Konzentrationsprobleme Klasse 1

  • Hallo zusammen,


    in meiner ersten Klasse ist ein Kind, das sich gar nicht gut konzentrieren kann. Dieses Kind träumt sich ständig weg und kommt nur in die Arbeit, wenn ich direkt neben ihm sitze. Das ist natürlich nicht immer möglich, auch wenn ich viel Zeit mit diesem Kind verbringe.


    Die Eltern fragen nun, inwieweit sie unterstützend tätig werden können. Wir haben bereits darüber gesprochen, dass diese Problematik (es ist eine von vielen) mal abgeklärt werden sollte, der Termin dafür ist kurz vor den Sommerferien. Habt ihr bis dahin Ideen für Übungen zu Hause? Ggf. Internetseiten oder Arbeitshefte? Wobei etwas, das "nebenbei" in den Alltag integriert werden könnte, natürlich besser wäre.


    Danke schon vorab für alle Ideen!

  • Ich würde versuchen, im Unterricht Hilfen für die Aufgaben zu geben, die sowieso zu tun sind.


    Zum Beispiel Arbeit zeitlich strukturieren und visuell übersichtlich gestalten. Sanduhren sind ganz brauchbar, z. B. "A" schreiben, bis der Sand durchgelaufen ist, dann ist Pause. Auch Pläne zum Abhaken, was man schon geschafft hat. Bewusstmachen von Abläufen, Regelmäßigkeiten.


    Und auch beobachten, wann die Konzentration besser ist, was hilft dem Kind? Das könnten die Eltern auch tun und rückmelden. Worauf konzentriert es sich zu Hause gut, zu welchen Zeiten unter welchen Bedingungen?


    Extra Konzentrationstraining ist so ne Sache (Effektivität?) und kann auch kaum von Eltern ohne Anleitung durchgeführt werden.

  • Es ist kein "Heilmittel", kann aber den Fokus verbessern, wenn die Eltern auch im Alltag immer wieder darauf achten, dass das Kind in abgesprochenen Phasen nur eine Tätigkeit durchführt, z.B. 10 Min nur Socken sortieren, nur Geschirr abtrocknen, nur Lesen, keine Gespräche, keine Musik als Ablenkung, kein Weggehen etc...

    Mir ist auf jeden Fall mit den Jahren immer wieder aufgefallen, dass die Fähigkeit, nur eine Sache zur gleichen Zeit zu machen, vielen schwer fällt, auch Erwachsenen.

    In der Schule sind natürlich div. Ablenkungen eh immer vorhanden und dieses Kind scheint ja auch gedanklich durch sich selbst abgelenkt.

    In Jg 1 kann man auch davon ausgehen, dass das Kind in der Schule und was das bedeutet auch noch nicht richtig angekommen ist.

    Kleine Häppchen mit Sanduhr können wie bereits genannt auch hilfreich sein.

    Mit der ständigen Einzelbetreuung achtsam umgehen, damit sich das Kind nicht zu sehr daran gewöhnt, dass der Impuls etwas produktives zu tun immer von außen kommt. Hier stellt sich auch die Frage, ist das Kind fachlich auch schwach, vielleicht überfordert? Oder kann es die allgemeinen Übungen durchaus lösen?

  • Wenn du mit den Eltern ohnehin im Gespräch bist, solltest du die Maßnahmen abstimmen und sie dahin beraten, dass sie auch zu Hause daran teilhaben.

    Das bedeutet, dass das Kind auch zu Hause keine Dauer-Aufmerksamkeit bei den Hausaufgaben bekommt, sondern sie möglichst selbstständig erledigt.


    Das nächste ist, herauszubekommen, woran das Kind denkt und träumt und warum es abgelenkt ist, ob die Aufgaben stimmig sind oder zu leicht oder zu schwierig, ob es bestimmte Aufgabenformen sind, bei denen es auftritt … oder alle?

    Entsprechend kann man dann die Aufgabe zum Teil anpassen, ohne das Kind aus der Verantwortung zu nehmen.


    Manchen Kindern hilft es, wenn sie einen besonders ruhigen Arbeitplatz bekommen (anderer Tisch an der Wand/ Blickschutz/ Kopfhörer) um von den anderen weniger abgelenkt zu sein.

    Manchen Kindern hilft es, sehr klare Absprachen zu setzen, vor allem, wenn sie es von zu Hause gewohnt sind (wenn … dann…)

    Manchen Kindern hilft ein Verstärkerplan, den man sich hier aber genau überlegen muss (abgegrenzte Aufgaben in bestimmter Zeit - das kann man als Herausforderung gestalten, hilft auch manchen …“Schaffst du … in 5 Minuten?“


    Viele Kinder in den ersten Klassen waren wenig oder nicht im Kindergarten, sie haben länger gebraucht, sich in der Gruppe wohlzufühlen. Weil sie viel zu Hause waren, ist für sie die Regel, bei allem Zuwendung und Hilfe für sich allein in ausreichend Zeit zu bekommen und dies auch mit absoluter Selbstverständlichkeit einzufordern. Das besprechen wir in Klasse 1 auch immer wieder und erklären Schule als solche und Erwartungen der Lehrkräfte sowie deren Möglichkeiten, Kindern wann und wie zu helfen - das war im letzten Durchgang auch schon ein Thema, dieses Mal wieder, hat also nicht nur mit Veränderungen mit Corona zu tun, sondern mit derzeitigem Verhalten vieler Eltern.

  • Sind ja schon viele Tipps zusammengekommen. Ich würde auch für zu Hause keine Konzentrationsübungen im eigentlichen Sinne vorschlagen, aber:


    - ruhiger, reizarmer Arbeitsplatz; Hausaufgaben einmal gemeinsam angucken und erklären, und wenn die Aufgabenstellung klar ist, mit Zeituhr allein lassen mit Ansagen wie: ich bin gespannt, ob du in der Zeit bis hierhin (im Heft markieren) kommst! ( oder ggf mit Belohnung, falls das klappt). Außerdem HA insgesamt zeitlich begrenzen.


    - abklären, wie hoch der Medienkonsum ist? Und den dann rapide runterfahren.


    - stattdessen: viel vorlesen, gemeinsam Spiele spielen aber auch ausreichend Bewegung draußen.

  • Den du also als gegeben voraussetzt und gleich noch mitdeutest, dass er die Konzentrationsfähigkeit einschränkt?

    Den setze ich nicht als gegeben voraus, ich kenne ja das Kind nicht. wenn dem Satz ein „gegebenenfalls“ fehlt, möge man ihn ergänzen. Aber ja, meiner Erfahrung nach ist es durchaus so, dass Kinder mit hohem Medienkonsum sich weniger in eine Sache selbst vertiefen können. Hast du diese Erfahrungen noch nicht gemacht? Mit etwas Recherche und mithilfe von Dr. Google wird man sicher auch wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema finden…

    Es ging hier übrigens um Ideen für zu Hause. Tipps für Eltern zum Ausprobieren. Und ich finde es unbedingt lohnenswert, auf Switch, IPad, YouTube, Handy und TV zu verzichten, wenn die Konzentrationsfähigkeit nicht gut ist. Im schlimmsten Fall hilft es eben nicht…

  • wenn Grundschullehrer Ferndiagnostik betreiben

    Naja, ich hab Schüler, die schauen täglich 8h in irgendwelche Bildschirme... so fern liegt jetzt der Gedanke nicht.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Bis man bei uns im SPZ einen ersten Termin bekommt, geht 1 Jahr ins Land, bis zur Diagnostik gerne noch eines. Bis dahin ist nich nichts an Hilfe oder Therapie erfolgt.


    Das sind auch 2 Schuljahre, in denen das Kind viele schlechte Erfahrungen sammelt. Sind es die ersten 2 Schuljahre, wird im Anschluss erwartet, dass das Kind lesen, schreiben und rechnen kann.

    An der Stelle müsste viel mehr Hilfe im System sein, damit man Kindern den Misserfolg erspart und frühzeitig unterstützen kann.


    Im Eingangsbeitrag steht kurz vor den Sommerferien.

    Bis dahin - und auch darüber hinaus- muss die Lehrkraft selbst überlegen, was hilfreich sein könnte und dabei in alle Richtungen denken.

    Im Elterngespräch lotet man gemeinsam aus, was möglich ist, was in der Schule die nächsten Maßnahmen sind, was Eltern ausprobieren können, und ja, dazu gehört auch Medienkonsum - siehe laleona.


    Und oft muss man die Eltern schicken oder ihnen erläutern, welche therapeutischen Möglichkeiten sie hier oder da haben und wie sie daran kommen könnten, denn nicht jeder Kinderarzt ist dem gegenüber aufgeschlossen.


    Ich wüsste mal gerne, wie die FöS-Lehrkräfte das lösen, Plattenspieler und Quittengelee .

  • Als FöS-Lk will ich hier auch antworten ;)

    Es käme sehr auf die Intensität an. Als erstes habe ich an ADS gedacht, aber as ist dann schlussesndlich eine ärztliche Diagnose, die sicher am Ende eines langen Diagnoseweges steht.

    Ich würde auch mit den Eltern reden, evtl mit den Erziehern der Einrichtungen davor. Mesitens tritt das "Problem" ja schon länger auf (wobei es im Regelkindergarten wohl eher zu den "angenehmeren" Auffälligkeiten gehört). Meistens heißt es "ist halt so" und dann rennen die interessierten Eltern zu diversen Ärzten und die finden nix (weil auch schwer zu finden). Es gibt standartisierte Tests dafür, aber die muss m.W.n. auch ein Kinder- und Jugendpsychiater durchführen, damit sie valide sind.


    Sorry, meine Kinder labern ohne Punkt und Komma rein, ich komme nicht richtig zum Denken.

    Also. Eltern-andre Erzieher/Lehrer-Ärzte-Kijupsych


    Ich hatte in meiner Laufbahn 2mal den Fall eines echten ADS.


    In der Klasse würde ich versuchen, Maßnahmen zu ergreifen, meistens bringt das aber wenig, weil die Kinder bei uns schon große Defizite aufweisen.

    Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.

    Aldous Huxley

  • Was mich ärgert: Ich habe in der 3. Klasse so ein Kind sitzen. Es ist nichts passiert, außer dass die Eltern seit Juni auf den Anruf der Klinik warten, falls ein Termin ausfällt, dass die Eltern ad hoc mit ihm vorbei kommen können. Ich weiß aber, dass schon die Erzieherinnen die Eltern mehrfach gebeten hatten, etwas zu unternehmen. Sie haben sich erst Ende der 2. Klasse auf den Weg gemacht und es ist wichtige Zeit verloren gegangen. Kein Einzelfall, viele Eltern meinen das selbst in den Griff zu bekommen und der Leidensdruck muss bei vielen ziemlich groß werden. Begründung: Ich bin ja gegen Ritalin und so....

  • Ich wüsste mal gerne, wie die FöS-Lehrkräfte das lösen, Plattenspieler und Quittengelee .

    Hörgerät, Brille und Rollstuhl beantragen, vielleicht braucht's das ja mal und bevor viel Zeit verloren geht macht man halt besser irgendwas.


    *Ironie off* es geht nicht um die Schulart, sondern ums Klugscheißen. Ich würde auch unabhängig von meinem Job Eltern überhaupt nicht zu irgendwas raten, bevor ich nicht mal gefragt habe, wie sie das Kind erleben, wie es ihnen zu Hause ergeht, was sie beobachtet haben, was ihnen Sorge bereitet und worüber sie selbst schon nachgedacht und was ausprobiert haben. Reflexartige Ratschläge führen zu gar nichts, außer zu Abwehrhaltung.

  • bevor ich nicht mal gefragt habe, wie sie das Kind erleben, wie es ihnen zu Hause ergeht, was sie beobachtet haben, was ihnen Sorge bereitet und worüber sie selbst schon nachgedacht und was ausprobiert haben.

    Nennt sich "Elterngespräch",

    aber es ist doch sinnvoll, wenn man auch den einen oder anderen Ansatz im Kopf hat und etwas vorschlagen kann.

    Ich erlebe Eltern oft hilflos, wenn mal etwas nicht so abläuft, wie sie es sich vorgestellt haben, oft kommen Eltern und fragen um Rat.

  • Danke für alle eure Beiträge! Ich sehe nun tatsächlich klarer und fühle mich viel besser vorbereitet fürs nächste Elterngespräch und die Arbeit mit dem Kind.

Werbung