Anderswo ist es (definitiv) nicht besser... Lage in Frankreich

  • Hier gibt's eine klare Unterscheidung zwischen den Schulstufen. Wir Gymnasiallehrer haben sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Eltern ein recht gutes Ansehen. Das hat aber (auch) mit der Ausbildung zu tun, bei vielen Eltern kommt im Gespräch schnell mal "naja, Sie haben Ihr Fach ja richtig studiert, Sie kennen sich ja aus".

  • nee. Lehrer am Collège und lycée erhalten den selben Lohn für die selbe Stundenzahl.
    Wenn der Lehrer allerdings einen höheren Abschluss (Wettbewerb!) geschafft hat, darf er bei nur 13 Stunden Vollzeit mehr Geld erhalten und kann nur am Lycée oder an der Uni sein.
    Die Grundbesoldung ist in der ganzen Sekundarstufe identisch, die Zuschläge betreffen nur den Klassenlehrer und die Überstunden.

    Natürlich, mein Fehler: Ohne concours geht selbstredend nichts was Erfolg oder mehr Lohn verspricht. Hach, manchmal liebe ich meine bekloppten Franzosen doch auch wieder in ihrer herrlich berechenbaren Art der sozialen Segregation. :P

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Nur so eine Beobachtung von mir: Meine geflüchteten Schüler aus dem arabischen Raum heben Lehrer bzw den Beruf total in den Himmel. Kann es sein, dass man als Lehrer zumindest dort ein hohes Ansehen hat?

    Kenne ich von manchen meiner türkischstämmigen SuS auch so. Von denen weiß ich, dass Lehrer in der Türkei sehr angesehen und echte Respektspersonen sind. Ich weiß auch von den Berichten geflüchteter Eltern, dass in einigen arabischen Ländern Lehrer hoch angesehen sind, weil Bildung ein so hohes, wertvolles Gut ist, dass derjenige, der sie vermittelt entsprechend wertvoll und möglicherweise sogar unersetzlich ist (kleines Dorf, nur ein Lehrer, viele Analphabeten...).



    Zitat von Wollsocken

    (...)Das mit dem "offen und diskussionsfreudig" in Deutschland vs. "unreflektiert und autoritär" in Frankreich finde ich jetzt spannend. Wir haben bei uns an der Schule regelmässig Jugendliche, die erst in die Oberstufe aus dem deutschen Schulsystem ins schweizerische wechseln und genau das gleiche über Deutschland vs. Schweiz sagen. Ich sprach erst heute mit einer deutschen Schülerin, die meinte, sie sei so froh, dass sie jetzt hier ist. Ist natürlich jetzt schwierig zu verallgemeinern, vielleicht sind einfach wir als Schule in dieser Hinsicht besonders gut. So wie ich als Lehrperson während der Ausbildung und auch danach aber diverse andere Gymnasien im Land kennengelernt habe, glaube ich wiederum nicht, dass wir als Schule da so wahnsinnig speziell sind.(...)

    Das könnte ich mir direkt vorstellen vor dem Hintergrund des politischen Systems der Schweiz: Direkte Demokratie erfordert eben noch einmal in ganz anderem Ausmaß reflektierte Beteiligung möglichst vieler (idealiter aller) Bürger. Da Demokratie etwas ist, was man bereits früh lernt und übt wäre es nur konsequent gerade in der Schweiz noch konsequenter diskursive Offenheit zu leben und schulisch zu trainieren. Allerdings sollte diese Offenheit dann im Idealfall halt nicht bei der Diskussionskultur enden, sondern sich auch in den politischen Entscheidungen als Ausdruck gesellschaftlicher Haltungen zeigen. Da sehe ich immer mal wieder in der Schweiz Bestrebungen sich eher stärker abzugrenzen nach außen hin. (Der letzte Teil ist aber natürlich gefärbt von meinen persönlichen politischen Überzeugungen.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Natürlich, mein Fehler: Ohne concours geht selbstredend nichts was Erfolg oder mehr Lohn verspricht. Hach, manchmal liebe ich meine bekloppten Franzosen doch auch wieder in ihrer herrlich berechenbaren Art der sozialen Segregation. :P

    ich bitte dich... wer nicht in der Lage ist, zu jedem möglichen Thema eine ‚dissertation‘ mit 3/3/3 Argumenten-Gliederung zu schreiben, hat wohl vor einer Klasse nichts zu suchen... ;-)
    Und je unsinniger das Thema, desto ‚höher‘ die Klasse.

  • Allerdings sollte diese Offenheit dann im Idealfall halt nicht bei der Diskussionskultur enden, sondern sich auch in den politischen Entscheidungen als Ausdruck gesellschaftlicher Haltungen zeigen. Da sehe ich immer mal wieder in der Schweiz Bestrebungen sich eher stärker abzugrenzen nach außen hin.

    Ich denke, das versteht man erst, wenn man die Innenansicht der Schweizer selbst kennt. Aber das führt zu weit von Frankreich weg. ;)

  • Klingt erstmal nach reichlich Symbolpolitik, denn die eigentlichen Probleme im französischen Bildungssystem werden damit ja nicht angegangen. Angesichts von Macrons bekannter, kritischer Haltung seiner Alma Mater (er ist ja Énarque) gegenüber, auch nicht wirklich überraschend, dass er von allen großen Schulen ausgerechnet die ENA als politisches Zeichen wählt.


    Wer mehr wissen will zu den Mutmaßungen über eine Schließung (und der frz.Sprache mächtig ist):


    https://france3-regions.france…pression-ena-1656214.html


    https://www.lepoint.fr/educati…-04-2019-2307975_3584.php


    Danke für die Info @chilipaprika .

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Interessanterweise zieht es mich in letzter Zeit thematisch im Bereich ‚Schulentwicklung‘ und mein ganzer Schulfrust erinnert mich daran, dass ich vielleich nebenbei wissenschaftlich arbeiten möchte, vielleicht Richtung Promotion... die aktuellen Reformen gäben zumindest reichlich Denkanstösse (wenn ich nur eine komplette Freistellung bekäme, nur um Sachen zu lesen und zu forschen..)

  • Symbolpolitik ist aber in Krisenzeiten immer gut, insbesondere wenn es nicht nur kein Geld kostet, sondern Geld einspart.
    (Sorry, Sarkasmus)

    Stimmt, deshalb muss man ja auch sehr dankbar sein, dass Notre-Dame de Paris äußerst medienwirksam abgebrannt ist. So kann man sich symbolträchtig als Nation versammeln, diese betrauern und beweinen, großartige nationale Gesten wie Ansprachen, Spenden für den Wiederaufbau und präsidiale Zusagen für den Zeitrahmen eines Wiederaufbaus pompös verkünden, statt Geld, Zeit und Kraft in die Bearbeitung echter Probleme zu investieren. Dem Bildungssystem würden ein paar Milliönchen mehr beispielsweise auch nicht schaden. Ach halt: Die ENA wird geschlossen, vom Budget kann man dann ja alternativ das eingestürzte Türmchen wieder aufbauen als Zeichen des nationalen Zusammenhalts. Ist schließlich ja die Basis der Méritocratie und fördert diese damit ungemein!



    (Nicht falsch verstehen, das ist eine wirklich schöne Kirche deren Bausubstanz und historische Schätze zu erhalten ganz bestimmt kein Fehler ist. Es gibt halt nur soviel Drängenderes, wo tatsächliches politisches Handeln erforderlich wäre.)

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • - ein französischer Lehrer arbeitet 18 Stunden à 55 Minuten, 2 Überstunden können nicht abgelehnt werden, es können bis 3 Überstunden kommen

    Naja das sind 16,5 Zeitstunden.
    Ich habe 28*45min = 21 Zeitstunden. im schlechtesten Fall +3 unbezahlte und im schlechtesten Fall bis zu 6 zusätzlich (dann aber bezahlt)


    Die Franzosen haben aber (glaube ich) auch noch 4 Wochen länger Ferien als wir.


    Die anderen vielen negativen Punkte möchte ich allerdings auch nicht haben. Ich würde wohl auch nicht tauschen.


    Es sein denn, es kommen noch ein paar wirklich herausragend gute Pluspunkte.


    Wie sieht es bei denen z.B. mit folgenden Punkten aus:


    - Rentenalter ab?


    - Höhe der Rente?


    - durchschnittliche Klassengröße?


    - Wie wird Krankenversicherung bezahlt?


    - Wie ist die Bezahlung im Krankheitsfall?

  • Alter/ Höhe der Rente schlecht, genauso wie halt in Frankreich, ich müsste nachrecherchieren. Französische LehrerInnen fangen mit 21/22 an zu arbeiten.


    Klassengrösse lässt sich ja wie in Deutschland nicht pauschalisieren, Aber die Tochter einer Freundin ist zum Beispiel in der Vorschule in einer Klasse mit 30 Schülern, sie ist zweieinhalb. In der Grundschule aber auch in der Oberstufe ist Klassengröße von 30 oder in der Oberstufe 30+ relativ normal.


    Die Krankenversicherung ist halt die ganz normale Sozialversicherung. Im Krankheitsfall gilt jetzt mittlerweile für Lehrer wie für viele andere Angestellte in Frankreich, dass die ersten drei Tage nicht bezahlt werden. Anders als in der Privatwirtschaft, wird allerdings der Lohnausfall nicht vom Arbeitgeber übernommen.


    Chili

  • Rentenalter ist angeblich auf 62 gestiegen (https://de.ambafrance.org/Renteneinstiegsalter-steigt-in ). Würde ich also mit "gut" und nicht "schlecht" bewerten.


    21/22 anfangen zu arbeiten. Das wäre bei mir auch fast gewesen. Ich habe mit 24 angefangen. War aber auch 1 Jahr beim Wehrdienst. Gibt es heute so nicht mehr. Hätte also mit 23 heute anfangen können. Bin erst mit 7 eingeschult worden. Normal ist ja eher 6. Und hatte noch 13 Schuljahre. Da haben ja einige im Moment nur 12. Diese Nachteile haben ja einige heute nicht mehr. Da werden einige Ref auch hier auf 21 als Einstiegsalter kommen.


    Altersermäßigung wäre evtl noch interessant. Wird bei denen der Stundenumfang reduiziert, wenn sie ein bestimmtest Alter erreicht haben?

  • Da werden einige Ref auch hier auf 21 als Einstiegsalter kommen.

    Wie soll das gehen?


    Einschulung mit 6, dann g12... mit Abitur in der Tasche ist man also 18. Das Studium dauert heute 9 Semester Regelstudienzeit (ok, langwierige Praktika gibt es nur im Berufsschulbereich). Also maximal 24 könnte ich mir noch vorstellen, aber noch jünger wird schwer.



    Stimmt, deshalb muss man ja auch sehr dankbar sein, dass Notre-Dame de Paris äußerst medienwirksam abgebrannt ist. So kann man sich symbolträchtig als Nation versammeln, diese betrauern und beweinen, großartige nationale Gesten wie Ansprachen, Spenden für den Wiederaufbau und präsidiale Zusagen für den Zeitrahmen eines Wiederaufbaus pompös verkünden, statt Geld, Zeit und Kraft in die Bearbeitung echter Probleme zu investieren.

    Warten wir erst einmal ab, was bei der Untersuchung rumkommt. Mein letzter Stand ist, daß es Renovierungsarbeiten in der Kathedrale gab und die Handwerker ihre Elektrowerkzeuge oben im Dachstuhl gelagert haben. Hat jetzt eines dieser Werkzeuge durch einen Kuzschluß den Brand ausgelöst, ist der Wiederaufbau ein Fall für die Haftpflicht-Versicherung des Handwerkers und es ist mal zu hoffen, daß seine Deckungssumme ausreichend hoch ist.
    Sollte es so kommen, kannst die inzw. gespendete 1. Mrd. €uro dazu nutzen die Schulen auf vordermann zu bringen.


    Und außerdem: So ein Symbol bedarf es, um eine Nation zu einen. Rate mal, warum Kennedy in den 1960ern das Rennen zum Mond ausgerufen hat? Genau, um von Vietnam abzulenken und der bis dahin immer noch existierenden Rassentrennung. Paris brannte in den vergangenen Wochen aufgrund der Gelbwesten-Proteste oft genug und in den Banlieue brennt die Luft auch.

  • 9 Semester sind aber nicht 6 Jahre.


    Hat sich die Regelstudenienzeit so stark erhöht? War zu meiner Zeit 6 Semester + 1 Semester Prüfung. So langebrauchte man aber nicht dafür. Ich habe es in 5 gemacht. Also 2,5 Jahre. Hatte den schönen Nebeneffekt, dass man nicht so viel BAFÖG zurückzahlen musste. Ich glaube es waren 2000 € Ermäßigung.

  • ah. ok. Kommt jetzt darauf an, was du bzw die Franzosen unter Arbeiten verstehen. Ref habe ich mal als Arbeit gezählt, da ich dafür ja auch bezhalt worden bin.
    Wie ist das den in Frankreich, wenn die mit 21 anfangen? Ist deren Studium so kurz wie es hier damals war, gibt es dort kein Ref, ... oder wie kommen die auf die 21 als Einstiegsalter?


    Im Grunde ist 21 dann ja kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Sie werden schon bezahlt, wärend unsere Studenten noch unbezahlt arbeiten (lernen, Praktika, ... sind ja vom Prinzip auch Arbeit).

  • 9 Semester sind aber nicht 6 Jahre.


    Hat sich die Regelstudenienzeit so stark erhöht? War zu meiner Zeit 6 Semester + 1 Semester Prüfung. So langebrauchte man aber nicht dafür. Ich habe es in 5 gemacht. Also 2,5 Jahre. Hatte den schönen Nebeneffekt, dass man nicht so viel BAFÖG zurückzahlen musste. Ich glaube es waren 2000 € Ermäßigung.

    In MV waren es 9 + 1 (wenn du zB eine Sprache nachholen musstest wie Latein). Ich war in 5 soweit fertig, dass ich meine Staatsexamensarbeit schrieb, nach Abgabe musste ich dann noch ein ganzes Jahr warten und kam letztendlich bei 8 Semestern raus.

    • Nicht, wer zuerst die Waffen ergreift, ist Anstifter des Unheils, sondern wer dazu nötigt. -Machiavelli-
    • Zwei Mächte gehen durch die Welt, Geist und Degen, aber der Geist ist der mächtigere. -Napoleon-
    • In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst! -Augustinus-
  • ah... Einen kleinen Unterschied sehe ich gerade noch. Ich bin ja "nur" Sek I. Ich glaube die Sek II Leute hatten zu meiner Zeit 8 + 1 Semester Regelstudienzeit. Da müsste man in Frankreich jetzt mal auch gucken, ob das unterschiedlich ist. Wie gesagt: Wenn die dann aber sogar schon mit 21 bezahlt werden, dann ist das aus meiner Sicht evtl. ein Vorteil des Systems und kein Nachteil.

  • Ich habe das Ref mit 22 begonnen. (Eingeschult mit 6, 12 Jahre Schule, mit gerade 18 Abi (Im Jahr 2000). 8 Semester studiert. Ref dann 1,5 Jahre.

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