Was machen Nachhilfelehrer anders?

  • Nachhilfeinstitute sind praktisch die Folge von gescheitertem Frontalunterricht und sind per definitionem inkompatibel mit freiem Lernen.

    Man kann auch das genaue Gegenteil behaupten: Nachhilfeinstitute sind die Folge von gescheitertem Selbstlernunterricht, in dem die SuS mit (teileweise für sie ungeeignetem) Material recht viel alleine gelassen wurden und kaum eine fachliche Interaktion stattfindet. Das betrifft vor allem schwache SuS.




    Aus der Erfahrung mit meiner derzeitigen Mini-Klasse (5 Schüler), die mit so einer Nachhilfegruppe vergleichbar ist, kann ich sagen:

    • Ich sehe bei meinen fünf Schülern sofort, wenn es bei einem hakt. Schon allein ein schiefer Blick auf das Blatt und das mehrmalige Hin- und Herhuschen von Buch, Tafel etc. zu Heft, AB etc. verrät mir, dass da wohl ein Problem vorliegt.
    • Auch in Erklärphasen merke ich sofort, wenn jemand inhaltlich ausgestiegen ist bzw. das wird dadurch häufig unterbunden. Das kann man sofort aufgreifen oder bei dieser Gruppengröße in der Arbeitsphase noch einmal ein, zwei oder drei Schülern gleichzeitig erneut erklären.
    • Es können bei so einer kleinen Gruppe einfacher verschiedene Lösungswege zugelassen werden, weil es nur mit einem oder zwei Schülern diskutiert wird. Unterricht in üblicher Klassengröße ist hauptsächlich plenumsgerichtet und es ist meist ein Lösungsweg vorgegeben, der nicht unbedingt auf alle passt. Viele SuS sind froh, wenn sie den vorgegebenen Lösungsweg verstehen, und genervt oder verwirrt, einen weiteren Lösungsweg zu durchdenken, auch wenn er vielleicht der bessere für sie wäre.
    • Es herrscht Ruhe im Raum.
    • Kleinere Gruppe bedeutet meistens auch eine engere Beziehung zwischen Lehrer und Lerner. Einige lernen in einer für sie so angenehmeren Lernatmosphäre besser.


    Im Großen und Ganzen hängt es meiner Ansicht nach am Personalschlüssel.


  • Aus der Erfahrung mit meiner derzeitigen Mini-Klasse (5 Schüler), die mit so einer Nachhilfegruppe vergleichbar ist,

    ...ist sie nicht. Du siehst deine Schüler jeden Tag mehrere Stunden. Dass Beziehungsaufbau bei Schülerhilfe und Co. besonders schnell vonstatten geht, kann ich mir kaum vorstellen. Die Heterogenität ist dort zudem viel größer. Verschiedene Fächer, Jahrgangsstufen, Schulen... zudem der Elterndruck, die für ihr Geld schnell Erfolge sehen wollen- kannst du nicht vergleichen mit Förderschule.


    Wie gesagt, bei den Großen ist das anders. Wer allerdings schon in der Grundschule Nachhilfe braucht, da kann man sich vorstellen, in welche Richtung das geht.

  • ...ist sie nicht. Du siehst deine Schüler jeden Tag mehrere Stunden. Dass Beziehungsaufbau bei Schülerhilfe und Co. besonders schnell vonstatten geht, kann ich mir kaum vorstellen. Die Heterogenität ist dort zudem viel größer. Verschiedene Fächer, Jahrgangsstufen, Schulen... zudem der Elterndruck, die für ihr Geld schnell Erfolge sehen wollen- kannst du nicht vergleichen mit Förderschule.
    Wie gesagt, bei den Großen ist das anders. Wer allerdings schon in der Grundschule Nachhilfe braucht, da kann man sich vorstellen, in welche Richtung das geht.

    Ich habe auch schon häufig GrundschülerInnen Nachhilfe gegeben. Die meisten von ihnen hatten super Noten. Die „Eltern“ wollten nur, dass sie auch wirklich den Übertritt schaffen. :tot:

  • Ich habe früher selbst privat Nachhilfe gegeben, halte heute aber gar nichts mehr davon. Der Nachhilfe-Lehrer betet vor, der Nachhilfe-Schüler macht nach. In der Klausur ist dann keiner mehr da, der vorbetet, also geht sie genauso den Bach hinunter wie sonst auch.


    Gute professionelle Angebote, die die SuS in Kleingruppen gezielt individuell fördern... Da könnte ich mir eher vorstellen, dass es funktioniert.


    Generell sehe ich Nachhilfe aber eher kritisch. Zum Auffüllen von Lücken, klar. Aber wer in mehreren Fächern Nachhilfe braucht um den Stoff des laufenden Unterrichts zu verstehen, sollte sich doch fragen, ob er an dieser Schulart richtig ist. Nicht selten höre ich auch, „Wir machen das eh nachher nochmal in der Nachhilfe.“ und im Unterricht wird sich zurückgelehnt.


    Es ist wie so oft im Leben: Legt man sich einen ausgeklügelten Plan B zurecht, heißt das oft, dass man wohl eher nicht vor hat, sich für Plan A ausreichend Mühe zu geben.


    Ich rate meinen Schülern und ihren Eltern eher von Nachhilfe ab, da ich mir sicher bin, dass mein Unterricht derart gestaltet ist, dass ein „normaler“ Schüler mit angemessenem aber nicht übertriebenen Engagement ohne Nachhilfe auf einen grünen Zweig kommen müsste. Das gilt für meine beiden Fächer.

  • Nachhilfe bekommen doch die Schüler, deren Eltern schulischer Erfolg wichtig ist.
    Dass diese Schüler bessere Leistungen zeigen als die Schüler, wo den Eltern die Leistung egal ist oder die Schule schuld ist, muss ja nicht wirklich direkt an der Nachhilfe liegen.

  • ...ist sie nicht. Du siehst deine Schüler jeden Tag mehrere Stunden. Dass Beziehungsaufbau bei Schülerhilfe und Co. besonders schnell vonstatten geht, kann ich mir kaum vorstellen. Die Heterogenität ist dort zudem viel größer. Verschiedene Fächer, Jahrgangsstufen, Schulen... zudem der Elterndruck, die für ihr Geld schnell Erfolge sehen wollen- kannst du nicht vergleichen mit Förderschule.
    Wie gesagt, bei den Großen ist das anders. Wer allerdings schon in der Grundschule Nachhilfe braucht, da kann man sich vorstellen, in welche Richtung das geht.

    In manchen Klassen bin ich auch nur einmal in der Woche für eine Stunde mit Hörgeschädigtenkunde drin. Das klappt schon mit dem Beziehungsaufbau, sonst hätte ich da verloren. Bei uns herrscht eben überwiegend ein Fachlehrerprinzip ab Klasse 5.
    Das mit der Heterogenität würde ich so auch nicht unterschreiben. Meine erste Klasse war eine Klasse mit dem Förderschwerpunkt Lernen - sieben Schüler mit fünf verschiedenen Themen in Mathe, weil sie so weit auseinander waren. Früher hatten wir noch solche Förder-AGs, die so einer Nachhilfe sehr nahe kamen. Das waren sechs Schüler aus drei Klassen mit vier Mathethemen, die ich auch sonst nicht im Unterricht hatte. Ich würde für die genau die gleichen Punkte wie oben geltend machen.


    Bei dem Finanziellen hast du einen Punkt.

  • ...
    Nachhilfeinstitute sind praktisch die Folge von gescheitertem Frontalunterricht und sind per definitionem inkompatibel mit freiem Lernen.
    ...


    (Diese Aussage hatte ich ganz übersehen. Deshalb musste ich mein Gefallen wieder zurücknehmen, sonst wunderst du dich über meinen Text jetzt.)


    Ist es nicht so, dass Nachhilfeunterricht im Kern meistens als Frontalunterricht stattfindet. Frontalunterricht bedeutet ja nicht in erster Linie, dass der Lehrer vorne an der Tafel steht und was erklärt. Er kann doch wie im Nachhilfeunterricht auch neben seinem Schüler sitzen bzw. in einer kleinen Runde, was erklären, vormachen, zeigen und dann wird's geübt und ggf. wieder neu erklärt und neu geübt - bis es sitzt.


    Das ist doch auch Frontalunterricht ?!?

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Ich staune, wie viele von euch Nachhilfe gegeben haben. Es scheint für angehende Lehrer ja geradezu üblich gewesen zu sein.


    Danke für die vielen Erfahrungsberichte.

    Es gibt für alles ein Publikum und für jede Meinung das passende Argument.

  • Jo, das ist Frontalunterricht. Auch sehr beliebte und gepriesene YouTube-Kanäle (z.B. simple Club, musstewissen), die Schulstoff erklären, sind technisch gesehen Frontalunterricht, nur ohne direkte Nachfragemöglichkeit.

  • Jo, das ist Frontalunterricht. Auch sehr beliebte und gepriesene YouTube-Kanäle (z.B. simple Club, musstewissen), die Schulstoff erklären, sind technisch gesehen Frontalunterricht, nur ohne direkte Nachfragemöglichkeit.

    Wobei man Frontalunterricht halt weder anhalten noch mehrfach anschauen kann. Daher haben solche Lern- und Erklärvideos schon einen Mehrwert. Und wenn sie gut gemacht sind, sind auch keine Nachfragen nötig. Deswegen mache ich meine Videos alle selbst.

  • ...Ich würde für die genau die gleichen Punkte wie oben geltend machen.

    worüber diskutierst du eigentlich gerade? Dass du denselben Job machst, wie die Aushile im Nachhilfeinstitut? Ich hoffe nicht.

  • Wobei man Frontalunterricht halt weder anhalten noch mehrfach anschauen kann. Daher haben solche Lern- und Erklärvideos schon einen Mehrwert. Und wenn sie gut gemacht sind, sind auch keine Nachfragen nötig. Deswegen mache ich meine Videos alle selbst.

    Das ist wohl wahr. Gelegentlich (z.B. gestern) setze ich solche Videos auch mal im Unterricht ein. Manchmal gibt es sogar Untertitel oder die von YouTube automatisch erzeugten Untertitel sind brauchbar, weil die Sprecher recht langsam und deutlich sprechen. Das, was es an Videos gibt, richtet sich nach meinem Gefühl eher nach Gym-Niveau oder besserem R-Niveau. Für schwächere Schüler ist das Angebot geringer. Das Sprachniveau ist für manche meiner schwerhörigen Schüler zu hoch.


    Wie viel Zeit verwendest du auf solche Videos? Ist ja nicht gerade wenig Arbeit, so etwas zu erstellen.

  • worüber diskutierst du eigentlich gerade? Dass du denselben Job machst, wie die Aushile im Nachhilfeinstitut? Ich hoffe nicht.

    Du hast meine Punkte bestritten, weil du meine Situation nicht mit der Nachhilfe für vergleichbar hälst. Ich habe geschildert, dass es eben auch solche Lernsettings mit einer großen Heterogenität bei uns gibt, wo man die Schüler einmal in der Woche sieht und der tägliche Beziehungsfaktor wegfällt. Das ist der Nachhilfe ähnlich und so sind diese Förderangebote unsererseits ja auch gedacht gewesen.
    Die Rhetorik mit dem Unterrichtsniveau einer Aushilfe lasse ich mal unkommentiert.

  • Warum sind die erfolgreicher und bringen den Kindern bei, was wir nicht schaffen, ihnen beizubringen?

    Meine Antwort darauf:

    • Sie lassen das ganze Methodenfeuerwerk, das ablenkt, weg.
    • Die Lerngruppen sind wesentlich kleiner. Wir bräuchten im Umkehrschluß viel mehr Personal für sehr viel kleinere Klassen.
    • Die Beziehung ist auch eine andere. Man muss nicht Angst haben, (schlecht) bewertet zu werden.
  • Nicht nur "kleinere Zahl" - die mMn beste Nachhilfe ist Einzelunterricht, entsprechend individual und natürlich keinesfalls frontal. In Kleinstgruppen sollte zumindest nur ein Fach, möglichst auch in ähnlichem Lern- und Leistungsniveau vermittelt werden.


    Ein guter Nachhilfelehrer "betet" auch nix vor, es geht vielmehr darum, herauszufiinden, wo das Verständnis- oder Umsetzungsproblem des zu lernenden Stoffes liegt.
    Als ich Nachhilfe gegeben habe, war meine Faustregel: Entweder hab ich das Kind nach ca. 8 Std. von 5 auf 3, weil ich das Problem gefunden habe und daran gearbeitet wird, oder ich kann den Eltern mitteilen, es ist ggf die falsche Schulform, oder "leben sie mit der Note".


    So hatte ich manche Nachhilfekinder nicht gerade lange, aber was soll das auch... Ausnahme war das o.g. angebliche ADS-Mädchen, das mich bat, den Eltern doch nicht direkt zu verraten wieso sie keine Nachhilfe bräuchte, es wäre doch lustig mit mir... na, als Studi hab ich mich schon übers Geld gefreut, und bei verhinderten DINKs habe ich auch irgendwie keine Skrupel gehabt...


    "Hausaufgabenbetreuung" ist keine Nachhilfe, und Institue, die hier irgendwie "frontal" rangehen, halte ich zumindest für ineffektiv.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Viele brauchen Nachhilfe nicht weil sie dumm sind, sondern weil sie zu faul und bequem sind. Und wenn dann noch bei den Eltern das Geld locker sitzt und sie sich keine Zeit nehmen wollen oder können, dann geht's halt zur Nachhilfe.


    Bei vielen würde dabei einfach nur reichen, im Unterricht aufzupassen und ab und an zu Hause einfach alleine zu lernen.

  • Sorry, da machst du es dir zu einfach.
    Die Sorte gibt es zwar auch, aber die landet nicht so oft bei der Nachhilfe.
    "Typische" SuS können entweder mit de Ansätzen des jeweiligen Fachlehrers nichts anfangen, oder gehen in einer (viel zu großen) Klasse einfach unter.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Der wesentliche Grund für den Erfolg von Nachhilfe ist effektive Lernzeit, völlig unabhängig von der eingesetzten Methode. Wenn jemand in 4 Stunden Fachunterricht kaum aufpasst und zuhause auch wenig tut, dann machen 1-2 Stunden Nachhilfe in der Woche in der man sich nicht verstecken kann und arbeiten muss schon was aus. ;)

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

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