Nutzt ihr im Unterricht gendergerechte Sprache?

  • Sprache entwickelt sich doch immer weiter. Heute werden allgemein ganz viele andere Worte genutzt als noch vor 50 oder 100 Jahren. Viele Worte, die heute im Alltag selbstverständlich genutzt werden, insbesondere in der gesprochenen Alltagssprache, wurden einmal durch kleine Gruppierungen eingeführt und irgendwann von der Mherheit übernommen. Daher bin ich überzeugt davon, dass das Gendern nicht aufzuhalten ist. Es geht nur noch darum, welche Form sich durchsetzen wird oder ob unterschiedliche Formen in Co-Existenz weiter entwickelt werden.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Im Ernst: Kannst du Isländisch? Im Englischen existiert das "Problem" praktisch nicht, mei, dann diskutiert man auch nicht drüber. Wie der von dir genannte, direkt übersetzte "Flugmann" im Isländischen wahrgenommen wird, weiss ich doch gar nicht. Hier hat sich aber schon mal jemand dran gestört, dass ich meine Schülerinnen "Mädchen" nenne, auch wenn sie schon 18 sind. "Maitli" ist deren Eigenbezeichnung, auch noch in diesem Alter. Deutsch und Deutsch ist nicht das gleiche und "ihr da drüben" habt nicht per Definition recht, nur weil ihr mehr seid :P


    Du bist schon selber auch ziemlich verbissen in der Sache. Die skurrilen Extrembeispiele, die du nennst, kenne ich gar nicht. Vielleicht sind wir bei uns an der Schule besonders "woke", wer weiss. Es scheint aber ziemlich normal zu sein, dass man Frauen nicht mit dem generischen Maskulinum anspricht.

    Es gibt wissenschaftliche Literatur zur Personenbezeichnung im Isländischen. Da muss ich die Sprache nicht selbst können.

    Meine "skurrilen" Beispiele sind aus der Einführung in die Genderlinguistik, aber was wissen die schon ... und natürlich bin ich da auch verbissen, was sonst ...

    Du verwechselst ständig Ansprache und Referenz. Das ist ein erheblicher Unterschied.


    Ich behaupte auch keineswegs, dass "wir" in Deutschland es besser wüssten. Dazu müsste es hier überhaupt einen einheitlichen Gebrauch geben. Dem ist aber nicht so. In der ehemaligen DDR sind Selbstbezeichnungen von Frauen im Maskulinum deutlich häufiger. Nur, um mal ein Beispiel zu nennen.

  • Du kannst ja versuchen, den Prozess zu stoppen.

    Muss sie ja nicht. Gegenderte Sprache — da sind sich einige sicher — wird sich nicht durchsetzen. Also muss man als Gegnerin nur abwarten. Argumentieren und sich aufregen muss man nicht.

  • Während es nachweislich eine Minderheit ist, die die gegenderte Sprache befürwortet, sind Vertreter dieser Minderheit (vor allem Journalisten/Medienvertreter, Politiker, geisteswissenschaftliche Akademiker) einflussreich und ausdauernd. Bestünde diese Gruppe aus Mitgliedern anderer Bevölkerungsschichten, könnte dein Vorschlag, und sei er ironisch gemeint, sicher anders bewertet werden.

  • Wurde eigentlich das Wort „Fräulein“ auch von so links-grün-versifften Emanzen verboten oder hat sich das Wort einfach durch Nichtgebrauch verabschiedet?

    Die Weisheit des Alters kann uns nicht ersetzen, was wir an Jugendtorheiten versäumt haben. (Bertrand Russell)

  • Meine "skurrilen" Beispiele sind aus der Einführung in die Genderlinguistik, aber was wissen die schon ...

    Sind sie nicht, nein. Ich kommentiere ja nur das, was du schreibst:


    Neulich wurde ich bei einer Spielerunde wieder Zeuge davon. "Die Dorfbewohnenden" wechselte sich dann ab mit "die Dorfbewohner und Dorfbewohner:innen" (kein Witz!!!).

    Vielleicht waren bei deiner Spielerunde ja Genderlinguistikerinnen anwesend, man weiss es nicht.


    Du verwechselst ständig Ansprache und Referenz.

    Nein, sicher nicht. Ich reagiere nur auf das was du schreibst:


    1. "Ich bin froh, dass wir Sie dieses Jahr als Chemielehrer haben."

    2. "Bleibt Frau Antimon Chemielehrer bei uns?"

    3. "Sie sind der beste Chemielehrer an dieser Schule." (Hier wäre die movierte Form sogar abwertend.)

    Wenn *ich* da gemeint sein soll, empfinde ich das als falsch. Ich bin eine Frau, wirklich. Wenn *ich* damit gemeint sein soll, spielt es auch keine Rolle, was der Sprecher oder die Sprecherin damit meint, *ich* werde angesprochen und *ich* fühle mich mit "Lehrer" ganz klar *nicht* angesprochen. Weiterhin schrieb ich:


    Das ist *deine* Interpretation. Mich würde es stören, würde man über mich als "Lehrer" sprechen. Ich bin kein Mann, auch kein generischer.

    Falls ich direkt gemeint sein soll oder auch nur mitgemeint sein soll, empfinde ich das Wort "Lehrer" als falsch. Du kannst gerne was anderes meinen, aber dann meinst du eben nicht mich. Mir würden durchaus Beispiele einfallen, in denen ich den Gebrauch des generischen Maskulinums für angemessen hielt, um solche Situationen ging es hier in der Diskussion aber bislang gar nicht.


    Es ist interessant, was du in der Theorie so alles weisst. Nur geht's hier grad eher um den Alltagsgebrauch der Sprache. Das scheint mir ein bisschen dein Problem zu sein. Du beharrst auf irgendeine Art von "korrektem" Gebrauch der Grammatik und reagierst beleidigt, wenn ich dir antworte, nein, meine Schülerinnen und Schüler sprechen so nicht. Ich unterrichte zwei Naturwissenschaften, da bestehe ich absolut auf den korrekten Gebrauch der Fachsprache. Kraft und Energie ist nicht das gleiche, etc. Da geht's aber um Definitionen, auf die man sich unter Fachwissenschaftlern irgendwann mal geeinigt hat und die tatsächlich auf der ganzen Welt genau gleich verstanden werden. Ob Isländerinnen sich jetzt mit "Flugmann" angesprochen fühlen oder nicht, ist mir für meinen Alltag als nativ deutschsprechende Person indes grad ein bisschen egal.

  • Ich finde, es ähnelt hier langsam einer Lehreri*nnenkonferenz:


    - windschiefe Dialoge (nach Mayer)

    - alles ist gesagt, aber noch nicht von jedem


    😬

  • - und das diskutierte Thema fällt höchstens peripher in den eigenen Kompetenzbereich.

    Das "du-hast-ja-keine-Ahnung-Argument" ist wahrhaftig typisch Lehrerin und Lehrer. Es geht um Sprache und Sprechen im Alltag, da sind ausnahmsweise mal alle kompetent.

  • Jein.


    Freilich entscheidet die Sprachgemeinschaft über Sprache, aber für deren Analyse und vergleichende Wertung ist eine linguistische Vorbildung nicht schädlich.

  • Ich lehne mich soweit gar nicht aus dem Fenster, ich kritisiere nur die pseudo-theoretische Argumentation in Bezug auf den alltäglichen Gebrauch der Sprache. Analysieren können die Profis da gerne alles mögliche, finde ich sogar spannend. Nur leitet sich daraus nicht ab, was ich tatsächlich "muss" oder eben nicht. Da wären wir in einer ganz anderen Kategorie des Sprachgebrauchs unterwegs, bei Boris Palmer & Co., dann wird es auch juristisch relevant.

  • Ich sehe es nochmals anders.

    Diese Trennung von Theorie und Praxis ist nicht angemessen.

    Denn das tun Linguisten in der Regel gar nicht.

    Genau das von dir Kritisierte ist m. E. längst Mehrheitsmeinung in der sprachwissenschaftlichen Forschung und findet sich auch im oben zitierten Beitrag von Peter von Polenz.

    Präskriptive Einführung neuer sprachlicher Elemente funktioniert ohnehin nicht, mit Ausnahme vielleicht von Fachtermini. Aber auch da ist es schwierig. Oder wie viele kennen die Leistung ihres PKWs in Kilowatt oder sagen "Gliedermaßstab" für "Zollstock"?

  • Das "du-hast-ja-keine-Ahnung-Argument" ist wahrhaftig typisch Lehrerin und Lehrer. Es geht um Sprache und Sprechen im Alltag, da sind ausnahmsweise mal alle kompetent.

    Wir haben eine unterschiedliche Auffassung vom Begriff Kompetenzbereich.

    Der Kompetenzbereich einer Lehrerkonferenz ist klar definiert, Lehrerkonferenzen diskutieren gerne aber außerhalb dieses. Ob sie vom Thema Ahnung haben oder nicht, ist nicht relevant.

  • Oder wie viele kennen die Leistung ihres PKWs in Kilowatt

    Hehe ... Das ist meine Baustelle ;) Fachsprache vs. Alltagssprache, grosses Thema vor allem in der Physik. Aber gerade da zeigt sich (auch), wie sehr Sprache das Denken prägt. Zahlreiche Fehlvorstellungen im Physikunterricht sind genau auf den widersprüchlichen Sprachgebrauch zurückzuführen. Drum kaufe ich auch niemandem ab, bei Verwendung des generischen Maskulinums absolut immer und selbstverständlich auch sämtliche Frauen mitmeinen zu wollen. Bestenfalls ist es eine Gewohnheitssache, über die man gar nicht nachdenkt.

  • Über Letzteres muss man auch gar nicht mutmaßen, das ist längst erforscht. Die theoretische Trennung von Genus und Sexus ist eben theoretisch. Die Mehrheit denkt beim generischen Maskulinum an "biologische" Männer.

  • Ja gell ... Bei den Kalorien ist es umgekehrt. Da wird 1. gerne das Präfix unterschlagen und 2. wird die Zahl in der SI-Einheit Joule einfach so verdammt gross.

  • PKWs in Kilowatt oder sagen "Gliedermaßstab" für "Zollstock"?

    Warum sollte man? Gliedermaßstab sagt man doch zum Gliedermaßstab. Ein Zollstock dürfte den wenigsten von uns je begegnet sein. Da ist es doch egal, wie man dazu sagt.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

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