Auslandssemester- ja oder nein?

  • Hallo,


    ich studiere Englisch und Wirtschaft für die Sekundarstufe I in Baden Württemberg und bitte um eure Gedanken zu folgendem Thema:


    Ich frage mich zurzeit, ob das Auslandssemester während des Studiums dringend notwendig ist in meinem Lebenslauf. Ich habe während meiner Schulzeit bereits 10 Monate lang in den USA gelebt und habe deswegen schon überdurchschnittlich gute Englischkenntnisse.


    Wird mir dieses Auslandsjahr überhaupt einen Vorteil bei schulscharfen Bewerbungen verschaffen? Ich bin mir nicht sicher, da ich damals 15/16 Jahre alt war und es somit viele Jahre zurückliegen wird. Oder sollte ich dringend auch ein Auslandssemester absolvieren, um als Englisch-Studierender hervorzustechen?

    Bevorzugt würde ich so früh wie möglich mit dem Studium abschließen.

    LG

    Kamin

  • Hallo,


    dringend notwendig sicher nicht. Aber du wirst dir schon einige kritische Nachfragen gefallen lassen müssen... Wie kann Jemand, der eine Sprache studiert, kein Interesse haben, mal eigenverantwortlich im Ausland zu leben?


    Du warst dort als Teenie, schön und gut, aber das ist doch was ganz Anderes wenn man das als Erwachsener eigenverantwortlich bewältigen muss. Es geht jetzt auch nicht in erster Linie um die Sprachkenntnisse oder darum, aus der Menge von Englisch-Studierenden hervorzustechen um sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern um die Immersion in diese "Kultur" und den Zugewinn an Lebenserfahrung.


    Du sagst, du willst das Studium so früh wie möglich abschließen. Gibt es dafür einen besonderen Grund? Wie alt bist du? Hast du erst "später" mit dem Studium angefangen? Hast du bereits größere finanzielle Verpflichtungen? Falls es keine besonderen Gründe gibt: Du wirst in deinem Leben eh noch lange genug arbeiten müssen. Tendenziell wird das Pensionierungsalter ja immer weiter nach hinten verschoben... Ganz ehrlich, was macht es da für einen Unterschied, ob du mit 28 oder mit 29 in den Beruf einsteigst? Genau, keinen.


    Ich würde dir dringend empfehlen, ein Auslandsjahr zu machen. Ich erinnere mich gerne zurück an meine Zeit in England und zehre heute noch davon. Nicht zuletzt weil ich noch sehr viele Freunde dort habe und regelmäßig (spätestens alle zwei Jahre, sofern nicht Corona dazwischen kommt) auf Besuch fahre. Nicht zuletzt um die Sprache aufzufrischen. Denn "Please open your books at page 78."... Das ist alles aber doch keine Sprachpraxis. Ich finde es auch für mich schön, wenn sich mir regelmäßig Gelegenheiten bieten, mich mal wieder "richtig" auf Englisch zu unterhalten.


    Aber wie gesagt, dringend notwendig ist es nicht, und es muss jeder selbst wissen...

  • Kurze Frage interessehalber: Ist in BW denn gar kein Auslandssemster vorgeschrieben? Hier in NDS ist für alle Lehramtsstudent*innen, die eine moderne Fremdsprache als Unterrichtsfach studieren, ein Auslandsaufenthalt (ich meine, von mind. drei Monaten) in der Masterverordnung zwingend vorgeschrieben.


    Als ich damals studiert habe, gab es diesen "Zwang" noch nicht. Ich war daher nicht für längere Zeit im englischsprachigen Ausland (nur acht Wochen in den Semesterferien in Südengland, wo ich an einer Sprachschule Kurse für angehende Englisch-Lehrkräfte besucht habe), worüber ich mich aber im Nachhinein ärgere. Von den Mit-Studis, die mehrere Monate in England, Schottland, Irland, USA oder Kanada waren und dort studiert haben oder als "assistant teacher" tätig waren, habe ich nur Positives gehört und denke mir heute, dass mir dieser Auslandsaufenthalt auch in meiner persönlichen wie beruflichen Entwicklung zupass gekommen wäre.

    to bee or not to bee ;) - "Selbst denken erfordert ja auch etwas geistige Belichtung ..." (CDL)

  • Äh… nee. Ich möchte es wirklich wissen. Ich habe keine kritischen Nachfragen bekommen als Sprachenlehrerin. Wer fragt da nach?

    Meine Schwester hat auch Englisch studiert und war (aus Bequemlichkeit) nicht im Ausland. Sie hat mir es gegen Ende Studium / Anfang Berufseinstieg mehrfach berichtet, dass sie auf ihre mangelnde Auslandserfahrung angesprochen worden ist.


    Edit: Nach ihrer mündlichen Prüfung wurde sie zum Beispiel vom Prüfer des Landeslehrerprüfungsamtes gefragt, wo sie denn im Ausland war. Eigentlich eine ganz unbedarfte Frage, so als Small Talk. Da war es ihr mega peinlich, dass sie sagen musste, dass sie nie im Ausland war. Ein Schulleiter hatte sie im einem Bewerbungsgespräch danach gefragt, in welches englisch-sprachige Land sie Kontakte hat bzgl. Schüler-Austausch. Ja, leider nein. Damit raus.

    • Offizieller Beitrag

    Es ist so so so so traurig, dass es kein Einstellungskriterium ist, also in dem Sinne, dass die Studierenden wüssten, dass die Schulen darauf gucken würden (wie die Leute, die "International XY" studieren und natürlich wissen, dass die einstellende Firma gucken wird, wo und bei wem man Auslandserfahrung gesammelt hat.
    (Der Vollständigkeit halber: Falls es für andere Fächer gelten kann: Es ist dann auch meinetwegen genauso traurig, wenn Schulen nicht die Möglichkeit haben zu schauen, ob der Physiklehrer dies und das gemacht hat...)

    Ich kann es nur für meine Fremdsprache behaupten: man merkt es sooo sehr, wenn jemand richtig im Ausland war. Es mag natürlich in Englisch anders sein, meine Sprachkorrekturquote bei Refis /Mitmenschen, die im Ausland waren, lag sehr weit unter der derjenigen, die die "12 Wochen" im Ausland waren oder gar einen Härtefallantrag hatten...
    Vom interkulturellen, landeskundlichen Gefühl nicht zu sprechen.

  • sondern um die Immersion in diese "Kultur"

    Leider sind die Anführungszeichen mittlerweile nicht nur die USA betreffend erforderlich, sondern auch UK.

  • Nach ihrer mündlichen Prüfung wurde sie zum Beispiel vom Prüfer des Landeslehrerprüfungsamtes gefragt, wo sie denn im Ausland war. Eigentlich eine ganz unbedarfte Frage, so als Small Talk. Da war es ihr mega peinlich, dass sie sagen musste, dass sie nie im Ausland war. Ein Schulleiter hatte sie im einem Bewerbungsgespräch danach gefragt, in welches englisch-sprachige Land sie Kontakte hat bzgl. Schüler-Austausch. Ja, leider nein. Damit raus.

    In beiden Fällen hätte eine "erwünschte" Antwort ihr Peinlichkeiten erspart (im ersten Fall nennt man halt irgendeine "state university" in irgendeinem flyover-state, im zweiten hätte ich eiskalt gesagt, dass ein Austausch mit der Schule, wo ich assistant teacher war, niemandem zuzumuten sei).

    Ich halte diesen Hype um Auslandsaufenthalte auch für ziemlich übertrieben. Als Student im Ausland gewesen zu sein, ist nice to have (für alle Fachrichtungen, nebenbei bemerkt) - mehr aber auch nicht. Ich muss kein Experte für irgendeine Landeskultur sein (und ganz ehrlich: Welche darf es denn dann sein - UK, Irland, USA, Kanada?), um eine Sprache zu unterrichten. Meinen Schülern ist es eh rille, ob und wo ich im Ausland war, und ganz ehrlich: Mich haben Englischlehrer, die uns ständig nahebringen wollten, wie es anno '70 in Limerick war, eher genervt.

    • Offizieller Beitrag

    Weil ich es traurig finde, DASS nicht /in der Regel nicht nachgefragt wird bzw. dass das System so angelegt ist, dass diese Frage gestellt werden kann.
    Ich sag es mal so: wenn wir alle wüssten, dass eine solche Frage selbstverständlich im Vorstellungsgespräch / im Einstellungsverfahren gestellt / überprüft wird, würdest du die Frage nicht stellen.
    Ich "weine" also darüber, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, ins Ausland zu gehen und dies auch zu überprüfen. (Mein einstellender Schulleiter hatte mit Sprachen nichts zu tun und hätte auch nie daran gedacht, sowas zu fragen. Solche Gedanken kamen aber schon von einer anderen Ecke. Zugegeben: MIR wurde die Frage (logischerweise) nicht gestellt, mein Lebenslauf und meine Motivationsschreiben sind was Auslandsaufenthalte angeht, mehr als eindeutig (gewesen), ich kann also nicht sagen, was andere Menschen gefragt worden sind.
    und bis vor Kurzem hielt ich es für so selbstverständlich, dass ich mich wirklich wunderte, warum wir in den letzten Jahren mehrfach Leute mit "Härtefall" ohne Auslandsaufenthalt (und diese Leute haben mich echt sehr viel Arbeit gekostet und mich richtig aufgeregt). Seit kurzem weiß ich, dass der Pflichtaufenthalt in meiner Studienordnung vor über 20 Jahren eine Ausnahme im bundesweiten Durchschnitt eine Ausnahme darstellte und ich hatte eh vorrangig mit denjenigen zu tun, die in meinem Studiengang 2 Jahre im Ausland waren.

    • Offizieller Beitrag

    Stell dir mal vor: es gibt Leute, die kein Physik oder so in der Fächerkombination haben ;)

    Ich hatte in einem Radius von 100 Km mit 4 vollständigen Fächern 6 Stellen (!!!) auf die ich mich bewerben konnte. 5 in meinem Wunschbundesland, 1 im Nachbarsbundesland. plus 2 an Oberschulen ( = Hauptschulen, was für meine Fächerkombi absolut der Todesschuss gewesen wäre).
    Also ja, mit 60+ Bewerber*innen auf jeder Stelle habe ich mich ein bisschen motiviert gezeigt. Was ich auch war.
    und ehrlich gesagt halte ich es auch für eine Höflichkeit, meiner möglichen zukünftigen Schule zu zeigen, dass ich mich mit ihr beschäftigt habe und dass ich mir gut vorstellen könnte (und warum), mit ihr zu arbeiten und nicht nur "Sie haben keine Wahl, ich bin die einzige mit dem Fach".

  • ...und ehrlich gesagt halte ich es auch für eine Höflichkeit, meiner möglichen zukünftigen Schule zu zeigen, dass ich mich mit ihr beschäftigt habe und dass ich mir gut vorstellen könnte (und warum), mit ihr zu arbeiten und nicht nur "Sie haben keine Wahl, ich bin die einzige mit dem Fach".

    Naja, ich habe das ja begründet. In zwei Sätzen :)


    Es wird ja ohnehin nach Fach/Note eingeladen und ich war mir Recht sicher, dass ich mich im Vorstellungsgespräch gut verkaufen kann. Ich hatte aber auch keine Zeit, denn die Bewerbungsfrist war vor meinem Examenstag, sonst hätte ich mir mehr Mühe gegeben.


    Alternativlos war ich nicht, nur besser als der (einzige) andere Bewerber^^

  • In beiden Fällen hätte eine "erwünschte" Antwort ihr Peinlichkeiten erspart (im ersten Fall nennt man halt irgendeine "state university" in irgendeinem flyover-state, im zweiten hätte ich eiskalt gesagt, dass ein Austausch mit der Schule, wo ich assistant teacher war, niemandem zuzumuten sei).

    Ich halte diesen Hype um Auslandsaufenthalte auch für ziemlich übertrieben. Als Student im Ausland gewesen zu sein, ist nice to have (für alle Fachrichtungen, nebenbei bemerkt) - mehr aber auch nicht. Ich muss kein Experte für irgendeine Landeskultur sein (und ganz ehrlich: Welche darf es denn dann sein - UK, Irland, USA, Kanada?), um eine Sprache zu unterrichten. Meinen Schülern ist es eh rille, ob und wo ich im Ausland war, und ganz ehrlich: Mich haben Englischlehrer, die uns ständig nahebringen wollten, wie es anno '70 in Limerick war, eher genervt.

    Gehe ich richtig in der Annahme, dass du keinen längeren Auslandsaufenthalt absolviert hast?


    Nun ja, meine Schwester hat eben so wie ich gelernt, dass man nicht lügt. Und schon gar nicht so dreist. Denn es wäre ein Leichtes gewesen, ihre Angaben zu überprüfen. Zumal dem Schulleiter ja ihr Lebenslauf vorlag und da kein Auslandsaufenthalt verzeichnet war. Und das wäre dann noch schlimmer gewesen. Keinen Auslandsaufenthalt vorweisen zu können und dann noch diesbezüglich zu lügen, wenn man konkret danach gefragt wird.


    Wie ich schon sagte, ich kann Jedem, der eine Sprache studiert nur empfehlen mal eine Zeit lang in dem entsprechenden Land bzw. den entsprechenden Ländern zu leben. Ich habe im Schulalltag schon öfter davon profitiert. Und zwar auf eine Art und Weise, die man sich erstmal gar nicht vorstellen kann, wenn man diese Erfahrungen nicht gemacht hat.


    Und nein, ich erzähle meinen Schülern nicht von 1970 in Limerick was (zurecht) kein Schwein mehr interessiert. Ich würde solchen Small Talk meinen Schülern niemals aufzwingen. Aber wenn es zufällig mal zur Sprache kommt, berichte ich gerne. Und ja, dann ist auch mal die ganze Stunde rum, wenn die Schüler entsprechend interessiert nachfragen. (Kleine Anekdote im Spoiler.)


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