidtun, wenn die Mutter so realitätsferne Ansichten vertritt und damit sogar vor Gericht zieht. Am Ende steht halt die Frage: Soll Schule leistungsdifferenziert homogen arbeiten oder leistungsübergreifend heterogen? Unser Schulsystem ist in weiten Teilen (mit Ausnahme der Grundschule) historisch nach ersterem Prinzip organisiert, andere Länder gehen nach dem zweiteren Prinzip vor. Hat alles seine Vor- und seine Nachteile, aber man kann meiner Meinung nach nicht beides haben und das bedeutet, dass ein Kind, das aufgrund fehlender Leistungsfähigkeit keine realistischen Chancen auf den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife hat, ungeeignet dafür ist, am Gymnasium beschult zu werden.

  • Die Mutter schreibt einen Blog, https://kirstenmalzwei.blogspot.com/?m=1 über Inklusion. Es ist eigentlich alles ganz einfach: Zwischen einem geistig behinderten Kind und seinem Nobelpreis stehen unfähige Sonderpädagogen, unwillige Ämter, unnütze Sonderschulen und schlechte Lehrer, aufgrund dessen das Potenzial des Kindes nicht ausgeschöpft werden kann:autsch:. Diesem Narrativ folgen die wöchentlichen Geschichten.


    Ich glaube, zu Henry gab es in die irgendeinem Format einen Beitrag, gibt es auch auf YouTube. Er wollte bei einem Friseur arbeiten, der wollte aber wenig bezahlen und der Rest zum Mindestlohn (?) sollte vom Amt aufgestockt werden, was das Amt aber nicht so einsah. Alles ging die Mutter mal wieder ins Fernsehen :tot:.

  • Die Mutter schreibt einen Blog, https://kirstenmalzwei.blogspot.com/?m=1 über Inklusion. Es ist eigentlich alles ganz einfach: Zwischen einem geistig behinderten Kind und seinem Nobelpreis stehen unfähige Sonderpädagogen, unwillige Ämter, unnütze Sonderschulen und schlechte Lehrer, aufgrund dessen das Potenzial des Kindes nicht ausgeschöpft werden kann:autsch:. Diesem Narrativ folgen die wöchentlichen Geschichten.


    Ich glaube, zu Henry gab es in die irgendeinem Format einen Beitrag, gibt es auch auf YouTube. Er wollte bei einem Friseur arbeiten, der wollte aber wenig bezahlen und der Rest zum Mindestlohn (?) sollte vom Amt aufgestockt werden, was das Amt aber nicht so einsah. Alles ging die Mutter mal wieder ins Fernsehen :tot:.

    Ja, als Förderschullehrer hat man gerne mal mit solchen Eltern zu tun, die die Grenzen des eigenen Kindes nicht sehen wollen. Als ob der landläufige Hauptschulabsolvent ein Meer an Möglichkeiten zur Auswahl hätte ... Das haben ja nicht einmal einige Akademiker mit ihren Abschlüssen in recht ungefragten Bereichen. Da wird aber wie immer die gleiche Art von Diskussion geführt: Emotionen, Moral und Narrative stechen Fakten und Argumente aus. Zweifelt man die Fakten an, wird es für einen noch einfacher ...

  • Das aktuelle Down-Symdrom-Kind in meiner Schule, mit dem ich aber wenig zu tun habe, trägt Windeln, haut manchmal ab und löst Suchaktionen aus und ist Diabetiker mit Insulinpumpe. Die Kollegen sind wirklich ausgelastet. Ich weiß, dass das Spektrum groß ist und dass es ganz andere Fälle gibt. Hier ist die Mutter so ähnlich wie die von Henry. Schade, dass die Arbeit der Lehrer so wenig geschätzt wird.

  • Zwischen einem geistig behinderten Kind und seinem Nobelpreis stehen unfähige Sonderpädagogen, unwillige Ämter, unnütze Sonderschulen und schlechte Lehrer, aufgrund dessen das Potenzial des Kindes nicht ausgeschöpft werden kann

    Ja, das ist wirklich so. Ich hätte auch längst einen Nobelpreis, wenn meine Lehrer, Ärzte und Anwälte einen ordentlichen Job gemacht hätten!


    Im Ernst, ich habe manchmal den Eindruck, dass es immer Eltern von Kindern mit Down-Syndrom sind, die diesen Stellvertreterkampf führen. Eltern von Kindern mit Körperbehinderungen erwarten nicht, dass diese in Stephen Hawkings Fußstapfen treten (sorry, unpassende Redensart in diesem Falle...). Woran das wohl liegt?

  • Ja, das ist wirklich so. Ich hätte auch längst einen Nobelpreis, wenn meine Lehrer, Ärzte und Anwälte einen ordentlichen Job gemacht hätten!


    Im Ernst, ich habe manchmal den Eindruck, dass es immer Eltern von Kindern mit Down-Syndrom sind, die diesen Stellvertreterkampf führen. Eltern von Kindern mit Körperbehinderungen erwarten nicht, dass diese in Stephen Hawkings Fußstapfen treten (sorry, unpassende Redensart in diesem Falle...). Woran das wohl liegt?

    Reine Spekulation, aber nachdem man- anders als manch andere Behinderung- gerade das Down Syndrom durch vorgeburtliche Gentests sehr gut nachweisen kann, stehen möglicherweise gerade Eltern dieser Kinder unter einem ekelhaft hohen gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck, warum sie nicht abgetrieben haben. Nicht alle Eltern sind dem im selben Maß gewachsen und versuchen möglicherweise deshalb über den vermeintlichen Bildungserfolg, den das Kind haben könnte bei ausreichender Förderung ihre Entscheidung für das Leben ihres ungeborenen Kindes zu rechtfertigen (was natürlich völlig unnötig wäre, denn das Problem sind Mitmenschen, die Eltern behinderter Kinder dieser Art Rechtfertigungsdruck überhaupt erst aussetzen und damit letztlich wir als Gesellschaft mit unserer Haltung Behinderungen und Behinderten gegenüber).

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • ... ekelhaft hohen gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck,...

    Vielleicht, ist aber eine gewagte These. V. a. wird der Druck eins zu eins auf Lehrer übertragen. Und zwar sowohl auf Förderschullehrkräfte als auch auf die armen Socken in der Inklusion.

  • Wenn man wenig mit Kindern mit Förderschwerpunkt GE zu tun hat, denkt man erst einmal an die Extreme, kann ich nachvollziehen. Mir ging es früher auch so, ehe ich erstmals Kinder kennenlernte, die zwar geistig ihren Altersgenossen hinterherhinkten, aber ansonsten die Routineaufgaben ihres Alltages einigermaßen selbstständig erledigen können. Der Begriff in meinem Bundesland dafür, praktisch bildbar, trifft das ganz gut - auch zur Abgrenzung von besagten Schwerstmehrfachbehinderten.

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