Diskussion "Direktdemokratische Elemente" (aus dem Corona-Hauptthread)

  • Ich möchte nicht in "Shit Storm Nation" leben.

    Tu ich auch nicht. Wie gesagt ... erst mal wirklich mit der Sache beschäftigen, bevor man sie beurteilt. In die eine wie in die andere Richtung.

  • Ich dachte ich hätte schon erklärt, dass auch in einer direkten Demokratie Miss Miller keine einsamen Entscheidungen trifft. Auch CDL, die sich ja tatsächlich auskennt, hat schon erklärt, dass es in solchen Systemen bestimmte Steuerelemente braucht und der Volksentscheid einfach nur ein Baustein der direkten Demokratie ist. Das Problem ist gerade, dass die Mehrheit derer, die versuchen dem guten Lehramtsstudenten zu erklären, dass direkte Demokratie doof ist, diese selbst nicht verstanden haben. Ihr werft ihm Unverständnis vor und könnt es selber nicht besser, das ist gerade ein wenig grotesk.

    Halt dich bitte mal ein wenig zurück.

    Jemanden Unverständnis vorzuwerfen, der einen politischen Sachverhalt verkürzt in einem Forum darstellt, ist schon ziemlich unverschämt.

    Es gibt viele verschiedene Demokratietheorien, auch die direkte Demokratie betreffend, und die, die die Schweiz als Herrschaftssystem hat ist bei Weitem nicht die einzig denkbare und/oder praktikable. Sie ist auch nicht das Maß aller Dinge.

    Keiner sprach der Schweiz Steuerungs- und Kontrollmechanismen ab bzw. sprach davon, dass allein Miss Miller einsame (sic!) Entscheidungen trifft.

  • Hallo "Fröschle" kleiner gruener frosch : Meine Antwort (in diesem Thread ist es jetzt Post Nr. 25) und auch die von Palim (nun Post Nr. 2) bezogen sich auf einen Post, den ich gestern (oder vorgestern?) im "Corona-Thread" verfasst hatte. Hier ging es aber tatsächlich um Corona und die damit verbundenen Auswirkungen auf die SuS etc., nicht um "direktdemokratische Elemente".

    Es wäre daher nett, wenn du diese beiden Posts wieder in den "Corona-Hauptthread" zurück verschieben könntest!

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • der einen politischen Sachverhalt verkürzt in einem Forum darstellt

    Wozu sollte das gut sein? Soll's jetzt eine ernsthafte Diskussion werden oder geht's nur drum jemanden dumm aussehen zu lassen (in dem Fall mal wieder unseren guten Lehramtsstudenten)?


    Halt dich bitte mal ein wenig zurück.

    Tu Du das doch bitte wenn Du eigentlich nur jemandem blöd kommen willst.

  • Tu ich auch nicht. Wie gesagt ... erst mal wirklich mit der Sache beschäftigen, bevor man sie beurteilt. In die eine wie in die andere Richtung.

    Ich weiß. Aber so stellt sich das der lehramtsstuden ja offenbar vor.

  • Man merkt in diesem Beitrag deine politikwissenschaftliche Expertise. Der durchschnittliche Bürger würde das jedoch nicht verstehen. Viele Bürger scheuen aktive politische Beteiligung, da "zu kompliziert". Wären direkte Demokratieelemente nicht eine Möglichkeit, auch diesen Menschen aktive, politische Teilhabe zu bieten?

    Die Gefahr besteht eben wirklich, dass Leute zur Abstimmung gehen, die sich mit der Initiative nicht ausreichend beschäftigt haben. In der Schweiz ist das natürlich ein lange etabliertes System und es zeigt sich ja auch, dass die Wahlbeteiligung nicht besonders hoch ist, eben weil dann doch viele gar nicht so recht verstehen, worum's eigentlich geht. Aber grundsätzlich habe ich schon den Eindruck, dass das Interesse an Politik hier höher ist als in Deutschland z. B. Es gibt ja auch viele Abstimmungen auf kantonaler Ebene und da geht es um Themen, die die Leute unmittelbar betreffen. Schlussendlich läuft es aber so, dass Initiativen von bestimmten Parteien unterstützt und entsprechend beworben werden. Wenn jemand jetzt also sowieso FDP wählt und die FDP eine Initiative für gut befunden hat, dann wird die Person dort halt entsprechend das Kreuzchen setzen. Dazu kommt, dass Initiativen ja erst mal zur Abstimmung gebracht werden müssen wofür vorgängig Unterschriften gesammelt werden müssen, da läuft also schon mal einiges an Vorauswahl bevor's überhaupt losgehen kann.

    • Offizieller Beitrag

    Mein Schreckensszenario direkter Demokratie wäre, dass jeweils nur die betroffenen Interessengruppen abstimmen, weil es die anderen nicht interessiert. Ein weiteres Schreckensszenario wäre, wenn Menschen über Dinge entscheiden dürfen, von denen sie keine Ahnung haben. Und basierend auf den aktuellen Erfahrungen mit (a)sozialen Netzwerken, Populismus und Fake-News und systematischen Lügen stelle ich mir die Auswirkungen auf direkte Demokratie geradezu verheerend vor.

    Das Zitat von Churchill ist mittlerweile abgegriffen, da oft benutzt. Aber es erklärt in wenigen Worten, worum es geht. Sinngemäß: Das beste Argument gegen Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler.

    Nun werfen sich ja einige hier auch politisches Unverständnis vor - und wir gehören eigentlich noch zu den gebildeten Menschen. Wie muss das dann bei den weniger gebildeten Menschen aussehen?

  • Ich weiß. Aber so stellt sich das der lehramtsstuden ja offenbar vor.

    Vielleicht versuchen wir es ausnahmsweise mal mit einer ernsthaften Diskussion. Nicht dass ich mich auch schon oft genug am Gegenteil beteiligt habe, aber man kann es sich ja mal vornehmen.

  • ein gutes Beispiel für das Versagen der direkten Demokratie ist das Rauchverbot in Bayern. Das ist das Ergebnis eines Volksentscheides. Ich hatte damals auch dafür gestimmt und bin, als Nichtraucher, auch zufrieden mit dem Ergebnis.


    Allerdings fand Ich es ziemlich lustig, dass mit mir beim Abstimmen nur Rentnerinnen in der Reihe standen. Letzten Endes haben größtenteils Rentner darüber abgestimmt, ob in Kneipen geraucht werden darf.


    Es gab keine Alternative, entweder ganz oder garnicht. In einem parlamentarischen Prozess hätte es vielleicht einen Kompromiss geben können vielleicht, dass es einen Nebenraum gibt, mit Lüftungsanlagen, in dem keine Musik und keine Getränke erlaubt sind, aber man rauchen darf. Damit könnte ich leben. Aber bei direkter Demokratie gibts halt nur ja oder nein.

    Sei konsequent, dabei kein Arsch und bleib authentisch. (DpB):aufgepasst:

  • Mal bewusst provokant formuliert: Wenn man dem Volk eh nicht zutraut, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, da zu blöd, kann man doch gleich die Demokratie abschaffen und Entscheidungen von einem Fachgremium in Form von einer Aristokratie durchsetzen lassen?


    Veronica Mars : Zu dem konkreten Beispiel hätte ich eine Frage. Dürfte man denn die Frage mit dem Rauchverbot in leicht abgewandelter Form wiederholen, um diese Präzision zu berücksichtigen, oder bedeutet einmal gefragt = Frage ist endgültig vom Tisch? Wenn nicht, bestünde ja auch die Gefahr, dass man Entscheidungen durch endloses Fragen auf unbestimmte Zeit verschiebt, was ja auch nicht Sinn der Sache wäre.

  • Und basierend auf den aktuellen Erfahrungen mit (a)sozialen Netzwerken, Populismus und Fake-News und systematischen Lügen stelle ich mir die Auswirkungen auf direkte Demokratie geradezu verheerend vor.

    Ach weisst Du, so schnöde Themen wie 2 Wochen Vaterschaftsurlaub sind von Fake-News einfach gar nicht betroffen. In der Schweiz wird schon nicht gerade jeden Sonntag über eine Änderung an der Verfassung abgestimmt. Das grösste Desaster der letzten Jahre war sicher die Masseneinwanderungsinitiative 2014 und aus dem haben vor allem die Sozialdemokraten ziemlich viel gelernt. Damals ist es eben genau so gelaufen, dass viele, die eigentlich dagegen waren, sich gedacht haben, ach wird eh nicht angenommen (weil ähnliche Initiativen schon mehrfach gescheitert waren) und sind nicht zur Abstimmung gegangen. Die SVP hatte aber viele ihrer Wähler mobilisiert und so kam es halt zum bekannten Abstimmungsergebnis. De facto ist die Initiative aber nie umgesetzt worden weil die Schweiz dafür die bilateralen Verträge mit der EU hätte kündigen müssen. Irgendwie hatte die FDP das damals so hingewurschtelt dass man aus der Nummer wieder rauskam. Die SVP hat es infolge noch einmal versucht mit einer präziseren Initiative, die in die gleiche Richtung ging, die wurde aber gerade kürzlich erst klar abgelehnt.

  • Mal bewusst provokant formuliert: Wenn man dem Volk eh nicht zutraut, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, da zu blöd, kann man doch gleich die Demokratie abschaffen und Entscheidungen von einem Fachgremium in Form von einer Diktatur durchsetzen lassen?

    Nein, der Schluss ist falsch. Viele Menschen sind nicht fähig oder Willens, sich in viele Themen einzulesen und sich dann eine Meinung zu bilden. Viele kennen ja kaum die Forderungen der Partei, die sie wählen. Je mehr die Masse entscheiden wird, desto geringer wird entweder die Wahlbeteiligung oder es werden immer mehr unreflektierte Entscheidungen getroffen. Das macht aber nichts die gesamte Demokratie unnötig. Die parlamentarische Demokratie ist mmn das beste Regierungssystem, weil es zwar politische Partizipation fordert, aber keine zu große.

    Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen. (Robert Frost)

    Bildung kann einen sehr glücklich und gelassen machen. (Günther Jauch)

    Was nützt es dem Menschen, wenn er Lesen und Schreiben gelernt hat, aber das Denken anderen überlässt? (Ernst R. Hauschka)




  • Dürfte man denn die Frage mit dem Rauchverbot in leicht abgewandelter Form wiederholen, um diese Präzision zu berücksichtigen, oder bedeutet einmal gefragt = Frage ist endgültig vom Tisch?

    Ja, bei uns geht das. Frag mich jetzt aber nicht, wie genau es dann umformuliert sein muss. Ich denke, die Fragestellung muss grundsätzlich eine neue sein, aber wenn man es geschickt anstellt stimmt man im Grunde genommen ein zweites mal über dasselbe ab.

  • Nein, der Schluss ist falsch. Viele Menschen sind nicht fähig oder Willens, sich in viele Themen einzulesen und sich dann eine Meinung zu bilden. Viele kennen ja kaum die Forderungen der Partei, die sie wählen. Je mehr die Masse entscheiden wird, desto geringer wird entweder die Wahlbeteiligung oder es werden immer mehr unreflektierte Entscheidungen getroffen. Das macht aber nichts die gesamte Demokratie unnötig. Die parlamentarische Demokratie ist mmn das beste Regierungssystem, weil es zwar politische Partizipation fordert, aber keine zu große.

    Lektürentipp: Demokratietheorie nach Himmelmann


    Es wird schön erklärt, dass Demokratien bestimmte Bürgertypen zum Funktionieren "brauchen" (Aktivbürger, reflektierte Zuschauer...)

  • Kritiker von der Brexitentscheidung hofften ja darauf, durch erneutes Abstimmen eine Abänderung des Ergebnisses zu erreichen, und das ist, allgemein bei demokratischen Wahlen, durchaus mit Gefahrenpotential verbunden, nämlich dass man solange wählt bis man das gewünschte Ergebnis einer gewissen Interessengruppe erhält - ich erinnere mich da z.B. an die Wahl zum Ministerpräsidenten Thüringens früher dieses Jahr.

  • Miss Miller sollte nicht die Entscheidungen alleine treffen. Als Teil einer größeren Gruppe, warum nicht? Wie gesagt, sie muss ja auch mit den Folgen leben.

    Du scheinst davon auszugehen, dass unser Leben wesentlich anders verliefe, wenn wir ein direktdemokratisches System hätten. Abgesehen von den genauen Abläufen in der Schweiz oder anderswo, hypothetisch weitergesponnen:

    Wenn alle deutschen Bürger*innen gefragt worden wären, ob sie aktuell eine MNS-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln befürworten würden, denkst du, sie wäre abgelehnt oder angenommen worden? Nur weil du persönlich etwas doof findest, heißt das noch lange nicht, dass die Mehrheit das doof findet, ganz unabhängig vom Bildungshintergrund. Dass eine Minderheit gerade auf Marktplätzen schreiend verkündet, dass sie irgendwas doof findet und sich selbst in einer Diktatur wähnt macht den Unmut noch lange nicht zum Mehrheitswunsch.

  • Nein, der Schluss ist falsch. Viele Menschen sind nicht fähig oder Willens, sich in viele Themen einzulesen und sich dann eine Meinung zu bilden. Viele kennen ja kaum die Forderungen der Partei, die sie wählen. Je mehr die Masse entscheiden wird, desto geringer wird entweder die Wahlbeteiligung oder es werden immer mehr unreflektierte Entscheidungen getroffen. Das macht aber nichts die gesamte Demokratie unnötig. Die parlamentarische Demokratie ist mmn das beste Regierungssystem, weil es zwar politische Partizipation fordert, aber keine zu große.

    Mir fiel eben ein gutes Beispiel ein für ein sehr reflektiertes Ergebnis einer Volksabstimmung: 2016 "Für Ehe und Familie - gegen die Heiratsstrafe". Wenn man die inhaltlich nur mal kurz überflogen hat, dann konnte man denken, dass es nur um eine Änderung des Steuerrechts gehen sollte. Tatsächlich wollte die CVP aber die Ehe als gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau in der Verfassung festschreiben lassen. Da musste man sich schon genau informieren um zu überreissen, worum es eigentlich geht. Die Stimmbeteiligung lag bei über 60 %, was sehr ungewöhnlich ist und die Initiative wurde vom Volk knapp abgelehnt, obwohl der Ständerat sie überdeutlich angenommen hätte. Es gibt durchaus ein paar Themen, bei denen hier die Volksmeinung nicht so recht zum konservativen politischen Denken passt. Unterdessen ist das Thema "Ehe für alle" übrigens ohne Verfassungsänderung und Volksabstimmung durch. Die Politik hat eingesehen, dass man in der Schweiz an der Stelle dem Zeitgeist ein wenig hinterher ist.

  • Wenn alle deutschen Bürger*innen gefragt worden wären, ob sie aktuell eine MNS-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln befürworten würden, denkst du, sie wäre abgelehnt oder angenommen worden?

    Das sind ja Fragestellungen die überhaupt nicht zur Abstimmung gebracht werden. Von daher ist es relativ müssig über sowas weiter zu sinnieren. Der zugehörige Volksentscheid beträfe das Infektionsschutzgesetz an sich.

Werbung