Gleichwertigkeit des Abiturs?

  • Und an den berufsbezogenen Aufgaben, die oft sehr greifbar sind. Wenn ich ans Maschinenbau-Abitur denke, sind die Aufgaben sehr anwendungsbezogen und nicht so abstrakt.

    Dann macht ihr das wohl irgendwie besser. Das ist bei uns nicht so bzw. es wurde ja bereits gesagt, dass wir bei den Prüfungen keinen Unterschied haben.

  • Haltet Ihr es dann für sinnvoll, für so einen spezialisierten Rahmen die allgemeine Hochschulreife zu vergeben?

    Ich finde es schon etwas absurd, wenn man als sportlich talentierter Mensch den Bildungsgang für Gesundheit und Soziales mit dem Schwerpunkt Sport belegt, um einen guten NC für das Jurastudium zu erreichen.

    Ich finde das gar nicht absurd, das ist doch das Schöne an unserem durchlässigen Bildungssystem.

    Am Gymnasium ist die Wahl der Abiturfächer an bestimmte Bedingungen geknüpft, die drei Bereiche Sprachen, Gesellschafts- und Naturwissenschaften mit Mathematik müssen vertreten sein. Ich kann als LKs keine zwei Gesellschafts- oder Naturwissenschaften oder Fremdsprachen wählen. Wenn ich Sport, Kunst oder Musik als Abiturfach haben möchte, muss ich trotzdem die drei Bereiche abdecken.

    Wenn ich mir die Prüfungsfächer an BKs durchlese, scheinen die Bedingungen da eben viel fachspezifischer zu sein, so dass ich nicht noch zusätzlich in Sprachen und Gesellschaftswissenschaften geprüft werden muss, wenn ich eine bestimmte Fachrichtung belege.

    Die Fächerzusammensetzung und der allg. Fächerkanon ist doch auch nicht abschließend allgemein für alle Fachrichtungen an Hochschulen. Warum sollte man die Wahlmöglichkeiten in der Schulbildung künstlich klein halten, wenn man danach eine noch eingeschränktere Wahl treffen kann? Du verkennst die Bedeutung der fachlichen Inhalte der Schule mit den Kompetenzen, die fürs Studium notwendig sind.

  • Als ich Abitur gemacht habe (und bis vor ca. 3-4 Jahren) war das französische Abitur so vielfältig wie möglich und trotzdem alles gleichwertig.
    Ich hatte nach der 10. Klasse nur noch insgesamt 3 Stunden "Mathe/Physik/Chemie/Bio" und das auf dem Niveau der Mittelstufe. Dafür 4 Fremdsprachen (drei waren Pflicht) und 8 Stunden Philosophie die Woche. Mit dem Abitur hätte ich auch Psychologie, Mathe oder Medizin studieren können (Ein Mitschüler hat tatsächlich Psychologie studiert UND geschafft, hat aber das erste Unijahr einen Überbrückungskurs Mathe intensiv besucht und wiederholt).
    Meine Oberstufe ähnelte einem BK, es gab das berufliche Abitur mit Wirtschaft, Buchhaltung und co, es gab das technische Abitur mit Bauingenieurwesen und so weiter (sorry, ich kenne die ganzen Fachrichtungen nicht, aber sie hatten zum Beispiel 8 Stunden die Woche technisches Zeichen und Ähnliches).
    Auch sie hätten Medizin, Psychologie, Philosophie oder Englisch studieren können, wenn sie wollten.

    Alle Abiturformen waren gleichwertig.
    (Auch wenn schon alleine innerhalb des allgemeinbildenden Abiturs eine klare Hierarchie herrschte: Mathe/Nawi vor Wirtschaft/Politik vor Literatur/Sprachen. Ja, ich war in der Müllklasse)

    Seit ein paar Jahren ist es leider ganz anders, es wurde eine Art deutsches Leistungskurssystem eingeführt (miteinander kombinierbare Leistungskurse), vorher waren die Kombis klassenweise fest (alle in meiner Klasse hatten 3 Sprachen, Philo, Französisch, Geschichte/Erdkunde. Alle in der Klasse meiner Freundin hatten Mathe, Physik/Chemie, Bio als 3 LKs...). Die französischen Hochschulen setzen jetzt die LKs als Voraussetzungen (das weiß man im Voraus nicht und viele Schulen bieten bei weitem nicht alles an), so dass es reichlich ungerecht ist. Und (jetzt komme ich nach langer Einführung zum Punkt): die Erfolgs- und Dropout-Quoten haben sich KAUM geändert.

    1) Kaum jemand geht Philosophie nach einem technischen Abitur studieren, aber wenn, dann oft mit hoher Motivation.
    2) Der vermeintliche fachliche Vorsprung bringt kaum was.
    3) Ich müsste es noch genauer raussuchen, aber ich glaube sogar gelesen zu haben, dass die zum Teil zu homogene Zusammensetzung nicht förderlich sei.

  • Ich finde auch immer ganz interessant, dass man diese Diskussion immer ausschließlich über das Abitur führt. Wenn bei uns an der Berufsfachschule 1 oder 2 der Hauptschul- oder Realschulabschluss mit beruflichen Fächern und vor allem ohne ZP gemacht wird, dann interessiert das niemanden. Da unterstelle ich dann schon ein gewisses Dünkel.

    Edit: Und da fällt mir gerade ein, dass wir mit der Fachoberschule Klasse 13 ja sogar ein komplett anderes Abiturverfahren haben (keine Leistungskurse, 4 schriftliche Prüfungen, soweit ich weiß keine mündliche Prüfung). Aber das kennt man dann außerhalb unseres Kosmos am BK nicht, also meckert da niemand drüber.

  • Wir in NRW bekommen ja regelmäßig um die Ohren gehauen, dass unser Abitur niveaulos und viel zu einfach sei, und dann liest man Lehrpläne anderer Schulformen mit weniger Inhalt, die zum gleichen Abschluss führen. Darf man das nicht hinterfragen?

  • Wir in NRW bekommen ja regelmäßig um die Ohren gehauen, dass unser Abitur niveaulos und viel zu einfach sei, und dann liest man Lehrpläne anderer Schulformen mit weniger Inhalt, die zum gleichen Abschluss führen. Darf man das nicht hinterfragen?

    Woran machst du fest, dass ein LK in einem beruflichen Fach weniger Inhalt hat? (bzw. Tiefe bzw. Niveau)

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Noch einmal: Die gymnasialen Grundkurse in Physik müssen weniger Themen behandeln als die am BK. Die LKs sind gleichwertig.

    Also haben GKs in Physik am BG mehr zu behandelnde Inhalte? (nicht rhetorisch gemeint!) Ich habe nicht alle Beiträge im Thread verfolgt.

    Inhalte definieren manchmal den Anspruch (wenn ich bspw. an die Teilchenphysik-Leidenschaft meines Ph-GK-Lehrers am Gym zurückdenke), aber nicht unbedingt immer. Niveau entsteht auch über die Art und Tiefe der Auseinandersetzung mit einem Thema.

    Aus meiner Gym-Zeit an einem konservativen und anspruchsvollen Gym weiß ich noch, wie unterschiedlich vom Niveau her gerade die GKs unterrichtet wurden ;)

    Ich will mich auch nicht allgemein über das Niveau des Abis allg. und im Besonderen auslassen. Was ich aber bei meinen Kindern erkenne, wie viel von denen in der Stoffmenge erwartet wird, wie aber gleichzeitig über manches dann nur drübergehuscht wird (anders als ich es aus meiner Gym-Zeit kenne). Das kann ich aber auch nur im MINT-Bereich bewerten.

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  • Wir in NRW bekommen ja regelmäßig um die Ohren gehauen, dass unser Abitur niveaulos und viel zu einfach sei, und dann liest man Lehrpläne anderer Schulformen mit weniger Inhalt, die zum gleichen Abschluss führen. Darf man das nicht hinterfragen?

    Darf man, aber es gibt ja noch viele weitere Bildungsgänge bzw. Zusatzunterricht, die einen Hochschulzugang ermöglichen.

  • Ich hab mir mal den Bildungsplan Englisch am beruflichen Gymnasium angeguckt und finde das schon ziemlich anders, weil die ganzen "klassischen" Themen zu anglophonen Bezugskulturen fehlen (wenn ich das richtig sehe). Dafür sind andere Themen drin, die beim klassischen Abitur keine Rolle spielen. Ob das im Anspruch nun unterschiedlich oder einfach nur von der thematischen Fokussierung her anders ist, kann ich gar nicht beurteilen und kann man wahrscheinlich nur, wenn man Einblick in beide Systeme und das, was dort tatsächlich gemacht wird, hat.

  • Es gibt (zumindest in NRW) schon riesige Niveauunerschiede zwischen einzelnen Gymnasien. Das haben wir beim eigenen Kind erlebt.

    Der Niveauunterschied vom Gymnasium zur Gesamtschule ist gigantisch. Nahezu alle, die es an verschiedenen Gymnasien nicht schaffen, machen an den Gesamtschulen ein gutes Abi. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Da hilft auch kein Zentralabi.

    An "meiner" alten Gesamtschule gar es Anweisung vom Chef, auf welche Note man den Prüfling in der Nachprüfung mindestens zu prüfen hatte, damit er auf jeden Fall das Abi bekommt. Die Liste lag offen im Lehrerzimmer aus. Ich war verwundert und sauer, das scheint aber normal zu sein. Man will ja das Gesicht wahren... An der Gesamtschule gab es Jahre lang keinen Jahrgang, an dem nicht mindestens 80% der SuS in eine Abweichungsprüfung mussten, weil sie nach geschenkten Vornoten die zentrale Prüfung verkackt haben.

    Es gibt KEINE Vergleichbarkeit.

  • Ich finde das insofern schlimm, als dass Studienplätze eben immer noch nach NC vergeben werden. Eigentlich bräuchte es flächendeckende Auswahltests.

    Genau DAS!

    Diejenigen, denen das Abitur hinterher geworfen wurde, nehmen im Zweifelsfall denjenigen, die sich eine etwas schlechtere Note hart erarbeiten mussten, den Studienplatz weg. Daher sollte es an den Unis nicht nur in einzelnen Fächern wie Medizin, Sport oder Musik Aufnahmetests geben, sondern flächendeckend die fachspezifische Studienkompetenz geprüft werden.

  • Die meisten Studiengänge sind doch ohnehin zulassungsfrei. In den übrigen wären Aufnahmetests dann durchaus sinnvoll, aber am Ende scheitert es wie immer am Geld.

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