Unbefristete Stelle in Berlin am Gym annehmen?

  • Hallo zusammen,


    ich wollte hier einmal posten, weil ich vor einer sehr schwierigen Entscheidung stehe. Erstmal zu mir: Ich bin männlich, 26 Jahre alt, habe im April mein Ref in NRW an einem Gymnasium erfolgreich mit vorzeigbarem Examen in den Fächern Latein und Geschichte beendet. Leider ist die Stellensituation hier in NRW katastrophal, sodass ich erstmal wieder zuhause wohne und nun schauen muss, wie es weitergeht. Es ist sogar schwer, an Vertretungsstellen zu kommen, was an meinen Fächern liegen kann.


    Nun habe ich mich in anderen Bundesländern beworben, unter anderem Berlin. Ich habe gesehen, dass man dort als Anreiz TV-L E13 Stufe 5 als Einstiegsgehalt für neue Lehrer festgesetzt hat, was ich erstmal recht attraktiv finde. Nun wurde ich von einem Gymnasium angeschrieben, das mir eine unbefristete Stelle angeboten hat. Das Gespräch empfand ich auch als sehr angenehm. Die Klassen scheinen jedoch recht groß zu sein, 30 SuS sind keine Seltenheit dort. Technische Ausstattung ist gut, die Rahmenbedingungen passen. Jetzt kommt das große Aber:


    Ich weiß nicht, ob ich der vollen Stelle, dem Sprung von der Provinz in NRW in Elternnähe rein in die Metropole Berlin mental gewachsen bin. Ich weiß nicht, ob das Ganze finanziell nicht vielleicht eine Mogelpackung ist. Ich kenne dort niemanden, ich würde mein Umfeld halt aufgeben. Ich habe zudem das Gefühl, dass ich mich vielleicht "herschenke". Viele raten mir, abzuwarten, ob nicht doch noch ein verbeamtendes Bundesland eine Stelle für mich hätte.


    Eine Alternative habe ich zur Überbrückung auch: Ich hatte mich seit längerer Zeit dafür interessiert, nach dem Ref evtl. noch ein duales Studium im kaufmännischen Bereich zu absolvieren, um mich breiter aufzustellen und nicht nur von dem Arbeitgeber Schule abhängig zur sein. Hier liegt mir ebenfalls ein Angebot vor, und hier müsste ich nicht mein Umfeld zurücklassen, sondern könnte in der Gegend bleiben. Es ist hier auch die Frage, ob ich bereit bin, meine Komfortzone aufzugeben, glaube ich. Jedoch weiß ich nicht, ob es dann später mir zum Nachteil ausgelegt wird, wenn ich nicht sofort nach dem Ref im Bereich Schule geblieben bin, sondern noch etwas anderes gemacht habe.


    Was denkt ihr von der ganzen Sache? Ich fühle mich leicht überfordert, da mir wahrscheinlich in den nächsten Tagen dann die Stelle zugesagt wird...


    Viele Grüße

  • Das "Problem" an dem Gehalt in Berlin ist nun mal, dass es nicht mehr wirklich steigt. Das Nettogehalt ist für den Einstieg in der Tat erstmal recht attraktiv, aber natürlich sammelst du auch keinen entsprechenden Pensionsanspruch, insgesamt ist es finanziell immer noch unattraktiver als verbeamtet in einem anderen Bundesland.

  • Viele raten mir, abzuwarten, ob nicht doch noch ein verbeamtendes Bundesland eine Stelle für mich hätte.

    Mit L/G und einem nur "vorzeigbaren" Examen? Also, direkt warten würde ich darauf nicht.

    Ich hatte mich seit längerer Zeit dafür interessiert, nach dem Ref evtl. noch ein duales Studium im kaufmännischen Bereich zu absolvieren, um mich breiter aufzustellen und nicht nur von dem Arbeitgeber Schule abhängig zur sein.

    Finde ich eine gute Idee, vor allem, wenn man mal über den reinen "Lehrer im Staatsdienst"-Horizont hinausdenkt. Mit der Kombi könntest Du z. B. für eine Leitungsposition an einer privaten Schule (wo es auch kaufmännische Aspekte gibt) interessant sein.

    Jedoch weiß ich nicht, ob es dann später mir zum Nachteil ausgelegt wird, wenn ich nicht sofort nach dem Ref im Bereich Schule geblieben bin, sondern noch etwas anderes gemacht habe.

    Im Gegenteil!


    - noch etwas zum Thema "Berlin": Mit der Annahme eine Stelle dort würdest Du Dir nichts vergeben. Als Angestellter bist Du ja recht flexibel, was die Kündigung angeht; Du könntest Dich also weiterhin in jedem Bundesland bewerben. Als Überbrückung, bis Du tatsächlich eine Planstelle findest, wäre eine Tätigkeit dort sicher nicht das schlechteste.

  • ich bin alleine nach dem Referendariat 700 km für eine Stelle gezogen (ländliches Baden-Württemberg nach Großstadt in NRW, ich war ebenfalls nur angestellt und unbefristet). Nach einigen Jahren konnte ich wieder in meine Heimat zurück, fand hier eine Stelle.


    Ich bereue es nicht, ich habe an der Schule viele Freunde gefunden, ich habe völlig neue Welten kennengelernt (integratives Gesamtschule kannte ich als ausgebildete Gymnasiallehrerin nicht) und ich habe Großstadt genossen, bin viel gereist. Aber ich war bereit, neues zu entdecken. Und ich wollte unbedingt als Lehrer arbeiten, etwas anderes kam für mich nicht in Frage. Eine meiner Schwestern und meine Schwägerin haben anders entschieden.


    Du musst für dich entscheiden.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Ich ginge nicht nach Berlin. Ich habe Verwandtschaft dort. Wenn ich dort hinfahre, ekelt es mich immer recht schnell vor dem Gestank und Dreck und Lärm, den eine solche Großstadt mit sich bringt. Wenn ich mich dort ein Woche aufgehalten habe, reicht's erst mal wieder. Dann muss ich weg, länger halte ich es nicht aus. Dort leben könnte ich nicht.


    Dabei geht es nur um die Stadt. Über die Arbeitsbedingungen etc. kann ich nichts sagen.

  • Ich weiß nicht, ob ich der vollen Stelle, dem Sprung von der Provinz in NRW in Elternnähe rein in die Metropole Berlin mental gewachsen bin.

    Das liegt im Bereich des Möglichen. Ich kenne die Stadt gut und würde da auf Dauer auch nicht unbedingt leben wollen (und ich bin ein Stadt-Mensch).

    ABER: Ein Versuch ist es Wert und es kommt auch sehr darauf an, in welchem Teil Berlins du bist, es gibt große Unterschiede. Daher schließe ich mich meinen Vorrednern an und würde die Stelle annehmen und es ausprobieren, die Erfahrung einfach mitnehmen und mich bei Bedarf woanders hin bewerben.


    Viel Glück 🍀

  • Berlin ist halt eine "richtige" Großstadt, die zusätzlich noch diesen "arm, aber sexy"-Vibe mit sich bringt. Es gibt in NRW (und wohl auch sonst in Deutschland) nichts vergleichbares.

  • Danke für eure Antworten bis hierhin, ich will die direkt mal aufgreifen.


    fossi74 : Das Examen habe ich mit 1,8 abgeschlossen, ist jetzt nicht schlecht, aber wenn ich sehe, was meine Mitreferendare teilweise für Noten bekommen haben, bin ich jetzt nicht in der Nahrungskette ganz oben. Um das Angebot des dualen Studiums richtig einzuordnen: Mich interessiert es wirklich, das Interesse an Wirtschaft und Finanzen ist nämlich erst in den letzten Jahren bei mir aufgekommen, das hatte ich direkt nach dem Abi noch nicht. Ich freue mich gerade wirklich, denn in meinem Umfeld wird das eher so als Verlegenheitslösung angenommen, als sei das "nichts Richtiges", und dass ich ja dann vorher alles umsonst gemacht hätte.


    Kris24 : Respekt! Das klingt nach einer sehr positiven Erfahrung. Das mit dem Reisen fällt ja zur Zeit vielleicht eher flach durch die Pandemie, aber grundsätzlich glaube ich zu wissen, was du meinst.


    O. Meier : Ich habe tatsächlich Angst, dass ich das als "Dorfkind" auch so wahrnehmen könnte. Köln ist bei mir die nächste große Stadt und ehrlich gesagt bin ich immer froh, wenn ich nicht da hin muss, obwohl viele Leute Köln total toll finden.

  • O. Meier : Ich habe tatsächlich Angst, dass ich das als "Dorfkind" auch so wahrnehmen könnte. Köln ist bei mir die nächste große Stadt und ehrlich gesagt bin ich immer froh, wenn ich nicht da hin muss, obwohl viele Leute Köln total toll finden.

    Also Köln ist ein sauberes, provinzielles, geordnetes Nest gegenüber Berlin.

  • dass ich ja dann vorher alles umsonst gemacht hätte

    Lass mich raten: Dein Umfeld ist eher nicht-akademisch geprägt?


    Noch einmal zu Berlin (diesmal als Stadt): Köln finde ich auch furchtbar - eng, verbaut, hässliche Bausubstanz, wenig Grün. Berlin ist eigentlich eine angenehme Stadt. Dadurch, dass es aus vielen einzelnen Teilen entstanden ist, hat jeder Stadtteil einen eigenen Charakter; es gibt auch sehr, sehr viele ruhige Gegenden und sehr viel Grün. Die schlechten Seiten Berlins konzentrieren sich auf nicht allzu viele Bezirke. Wäre ich so alt wie Du und ungebunden, würden mich ein paar Jahre Berlin schon reizen. Für immer wollte ich dort auch nicht wohnen.

  • fossi74 : Jein, es sind überraschenderweise eher die Mitreferendare, die das sagen. Ich frage mich halt, ist es denn erfahrungsgemäß wirklich so, dass außerschulische Erfahrung erwünscht wird und so etwas in Bewerbungsgesprächen gut ankommt, oder rede ich mir das an der Stelle eher schön?


    Danke auch nochmal für ein paar Impressionen zu Berlin :D das Viertel, in dem die Schule liegt, ist Alt-Hohenschönhausen, falls das irgendwie hilft.

  • ist es denn erfahrungsgemäß wirklich so, dass außerschulische Erfahrung erwünscht wird und so etwas in Bewerbungsgesprächen gut ankommt, oder rede ich mir das an der Stelle eher schön?

    Kommt halt immer drauf an, ob Du im schulischen Umfeld bleiben willst. Dort sind solche Erfahrungen eher egal (sie schaden aber definitiv nicht!), außer Du kommst einer Schule gelegen, weil Du z. B. fachfremd Wirtschaft unterrichten könntest.

  • Bei einem dualen Studium bist du einige Jahre nach Abschluss quasi der Skalve des Unternehmens und musst dich freikaufen, falls du dort aufhören willst, da sie zuvor Geld in dich investiert haben.


    Das nur als Anmerkung, falls dir das nicht bewusst ist.

  • Hast du Lust auf Lehramt? Dann Berlin und in Ruhe weitergucken. Du gewöhnt dich an die Größe der Stadt, man ist letztlich immer in seinem Stadtviertel zu Hause. Wichtig ist das Kollegium, die Schulleitung.


    Wenn du eigentlich ins Kaufmännische willst- warum nicht? Keiner zwingt dich zu irgendwas.


    Was ich persönlich nie und nimmer machen würde, ist zu Hause einziehen und auf eine Planstelle im Örtchen die Pension warten.

  • Vielleicht guckst du sonst mal an BKs mit beruflichen Gymnasium in der Nähe? Oder Weiterbildungskollegs?

    Wir sind froh eine Lateinlehrerin zu haben, damit alle die Latein hatten auch ihr Latinum machen können. Ist halt aber nur die 11 und meist sehr kleine Kurse. Und Geschichte wäre dann GL, also auch etwas Erdkunde und Sowi, je nach didaktischer Jahresplanung.

    Only Robinson Crusoe had everything done by Friday.

  • Köln ist bei mir die nächste große Stadt und ehrlich gesagt bin ich immer froh, wenn ich nicht da hin muss,...

    Hm, das spräche wiederum bei dir gegen Berlin. Ich finde das Angebot von Clubs, Lesebühnen, Galerien, Programmkinos, Freaks... Was nur Großstädte bieten genial, Kegelclub und Kleingarten kann man ja auch haben.


    Was ist mit den östlichen Bundesländern? Die suchen auch oft händeringend Kolleg*innen.


    Edit: hättest du das Studium sicher?

  • In Bezug auf die östlichen Bundesländer habe ich mich in Brandenburg für das zentrale Einstellungsverfahren beworben, aber noch nichts gehört. Ein Kollege von mir wird wohl nach Meck-Pomm gehen mit der Kombi Englisch / Geschichte, jedoch wird dort Latein nicht sonderlich gesucht. Sachsen, Sachsen-Anhalt müsste ich noch mehr drüber in Erfahrung bringen, würde ich aber per se nicht ausschließen.


    Ja, das habe ich sicher.


    Edit: Es ist so, dass ich gerne Lehrer bin, aber nicht - wie ich es bei anderen oft sehe - vollkommen dafür brenne, sprich dass ich es mir nicht vorstellen könnte, auch in einem anderen Beruf zu arbeiten. Daher habe ich da nicht so die Scheu, nochmal etwas Neues zu probieren.

  • Ich weiß nicht, ob ich der vollen Stelle, dem Sprung von der Provinz in NRW in Elternnähe rein in die Metropole Berlin [...] ich würde mein Umfeld halt aufgeben.

    Je nachdem kann dir das in NRW auch passieren, wenn du keine ortsnahe Stelle findest.


    Letztlich kann dir aber niemand, der dich nicht kennt, sagen, wie gut du mit dem Neuaufbau deines sozialen Umfelds zurecht kommen wirst. Das kannst nur du selbst einschätzen.


    Ich hatte mich seit längerer Zeit dafür interessiert, nach dem Ref evtl. noch ein duales Studium im kaufmännischen Bereich zu absolvieren, um mich breiter aufzustelle.

    Wie gerne arbeitest du als Lehrer? Wie realistisch ist es als kaufm. Angestellter einen annähernd vergleichbaren Job (Arbeitsbedingungen, Gehalt, etc.) zu bekommen, soweit man das überhaupt vergleichen kann.


    Da Berlin nicht verbeamtet, würde ich persönlich das testen und ggf. dort wieder kündigen, wenn du eine Stelle in NRW findest.

    Das ist zwar illoyal gegenüber Berlin, aber die scheinen ja auch nicht so Wert auf die eigene Loyalität gegenüber ihren Lehrern zu legen, was man so liest.

  • Ich denke von mir selbst, dass ich gesellig bin, aber auch gut für mich allein sein kann, sodass das mit dem sozialen Umfeld vielleicht auch etwas dauern wird, da ich die volle Stelle nicht unterschätzen will und das viel Arbeit nach sich zieht. Ich hänge schon ziemlich an meiner Familie bzw. habe sie gerne in der Nähe.

    Was ich aber gerade schwierig finde, ist, so aus der Ferne innerhalb von zwei Monaten eine vernünftige Wohnung möglichst in Schulnähe klar zu machen, da die Stadt jetzt nicht gerade 1-2 Stunden entfernt ist. Ich habe schon überlegt, falls ich zusagen sollte, erstmal nach einem möblierten Appartement zu schauen oder so, um erstmal anzukommen. Weiß aber nicht, ob das der richtige Weg ist.


    Grundsätzlich arbeite ich gerne als Lehrer, habe aber - und das will ich auch nicht schönreden - mich nachrangig auch wegen der finanziellen Vorteile für den Job entschieden. Im kaufmännischen Bereich ist das natürlich nicht so einfach zu erreichen, zumal ich glaube, dass es in dem Job generell etwas weniger stressig ist, sodass das ebenfalls okay für mich wäre, auch wenn ich weniger Geld bekäme.

  • Berlin ist halt eine "richtige" Großstadt, die zusätzlich noch diesen "arm, aber sexy"-Vibe mit sich bringt.

    Ich bin aus Berlin weggezogen, weil ich Geld verdienen wollte (anderer Sektor).

    Nach Berlin zieht es v.a. diejenigen, die entweder exzessiv Party ausleben oder im Kiez ihr süddeutsches Dörfle mit verkehrsberuhigter Spielstraße wünschen, keinerlei Rücksicht auf die Bürger außerhalb des S-Bahn-Rings.

    Und wie schon geschrieben: Viel Dreck.


    Hinsichtlich von Wohnungen muss man natürlich berücksichtigen, dass der Senat weitere Zuwanderung auf allen Ebenen bekämpft, auf dem Wohnungsmarkt wird es also eng für Geringverdiener. Womöglich ein KO-Kriterium.

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