35a seelische Behinderung

  • Hallo,


    für welche Kinder wird Paragraph 35a beantragt? Reicht es, dass das Kind länger braucht, sich in neuen Situationen einzufinden?

    Müssen die Eltern der Beantragung zustimmen? Was, wenn sie nicht wollen?

    Wie lange bleibt der Status erhalten und welche Förderung ist zu erwarten?

    Könnte es Nachteile geben, wenn das Kind später auf eine Privatschule wechseln möchte? Nach dem Motto "Ist bestimmt ein schwieriges Kind".

    Es geht um meinen Sohn. Er hat wenig Selbstbewusstsein und seine Lehrer meinen, er sei ein "Geländerkind" weil er immer jemanden bräuchte, wo er sich festhalten kann in neuen Situationen. Wir Eltern haben eher das Gefühl, dass man hier versucht, Zuschüsse zu generieren.

    Darum interessiert uns besonders, ob wir dem zustimmen müssen/sollten.

    Ich danke euch.

    Liebe Grüße

    Kathrin

  • Da geht es um seelische Behinderung oder davon bedrohte Kinder und Jugendliche. Darüber entscheidet ein geeigneter Facharzt und ich würde das im beschriebenen Fall nicht unterstützen. 35a wird meiner Erfahrung nach (Förderschule) selten und in schwerwiegenden Fällen diskutiert und gewährt. Da geht es eher um besondere Wohnformen. Eigentlich hat das mit Schule auch nichts zu tun, SGB ist Jugendhilfe.


    https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__35a.html


    Edit: Ergänzung, die Schulbegleitungen werden auch über diesen Paragraphen organisiert. Da geht es um schwere psychische Erkrankungen, Autismusspektrum usw. Ich würde die Schule wechseln und keinen Erwachsenen neben mein Kind setzen, wenn es denn nicht massive Einschränkungen in Kommunikation und Interaktion haben sollte. Also Schüchternheit reicht da nicht!


    Edit 2: ausführliche Erläuterungen hier. Das beantragen wohl i.d.R. die Eltern...

    https://www.google.com/url?sa=…Vaw2KHUVHo_CT2mkDlTQUSqvI

    2 Mal editiert, zuletzt von UrlaubVomUrlaub ()

  • Bist du Lehrkraft? Wenn nicht, dann bitte ich um Verschiebung in das richtige Forum, dann wärst du hier nicht schreibberechtigt.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    <Mod-Modus>


    Kneipentour ist Lehrerin. Oder sie hat in den letzten 11 Jahren eine ziemlich gute Tarnung aufgebaut. (Glaube ich aber nicht.)


    kl. gr. frosch, Moderator

  • Bitte entschuldigt, irgendwie ist mir die Info unter deinem Usernamen entgangen.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • §35a ist der typische Fall, der z. B. bei RECHENSCHWÄCHE oder LRS gegeben sein muss, damit eine außerschulische Förderung durch ein Fachinstitut gewährleistet wird oder auch um Schulbegleitungen zu bekommen. Dafür gibt es ein Gespräch mit JugendamtmitarbeiterInnen und dann auch einen offiziellen Hilfeplan mit regelmäßig stattfindenden Gesprächen. So selten wird das nicht gewährt, auch an nicht integrativen Grundschulen wie unserer kommt das immer mal wieder vor und ist meiner Ansicht nach auch kein Makel. Ob das in dem Fall Sinn macht vermag ich nicht zu beurteilen, aber das Jugendamt prüft das schon sehr gut (da alles, was sich daraus ableitet ja Folgekosten bedeutet), deshalb ist die Wahrscheinlichkeit, dass man es gewährt bekommt, obwohl es unnötig ist, schon gering ist.

    Eines meiner eigenen Kinder hatte darüber auch ca 2 Jahre lang eine Dyskalkulie Therapie und keinerlei Nachteile (sondern im Gegenteil einen großen Vorteil davon).

  • Ich hatte auch schon Fälle mit einer Förderung, finanziert durchs Jugendamt.

    Allerdings geht da mindestens eine Diagnose durch einen Kinder- und Jugendpsychiater voraus.

    Hier gibt es sozusagen in Bayern erst eine Untersuchung und Diagnose durch Profis.


    Der Weg in Bayern ist normalerweise so:

    Der Lehrkraft fällt es etwas auf und sie bespricht sich mit den Eltern. Danach überlegt man, welche Experten man zur Diagnose hernimmt: Meistens empfehle ich erst eine Testung durch die Schulberatung (Beratungslehrkraft oder Schulpsychologe)oder durch den MSD (mobiler sonderpädagogischer Dienst), je nach Auffälligkeiten. Dann sieht man weiter. Bei dem erwähnten Paragraphen braucht man allerdings einen Kinderpsychiater. Meistens schickt man da weiter - der Kinderpsychiater ist schulunabhängig.


    Was mich in dem Eingangsbeitrag iriitiert, ist, dass die Schule gleich von diesem Paragraphen spricht. Das wäre bei uns das Ende eines langen Weges. Das muss erstmal solide durch Experten ausgetestet werden.


    kneipentour

    Ich würde dir raten, selbstständig zu einem Kinderpsychiater zu gehen.

    Ich selbst habe einmal als Mutter - lange ist es her - mit der Schule eine negative Erfahrung machen müssen. Da hat man gewisse Auffälligkeiten bei meinem Sohn gesehen. Die Schule hatte sich als Konsequenz überlegt, das Kind wieder auszuschulen. Ich habe dann privat von einer entsprechenden Stelle meinen Sohn testen lassen - das Testergebnis hat der Einschätzung der Schule widersprochen. Allerdings hat die Schule auch eine Testreihe initiiert und selbst gesehen, dass sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt hat. Das hat man mir gegenüber als Mutter vom Fach allerdings nur halbwegs zugegeben, weil man sich keine Blöße geben wollte. Mein Sohn war am Anfang des ersten Schuljahrs so ein bisschen neben sich und hatte gewisse Anpassungsprobleme, die die unerfahrene Lehrkraft mit Unterstützung des Schulleiters in Bezug auf seine Leistungsfähigkeit interpretiert hat. Na ja, nach dem Lehrerwechsel im 3. Schuljahr ist er aufgeblüht, schließlich aufs Gymnasium gegangen und hat studiert.

  • Der Thread hier ist ja im Unterforum 'Förderschule'. Mich würde interessieren, um welchen Förderschultyp (Förderschwerpunkt) es sich handelt - je nachdem kann es bezüglich der Eingliederungshilfe nämlich auch ganz unterschiedlich aussehen.

    kneipentour Haben die Lehrkräfte deines Kindes dir deine Fragen nicht beantworten können? Wenn sie dir eine solche Begutachtung empfehlen, müssten sie doch auch sagen mit welchem Ziel und mit welchen Konsequenzen ...

  • Ja, das stimmt. Davor steht immer das Gutachten eines Kinderpsychiaters, der das Kind vorher gründlich durch checkt. Die Kosten fürs Gutachten kann man mittels eines Formulars sich vom Jugendamt erstatten lassen.

  • Der Thread hier ist ja im Unterforum 'Förderschule'. Mich würde interessieren, um welchen Förderschultyp (Förderschwerpunkt) es sich handelt

    Wobei es durchaus auch für SuS an anderen Schulen gilt, wie ja einige hier schon geschrieben haben,

    da kann es auch um die Finanzierung von Therapien gehen (LRS, Dyskalkulie) oder generell den Zugang dazu.


    Mir ist unklar, was in diesem speziellen Fall überhaupt beantragt werden soll.

  • Natürlich. Kenne genug Fälle an der GS, bin teilweise in der Beratung auch beteiligt.

    Auch bei uns geht es übrigens meistens um die Finanzierung von Lerntherapie und seltener um Integrationshelfer.

    An anderen Förderschultypen kann das aber anders sein, z. B. weil es im L- und G-Bereich ja zumindest "offiziell" keine Teilleistungsstörungen geben kann.

  • Hallo,

    vielen Lieben Dank für die Informationen. Ja, ich bin Grundschullehrerin und mein Sohn ist seit der ersten Klasse an einer Montessorischule. Er ist am Anfang nicht gut in der Schule angekommen und wollte auch nicht wirklich hin. Ich denke, dass er überfordert war. Er hatte Probleme mit der Feinmotorik und ein eher gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Darum waren wir damals schon bei einem Kinderpsychologen und haben Ihn durchtesten lassen. Ergebnis "wahrscheinlich ADHS", dies aber nicht sicher feststellbar, da er sich damals weitgehend den Test verweigerte. Eine Konzentrationsschwäche kann meiner Beobachtung nach durchaus möglich sein. Wir wurden dann zu einer Ergotherapie überwiesen, er hat dort eine Lerntherapie absolviert und Neurofeedback bekommen. Uns wurde damals gesagt, dass er weniger Emotionen zeigen würde als andere Kinder. Darauf haben wir den Psychologen auch angesprochen und er empfahl, dass eine Autismus-Spektrum-Störung im weiteren Verlauf ausgeschlossen werden kann.

    In der dritten Klasse hat unser Sohn sich gut entwickelt. Er schimpfte nicht mehr über die Schule und auch die Lehrerin berichtete im Elterngespräch, dass es gut lief. Kein Wort mehr von Problemen. Natürlich schreibt er noch immer nicht gerne und ich würde mir vorstellen können, dass er eine Rechtschreibschwierigkeit hat aber darauf wurden wir auch nie angesprochen. Montessori geht da ja auch anders vor...

    Nun hat er 5 Wochen vor Ferienbeginn unerlaubter Weise ein Feuerzeug mit in die Schule genommen und einen Kinderknaller mit einem anderen Mädchen auf dem Schulhof gezündet und prompt hatten wir eine Schulhilfekonferenz. Plötzlich war alles ganz dramatisch. Er sei ein Geländerkind. Das bedeutet, dass er in neuen Situationen mehr Halt braucht. Und sie machen sich solche Sorgen weil er jetzt die Lerngruppe wechselt...

    Interessant ist, dass wir in den 3 Wochen, bevor sie uns den 35a ans Herz legten, zwei weitere Kinder aus der Klasse auch ein solches Gespräch hatten... Bitte um Beantragung 35a.

    Auf unsere Frage, was denn für meinen Sohn sich verbessern könnte (2,5 Pädagogen betreuen bereits 28 Kinder), wurde uns schlussendlich gesagt, dass es schon immer Eltern gab, die 35a beantragt hätten und darum hätten sie überhaupt nur so einen tollen Betreuungsschlüssel.

    Wir haben gesagt, dass es Ihm doch gut geht und was das ganze Geteste bringen soll. Damals war mein Sohn danach der Meinung, er sei kein normaler Junge. Er fragt damals danach.

    Wir sagten, dass wir als Kompromiss Autismus abklären lassen. Sollte es sich bestätigen, würden wir zustimmen. Wir haben mehrere Pädagogen im Bekanntenkreis und niemand würde bei meinem Sohn auf Autismus setzen. Aber gut. Leider bekommen wir momentan keine Termine zur Abklärung wegen Überlatung. Diese Mitteilung der Praxis liegt der Schule vor.

    Übrigens hat mein Sohn inzwischen die Lerngruppe gewechselt und er geht und kommt jeden Tag gut gelaunt von der Schule. Trotzdem haben wir nun wieder ein erneutes Gespräch und man will uns unbedingt dazu bringen zu unterschreiben.

    Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir das Gefühl haben, dass man hier versucht, Gelder zu erhaschen und dafür sollen wir mit unserem Sohn wieder mehrmals zu einem Psychiater und er bekommt diesen Stempel und gibt ihn sich selbst.

    Müssen wir denn nun zustimmen? Was, wenn Eltern sich weigern? Wie lange gilt 35a? Das Geld werden sie auch weiterhin brauchen.

    Eine gute Nacht und vielen Dank für Eure Zeit.

    Kathrin

  • kneipentour , wie geht es denn dir? Was brauchst du, was braucht dein Kind, damit es ihm gut geht? Es gibt gute Beratungsstellen für Familien, z.B. von Caritas oder Diakonie, die Leute sind sehr gut, u.a. systemisch ausgebildet.


    Ich würde keiner Überprüfung auf 35a zustimmen, nur weil jemand anders das will und natürlich kann dich keiner zwingen, einer solchen Untersuchung zuzustimmen. Wenn du dir selbst Sorgen machst und hättest Interesse an einer fachärztlichen Abklärung ist das ja was anderes. Aber weil eine Schule Geld braucht? Never ever.

  • Mir geht es gut. Ich brauche eigentlich nichts.

    Als unser Sohn anfangs diese Probleme hatte, dass er nicht in die Schule wollte, machten wir uns schon auch Sorgen um ihn. Darum sind wir mit ihm damals auch zu dem Kinderpsychologen. Im Nachhinein denken wir, dass es eher hinderlich für sein Selbstbewusstsein war und somit bis heute seine Entwicklung gehemmt hat. Wir finden, dass er sich in wenigen Bereichen (schreiben) zwar langsamer als der Durchschnitt entwickelt, aber in wieder anderen Bereichen ist er super aufgestellt. Er zeigt keine Verhaltensprobleme. Er hat Freunde und Hobbys. Ich würde mir für ihn den positiven und unbesorgten Blick auf ihn durch die Pädagogen wünschen. Was er am meisten braucht, ist Selbstvertrauen.

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