Lehrer, Namen und Noten - weiter trabt die Forschung

  • Wunderbar, dass signifikante Forschungen niemals aufhören - zumal im Sommerloch. Astrid Kaiser präsentiert - aufgrund schlechter Erfahrungen diesmal anonym - eine weitere Magister-Arbeit, welche die Namensforschung weitertreibt, die mit dieser Untersuchung


    "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose"


    begann. Nun wird nicht die Einschätzung von Namen durch Lehrer untersucht, sondern die Notengebung.


    Der "Spiegel" macht daraus die Überschrift: "Kevins bekommen schlechtere Noten" - und einen Artikel, in dem der Text in keinem wirklichen Zusammenhang zur Überschrift steht.


    http://www.spiegel.de/schulspi…sen/0,1518,712948,00.html


    Die Ergebnisse von Studie 2 sind im Wesentlichen:


    - "Negativ etikettierten Jungennamen wurden durchweg schlechter bewertet".
    - "Aber dieser Zusammenhang ist nur schwach".
    - Bei den Mädchennamen ließ sich die These der Forscher überhaupt nicht belegen.
    - Hier hatten Namen aus dem Negativ-Pool (Mandy, Chantal, Celina) sogar einen kleinen Vorteil: Bei der Rechtschreibung wurden sie etwas besser bewertet als Mädchen, die Katharina oder Charlotte heißen.


    Also: Es gibt bei Jungen laut Studie eine leicht schlechtere Bewertung "negativ besetzter" Namen, bei Mädchen eine leicht bessere Bewertung "negativ besetzter" Namen. Was zur Vorsicht in den Schlussfolgerungen führen sollte, Studie 2 wenig spektakulär aussehen lässt und auf Studie 1 bzw. das Marketing dieser Studie ein denkbar schlechtes Licht wirft.


    Eine angemessene Schlagzeile wäre so wohl gewesen: "Lehrer gleichen Vorurteile durch professionelles Handeln aus".


    Nicht aber mit Kaiser und dem SPIEGEL. Nachdem die ungleiche Bewertung nicht an Namen gebunden werden konnte, fand man etwas anderes heraus, nämlich das:


    Zitat

    Deutlicher zeigte sich, was fast jeder aus seiner eigenen Schulzeit kennt: Lehrer sind alles andere als objektiv. Mal vergaben sie für eine Antwort nur einen Punkt, mal für dieselbe Antwort neun Punkte, ganz unabhängig vom Vornamen. Das bestätige bisherige Untersuchungen zur Notengebung, sagt Kaiser.


    Nun ist das nichts Neues. Notengebung ist natürlich diffizil und fällt diversen Studien zufolge stets - und quer durch alle Fächer - schwankend aus. Dasselbe gilt im Übrigen für jede Form der Bewertung, ob ausgesprochen oder nicht. Um das zu kritisieren, hätte es allerdings keiner Studie zu Namen gebraucht - die sich dann unter der Hand in eine Studie zur Notengebung allgemein verändert, sobald die Ergebnisse nicht gewünscht "systemkritisch" sind.


    EDIT:


    Unbedingt zu beachten ist im "Spiegel" die wunderbare, da völlig sinnentleerte Fotostrecke :)!

  • Man muss das ganze mit Humor nehmen. Der Wert der Studie wird schon an der Datenbasis ersichtlich:


    Zitat

    Mehr als 900-mal klickten Lehrer aus dem ganzen Bundesgebiet den Fragebogen an, 228 haben ihn vollständig ausgefüllt. Tatsächlich verwertbar für die Auswertung waren allerdings nur 168 Fragebögen.


    Super. Man stelle sich mal eine Wirksamkeinsstudie eines Medikamentes vor, bei der ein Präparat an 900 Personen eingesetzt wird, von denen dann in der Auswertung der Studie nur noch 20% berücksichtigt werden lönnen. In jedem anderen Fachbereich würde man die Erhebung als misslungen einordnen, das Design überarbeiten und es noch mal von vorne versuchen.
    Und da wundern sich die Pädagogen, dass die anderen Fachbereiche sie nicht richtig für voll nehmen. (Was besonders für die wenigen Pädagogen traurig ist, die tatsächlich methodisch sauber arbeiten.)


    Zitat

    Kaiser, die früher selbst als Grundschullehrerin arbeitete, kündigt genau das an. Ihr Lehrstuhl werde sich weiter mit dem Thema befassen. Obwohl sie selbst warnt: "Man macht sich unbeliebt."


    Man macht sich eher zum Horst.


  • Das schlimme daran ist, dass nur WIR das wissen. Der "normale Zeitungsleser" hinterfragt das nicht! es ist eine Studie von einer Professorin - ergo korrekt erarbeitet-ergo: FAKTEN. :( :rolleyes:

  • Zitat

    Der "normale Zeitungsleser" hinterfragt das nicht!


    Wenn man nach dem "Spiegel"-Forum urteilt, ist die Sache schlimmer. Der "normale Leser" bemerkt beim Lesen nicht, was die Studie eigentlich besagt. Oder technisch: Ihm misslingt das sinnentnehmende Lesen.


    Wenn man beide Studien versuchsweise ernst nimmt, kann man aus ihnen eigentlich nur einen Schluss ziehen: GS-Lehrer machen sehr gute und professionelle Arbeit. Sie haben die Fähigkeit, eigene Vorurteile weitgehend bis vollständig aus ihren Bewertungen herauszuhalten.


    Komisch, dass das nicht der Tenor bei Professorin und Presse ist...


    Übrigens auch nicht hier
    http://www.sueddeutsche.de/kar…noten-fuer-kevin-1.991866

  • Zitat

    Original von Moebius




    Man macht sich eher zum Horst.


    Führt zwar (fast) vom Thema weg, aber interessiert mich seit einigen Jahren:


    Vor 15/20 Jahren war der Name Paul ein "Schimpfname": Du Paul, du Sohn eines Pauls (bezog sich - glaube ich - auf einen Film?).
    Vor ca. 5/6 Jahren ist mir der "Horst" begegnet. Wie kam dieser Name in den besonderen Ruf? Weiß da einer was zu?


    Achtung Satire:
    Das Ergebnis der Studie ist doch schon ewig bekannt.
    1. Jungen werden eh immer benachteiligt.
    2. Den Mädchen will man mit Mitleid (wegen des Namens) begegnen.
    3. An den Grundschulen arbeiten überwiegend Lehrerinnen...


    Jetzt wieder ernsthaft:
    Ich finde es gut, dass man immer mal wieder seine Notengebung reflektiert. Dabei hatte ich mir bisher (vor den Studien) keine Gedanken zum Zusammenhang zwischen Noten und Schülernamen gemacht.


    Ich kenne mittlerweile einige Grundschullehrer und -lehrerinnen. Hut ab vor deren Leistung! Ich bin übrigens bei uns die Ansprechpartnerin für Gleichstellungsfragen (deshalb bitte meine obige Satire nicht "für Ernst" nehmen!).

  • Ich verstehe die Hysterie hier im Forum nicht so ganz; es ist doch selbstverständlich, dass man - wenngleich wohl unbewusst - mit bestimmten Vornamen auch bestimmte Verhaltensmuster in Verbindung bringt, selbst wenn man zuvor nur Erfahrung mit einem einzigen Schüler, der den selben Vornamen besaß, hatte. Das möchte man vllt. nicht akzeptieren, aber es ist schlichtweg so und es ist menschlich!
    Ähnliches thematisiert der Rosenthal-Effekt, der zwar auch nicht unumstritten ist, aber zumindest im Kern die Realität widerspiegel.t

    • Offizieller Beitrag

    Oh, wenn es normal und selbstverständlich ist, dass man sich von jedem unterbewussten Impuls im Berufsleben auch unreflektiert zu Handlungen treiben lässt, dann muss ich den Kevin, der bei uns vor einiger Zeit ein 1,3er Abi gemacht hat, nochmal anrufen und sagen, er soll seine 14 Punkte in Englisch wieder zurückgeben. Die seien Kopf- und nicht bauchgesteuert gewesen. Und ab heute gebe ich dem unbewussten Impuls bei der xten Wiederholung der reported speech meinen Kopf auf den Tisch zu legen und einzuschlafen, einfach nach... :D Juhu!


    Was für ne Hysterie?
    Hysterie geht so: AAAHHHHHRHHHHGHG! Kreiiiiiisch!! Uhaaaaaa! usw.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Zitat

    Ich verstehe die Hysterie hier im Forum nicht so ganz


    Liegt vielleicht daran, dass Du den Thread und/oder die verlinkten Artikel nicht gelesen hast.


    Nochmal langsam:


    1. Eine Studie zeigt, dass Lehrer gegenüber bestimmten Namen bestimmte Erwartungen haben.
    2. Eine zweite Studie zeigt, dass diese Erwartungen jedoch für die Bewertung kaum bzw. nicht relevant sind.
    3. Daraus wird der Schluss gezogen, Lehrer würden nach ihren Erwartungen bewerten.


    Hier wird lediglich festgestellt, dass das erstaunlich ist.


    Im Übrigen zeigen die Studien nicht, dass irgendeine angebliche "Selbstverständlichkeit" oder der "Rosenthal-Effekt" wirkt. Sie zeigen das Gegenteil.

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