Mathe fachfremd unterrichten?

  • Deshalb ist es tödlich (für die Schüler), wenn man keine Ahnung der nachfolgenden Jahre hat. (...)


    Ich war selbst überrascht, wie sehr der fachfremde Anfängerunterricht (Kl. 5 Gesamtschulniveau) sich negativ auswirkte. An meiner jetzigen Schule achten wir Kollegen darauf, dass auch Kollegen, die nur in Sek. I unterrichten, über die Themen und Probleme der Sek. II Bescheid wissen.

    Ich glaube, das gilt bei genauerer Betrachtung für alle Fächer, denn das Spiralcurriculum findet sich in der einen oder anderen Weise wohl überall wieder.


    Ich unterrichte in diesem Jahr ja ein Fach fachfremd, Ethik. Obwohl ich durch mein Erststudium einen Großteil der fachwissenschaftlichen Kurse die man an der PH dazu macht abgedeckt habe und die Fachdidaktik in weiten Teilen der Politikdidaktik ähnelt bis gleicht bin ich bis zu den Herbstferien etwa gefühlt geschwommen, weil ich genau diesen roten Faden, wie es später weitergehen kann und muss noch nicht hatte und damit nicht klar genug herausarbeiten konnnte, was ich anlegen muss in 7 für 8, in 8 für 9 (etc.). Erst dann war ich weit genug eingearbeitet in Bildungsplan, Fachdidaktik und auch meinen Stoffverteilungsplan (den ich erst einmal von einer Kollegin komplett übernommen hatte), um diese Perspektiven durchgehend (statt nur in Teilen) selbst zu sehen und entsprechend auch deutlich genug aufzeigen zu können. Seitdem arbeiten meine Schülerinnen und Schüler ganz anders mit, während mir umgekehrt die Unterrichtsplanung viel leichter fällt, weil ich klarer sehe, welches Material ich beispielsweise für die Erreichung auch meiner langfristigen Ziele erstellen/heraussuchen muss (kein Schulbuch vorhanden) oder was ich methodisch anlegen muss.


    Ich weiß spontan nicht, wieviel Mathe man sich aus einem AUG- und Geo-Studium ableiten kann oder wieviele Schnittmengen es mit der Fachdidaktik geben könnte in einem der Fächer, befürchte aber, das beides gen null geht, was die Basis für fachfremden Unterricht selbst im akuten Notfall sehr dürftig machen wird (eigener Schulunterricht bis zum Abitur, vielleicht später Nachhilfeunterricht bis Klassenstufe XYZ???). Manche Notlösungen vermeidet man aus gutem Grund schulisch wenn man kann...

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • An Grundschulen und SBBZ ist es alltäglich, fachfremd zu unterrichten, gerade auch Mathematik, weil die meisten im Studium eher Deutsch wählen.

    Zum Glück sind die Zeiten vorbei und in fast allen (oder sogar allen?) Bundesländern ist es verpflichtend, zumindest Grundkurse in Mathematik und Mathedidaktik zu belegen. Keiner der auch nur ein bisschen Ahnung hat, möchte das in der Grundschule und weiterführenden Schule jemand fachfremd Mathematik unterrichtet. Das ist in 99 % der Fälle nur Mist! Ich habe ein meiner Schule auch so Exemplare rumlaufen, die es damals nicht studieren mussten. Der Unterricht ist auch dementsprechend schlecht. Dafür können die Kolleginnen nichts, die Ausbildungssituation war halt damals so. Wir müssen aber durch viele Förderstunden die ganzen Strukturfehler wieder auffangen, wenn wir die Kinder nicht verlieren wollen.

  • Keiner der auch nur ein bisschen Ahnung hat, möchte das in der Grundschule und weiterführenden Schule jemand fachfremd Mathematik unterrichtet.

    Ich kann sehr gut Mathematik und habe in meinen Fächern viel technisches Rechnen.

    Ich habe oft überlegt ne Mathe-Didaktik Fortbildung zu besuchen, weil ich oft im Unterricht daran scheiter, bzw. ich mich schwer tue, wenn die Schüler grundlegende Konzepte nicht beherrschen.

    Von daher kann ich das nur unterschreiben.

  • Lieber User,


    vielen Dank für die vielen Meinungen und Erfahrungsberichte. Ich habe mich nun etwas schlau gemacht und von einem Zertifikat gehört, welches man erlangt, wenn man Mathe als Erweiterungsfach studiert, jedoch den Master nicht anhängt. Damit wäre ich ja wahrscheinlich schonmal sehr gut aufgestellt. Oder gibt es dazu andere Meinungen?


    Alternativ dann tatsächlich noch ein berufsbegleitendes Mathetudium. Gibt es denn Jemanden, der damit Erfahrungen hat?

    • Erweiterungsfach heißt, dass du es (wenn auch in der Regel in einem reduzierten Umfang) studiert hast. Du machst eine Prüfung an der Uni/PH und hast das hinterher als weiteres reguläres Unterrichtsfach. (Unterrrichtsbefähigung)
    • Zertifikatskurs heißt, dass du die Unterrichtserlaubnis durch einen berufsbegleitenden Kurs (in der Regel ohne Benotung/Prüfung) bekommen hast. (Unterrichtserlaubnis). "Fachaufstiegsstellen" z.B. Fachleiter für Mathematik am Studienseminar sind damit nicht möglich.

    Edit: So ist das in NRW. Danke für den Hinweis chilipaprika. :top:

  • Noch eine Info zu den Zertifikatskursen in NRW: manchmal hängt es auch von der BezReg ab. Mein Mathe Zertifikatskurs endet ohne Prüfung. Der Kurs einer anderen BezReg aber mit. Das dürfen die Moderatoren entscheiden.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Ich spreche ja ohnehin gern in Gleichnissen, aber dieses Thema schreit ja geradezu danach:

    "Hallo, ich bin im 3. Lehrjahr zum KFZ-Mechatroniker. Schon während der Ausbildung habe ich gemerkt, dass mich Elektrizität und ihre Anwendung eigentlich viel mehr interessieren. Kann ich nach der Gesellenprüfung fachfremd als Elektriker arbeiten? Da gibt es ja einen ziemlichen Mangel, wie ich gehört habe. Natürlich wäre ich bereit, dafür noch Fortbildungen zu absolvieren."


    Ich glaube, wir müssen uns über den verbreiteten "Lehrer kann jeder"-Irrglauben nicht wundern, wenn schon die zukünftigen Kollegen so unterwegs sind.

  • Sie interessiert sich doch nur für Fortbildungsmöglichkeiten. Hätte die TE gefragt, ob sie mal fachfremd wird Kunst unterrichten dürfen, hätte es keinen Aufschrei gegeben.

  • Zum Glück sind die Zeiten vorbei und in fast allen (oder sogar allen?) Bundesländern ist es verpflichtend, zumindest Grundkurse in Mathematik und Mathedidaktik zu belegen. Keiner der auch nur ein bisschen Ahnung hat, möchte das in der Grundschule und weiterführenden Schule jemand fachfremd Mathematik unterrichtet. Das ist in 99 % der Fälle nur Mist! Ich habe ein meiner Schule auch so Exemplare rumlaufen, die es damals nicht studieren mussten. Der Unterricht ist auch dementsprechend schlecht. Dafür können die Kolleginnen nichts, die Ausbildungssituation war halt damals so. Wir müssen aber durch viele Förderstunden die ganzen Strukturfehler wieder auffangen, wenn wir die Kinder nicht verlieren wollen.

    Prinzipiell stimme ich dir zu. Dennoch ein paar Punkte dazu:


    1. Ich habe im nicht gewählten Fach auch ein paar Lehrveranstaltungen (ohne Prüfung) belegen müssen. Dennoch würde ich das Unterrichten dieses Faches als "fachfremd" bezeichnen.


    2. Hier muss man beim GS-Lehramt inzwischen tatsächlich mindestens Grundlagen in Deutsch und Mathematik studieren (ob man das dann als "fachfremd" bezeichnet, ist wieder die Frage, siehe 1.). Bei Sonderpädagogik war es eine Weile auch so. Seit der neuesten Studien- und Prüfungsordnung ist aber nur noch die Grundbildung in einem der beiden Fächer für Sopäd. vorgeschrieben. Finde ich auch bedauerlich.


    3. Trotzdem kann man als Student natürlich auch freiwillig Veranstaltungen im anderen Fach belegen. Auch in den Förderschwerpunkten muss man teilweise Inhalte beider Fächer belegen (je nach Förderschwerpunkt, je nach Hochschule). Teilweise gibt es auch in den Erziehungswissenschaften Veranstaltungen mit einem Bezug zu einem der beiden Fächer.

    Im Referendariat musste ich mich auch mit Fragen des Deutsch- und Mathematikunterrichts beschäftigen.


    4. Natürlich ist es besser, wenn man solide fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kenntisse hat (in jedem Fach: auch Sport, Kunst, Sachunterricht usw.) aus dem Studium hat. Aber wenn jeglicher "fachfremder" Unterricht an der GS oder FöS schlechter Unterricht wäre, dann gäbe es an diesen Schulformen wenig guten Unterricht.

    Klar: Sich ohne Vorkenntnisse in die Deutsch- oder Mathedidaktik einzuarbeiten ist aufwändig und geht nicht an einem Nachmittag oder in einer Fortbildung. Aber es ist nicht unmöglich. Eine Frage ist auch, wie hier die entsprechende Fachschaft unterstützt und welche schulischen Konzepte es gibt.

  • Zum Glück sind die Zeiten vorbei und in fast allen (oder sogar allen?) Bundesländern ist es verpflichtend, zumindest Grundkurse in Mathematik und Mathedidaktik zu belegen. Keiner der auch nur ein bisschen Ahnung hat, möchte das in der Grundschule und weiterführenden Schule jemand fachfremd Mathematik unterrichtet. Das ist in 99 % der Fälle nur Mist!

    Da kann ich nur aus meiner Position als Sek-2-Lehrer zustimmen. Ich frage gerne meine Lernenden nach ihrem früheren Mathematikunterricht und einige sagen mir, dass Sie fachfremd unterrichtet worden sind - das merke ich oft daran, dass grosse Lücken in den Grundlagen bestehen. Die Lernenden merken übrigens auch, ob ihr Unterricht sinnvoll war oder nicht... sie haben auch schon in jungem Alter ein sehr feines Gespür, ob die Lehrperson Ahnung vom Fach hat oder nicht.

    O-Ton einer Lernenden:„Wir haben in Mathe immer Projekte gemacht, der Lehrer hat uns Unterlagen für 4 Wochen abgegeben und danach sass er die restliche Zeit hinter seinem Pult. Wenn wir was gefragt haben, dann hat er gesagt, das alles in den Unterlagen steht. Ob wir das Thema verstanden haben, hat keine Rolle gespielt, am Ende bekam jeder eine 5.“

    Zweiter O-Ton: „Wir haben viel konstruiert und wenig Algebra gemacht. Algebra hat der Lehrer nicht gecheckt, das haben sogar wir gemerkt.“

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