Was tun die Grundschulen im Rechenunterricht?

  • Oder: Was ich schon immer über den Grundschulunterricht wissen wollte, aber bisher nicht zu fragen wagte.


    Ich bin ja nun schon seit vier Jahren pensioniert (nach 36 Dienstjahren). Meine Frau, die auch Mathematik und Physik unterrichtete, ist nach 39 Dienstjahren gerade frisch pensioniert. Wir nehmen aber immer noch rege am Schulleben teil und lesen alles, was wir zum Thema Schule in Zeitungen und im Internet finden (früher hatten wir nicht die Zeit dazu).


    Unser erster Enkel kommt nächstes Jahr in die Schule und deshalb möchten wir einem Phänomen auf den Grund gehen, das uns schon seit vielen Jahren beschäftigt, nämlich:


    Woran liegt es, dass unsere Fünftklässler nicht mehr rechnen können?


    Wir haben diese Entwicklung während der letzten vierzig Jahre genau verfolgt. Anfangs konnten wir uns darauf verlassen, dass so gut wie alle 43 Kinder in der Klasse die Grundrechenarten mit natürlichen Zahlen einwandfrei beherrschten. Dann kamen die Mengenlehre und am Gymnasium das Spiralcurriculum. Vom Geschehen an den Grundschulen erreichten uns nur vage Gerüchte. Jedenfalls spürten wir die Auswirkungen: Die Rechenfähigkeit nahm mit beängstigender Geschwindigkeit ab.


    Heute brauchen Fünftklässler bei den einfachsten Aufgaben (z.B. 176 x 100) schriftliche Nebenrechnungen. Beim Subtrahieren verändern sie den Minuenden durch Streichungen und Darüberschreiben so, dass die Zahl kaum noch zu erkennen ist. Multiplizieren kann nur etwa die Hälfte der 32 Kinder in der Klasse und das Dividieren durch eine einstellige Zahl beherrscht etwa ein Drittel. Zweistellige Divisoren dürfen nicht vorkommen.


    Nun habe ich gelesen, dass im Grundschulunterricht heute mehr Wert auf sogenannte Kompetenzen gelegt wird und weniger auf sturen Drill. Ich würde gerne wissen, welche Fähigkeiten am Anfang der fünften Klasse aufgrund dieser Kompetenzen zu erwarten sind. Eine bessere Feinmotorik kann nach unserer Beobachtung jedenfalls nicht dazu gehören.

  • Hm, was soll man nun dazu schreiben.


    Wenn Du wissen möchtest, welche Kompetenzerwartungen es zu Beginn der Klasse 5 gibst, dann lies dir doch mal den Lehrplan durch. Dort sind alle Kompetenzerwartungen zum Ende der Klasse 4 aufgelistet.


    Ansonsten steht mir als "Frischling" nicht weiter zu darüber Schlüsse zu ziehen, warum sowohl Rechtschreibfähigkeit als auch Rechenfähigkeit nach Meinung der Kollegen der weiterführenden Schulen in den letzten Jahren verstärket abnehmen.
    Ich mutmaße, dass es mit offenen Unterrichtsformen zusammenhängt, die aber trotzdem durch nichts zu ersetzen sind.

  • Hier ist der Bildungsplan der Grundschulen von Baden Württemberg:


    http://www.bildung-staerkt-men…e_Bildungsplan_Gesamt.pdf



    Ab Seite 53 sind die Bildungsstandards für das Fach Mathematik beschrieben.
    Ab Seite 60 finden sich die Kompetenzen zum Übergang in Klasse 5.


    In den einleitenden Texten wird der Kompetenzbegriff dargestellt.


    Ich denke dort sind umfassende Antworten auf Deine Fragen dargestellt.

    • Offizieller Beitrag

    Nix. Ebenso wenig wie im Sprachunterricht. Wir singen, basteln, turnen und malen den ganzen Tag.


    Rechnen wird eh vollkommen überbewertet - auch das vergleichbar mit Rechtschreibung... :sleeping:

  • HUhu,


    ich bin zwar noch nicht lange Lehrerin, aber genau diese Beobachtung wird mir von einigen Kolleginnen älteren Semesters auch immer wieder erzählt...
    ich glaub, dass die Kinder heutzutage einfach kein Mathematischen Gespür mehr für Zahlen haben... woher dies kommt kann ich aber nicht wirklich sagen...
    vl weil man früher einfach ... mit den Kindern mehr gemacht hat... und es nicht so viele Berieselungen von außen gab?


    Das gleiche gilt aber wohl für alle Bereiche... von meinen 25 Kindern konnten in der ersten Klasse keiner einen Knopf machen , geschweige denn Masche binden,...
    oder nun 3. Klasse kann nur 1 Kind schwimmen, und 10 weitere sich über Wasser halten ... der Rest geht regelrecht unter.. wenn man sie alleine lässt....


    lg MM

  • Die Lehrpläne werden ja auch immer mal wieder geändert... und die Lernziele zugunsten von Kompetenzen geändert.
    So ist es heute nicht mehr angesagt, dass die Kleinen... wie früher... im zweiten Schuljahr das Einmaleins sicher beherrschen und vorwärts und rückwärts pfeifen können, mit allen Geteiltaufgaben... nein, jetzt müssen sie nur noch die Kernaufgaben können. Also die Einer, Zweier- Fünfer- und Zehnerreihe. Laut Lehrplan.
    In der Grundschule wird also der Lernstoff reduziert... das Lerntempo verlangsamt... um dann auf dem Gymnasium G8 zu machen.
    Sehr sinnig und logisch.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

    • Offizieller Beitrag

    Ich glaube nicht, dass "was machen die Grundschulen eigentlich" eine sinnvolle Frage ist - sondern wie hat sich die Umwelt und das Leben der Kinder verändert und wie reagieren sie - sozial, biologisch, neurobiologisch, hormonell und so weiter - darauf. Viele der Veränderungen, die es nunmal gegeben hat, werden sich in der Schule nicht zurückändern lassen. Dass die Kinder ihre Kindheit nicht mehr im Wald verbringen (Koordination, Körperbewusstsein, auch Selbstbewusstsein) zum Beispiel, dass Spiele (via so designtem Spielzeug) und mediale Angebote kürzer getaktet sind (Ausdauer, Kompetenzen, Auffassungsvermögen) und weniger Geduld brauchen, dass es nur noch wenige Familien gibt, wo den ganzen Tag jemand zu Hause ist und Fragen geduldig beantwortet (Vorwissen) und bastelt, dass die Kinder selbst den Tag über kaum noch zu Hause (oder im Wald) sind, usw usf. Ob das alles bedauernstwerte Entwicklungen sind oder nicht, wird sich herausstellen. Vielleicht ensteht einfach ein anderer Menschentyp. Vergleiche mit "früher" bringen wenig, wenn wir die Zeit einfach nicht zurückdrehen können. Und die GS Kollegen gehen mit dem, was sie an verändertem Mensch in die Klassen bekommen, so gut um, wie das im gegebenen System eben geht.


    Die Frage wäre also eher: wie muss sich das System ändern um den neuen Typ Kind, den es eben auch weiter geben wird, sinnvoll zu beschulen?

  • deswegen werden wir von manch "höheren" kollegen in meiner region auch als bastelschl*mpen bezeichnet. dem habe ich nichts hinzuzufügen

    Das ist eine Diskriminierung von männlichen Kollegen in der Grundschulen, hier fehlt die männliche Beleidigung! :D

  • Die Frage wäre also eher: wie muss sich das System ändern um den neuen Typ Kind, den es eben auch weiter geben wird, sinnvoll zu beschulen?


    dem, was meike schreibt, stimme ich voll und ganz zu. es gibt seit längerer zeit eben eine "veränderte kindheit" woraus defizite resultieren, aber auch kompetenzen, die wir früher vielleicht nicht hatten. wieso schaut keiner mal danach, was die kinder von heute können, anstatt was sie nicht können?!


    zum weiterlesen: http://homepage.ipzf.de/VeraenderteKindheit.html

  • dem, was meike schreibt, stimme ich voll und ganz zu. es gibt seit längerer zeit eben eine "veränderte kindheit" woraus defizite resultieren, aber auch kompetenzen, die wir früher vielleicht nicht hatten. wieso schaut keiner mal danach, was die kinder von heute können, anstatt was sie nicht können?!

    Wer sollte danach schauen, wenn nicht (neben den Eltern) die Lehrkräfte. Also wäre doch interessant, welche Kompetenzen wir bei den "heutigen"
    Kindern erkennen, die "früher" so nicht vorhanden waren. Ich meine das gar nicht polemisch! Sicher haben sie mehr Kompetenzen in Dingen wie
    Internet, Nintendo usw.; das meint aber wohl keiner hier damit.


    Aber mal ganz im Ernst - in welchen Bereichen sind sie kompetenter als Kinder früherer Generationen? Ich tue mich da gerade schwer, eine Antwort zu finden. Tut mir leid, wenn das kulturpessimistisch rüberkommt.

    • Offizieller Beitrag

    Bastelschlamper? *g*

    • Offizieller Beitrag

    *gefällt mir* :D

    • Offizieller Beitrag

    Primi-Mausemann *rumkasper*

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