Referendariat abbrechen / Beruf wechseln

  • Hallo zusammen,


    ich bin neu hier im Forum und starte direkt mal mit einem sehr ernsten Thema. Ich befinde mich momentan im Referendariat in NRW und bin mit meiner gesamten Situation sehr unzufrieden. Ich stelle Tag für Tag fest, dass ich für diesen Beruf nicht geeignet zu sein scheine. Die zahlreichen Praktika während meines Studiums konnten mir einfach nicht genug Einblicke in den Arbeits- / bzw. Schulalltagen geben, um festzustellen, dass dieser Beruf höchstwahrscheinlich doch nicht das Richtige für mich ist... Nun bin ich mitlerweile an dem Punkt angelangt, an dem für mich feststeht, dass ich nicht weiter als Lehrer arbeiten möchte oder sogar kann. Die Vorstellung dies mein Leben lang zu tun verursacht mir jeden morgen bevor ich zur Schule fahre Bauchschmerzen und meine gesamte Laune sinkt seit Beginn des Referendariats immer weiter in den Keller. Woran es genau liegt, kann ich selbst nicht zu 100% zuordnen, es fühlt sich an als ob das gesamte Schulumfeld einfach nicht der richtige Platz für mich ist. Das Unterrichten und vor Schülern stehn ist dabei eigentlich mein kleinstes Problem, eher alles drum herum macht mich einfach total fertig. Nun stellt sich mir die Frage welche Alternativen es gibt, ob es Sinn macht das Referendariat vorzeitig abzubrechen und welche Chancen es überhaupt gibt. Eventuell hat hier jemand eine ähnliche Situation durchlebt und kann mir von seinen Erfahrungen und Lösungswegen berichten. Ich bin momentan für jeden Tipp oder Ratschlag dankbar.


    Kurz zu meiner Person, ich bin gerade 28 Jahre alt geworden, unterrichte an einer IGS und habe vor dem Lehramtsstudium bereits eine kaufmännische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Daher auch mein Gedanke eventuell in diesen Bereich zurückzukehren. Idealerweise die Erfahrungen aus beiden "Arbeitsbereichen" zu kombinieren in einem anderen Job...


    Gruß Gumba

  • Keine einfache Frage. Aber wenn es nicht das Unterrichten und die Schüler für dich nicht das Problem ist, dann wäre es auch möglich, dass es einfach die falsche Schule ist oder einfach das Ref mit all seinen Anforderungen, den Aufwand, den man dafür leisten muss und der dazugehörige Stress, was dich im Moment so fertig macht.

    Den richtige Rat dir zu geben ist nicht so einfach. Wenn du dich so unwohl fühlst, dann solltest du abbrechen. Ich habe aus solchen Gründen mal eine Ausbildung abgebrochen. Auf der anderen Seite hast du dein Ref doch bis zur Hälfte ungefähr rum. Vielleicht solltest du es einfach durchziehen und dann schauen. Dann hättest du zumindest die Möglichkeit doch in den Schuldienst zurückzukehren, wenn du dich später mal umentscheiden möchtest.

    Manchmal schlägt das Leben eben auch seltsame Purzelbäume und man merkt später, dass es vielleicht doch der richtige Beruf wahr. Allerdings bist du bei weitem auch jung genug, noch mal neu durchzustarten.

  • Huhu,

    bist du sicher, dass das Problem der Beruf an sich ist, oder doch eher diese Schule bzw. diese Schulform?

    Wie weit bist du im Ref denn schon? Würde es Sinn machen, die UPP noch durchzuziehen? Vielleicht ändert sich das Gefühl, wenn der Ausbildungsdruck wegfällt?

    LG

  • Ohje, wäre es nicht sinnvoller, nicht gerade unter Lehrer*innen Rat zu suchen?


    Letztlich kann man nur Fragen stellen. Warum hast du auf Lehrer umgesattelt? Was für eine Ausbildung hast du absolviert/welches Studium beendet, an die man anknüpfen könnte? Was stört dich an deiner jetzigen Tätigkeit-> was suchst du, vermisst du?


    Generell ist es natürlich immer besser, seinen Abschluss zu beenden, aber das wirst du auch vorher gewusst haben.

  • Hmmm... IGS kann natürlich die Hölle sein - je nachdem welche es ist.

    Und Kaufmann hast du vorher gelernt?

    Wie wäre es ggf mir ner Berufsschule im kaufmännischen Bereich? Vielleicht passt da einfach das Klima besser...

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Vielleicht solltest Du Dir professionellen Rat suchen. Google mal "lehrer beratung neuorientierung".

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Danke schonmal für die vielen Antworten! Natürlich werde ich mir auch noch professionellen Rat suchen, bin mir aber momentan unsicher ob mir beispielsweise die Arbeitsagentur überhaupt weiterhelfen kann.


    Da viele gefragt haben, ob es eventuell an der Schulform oder am Stress im Ref liegt: Nein, ich würde Stand jetzt sagen eher nicht. Es sind andere Dinge die mich belasten. Wenn man es so sagen kann ist es vor allem der "soziale Druck". Ständig im Mittelpunkt zu stehen, von außen ständig beurteilt zu werden, eine Art Vorbildfunktion leben zu "müssen". Ich fühle mich im ganzen Schulumfeld eingeengt und habe das Gefühl kein Privatleben mehr zu haben. Das klingt jetzt vielleicht komplett dumm, aber irgendwie schränkt mich der Gedanke Lehrer zu sein in meinem ganzen Handeln und Leben ein. Vielleicht sind auch Lehrer hier, die das eventuell nachvollziehen können. Ich wünsche mir momentan einen Beruf, bei dem ich morgens hinfahre und abends nach Hause und dann ist Feierabend. Klingt blöd, da ich ja einen kaufmännischen Beruf gelernt habe und das damals aufegeben habe, aber dadurch kann ich jetzt auch einen Vergleich ziehen und merke, dass mir dieser geregelte Rythmus irgendwie besser gepasst hat, leider. ich wollte Lehrer werden, weil ich gerne mit jungen Erwachsenen arbeite, daher macht mir der Unterricht momentan auch absolut keine Sorgen. Aber der "Arbeitsalltag" passt vom Gefühl her einfach nicht zu meinem Leben momentan.


    Ich stehe noch relativ am Anfang vom Ref, Prüfungen sind also noch keine in Sicht und es wundert mich ehrlich gesagt auch, dass es mir nach ein paar Wochen schon so geht. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich nach dem Studium direkt umgesattelt... Ich habe Germanistik und Geschichte studiert (auf Lehramt natürlich). Momentan spiele ich mit dem Gedanken in Richtung Berufs- und Studienberatung zu gehen, da ich da mein Studium (Bildungswissenschaften) mit meiner "Büro"- Ausbildung eventuell kombinieren könnte. Hat da jemand Erfahrungen mit gemacht, eventuell auch im Umfeld?

  • bin mir aber momentan unsicher ob mir beispielsweise die Arbeitsagentur überhaupt weiterhelfen kann.

    Kurze Antwort: Eher nein. Nachfragen lohnt sich eventuell trotzdem - ich hatte dort mal einen Berater, der ehemaliger Hauptschullehrer war. Das ist aber Glückssache. Die meisten Berater bei der AA können mit Lehrern nichts anfangen.

  • Bevor du wirklich abbrichst, erkundige dich, ob du in deinem Bundesland dann später noch einmal die Chance bekommst, das Ref. doch noch zu machen. Das ist nämlich nicht überall so. Es könnte ja sein, dass du es dir nach einer Auszeit noch einmal überlegst.

    Wenn du noch am Anfang des Ref. stehst, kann ich dich trösten, dass ich auch erst einmal das Gefühl hatte, am falschen Platz zu sein. Erst als ich eigenverantwortlicher agieren konnte, fühlte ich mich irgendwie besser.

  • Das Referendariat und das Leben als Lehrer sind "unvergleichlich ;)
    Ich kenne nur SEHR wenige Kollegen, die das Referendariat genossen haben - und bin mir sicher, dass die flunkern.
    Im Referendariat stehst du ständig auf dem Präsentierteller, wirst von Schülern, Eltern, Mentoren, Prüfern und Kollegen pausenlos klassifiziert und beurteilt. DAS ist der Hauptstress. Sobald diese Phase und die Prüfungen überstanden sind, hast du ein anderes Leben.

    Du hast eine lange Phase mit Studium und Prüfungen hinter dir. Wenn du das Referendariat abbrichst, war diese Ausbildung zwar nicht "für die Katz", aber du verzichtest auf den vollwertigen Berufsabschluss, der dir im kaufmännischen Bereich Karrierechancen bieten könnte. Wenn du jetzt hinschmeißt, bist du "Abbrecher" und wirst dich immer (auch vor dir selbst) rechtfertigen müssen. Schon deshalb mein Rat: Investiere dieses Jahr, zieh' das durch - zumal du ja mit den Schülern zurecht kommst.

    Falls du doch (oder anschließend) die Richtung ändern möchtest oder Interesse an einem "Eignungstest für den Lehrerberuf" hast - seit einigen Jahren sammle ich aus verschiedenen Foren, Threads, Facebook-Kommentaren Tipps und Anregungen und Alternativen zum Thema Lehrerberuf unter dem Motto:" No way in or no way out?"
    Guggst du hier:
    https://www.autenrieths.de/lehrerberuf.html

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • Kurze Antwort: Eher nein. Nachfragen lohnt sich eventuell trotzdem - ich hatte dort mal einen Berater, der ehemaliger Hauptschullehrer war. Das ist aber Glückssache. Die meisten Berater bei der AA können mit Lehrern nichts anfangen.

    Die meisten Mitarbeiter in der Arbeitsagentur kann mit Akademikern nichts anfangen. Da könnte man richtig Geld sparen, wenn man diesen unnötigen Laden schließen würde. Ich persönlich kennen niemanden, dem dort geholfen wurde.

  • es gibt für gewöhnlich eine extra akademiker-beratung. die können dir ein bisschen helfen, vielleicht auch gar nicht, kommt immer drauf an, was genau du brauchst und möchtest. coaching ist nicht ihre aufgabe. ich würde mir an deiner stelle einen coach suchen, der/die dir sympathisch ist, und dann mit dem/der arbeiten.

  • Ich bin momentan für jeden Tipp oder Ratschlag dankbar.


    Kurz zu meiner Person, ich bin gerade 28 Jahre alt geworden, unterrichte an einer IGS und habe vor dem Lehramtsstudium bereits eine kaufmännische Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Daher auch mein Gedanke eventuell in diesen Bereich zurückzukehren. Idealerweise die Erfahrungen aus beiden "Arbeitsbereichen" zu kombinieren in einem anderen Job...


    Gruß Gumba

    Meiner Meinung nach würde ich mal bei Online-Lernplattformen oder bei Schulbuchverlagshäusern nach Stellen suchen. Sofatutor usw. gibt es ja. Außerdem wachsen ständig neue Dinge aus dem Boden. Tivola macht auch gute Kindersoftware - andere APPs laufen auch mehr und mehr.

  • Zitat

    Im Referendariat stehst du ständig auf dem Präsentierteller, wirst von Schülern, Eltern, Mentoren, Prüfern und Kollegen pausenlos klassifiziert und beurteilt.

    Ich kann zwar nicht von Erfahrungen aus dem Referendariat sprechen, aber von der als Vertretungslehrer:


    Ich hatte immer das Gefühl, dass das Lehrer-Dasein ein Beruf ist, bei dem man extrem wenig auf dem Präsentierteller steht. Klar, man steht vor einer Klasse, vor den Schülern - aber ansonsten schaut einem kein Mensch auf die Finger. Es gibt kaum einen Beruf, bei dem man bei seinem Tun so wenig beschaut und vor allem kontrolliert wird.


    (In der freien Wirtschaft stehst Du ständig auf dem Präsentierteller, wirst von Kollegen, Mitarbeitern, Vorgesetzten, Auftraggebern und Kunden* pausenlos klassifiziert und beurteilt.)

    * Die Kunden sind oft das größte Problem, bzw. das, was der Arbeitgeber aus dem Verhältnis zum Kunden macht...


    Interessant, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen so sind ;)


    Zitat


    Ich wünsche mir momentan einen Beruf, bei dem ich morgens hinfahre und abends nach Hause und dann ist Feierabend.


    Hä? Da kann ich nur lachen. Vielleicht nach Deiner Berufserfahrung aufgrund eines Ausbildungsberufes. Wenn Du mit Hochschulabschluss in die Wirtschaft gehst und dort - wie zumeist - im Projektgeschäft bist, kannst Du Dir das abschminken. Da gelten ganz andere Regeln. Eigentlich sollte Dir das bekannt sein.


    Ich würde mir auch tunlichst überlegen, als Pädagoge in die Wirtschaft zu gehen, zumindest im Bereich der privaten Lehre/Dozententätigkeit/Coaching u.ä. Der Markt dort ist, je nach Region, extrem ausgesucht. Bzw. gibt es eigentlich nur noch Angebote, die letztlich in der freiberuflichen Tätigkeit münden, mit Honoraren, bei denen Du als Dozent am besten noch Geld mitbringst! Um mal konkret zu werden: Ein Bildungsträger, der deutschlandweit aktiv ist und durchaus einen Namen hat, zahlt ein Honorar von 20 Euro pro Stunde, sofern Berufserfahrung vorhanden (ohne Berufserfahrung weniger). Als Honorar wohlgemerkt, es gehen die Steuer davon runter, sowie die private zu zahlende Krankenversicherung. Am Ende liegt man im Vergleich weit unter dem vergleichbaren Mindestlohn für pädagogische Mitarbeiter in Höhe von 16,39 € pro Stunde (sofern mind. Bachelor vorhanden). Dergenannte Bildungsträger ist nur EIN Beispiel, bei den anderen sieht es genauso aus. Jedenfalls hier in der Gegend.


    Ich weiß ja nicht, wo Du herkommst. Aber mein Rat: Mach das Ref wenigstens zu Ende !!! und überlege DANACH, umzusteigen.

  • Ich würde mir auch tunlichst überlegen, als Pädagoge in die Wirtschaft zu gehen, zumindest im Bereich der privaten Lehre/Dozententätigkeit/Coaching u.ä. Der Markt dort ist, je nach Region, extrem ausgesucht. Bzw. gibt es eigentlich nur noch Angebote, die letztlich in der freiberuflichen Tätigkeit münden, mit Honoraren, bei denen Du als Dozent am besten noch Geld mitbringst! Um mal konkret zu werden: Ein Bildungsträger, der deutschlandweit aktiv ist und durchaus einen Namen hat, zahlt ein Honorar von 20 Euro pro Stunde, sofern Berufserfahrung vorhanden (ohne Berufserfahrung weniger). Als Honorar wohlgemerkt, es gehen die Steuer davon runter, sowie die private zu zahlende Krankenversicherung. Am Ende liegt man im Vergleich weit unter dem vergleichbaren Mindestlohn für pädagogische Mitarbeiter in Höhe von 16,39 € pro Stunde (sofern mind. Bachelor vorhanden). Dergenannte Bildungsträger ist nur EIN Beispiel, bei den anderen sieht es genauso aus. Jedenfalls hier in der Gegend.


    Ich weiß ja nicht, wo Du herkommst. Aber mein Rat: Mach das Ref wenigstens zu Ende !!! und überlege DANACH, umzusteigen.

    1000x % Zustimmung :aufgepasst:

  • Die Tätigkeit als Vertretungslehrer ist nicht repräsentativ für den Lehrerberuf. Als Vertretungslehrer wirst Du natürlich lange nicht so intensiv beurteilt wie als Referendar oder auch wie als richtiger Lehrer, sondern kannst im Prinzip wurschteln und machen wie Du willst. Deine Aufgabe ist ja dann auch nicht richtiger Unterricht, sondern auf dem Papier die Unterrichtsversorgung sicherzustellen.


    Und in der Wirtschaft kommt es schon auch auf den konkreten Job an, inwieweit man unter Dauerbeobachtung und Dauerstress steht. Die ruhige Kugel gibt es überall, man muss sie nur finden.


    Zustimmung allerdings zu Deinen Ausführungen über Dozententätigkeiten bei irgendwelchen Bildungsträgern. Das ist schon ein düsteres Kapitel.

    Die Mutter der Dummen ist immer schwanger.

  • Als Honorar wohlgemerkt, es gehen die Steuer davon runter, sowie die private zu zahlende Krankenversicherung. Am Ende liegt man im Vergleich weit unter dem vergleichbaren Mindestlohn für pädagogische Mitarbeiter in Höhe von 16,39 € pro Stunde (sofern mind. Bachelor vorhanden).

    Was die meisten in ihrem "jugendlichen Leichtsinn" nicht bedenken:
    Falls du von diesem Honorar keine private Altersvorsorge aufbaust, darfst du dich im Alter auf den Sozialhilfesatz einstellen und dein Mittagessen in der Tafel holen.

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • Ich glaube nicht, dass ein repräsentativer Anteil der freiberuflich tätigen Dozenten aus "jugendlichem Leichtsinn" handelt. Eher aus "adulter Alternativlosigkeit".

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