Kokorrektur: Viele Fehler in Abiklausuren

  • Schönen Sonntagabend,


    kurz vor dem Tatort sende ich noch einen kleinen Hilferuf. Ich korrigiere als Zweitkorrektorin die Deutschklausuren eines Kollegen. Zwei habe ich nun durchgesehen und dabei - ohne mit der Lupe zu lesen - ziemlich viele Fehler (R, Gr, Z) gefunden. In Zahlen: Mein Kollege hat bei einem Schüler 7 Fehler angestrichen, ich habe nun 13 weitere gefunden. Bei der zweiten Klausur sind es 15 Fehler.


    Nun bin ich ein bisschen sauer und irritiert. Ich habe eigentlich keine Lust, "seine Arbeit" zu machen, will ihm aber nicht auf den Schlips treten. Bin neu an der Schule und will keinen Kollegen ansprechen, damit das nicht die Runde macht. Wäre es eurer Meinung nach in Ordnung, ihm morgen die Klausuren zu geben mit der Bitte, sie noch einmal gründlich auf sprachliche Mängel durchzusehen?


    Für schnelle Hilfe dankbar und
    schönen Gruß
    FrauLehrerin


    P.S. Bitte darum, ev. sprachliche Mängel in diesem Beitrag nicht gegen mich zu verwenden...

    • Offizieller Beitrag

    Liebe FrauLehrerin!


    Ich bin ein wenig verwundert, dass Du ob der Fehler, die Dein Kollege gemacht bzw. übersehen hat, sauer bzw. irritiert bist und Du "eigentlich keine Lust hast, seine Arbeit zu machen". Damit unterstellst Du ihm nämlich, dass er per se schlampig gearbeitet hat. Vielleicht hat er im Korrekturkoller auch nur Fehler übersehen. Das kommt vor. Das kann ich aus eigener Erfahrung berichten.


    Dein Beitrag hört sich für mich so an, als erwartetest Du eine perfekt korrigierte Klausur, die Du nur noch zu überfliegen und gegenzeichnen brauchst, damit DU nicht zuviel Arbeit damit hast. Die Einrichtung einer Zweitkorrektur dient aber eben der präziseren Korrektur und damit objektiveren Bewertung.
    Gruß
    Bolzbold

  • Lieber Bolzbold,


    nun ja, das ist nicht ganz richtig. Ich erwarte keine perfekt korrigierten Klausuren, aber halbwegs anständig durchgesehene. Was ich nicht geschrieben habe und was meine Wur vielleicht erklärt, ist, dass der Kollege die 11 Klausuren an einem Wochenende durchgesehen hat und das nicht, weil er so einen Stress hat, sondern weil er sie gern schnell vom Tisch haben wollte. Das ging wohl auf Kosten der Sorgfalt. Und das ärgert mich, es geht hier nicht um ein paar Fehler, die wohl jeder macht, egal ob er Stress hat oder nicht. Es geht um richtig viele Fehler. Ich will die Klausuren nicht schnell gegenzeichnen, das stimmt so nicht. Ich möchte ihm vor allem ein inhaltliches Feedback geben.


    Schönen Gruß
    FrauLehrerin

  • Ich gehe zuerst eigentlich immer davon aus, dass die Kollegen hier vernünftig handeln und bewerten.
    Insofern fühle ich mich durch den Beitrag von "Frau Lehrererin" an meine eigenen Erlebnisse bei den Zeitkorrekturen als Assessor erinnert. Ich hatte auch die "Freude" ganze Klassensätze eines Kollegen zur Zweitkorrektur zu bekommen, die - um es freundlich zu sagen - nur sehr zaghaft korrigiert waren. Ich habe das bei der ersten Runde geschluckt und ganz allgemein in der Fachkonferenz das Thema auch im Hinblick auf den richtigen Einsatz der Korrekturzeichen angesprochen.
    Nachdem sich aber bei der zweiten Runde nichts getan hat, bin ich mit den Korrekturen zur FAL gegangen und habe mir ganz neutral ihre Einschätzung angehört. Diese hat mit dem Kollegen dann wohl deutliche Worte gesprochen. Seitdem hat es sich wesentlich verbessert. Es kann nicht sein, dass eine Zweitkorrektur eine Erstkorrektur ersetzt.


    Übrigens habe ich dann gegen später mit dem Kollegen das Gespräch geführt und begründet, warum ich meines Erachtens nicht um die FAL kam. Ich denke, wir haben damit dann die Sache ausgeräumt.


    Vielleicht kannst du ja etwas von meinem Vorgehen übernehmen.
    Gruß


    Timm

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    FrauLehrerin schrieb am 14.05.2006 18:42:
    Lieber Bolzbold,


    nun ja, das ist nicht ganz richtig. Ich erwarte keine perfekt korrigierten Klausuren, aber halbwegs anständig durchgesehene. Was ich nicht geschrieben habe und was meine Wur vielleicht erklärt, ist, dass der Kollege die 11 Klausuren an einem Wochenende durchgesehen hat und das nicht, weil er so einen Stress hat, sondern weil er sie gern schnell vom Tisch haben wollte. Das ging wohl auf Kosten der Sorgfalt. Und das ärgert mich, es geht hier nicht um ein paar Fehler, die wohl jeder macht, egal ob er Stress hat oder nicht. Es geht um richtig viele Fehler. Ich will die Klausuren nicht schnell gegenzeichnen, das stimmt so nicht. Ich möchte ihm vor allem ein inhaltliches Feedback geben.


    Schönen Gruß
    FrauLehrerin


    Liebe FrauLehrerin,


    da stimme ich Dir zu. Man kann keine 11 Abi-Klausuren an einem WE durchsehen - zumindest nicht, wenn man halbwegs ordentliche Arbeit machen will.
    Insofern hast Du allen Grund sauer zu sein.
    Ich würde mich bezüglich der Vorgehensweise Timm anschließen wollen.
    Der Kollege lässt offenbar jegliche Verantwortung für seine Schüler und jeglichen Respekt vor dem Abitur vermissen.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass wenn Du das zur Sprache bringst, Du sofort im Kollegium unten durch bist - sofern Du es nicht an die zu große Glocke hängst.
    Ich würde ein offenes Gespräch mit dem Kollegen suchen und ihm darlegen, dass er den Korrekturaufwand nicht auf Dich abwälzen kann und Du Dir Deiner Verantwortung bewusst bist.


    Eine wesentlich effektivere Waffe wäre, wenn Du die Dinger sorgfältig korrigierst und je nachdem - natürlich begründet - mit der Note abweichst. Dann muss im Zweifelsfall ein Drittkorrektor ran - und der wird dann wohl das Problem schnell erkennen und ggf. den Erstkorrektor um Stellungnahme bitten.


    Gruß
    Bolzbold

  • hallo,
    ich habe in ähnlichen Fällen nach zwei, drei Arbeiten mit dieser Qualität den Stapel zurückgegeben. Das ist eine Frechheit, wenn nur etwa 1/3 der Fehler gefunden wurde. Bevor hier Missverständnisse entstehen, ich beziehe mich hier im KONTEXT auf Deutschklausuren. Wenn ich in meinen Fächern Korreferent bin, streiche ich Rechtschreibfehler nur kommentarlos an. Aber wenn der FACHLICHE Teil nicht vernünftig korrigiert wurde, dann geht das Teil zurück. Bolzbold hat insofern recht, dass du keine "perfekte" Korrektur erwarten kannst. Finden tust du immer was, aber bei euch sind scheinbar die Proportionen vertauscht.


    Wenn du neu an der Schule bist, bekommst du schnell mal jemanden, den keiner sonst will...


    Gruß,
    Remus


    Edit: Überschneidung mit Timm und Bolzbold

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

    Einmal editiert, zuletzt von Remus Lupin ()

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Eine wesentlich effektivere Waffe wäre, wenn Du die Dinger sorgfältig korrigierst und je nachdem - natürlich begründet - mit der Note abweichst.

    Und der - nennen wir es mal nicht so gründliche, um das Wort faul zu vermeiden - Kollege freut sich'n Keks dass er einen Trottel gefunden hat, der die Arbeit ordentlich macht? Ich finde, dass man das hier

    Zitat

    Wäre es eurer Meinung nach in Ordnung, ihm morgen die Klausuren zu geben mit der Bitte, sie noch einmal gründlich auf sprachliche Mängel durchzusehen?

    durchaus probieren kann, um dem Kollegen den nötigen Respekt vor dem Abi beizubringen (den man im Übrigen bitte für alle Klausuren haben sollte).
    Wenn er's nicht macht, oder es auch nicht nachhaltig besser wird, kann man Timms Vorschläge ja immer noch angehen.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ihr Lieben,
    ich lese gerade ganz gespannt eure Antworten, denn dieses Jahr hat es mich als Zweitkorrektorin auch mit dem Grundkurs Abi getroffen. Zwei recht junge und soweit ich einschätzen kann, sehr perfektionistische Kollegen sind die Erstkorrektoren. Deshalb will ich aber trotzdem nicht schlampen, so nach dem Motto "Die machen das eh schon" - also habe ich folgende Fragen:
    - Wieviel Zeit sollte man so in etwa für 11 Arbeiten Zweitkorrektur veranschlagen?
    Ist da ein Wochenende (an dem man nichts anderes macht) zu wenig?
    Plus natürlich einen Nachmittag, an dem man die Arbeiten durchspricht?
    - Gesetzt den Fall, ich finde gar nichts mehr- zeichne ich dann nur gegen?
    In der Hinsicht bin ich halt ein "bloody" Anfänger.
    Liebe Grüße,
    Hermine

    • Offizieller Beitrag

    Erstmal danke für deine Antwort Meike!


    Zitat

    ich mach mir beim Kokorrigieren auch Gedanken um Fachliches / Inhaltliches - dazu lese und verstehe ich zuerst den Entwurf


    Gut, das kann ich aber vorweg erledigen- hab ich auch teilweise schon gemacht, weil ich a) die Themen noch vor der Prüfung durchsehen musste- sie also kenne
    und b) wir vom KuMi einen Erwartungshorizont bekommen.
    Das erleichtert die Sache doch ein kleines bisschen.
    Liebe Grüße,
    Hermine

  • Danke für die schnellen Antworten. Ich denke, ich werde den Kollegen morgen darauf ansprechen. Eigentlich neige ich dazu, so etwas, wie du, Timm, es erzählt hast, herunterzuschlucken und darüber hinwegzusehen. Aber eure Beiträge bestärken mich in meinem Gefühl, dass das nicht ganz richtig ist, wie es hier läuft.


    Schönen Abend
    FrauLehrerin

  • Zitat

    FrauLehrerin schrieb am 14.05.2006 18:19:


    Wäre es eurer Meinung nach in Ordnung, ihm morgen die Klausuren zu geben mit der Bitte, sie noch einmal gründlich auf sprachliche Mängel durchzusehen?


    Ich weiß ja nicht, wie das bei euch geregelt ist.
    Ich bekomme zunächst einen Riesenstapel Klausuren für die Erstkorrektur. Die reiche ich dann zur Zweitkorrektur weiter und bekomme von meinem Kollegen einen ebenso riesigen Stapel für die Zweitkorrektur.


    Wenn alles fertig ist, setzen wir uns zusammen und legen die Noten endgültig fest.
    Da kann es gar nicht anders sein, als daß Unterschiede in der festgestellten Fehlerzahl zur Sprache kommen. Die Anzahl der Fehler muss ja auf den Klausuren angegeben werden.
    Außerdem stehen die Unterschriften von Erst- und Zweitkorrektor drunter. Du kannst ja nichts unterschreiben, was du nicht vertreten kannst. So würde ich das dem Kollegen auch verklickern, wenn ihm dein Standpunkt nicht gefällt.
    Zum Fachleiter rennen würde ich nicht.


    Im übrigen bin ich aus nachvollziehbaren Gründen im Moment bei der Bewertung der Rechtschreibung ziemlich tolerant.


    Gruß


    Animagus

  • Dass jemand die Arbeiten zu schlampig korrigiert, kann ich mir gar nicht vorstellen.
    Ich selbst habe eher immer Bammel, dass ich zu viele Fehler übersehe und mich dadurch irgendwie blamiere.


    Ob in einem Abituraufsatz sieben oder 20 Fehler enthalten sind, spielt in der Endbewertung ja nur bedingt eine Rolle. Beide Fehlerzahlen halten sich in Grenzen. (bei fünf Seiten wären dies nur vier Fehler pro Seite)


    Aber ich würde das nicht so wild sehen, dafür gibt es ja die 2.Korrektur. (und wenn nötig eine dritte). Wichtig ist, dass der Schüler im Endeffekt die Note bekommt, die er für seine Gesamtleistung verdient.


    Und für eine gute Zweitkorrektur braucht man sowieso fast so lange wie für eine Erstkorrektur, da man den gesamten Text vor allem inhaltlich neu bewerten muss. Die fehlenden Korrekturzeichen mache ich inzwischen schon automatisch beim Lesen. Da ist mir egal, ob fünf oder 20 Fehler übersehen wurden.

  • Hallo FrauLehrerin,


    hatte den Fall auch mal, als ich neu an der Schule war. Rede auf jeden Fall erst schön diplomatisch mit Deinem Kollegen darüber! Hat bei mir damals echt geholfen und es gab keinen weiteren Ärger. Mittlerweile sind wir ein prima Korrekturteam.


    LG
    oberfrangn

  • Hallo...
    ich habe mir gerade eure Kommentare angesehen und stelle mir nun die Frage,
    wie in einem Kollegium die Abi-Klausuren ausgetauscht werden können,
    denn bei uns in Berlin, wurden unsere Arbeiten nicht schulintern,
    sondern extern mit anderen Gymnasien getauscht.
    Im Übrigen finde ich es wichtig, dass besonders im Allgemeinen Abitur die Rechtschreibung beherrscht werden sollte!
    Guten Abend noch...


  • Dann solltest du das Komma nach "Berlin" weglassen!


    Amanda

    • Offizieller Beitrag

    So, hier mal ein Update, nachdem ich die ersten drei von elf Arbeiten durchgesehen habe- mein Erstkorrektor hat sehr sorgfältig korrigiert und auch inhaltlich gehe ich mit ihm fast immer d'accord.
    Was mir nur grundsätzlich aufgefallen ist- und ich denke, da geht es allen so ähnlich, mein Kollege hat bei einer eher schlechten Arbeit deutlich mehr Fehler übersehen, als bei einer, die besser ist.
    Man merkt förmlich, wie ihm die Energie ausgegangen ist.
    Zeitlich brauche ich pro Arbeit etwas weniger als eine Stunde, wobei ich die Zeit nicht mitrechne, die wir schon davor da saßen und uns über unsere Erwartungen unterhalten haben.
    Liebe Grüße,
    Hermine

  • Angeommen er hat sie wirklich übersehen, jetzt mal wirklich: Für was ist man denn dann Zweitkorrektorin.

  • Zitat

    Gouverneur schrieb am 03.08.2006 19:55:
    Angeommen er hat sie wirklich übersehen, jetzt mal wirklich: Für was ist man denn dann Zweitkorrektorin.


    Hallo lieber Gouverneur


    Das Forum freut sich ja über deine rege Beteiligung, aber mal im Ernst: müssen alte Sachen, die schon längst abgefrühstückt sind, hochgekramt werden? Beteilige dich doch lieber an aktuellen Threads, da kannst du deine Erfahrung und Fragen bestimmt auch einbringen!


    LG, das_kaddl.


    PS: Die Antwort in diesem Thread ist exemplarisch für die vielen anderen *nachobenzerruralt*-Threads ;)

  • Ich hatte mich auch schon gewundert. Danke, Kaddl.


    Gruß
    Super-Lion

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