Vereinfachte Ausgangsschrift v. Schulausgangsschrift (vor allem in Bayern)

  • In einigen Bundesländern können Grundschulen wählen, ob sie die Vereinfachte Ausgangsschrift oder die Schulausgangsschrift lehren, in Bayern ist das seit 2014/15 der Fall. (Sagt mir Wikipedia.)

    Könnt ihr abschätzen, wie viele Grundschulen die eine oder die andere Art lehren? Mich interessiert insbesondere Bayern, aber gerne auch andere Länder mit Wahlmöglichkeit.


    (Ich habe aktuell nur eine 7. Klasse, da haben bis auf eine Schüler*in alle VA, aber das war erst knapp der Einführung der Wahlmöglichkeit.)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • In BW besteht die Wahl zwischen Lateinischer Ausgangsschrift und Vereinfachter Ausgangsschrift. Insgesamt lehren nach meiner Erfahrung deutlich mehr Schulen VA, wobei ich einige kenne, die in den letzten Jahren zur LA zurückgewechselt sind.

    Die SAS war ja ursprünglich die Ausgangsschrift der DDR. Insofern würde ich davon ausgehen, dass sie weiterhin überwiegend in den neuen Ländern verbreitet ist.

  • Ich weiß, dass es wiederholt eine KM/ISB?-Abfrage in Bayerns Schulen gab, welche Schrift an der Schule geschrieben wird - die Daten sind definitiv erfasst. Vielleicht kann jemand, der noch in der SL tätig ist, konkrete Zahlen liefern.


    Da es mich jetzt selbst interessiert hat --> hier findest du (etwas weiter unten) die Daten für Deutschland:

    https://deutsches-schulportal.…ne-schreibschrift-lernen/


    Mein Bauchgefühl: ca 50/50 in Bayern, da beide Schriften ihre Nachteile habe, gerade ältere Kollegien waren sich schnell einig, dass sie die VA (und damit alle alten Arbeitsblätter) behalten wollen.


    Ich trauere tatsächlich etwas der Grundschrift hinterher - ja, die war in Bayern nie vorgesehen, aber meine Schüler mussten eben keine komplette "zweite" Schrift lernen - und ab der 4. Klasse gibt es tendenziell eh wieder einige Schüler die aufgrund der Optik zu einer individuellen Druckschrift zurückgehen.

  • gerade ältere Kollegien waren sich schnell einig, dass sie die VA (und damit alle alten Arbeitsblätter) behalten wollen.

    Ach! Ich hätte gedacht, dass die ganz älteren Kollegien gerne zur SAS wechseln, weil die der lateinischen Ausgangsschrift ja sehr ähnlich ist, die die alten Lehrer und Lehrerinnen noch gut kennen. Aber ja, das ist schon über 20 Jahre her, da gibt es vielleicht nicht mehr so viele.

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  • Ich bin an einer großen Grundschule in Bayern und eine ältere Kollegin, die mit der LA aufgewachsen ist und diese auch jahrelang (auch zwischendurch in Klasse 1) unterrichtet hat. Nach meiner Einschätzung sind beide Argumente nicht richtig.

    Mein Bauchgefühl: ca 50/50 in Bayern, da beide Schriften ihre Nachteile habe, gerade ältere Kollegien waren sich schnell einig, dass sie die VA (und damit alle alten Arbeitsblätter) behalten wollen.

    Ehrlich gesagt, ist es auch im digitalen Zeitalter kein Argument, dass man die VA beibehalten will, weil man alte Arbeitsblätter hat. Es kostet wenig Zeit, die ABs in die aktuelle Schrift umzuwandeln. Dafür haben wir ja die Schriftprogramme auf dem Computer. Wer vorgefertigte ABs nimmt, der hat sie von den Verlagen, die diese aktualisiert haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Grundschullehrerinnen in der Mehrheit so denken.

    Ach! Ich hätte gedacht, dass die ganz älteren Kollegien gerne zur SAS wechseln, weil die der lateinischen Ausgangsschrift ja sehr ähnlich ist, die die alten Lehrer und Lehrerinnen noch gut kennen. Aber ja, das ist schon über 20 Jahre her, da gibt es vielleicht nicht mehr so viele.

    Das Argument, dass wir die Schrift vorziehen würden, die wir selbst einmal gelernt haben, ist mir völlig fremd.


    Zu den Schriften und wie wir schlussendlich auf die SAS kamen:

    Zuerst mussten wir nach der LA die VA nehmen. Diese war ca. ab dem Jahr 2000 für ca. 15 Jahre die einzige Ausgangsschrift. Als die Schrift neu war, habe ich mir diese Schrift so angewöhnt, dass ich sie für mich geübt habe, zumal ich zu der Zeit 3. Klassen übernahm, die mit der VA zu mir kamen. Die Erstklasskolleginnen üben die Schrift automatisch mit der Einführung mit.

    Bald merkten wir die Vor- und Nachtteile der VA: leichteres Erlernen, aber zu schnell eine schnelle Schrift und in Klasse 4 so langsam bei einigen unleserlich.


    Die Betrachtungsweise bei der Entscheidung zwischen VA und SAS war bei uns ausschließlich analytisch:

    Als wir beim LehrplanPlus die Wahl haben, haben wir uns argumentativ mit den beiden angebotenen Schriften auseinandergesetzt. Die Kolleginnen - egal ob jung oder älter - aus 3/4 waren schwerpunktmäßig für die SAS, weil wir gegen die Unleserlichkeit der VA sozusagen täglich zu kämpfen hatten. Die Kolleginnen aus 1/2 sahen die Schriften aus dem Blickwinkel der Erlernbarkeit und haben zusätzlich die einzelnen Buchstaben und Buchstabenverbindungen angeschaut. SAS und VA haben unterschiedliche Ansätze. Die VA arbeitet viel mehr mit Sprüngen zwischen den Buchstaben und dem auffälligen Aufstrich, während die SAS auch mal Bewegungen hat, die vor- und zurückgehen. Einzelne Buchstaben hatten uns bei der VA besser gefallen, andere bei der SAS.

    Letztendlich haben wir uns mit ca. einer 2/3 Mehrheit für die SAS entschieden, weil wir hier die Hoffnung hatten, dass die Schrift nicht zu sehr verkommt, was sich letztlich bewahrheitet hat.

  • Das Argument, dass wir die Schrift vorziehen würden, die wir selbst einmal gelernt haben, ist mir völlig fremd.

    Das wollte ich nicht sagen (und habe es auch nicht gesagt, glaube ich), aber die können Lateinische Ausgangsschrift und VA und deren Folgen halt noch gut vergleichen.

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  • Die Kolleginnen - egal ob jung oder älter - aus 3/4 waren schwerpunktmäßig für die SAS, weil wir gegen die Unleserlichkeit der VA sozusagen täglich zu kämpfen hatten. Die Kolleginnen aus 1/2 sahen die Schriften aus dem Blickwinkel der Erlernbarkeit

    Ist es denn so, dass man sich auf 3/4 beziehungsweise 1/2 spezialisiert? Oder ging es allgemein darum, dass die VA in 1/2 Vorteile hat und in 3/4 Nachteile?

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  • Ist es denn so, dass man sich auf 3/4 beziehungsweise 1/2 spezialisiert? Oder ging es allgemein darum, dass die VA in 1/2 Vorteile hat und in 3/4 Nachteile?

    Bei uns an der Schule ist es so. Nach ein paar Jahren wechselt mal jemand die Jahrgangsstufe, kommt aber eher selten vor.


    Wenn man Anfangsunterricht hat, sieht man dies eher vom Aspekt der Erlernbarkeit. Es sind je nach Ausgangsschrift diverse feinmotorische Vorübungen nötig. (Die feinmotorischen Voraussetzungen der Erstklässler werden allgemein immer "dürftiger". Das ist auch der Grund, weshalb jetzt in anderen Bundesländern die Grundschrift ins Spiel kommt.)
    Die Schreibschrift wird erst im 2. Schuljahr richtig geübt. Außerdem wird hier - eher so in der Mitte oder gegen Ende - der Füller eingeführt. Die Auswirkung des Schriftbildes zeigen sich erst in Klasse 3/4 ,wenn wir endgültig mit Füller schreiben.

  • Die nachlassenden feinmotorischen Fähigkeiten sieht man an jeder Schrift. Das würde ich eher nicht als Grund ansehen, die Grundschrift zu wählen, am Ende soll es ja eine (zumindest zum Teil) verbundene Handschrift sein.

    Aber man muss in Klasse 2 keine vollkommen neue Schrift erarbeiten und einüben, was viel Zeit benötigt, die im Deutschunterricht unterzubringen ist, sondern kommt zu einem fließenderen Übergang, der die Grundformen der Grundschrift aufnimmt und davon ausgehend die Verbindungen übt.


    Da würde ich bei den Lehrkräften viele verschiedene Herangehensweisen vermuten, ursprünglich gab es einen sehr offenen Umgang und eine kostenlose Kartei, mit der geübt werden konnte, nach wenigen Jahren gab es dann doch Arbeitshefte, ähnlich wie zu anderen Schreibschriften, in denen Buchstaben in unterschiedlichen Kategorien geübt werden (z.B. g, j, y mit Unterlängen, h, k, l mit Oberlängen, a, d, g, o mit runder Form und Schwierigkeiten im Übergang oder Deckungsstrichen). Das betrifft vorrangig das 2. Schuljahr.


    Im 3.+4. Schuljahr wird unterschiedlich vielfältig und intensiv an der Schrift, der Leserlichkeit, der Schreibgeschwindigkeit gearbeitet, hinzu kommt spätestens dann, dass Schüler:innen ganze Sätze erlesen, sich merken und abschreiben, wobei man damit auch schon in Klasse 1 beginnen kann, sofern dies Schüler:innen möglich ist.


    Die Umstellung auf eine gedruckte Schrift als Erstschrift erfolgte erheblich früher als Reaktion darauf, dass Kinder sonst in Klasse 1 zwei verschiedene Schriftsysteme zum Schreiben und Lesen erlernen mussten und viele Kinder nicht gut lesen konnten. Zwischendurch gab es auch Fibeln und vermehrt Kinderbücher in Schreibschrift.

  • Keine Statistik, aber eine kleine Stichprobe (5. Klasse): Die umliegenden Schulen hier scheinen SAS zu lehren. Manche schreiben das t wie in der Lateinischen Ausgangsschrift und die Jungen neigen zur runden Druckschrift (mit Schlenker am Ende).


    Ich habe selbst LA gelernt und fand sie furchtbar umständlich (vor allem Großbuchstaben und h und x). Um meine Tafelschrift aufzuhübschen, habe ich dann mal VA und SAS ausprobiert. Bei VA fiel mir auf, dass der lange Schlenker am Ende eines Buchstaben mich den Stift immer hektisch nach oben ziehen lassen und mit dem extra Richtungswechsel fürs e bin ich auch bis zum Schluss nicht warm geworden. Es scheint mir, als ob SAS ermöglicht, ein gleichmäßiges Schrifttempo zu halten (und das t und die Nähe zur LA besonders beim e gefielen mir auch sehr).


    Aber hey, immerhin hat mir die halbe Klasse eine wunderschöne Schrift bestätigt (ohne dass ich sie danach gefragt habe) - nimm das, du Schriftnote 3 im Grundschulzeugnis! :zahnluecke:


    À+

  • Die Umstellung auf eine gedruckte Schrift als Erstschrift erfolgte erheblich früher als Reaktion darauf, dass Kinder sonst in Klasse 1 zwei verschiedene Schriftsysteme zum Schreiben und Lesen erlernen mussten und viele Kinder nicht gut lesen konnten.

    Interessanter Gedanke. Ich kann sagen, dass es mit den zwei Systemen noch funktioniert. Die Großbuchstaben ähneln so oder so der Druckschrift, sowohl bei der VA als auch der SAS. Die Druckschrift wird parallel zum Lesekurs geschrieben. Dadurch wird die Motorik zusätzlich geschult und die Lesebuchstaben und die Wörter in Druckschrift verinnerlicht (Das ist für mich übrigens "Lesen durch Schreiben.").

    Irgendwann im 1. Schuljahr wird mit der Schreibschrift angefangen, je nach Einschätzung der Lehrkraft. Die Druckschrift wird mit Abschluss des Leselehrgangs abgeschlossen. Ausschließlich zur Schreibschrift wird dann übergegangen, sobald alle Buchstaben und Buchstabenverbindungen in Schreibschrift geübt sind. Das kann sich bis ins 2. Schuljahr hineinziehen. Die meisten Lehrerinnen in Bayern arbeiten nach einer Fibel.

    Im 3. Schuljahr sagen dann manche Kinder, sie haben die Druckschrift "vergessen", also vergessen, wie man sie schreibt, weil sie dann nur noch in Schreibschrift schreiben. Wenn man dann im 4. Schuljahr manchmal etwas mit Druckschrift beschriften lässt, kommt sie schnell zurück.

  • Danke elefantenflip ,

    dass Lehrkräfte einzelne Buchstaben abwandeln, war mir bewusst, was für unterschiedliche Schriftarten gilt (H und x bei LA, e bei VA),

    dass es in BY dazu etwas Offizielles gibt, nicht.


    Interessant finde ich, dass ausgerechnet s und z dabei sind, gerade da gab es in meiner Erinnerung oft Verwechslungen und Schwierigkeiten bei unsauberer Schrift.

  • Ich bin an einer großen Grundschule in Bayern und eine ältere Kollegin, die mit der LA aufgewachsen ist und diese auch jahrelang (auch zwischendurch in Klasse 1) unterrichtet hat. Nach meiner Einschätzung sind beide Argumente nicht richtig.

    Ehrlich gesagt, ist es auch im digitalen Zeitalter kein Argument, dass man die VA beibehalten will, weil man alte Arbeitsblätter hat. Es kostet wenig Zeit, die ABs in die aktuelle Schrift umzuwandeln. Dafür haben wir ja die Schriftprogramme auf dem Computer. Wer vorgefertigte ABs nimmt, der hat sie von den Verlagen, die diese aktualisiert haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Grundschullehrerinnen in der Mehrheit so denken.

    Das Argument, dass wir die Schrift vorziehen würden, die wir selbst einmal gelernt haben, ist mir völlig frem

    ...uff, ich hab hier schon ewig nicht mehr zitiert, hat jetzt ein paar Anläufe gekostet...


    Ich gebe dir völlig recht, dass solche Entscheidungen (wie auch Neuanschaffungen von Schulbüchern) nach intensivem Informieren & Abwägen der Vor-/ Nachteile sowohl für die Schüler als auch für die Gestaltung des Unterrichts gefällt werden sollen.

    In der Realität sieht es manchmal/teilweise anders aus. Ich berichtete aus meiner konkreten Erfahrung (riesige Brennpunktschule vom Feinsten), da war das durchaus motivierte Kollegium sogar laut Evaluation kollektiv kurz vor dem Burnout - und wenn da neben zig Extraaufgaben (ständige Prävention/Intervention) die Frage ist, ob man "freiwillig" seinen kompletten Fundus auf eine neue Schrift (hier SAS) umstellt (ABs --> Schrift wechseln allein ist es nicht, da formatiert man ja doch wieder jedes Blatt ein bissen & druckt die KV neu aus; alle Wortkarten für die Tafel neu basteln, sämtliche Lernspiele noch einmal mit der neuen Schrift herstellen... - das ganze natürlich aus dem eigenen Budget) - da verstehe ich, wenn die ein oder andere Kollegin sagt, dass sie dazu keine Energie hat.


    Schließlich sind beide Schriften in Bayern zugelassen, das spricht ja auch für eine Gleichwertigkeit - sonst hätte im LP+ auch eine klare Verpflichtung auf eine Schrift drinstehen können.


    Unterm Strich hängt es von der konkreten Umsetzung in der eigenen Klasse ab - ob der Lehrer mit den Nachteilen der jeweiligen Schrift vertraut ist, die Varianten kennt und nutzt und im Alltag auch einfach hinterher ist, dass die Kinder formgetreu und lesbar schreiben. Bei uns gab es durchaus Klassen mit gut lesbarerer VA bei Kollegin X und vielen vermurksten VA-Buchstabenformen bei Kollegin Y.

    Einmal editiert, zuletzt von baum () aus folgendem Grund: ich bekomm das Zitieren nicht hin..

  • Plattenspieler: Weil wir jung und dumm waren? Weil die Stadt München zumindest in der Zeit als ich dort war kein nennenswertes Budget für die Schulen zur Verfügung stellte?

    Die vielen Materialien für die Lerntheken und Stationen werden nach wie vor überwiegend von engagierten Lehrern selbst gebastelt (bzw. gekauft)...

    Heute würde ich auch nicht mehr nennenswert eigenes Geld in meinen Unterricht stecken - bin aber auch nicht mehr in der Grundschule tätig.

  • Die vielen Materialien für die Lerntheken und Stationen werden nach wie vor überwiegend von engagierten Lehrern selbst gebastelt (bzw. gekauft)...

    Kann man auch ein engagierter Lehrer sein, ohne privates Geld in Lehr- und Lernmittel zu investieren?

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