Kinder ohne Aufenthaltstitel

  • Es ist übrigens erstaunlich krass, was einige vermuten hinsichtlich des familiären Hintergrundes. Ihr würdet euch wundern, aus welchem. Land das Kind kommt, bzw wie es zu dem Umstand gekommen ist, dass das Kind eben keinen Titel hat.

  • Aus der Einschätzung "ich habe das nicht zu entscheiden" auf die Folgerung "darum versuche ich mein Bestes, dass niemand davon erfährt" zu kommen ist das komplette Gegenteil von nicht entscheiden. Du meinst, das Kind und die Eltern müssen hier bleiben und vertuschst es deswegen. Die Ausländerbehörde hat das zu entscheiden, auch wenn die Meinung herrscht, dort arbeiten nur abschiebewütige Menschenfeinde, die jeden in den Flieger setzen, der nicht bei 3 auf dem Baum ist.

    Ich habe das nicht zu entscheiden, deswegen gebe ich den Fall an die weiter, die es tun können, sollen und müssen.


    Schön, dass sich der ursprüngliche Grund für den Thread in Wohlgefallen aufgelöst hat.

    • Offizieller Beitrag

    Aber warum meinst du, dass man ‚den Fall weitergibt?‘


    Wenn ich gerade unsicher über die Versetzungstegelungen bin und meinen Mittelstufenkoordinator oder bei super komplexen Fragen die BR frage, frage ich auch ‚anonym/hypothetisch‘ und nicht ‚in meiner 8a habe ich einen Schüler, Hans-Johannes Müller, er hat in den Fächern Deutsch und Russisch folgende Noten...‘.

    Und damit habe ich der BR weder etwas verschwiegen noch absichtlich belogen, wenn ich nur frage, wie die Versetzung bei Defiziten in Fächern der Fächergruppe 1 und Fächergruppe 2.

  • Der Vergleich hinkt, Chilipaprika. Da geht es ja um eine Beratung.

    Ausgangspunkt war ja die Aussage, dass es manchmal sinnvoll ist Informatioen zu verschweigen, um die betreffenden Personen zu schützen. Das war ja bei dir in Post 6 und 12 zu lesen. Ich hoffe, dass ich das richtig wiedergebe.


    Das halte ich für falsch. Damit verlegst du die Entscheidung von der staatlichen Stelle zu dir. Wir sind Teil des Staates und sollten diesem grundsätzlich vertrauen. Wir können nicht den Staat repräsentieren und gleichzeitig seine Entscheidungen in Frage stellen.


    Wenn wir das mal vollkommen loslösen von den Fall. Deine Einstellung führt dazu, dass wir uns als Richter aufspielen. Wir nehmen unsere private Moralvorstellung und stellen sie vor den gesetzlichen Regeln, die ja auf einer demokratischen Legitimation beruhen.

    Beispielhafter Fall. Der Vater verhaut das Kind oder vielleicht noch besser die Nachbarin. Oder er dealt Drogen. Oder er war ein Kriegsverbrecher. Oder er plant einen Anschlag. Oder was auch immer. Du erfährst davon. Behältst du die Information für dich, um die Familie vor einer drohenden Abschiebung zu retten? Wo setzt du die Grenze? Was gibt man weiter, was nicht? Ich will damit sagen, dass du dann zum Richter wirst und entscheidest.


    Letztlich wäre ich der Meinung, dass ich die Information -sofern es so vorgesehen ist- an die entsprechende Behörde weitergebe. Wenn es vorgesehen ist, dass die Information vertraulich ist, dann natürlich nicht. Das regeln die entsprechenden Erlasse der Bundesländer.


    Dann müssen die zuständigen Behörden auf Basis der Gesetze entscheiden. Nicht ich.


    So ich hoffe, dass ich meinen Standpunkt deutlich machen konnte und was meiner Problem mit der Aussage ist.

  • Sagen wir das mal so: Ich weiß mitlerweile, dass das Mind und die Familie nichts zu befürchten hat. Hier wird, wie einige vermuten nichts von uns als Schule "verschwiegen" oder "unter den Tisch gekehrt".

    Und ja, die Info hab ich jetzt ganz offiziell.

    Übrigens ist eine Beschulung ohne Aufenthaltstitel rechtlich nicht nur möglich, sondern Pflicht. Zumindest hier in meinem Bundesland.

    Genau das wollte ich vorhin auch schon geschrieben haben.

    Es ist egal , ob ein Kind einen Aufenthaltstitel hat oder nicht. Beschult und medizinisch versorgt wird es trotzdem...

  • Wir sind Teil des Staates und sollten diesem grundsätzlich vertrauen. Wir können nicht den Staat repräsentieren und gleichzeitig seine Entscheidungen in Frage stellen.

    Selbstverständlich muss jeder Bürger Entscheidungen des Staates reflektieren und selbstverständlich auch ablehnen dürfen. Dass ich für diesen Staat arbeite bedeutet doch nicht, dass ich alles zustimmend abnicken muss. Seltsame Vorstellung.

    Zitat

    Der Vater verhaut das Kind oder vielleicht noch besser die Nachbarin. Oder er dealt Drogen. Oder er war ein Kriegsverbrecher. Oder er plant einen Anschlag. Oder was auch immer. Du erfährst davon. Behältst du die Information für dich, um die Familie vor einer drohenden Abschiebung zu retten? Wo setzt du die Grenze? Was gibt man weiter, was nicht?

    Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Bei diesen Beispielen würde ich vermutlich nur das Drogen dealen für mich behalten.


    Zitat

    Ich will damit sagen, dass du dann zum Richter wirst und entscheidest.

    Nö. Ein Richter stellt anhand eines Sachverhalts fest, ob bzw. welche Merkmale von Straftaten gegeben sind und legt, bei schuldhaftem Verhalten ein Strafmaß fest. Dass ich nicht in vorauseilendem Gehorsam alles und jeden anschwärze, hat damit rein gar nichts zu tun.

  • Selbstverständlich muss jeder Bürger Entscheidungen des Staates reflektieren und selbstverständlich auch ablehnen dürfen. Dass ich für diesen Staat arbeite bedeutet doch nicht, dass ich alles zustimmend abnicken muss. Seltsame Vorstellung.

    Nein, als Bürger musst du die Entscheidungen des Staates reflektieren und kannst sie auch ablehnen. Du kannst auch bei der nächsten Wahl dein Kreuz entsprechend woanders machen.

    Aber als Beamter bist du dem Staat zu Treue verpflichtet und muss seine Regeln umsetzen.

    Das ist gar keine seltsame Vorstellung.


    D.h. wenn ein Polizist ein Tempolimit oder ein Verbot weicher Drogen persönlich doof findet, verfolgt er die Taten nicht? Auf die Idee würde auch keiner kommen.


    Ich kann persönlich die Schulpflicht ablehnen und ein Fan von Homeschooling sein. Da kann ich mich auch privat engagieren. Aber wenn Familie Müller ihr Kind nicht zu unserer Schule schickt, da sie lieber Homeschooling machen, melde ich sie den Ordnungsamt. Warum? Weil es nicht darum geht, was ich gut finde, sondern was die Gemeinschaft sprich der Staat als Regeln hat und diese vertrete ich als Beamter.


    Gleiches Beispiel gerade dieser Schulleiter aus Brandenburg. Nur weil ich persönlich Masken doof finde, kann ich nicht beschließen, dass die Pflicht an meiner Schule nicht gilt. Das ist nicht meine (seine) Entscheidung.


    P.S.

    Bevor das Thema kommt: Natürlich gibt es auch Anweisungen, die ich nicht beachten muss. Dagegen kann man dann ja remonstrieren. Aber auch das heißt nicht "untern Tisch fallen lassen".

  • D.h. wenn ein Polizist ein Tempolimit oder ein Verbot weicher Drogen persönlich doof findet, verfolgt er die Taten nicht? Auf die Idee würde auch keiner kommen.

    Es ist Aufgabe von Polizisten, Straftaten zu verfolgen. Und selbst da darf häufig abgewogene werden, was in welcher Form verfolgt wird.

    Als Lehrer ist es nicht meine Aufgabe Blockwart zu spielen. Ich unterrichte und erziehe meine Schüler. Das ist meine Aufgabe. Nicht mehr und nicht weniger.

    Du darfst gerne alles und jeden anschwärzen und deinem Staat blind vorauseilenden Gehorsam leisten. Die Behauptung, dass du dazu als Beamter verpflichtet seist ist aber vollkommen absurd. Was du darfst und musst ist relativ genau festgelegt. Du verlierst als Beamter auch nicht deinen Status als Bürger. Und an keiner Stelle steht, dass du die hoheitlichen Aufgaben anderer Behörden zu erledigen hast.


    Du kannst ja mal die Rechtsnorm heraussuchen, die einen Lehrer (Beamte/Angestellte) dazu verpflichtet, einen Schüler ohne Aufenthaltstitel anzuzeigen (im Sinne von den Behörden melden).

  • Können wir mal bitte den §138 StGB (Nichtanzeigen von Straftaten, gültig für jeden Bürger), das Legalitätsprinzip (Anzeigepflicht bei Straftatverdacht für Polizei und Staatsanwaltschaft) und das Befolgen von Dienstanweisungen (dazu zählen bspw. Verordnungen) unterscheiden?


    Das wird hier nämlich munter durcheinander geworfen...


    Hier wird deutlich klargestellt, dass wir selbst bei Fällen von "sexuellem Missbrauch" nicht unbedingt eine Anzeigepflicht haben: https://beauftragter-missbrauc…tsfall-und-anzeigepflicht


    Sogar in Österreich, wo die Anzeigepflicht weiter gefasst wird (https://www.jusline.at/gesetz/stpo/paragraf/78) wird gesagt: "Eine Pflicht zur Anzeige nach Abs. 1 besteht nicht, wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf"


    Im Sinne des Diensteides sehe ich also sehr wohl die weitergehende Pflicht, sich genau zu überlegen, ob eine Nichtanzeige meine Bürgerpflicht nach §138 verletzen würde oder ob ich nicht im Sinne der §1&2 (SchulG NRW) die pädagogische Verantwortung habe, mich auf die Beratung zu beschränken.


    Ich meine: Wir haben nicht die ganzen Privilegien des gehobenen und höheren Dienstes, damit wir dann "Och, keine Lust zu entscheiden" sagen.

  • Bevor das Thema kommt: Natürlich gibt es auch Anweisungen, die ich nicht beachten muss. Dagegen kann man dann ja remonstrieren. Aber auch das heißt nicht "untern Tisch fallen lassen".

    Hier geht es überhaupt nicht nicht um Anweisungen. Wir Lehrer haben keine dienstliche Anweisung, Eltern anzuzeigen, die "vielleicht" etwas Unrechtes getan haben. Als Lehrerin habe ich natürlich das Kindeswohl im Auge, und ich bin meinem Gewissen verpflichtet. Wenn ich eine dienstliche Anweisung bekomme, die eindeutih das Kindeswohl gefährdet, kann ich (muss ich) sofort remonstrieren und ich werde sie nach Möglichkeit nicht umsetzen. Und "verpetzen" in vorauseilendem Gehorsam muss ich erst recht niemanden. Das, lieber Tom, ist wirklich ein seltsames Rechtsverständnis.

  • Eine Pflicht zur Anzeige besteht nicht, wenn die Anzeige eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauenverhältnisses bedarf.


    Für mich ist dieser Satz entscheidend. Was bedeutet es, wenn Eltern Sorge hätten, dass die ganze Familie ausgewiesen wird, weil die Schule Daten weiter gibt? Die Kinder würden versteckt, könnten nicht in die Schule. Genau deshalb verlangen viele Staaten dies nicht. Der Schaden wäre viel größer.


    Zur Zeit gibt es diese Diskussion in den USA (Trump - viele Bundesstaaten), aber vor einigen Jahren gab es diese Diskussion auch in Hamburg. Damals hatten sich 150 (?) Schulleiter an die Öffentlichkeit gewandt, weil es neue Vorgaben gab, die dies befürchten ließen (ich habe es nur gehört, die Hamburger wissen sicherlich genauer Bescheid. Ich persönlich habe dies einmal indirekt erlebt bei einer drohenden Abschiebung. Auch Ausländerbehörden können Fehler machen, die in diesem Fall vermutlich zum Tode der Eltern geführt hätte. Was mit den 3 kleinen Kindern (Grundschule bzw. Kindergarten) geschehen wäre? Der Fall wurde zum Glück neu untersucht, anders entschieden und inzwischen sind sie deutsche Staatsbürger (teilweise sogar Lehrer). Aber auch diese Familie ist sicherheitshalber ein paar Monate untergetaucht (und ich habe nicht nachgefragt).


    Übrigens an alle, die meinen das alles als Beamter weiter gegeben werden muss, gilt dies auch für die Schwarzarbeit des Nachbarn? Gilt dies für den Falschparker in meiner Straße? Ich hatte mal einen Nachbarn, der ständig auf der Lauer lag und es angeblich auf durchschnittlich 50 Anzeigen im Monat brachte (meistens, weil die Autos in einer Seitenstraße nicht korrekt in der Parklücke standen). Selbst die Polizei machte Witze, als ich einmal anrief, weil mein Besuch angeblich falsch geparkt hätte. Und hier geht es noch nicht einmal um Vertrauensmissbrauch.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • ...

    Insbesondere hinsichtlich Versicherung, rechtlicher Rahmen etc.

    Das war die Frage. Jemand möchte sich rechtlich informieren.


    Wenn ich den Verdacht habe, dass ein Jugendlicher Drogen nimmt, möchte ich mich auch erst mal informieren und gehe z.B. zur Insofa (=insofern erfahrene Fachkraft) beim Jugendamt und rufe nicht die Drogenfahndung des BKA an.


    Ball flach halten, wir sind Lehrer und keine Spitzel.

  • Aus der Einschätzung "ich habe das nicht zu entscheiden" auf die Folgerung "darum versuche ich mein Bestes, dass niemand davon erfährt" zu kommen ist das komplette Gegenteil von nicht entscheiden. Du meinst, das Kind und die Eltern müssen hier bleiben und vertuschst es deswegen.

    Wieso denn "vertuschen"? Es ist doch nicht unsere Aufgabe, uns mit "Aufenthaltstiteln" auszukennen. Das ist super komplex, soll ich jedes Kind mal vorsichtshalber irgendeiner Behörde melden, weil ich mir nie sicher sein kann, dass es Deutscher im Sinne des Gesetzes ist?

  • Was ist, wenn der Vater ein gesuchter Kriegsverbrecher ist, der hier untergetaucht ist? Du unterstützt ihn, indem du Informationen nicht weiter gibst.

    Wow, jetzt wird's krude. Du kannst doch nicht eine Straftat vermuten, nur weil möglicherweise ein Aufenthaltstitel nicht geklärt ist?


    Was ist, wenn du ein gesuchter Kriegsverbrecher bist? Weiß man nie. Könnte sein.

  • Für mich ist dieser Satz entscheidend. Was bedeutet es, wenn Eltern Sorge hätten, dass die ganze Familie ausgewiesen wird, weil die Schule Daten weiter gibt? Die Kinder würden versteckt, könnten nicht in die Schule. Genau deshalb verlangen viele Staaten dies nicht. Der Schaden wäre viel größer.

    Bitte beachten, das war ein Zitat aus Österreich, nicht deutsches Strafrecht.

  • Bitte beachten, das war ein Zitat aus Österreich, nicht deutsches Strafrecht.

    Weiß ich (habe ich auch nicht behauptet), aber der Satz ist trotzdem entscheidend (für mein Gewissen/ Handeln). Ich bin eigentlich ein neugieriger Mensch, möchte alles wissen, informiere mich umfassend, aber in solchen Fällen halte ich mich zurück.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Wow, jetzt wird's krude. Du kannst doch nicht eine Straftat vermuten, nur weil möglicherweise ein Aufenthaltstitel nicht geklärt ist?


    Was ist, wenn du ein gesuchter Kriegsverbrecher bist? Weiß man nie. Könnte sein.

    Genau, man weiß es nicht. Deswegen gebe ich (sofern es so vorgesehen ist) die Information weiter: Hier ist Kind xy. Was sollen wir machen. Und die Leute, die das bewerten sollen, müssen dann den Hintergrund prüfen.

    Und nicht, ich behalte das für mich, weil wenn ich die Information weitergebe, könnten die etwas entscheiden, was ich nicht gut finde. Immer vorausgesetzt, dass ich die Information weitergeben müsste.

  • Deswegen gebe ich (sofern es so vorgesehen ist) die Information weiter: Hier ist Kind xy. Was sollen wir machen. Und die Leute, die das bewerten sollen, müssen dann den Hintergrund prüfen

    Bist du Schulleiter einer Grundschule? Wenn nicht, wird das Kind in deine Klasse kommen mit den entsprechenden Vorabinfos, und der Rest wird schon passiert sein. Welche Informationen willst du den an wen weitergeben? Unter Umgehung deiner direkten Vorgesetzten? Was verstehe ich hier falsch?

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