Taliban besetzten Präsidentenpalast in Kabul

  • Hallo,

    Ich habe gerade diese Meldung auf der Website der Tagesschau gelesen: https://www.tagesschau.de/ausl…bul-taliban-sieg-101.html


    Die Taliban haben Demnach den Präsidentenpalast in Kabul besetzt. Der afghanische Präsident ist geflohen.


    Was meint ihr dazu wie das wohl einzuordnen ist? Nach all den ganzen kräftezehrenden und fragwürdigen Einsätzen der USA und anderer Länder. Man steht ja jetzt gewissermaßen wieder vor dem Scherbenhaufen, den man seit 2001 vergeblich versucht hat wegzuschaffen.


    Wie denkt ihr eigentlich darüber, wie es wohl weitergeht insgesamt in den Krisenstaaten Afghanistan, Iran, Irak, auf lange Sicht?


    Wenn ich mir die Zustände In diesen Ländern Der letzten 20 Jahre insgesamt ansehe, so kommt in mir unweigerlich ein Bild hoch, dass sehr an eine immerwährende Sissyphusarbeit erinnert.


    „Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass ein Staat eine Demokratie wird, solange gewisse Teile der Bevölkerung nicht willens oder (Intellektuel) in der Lage sind die Bedingungen eben jener anzunehmen und zu akzeptieren“.


    Ich finde in diesen Worten steckt einiges an schonungsloser Wahrheit...was meint ihr? Ob es wohl jemals so etwas wie Frieden in diesen Ländern geben wird?...Ich habe immer mehr den Eindruck, dass alleine der Gedanke daran schon so optimistisch ist, dass er fast kindlich, naiv erscheint.

    • Offizieller Beitrag

    Der Westen muss aufhören, der islamischen Welt zu erklären, wie sie zu leben hat. (Das lassen sich übrigens die Chinesen genauso wenig vorschreiben.)

    Ich habe es hier ja schon öfter geschrieben. Der Islam begreift sich als überlegene Kultur - das steht im Widerspruch zu den politischen und ökonomischen Realitäten. Wenn man es zuspitzt, dann sind die Religiosität und die Herrschaft des Mannes (über die Frau) die beiden Bereiche, die dem Islam geblieben sind in einer Welt, in der er keine große politische und ökonomische Rolle mehr spielt.


    Vor diesem Hintergrund werden Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit als Gefährdung der eigenen Kultur wahrgenommen - das war im Christentum aus Sicht der katholischen Kirche über Jahrhunderte nicht wesentlich anders. In Europa hat man sich seit der Reformation über fast zwei Jahrhunderte hinweg deswegen gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Und der Weg zur Demokratie hat auch in Europa seit der französischen Revolution bis Mitte des 20. Jahrhunderts die physische Eliminierung des politischen Gegners als probates Mittel der politischen Auseinandersetzung gekannt.


    Dass es für eine Gesellschaft in der heutigen Welt ruinös ist, 50% ihrer Mitglieder Bildung und Teilhabe und damit die Möglichkeit auf Fortschritt für die Gesellschaft zu verwehren, muss die islamische Welt erst in ihrer Gänze begreifen.

    Auch wenn die politische und ökonomische Dominanz des Westens ein Ergebnis militärischer Überlegenheit und der Schwäche der islamischen Welt war, so fehlt der islamischen Welt die Erkenntnis, dass der Westen nicht trotz der Teilhabe der Frauen sondern gerade wegen selbiger seine Dominanz wahren wird.


    So lässt es sich ganz primitiv auf den Nenner bringen, dass wenn Du sonst nichts mehr hast, auf das Du stolz sein kannst, es eben wahlweise Deine Religion, Dein Land oder das Ding zwischen Deinen Beinen sein muss. Das kann der Westen leider nicht "heilen". Die Einsicht muss aus sich selbst heraus wachsen.

  • Michael Moore hat mal sinngemäß gesagt, dass die USA nach 9/11 hätten trauern sollen, statt zu rächen, das hätte viel Leid erspart. Ich denke das auch.


    Es ist trotzdem furchtbar, zuzugucken. Vor allem Mädchen und Frauen werden Gewalt ausgesetzt sein. Was erwartet man von Menschen, die Musik verbieten.

  • Der Westen muss aufhören, der islamischen Welt zu erklären, wie sie zu leben hat.heraus wachsen.

    Das geht dann nur leider damit einher, dass man hinnehmen muss, dass ungläubige vor Kameras geköpft werden, Mädchen der Schulunterricht verwehrt wird, Frauen als rechtloses Eigentum des Mannes betrachtet werden.

    Die Taliban sind nicht "die Islamische Welt", sondern eine Terrororganisation übelster Prägung, deren Menschenverachtung das Nazi-Regime nur deshalb nicht in den Schatten stellt, weil sie nicht die Mittel dazu haben, die Menschen über ihr unmittelbares Umfeld hinaus zu terrorisieren.

    Trotzdem hast du nicht unrecht, ein Gesellschaft kann sich nur von innen heraus ändern. Aber der Prozess wird schwer zu ertragen sein.

  • Ich denke, der Westen übte genug Druck auf Afghanistan aus. Wenn nach 20 Jahrem binnen kürzester Zeit wieder der Taliban an der Macht ist, ist das von einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung schlichtweg so gewollt.

    Auch Deutschland war mal im Mittelalter und brauchte seine Zeit, um zu dem heutigen Verständnis von gesellschaftlichem Miteinander zu kommen. Afghanistan wird wohl länger dafür brauchen, aber dann ist das wohl einfach so.

  • Was meint ihr dazu wie das wohl einzuordnen ist?

    Gewaltsamer Demokratieexport funktioniert halt nicht. Das war aber schon lange vorher bekannt. Außerdem sollten wir (der Westen) mal aufhören unsere Vorstellung von Demokratie und Zivilisation als maß aller Dinge zu sehen und es anderen aufdrücken zu wollen.


    Wenn ich mir die Zustände In diesen Ländern Der letzten 20 Jahre insgesamt ansehe, so kommt in mir unweigerlich ein Bild hoch, dass sehr an eine immerwährende Sissyphusarbeit erinnert.

    Diese Sissyphusarbeit sollte in den entsprechenden Staaten und von den Menschen dort geleistet werden.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Das geht dann nur leider damit einher, dass man hinnehmen muss, dass ungläubige vor Kameras geköpft werden, Mädchen der Schulunterricht verwehrt wird, Frauen als rechtloses Eigentum des Mannes betrachtet werden.

    Die Taliban sind nicht "die Islamische Welt", sondern eine Terrororganisation übelster Prägung, deren Menschenverachtung das Nazi-Regime nur deshalb nicht in den Schatten stellt, weil sie nicht die Mittel dazu haben, die Menschen über ihr unmittelbares Umfeld hinaus zu terrorisieren.

    Trotzdem hast du nicht unrecht, ein Gesellschaft kann sich nur von innen heraus ändern. Aber der Prozess wird schwer zu ertragen sein.

    Ich stimme Moebius weitgehend zu, möchte aber ergänzen, dass ich froh bin, dass uns vor 76 Jahren die Demokratie von außen aufgedrückt wurde. Und auch in Deutschland hat es sehr lange gedauert (mindestens 1968? (Westen), ? (Osten)), bis die Demokratie von vielen "verstanden" wurde (und wie viele würden sie damals/heute gegen Terrorbanden verteidigen?). Was wäre passiert, wenn sich Amis und Co. vorzeitig verabschiedet hätten (die Taliban konnte ja in einigen Regionen überleben)?


    Eine Gesellschaft kann sich nur von innen heraus ändern? Wie kann man sich etwas wünschen (dahin ändern), wenn man es nicht kennt? Auch viele Menschen in der ehemaligen DDR wollten anfangs "nur" reisen und die D-Mark. Sollen alle anderen deshalb leiden? (Ich habe oft überlegt, wie es heute dort ohne Wiedervereinigung aussehen würde? Wie in Polen? Demokratie für alle (auch für Minderheiten wie z. B. Homosexuelle oder Farbige)? Wie würde es im Westen aussehen, wenn zwar der 2. Weltkrieg beendet worden wäre, aber gegen Nazis nur halbherzig vorgegangen worden wäre? Deutsches Wesen? Afghanisches Wesen?


    (Allerdings ist es der Westen in Afghanistan sehr schlecht/halbherzig angegangen. Es wurden sehr viele Fehler gemacht, sehr viele Menschen enttäuscht. Jetzt müssen wir uns auf sehr viele Flüchtlinge und auch Terroranschläge einstellen. Da ich Deutsche bin, ziehe ich noch einmal die Nazis heran, sie blieben auch nicht in Deutschland, sondern haben die Welt mit ihrem Terror "beglückt". Auch die Taliban wird nach ihren Möglichkeiten die Welt "beglücken".)


    Gewaltsamer Demokratieexport funktioniert halt nicht. Das war aber schon lange vorher bekannt. Außerdem sollten wir (der Westen) mal aufhören unsere Vorstellung von Demokratie und Zivilisation als maß aller Dinge zu sehen und es anderen aufdrücken zu wollen.


    Diese Sissyphusarbeit sollte in den entsprechenden Staaten und von den Menschen dort geleistet werden.

    Hat vor 76 Jahren in Deutschland funktioniert, dauert aber lange (länger als 20 Jahre).


    Und ich glaube nicht, dass sich die Deutschen in der Mehrheit gegen Hitler und evtl. Nachfolger erhoben hätten, ein paar ja, zahlten es mit ihrem Leben, ein paar mehr gehorchten aus Angst, vielen ist es egal (und wissen auch zu wenig) und viele sind auch überzeugt (vor allem, wenn sie als Kinder in der Nazizeit (und davor im Kaiserreich) aufgewachsen sind, die Demokratie in der Weimarer Zeit (auch zu kurz, es müssen mindestens eine, besser 2 Generationen heranwachsen) war auch keine Werbung. Wir werden in der Kindheit geprägt.


    Ich habe in meiner Kindheit (bin ja etwas älter als die meisten hier) noch oft gehört, Hitler war gut, der Krieg wurde von außen aufgedrückt, wenn wir nicht verloren hätten, es waren Menschen, die vor 1930 geboren wurden.

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

    • Offizieller Beitrag

    Also dass uns die Demokratie von außen aufgedrückt wurde, kann ich als Historiker in der Pauschalität nicht stehen lassen - und der Vergleich zwischen der deutschen Geschichte und dem, was in Afghanistan passiert ist, hinkt mehr als nur gewaltig. Das wäre aber eher Gegenstand einer Fachdiskussion, die das eigentliche Thema hier sprengen würde.

    Nur ganz kurz:

    Im Gegensatz zu Afghanistan war Deutschland Teil der westlichen Welt und somit deutlich kompatibler zu den westlichen Werten und zur Demokratisierung, zumal ja bereits Strukturen vorhanden waren und die politische Teilhabe als Grundwert seit 1870 vorhanden war. Die vorhandenen Strukturen haben auch das so genannte Wirtschaftswunder ermöglicht, da an bestehende Strukturen angeknüpft werden konnte und diese nicht von Grund auf neu geschaffen werden mussten.


    Vor diesem Hintergrund ist Afghanistan verloren. Und vor diesem Hintergrund sind alle konservativ-islami(sti)schen Länder ohne langfristige ökonomische Perspektive für die Breite der Gesellschaft mehr oder weniger verloren.

  • Politische Teilhabe seit 1870? Für die Masse oder nur für eine Elite, einzelne (sozialistische u.a.) Kämpfer? Bismarck ist sehr geschickt vorgegangen, Hindenburg (dort verwurzelt) hat Hitler mitermöglicht und eine Demokratie hat kaum jemand verteidigt (wer auch).


    Wirtschaftswunder ist auch in Diktaturen möglich (China beruhigt so seine Massen). Man muss es geschickt angehen (klappt nicht, wenn einer zu lange an der Macht bleibt, was wäre gewesen, wenn Honecker rechtzeitig Platz gemacht hätte?)


    Ich muss weg, diskutiere später gerne weiter.

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    • Offizieller Beitrag

    Politische Teilhabe seit 1870? Für die Masse oder nur für eine Elite, einzelne (sozialistische u.a.) Kämpfer? Bismarck ist sehr geschickt vorgegangen, Hindenburg (dort verwurzelt) hat Hitler mitermöglicht und eine Demokratie hat kaum jemand verteidigt (wer auch).


    Wirtschaftswunder ist auch in Diktaturen möglich (China beruhigt so seine Massen). Man muss es geschickt angehen (klappt nicht, wenn einer zu lange an der Macht bleibt, was wäre gewesen, wenn Honecker rechtzeitig Platz gemacht hätte?)


    Ich muss weg, diskutiere später gerne weiter.

    Kris

    Es geht um Grundsätze, nicht darum wie Teilhabe konkret ausgestaltet war. Ich wollte ebenfalls nicht zu weit ausholen.

    Generell kann man aber wohl auch mit einigen historischen Belegen sagen, dass auch in Monarchien oder anderen eher autoritären Regierungsformen die Akzeptanz derselben dann besonders hoch ist, wenn es den Menschen gut geht. Sie haben dann ja keinen Grund zu klagen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass die Monarchie unter diesen Umständen in Deutschland auch Akzeptanz finden könnte - sie wäre ja das (scheinbare?) Gegenrezept zu der zunehmenden Ineffizienz unseres Systems - insbesondere dann, wenn die Kanzlerschaft nicht auf zwei Legislaturperioden begrenzt wird.

    Das schlägt den Bogen zurück zu Afghanistan. Die Taliban wollen die politische und wirtschaftliche Macht in Afghanistan - aber sie wollen diese Macht nicht dazu benutzen, die Lebensbedingungen dort zu verbessern oder gar politische Teilhabe (v.a. für Frauen) zu ermöglichen. Sie wollen das Land nach ihren (religiösen) Vorstellungen umgestalten.

  • Es gibt ja die Bilder aus dem Nahen Osten aus den 1960er-Jahren. Da sah es so aus, als ob westliche „Lebensweisen“ dort funktionieren würden. Wie kam es dazu, dass diese Gesellschaftsform so schnell so radikal umgeformt wurde? War es zuvor schon einmal so extrem?

  • Es gab von einem ehemaligen Time(s)(?) Korrespondenten mal ein Buch mit der These, dass Demokratie nur dort funktioniert, wo ein größerer Teil der Menschen über einen bestimmten Wohlstand verfügt. Sonst ist die Gesellschaft zu anfällig für Populisten / einfache Antworten / unrealistische Versprechen und auch für undemokratische Ideen. Google sagt mir, dass die These nicht nur von diesem einen Autor vertreten wird ...

    Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen in den Ländern leben, in denen es mit der Demokratie nicht so funktioniert, scheint mir das durchaus eine These zu sein, über die man nachdenken kann.

  • Ich war auch überraschend als ich die Bilder aus den 1960ern und 1970ern sah. Hat mich innerlich gefreut, dass der Nahe Osten schon einmal so weit war, aber es gab wohl interne Gründe, die dazu führten, dass man (aus unserer heutigen, westlichen Sicht leider) letztendlich davon abwich und sich eher in die sehr streng-konservative Richtung entwickelte.

  • Wikipedia schrieb

    "Seit 2003 führen die Taliban ausgehend von Pakistan eine terroristisch-militärische Kampagne gegen die demokratische Islamische Republik Afghanistan und die internationalen Truppen der ISAF in Afghanistan. Hierbei verüben die Taliban mehr als doppelt so häufig gezielte Anschläge gegen die afghanische Zivilbevölkerung als gegen die afghanischen oder internationalen Truppen. Ein Bericht der Vereinten Nationen zeigt, dass die Taliban in den Jahren 2009 und 2010 für über 75 % der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich waren. Menschenrechtsorganisationen haben den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dazu veranlasst, eine vorläufige Untersuchung gegen die Taliban wegen systematischer Kriegsverbrechen durchzuführen."


    Lindbergh schrieb:


    Zitat

    Ich war auch überraschend als ich die Bilder aus den 1960ern und 1970ern sah. Hat mich innerlich gefreut, dass der Nahe Osten schon einmal so weit war, aber es gab wohl interne Gründe, die dazu führten, dass man (aus unserer heutigen, westlichen Sicht leider) letztendlich davon abwich und sich eher in die sehr streng-konservative Richtung entwickelte.


    So ein dummes, überhebliches, arrogantes, hohles, falsches Gewäsch, da platzt mir der Kragen.

    • Offizieller Beitrag

    Es gab in den 1960ern und 1970ern Modernisierungsansätze im Islam, diese wurden aber auch durch das Handeln des Westens im Zuge des Sechstagekrieges (in Bezug auf Ägypten) oder dem Staatsstreich der USA im Iran (Einsetzen des Shahs) zunichte gemacht. Und wie immer ging es ums Geld (Öl) sowie um die Souveränität und das Existenzrecht Israels. In dem von mir immer wieder erwähnten Buch "Destiny disrupted" von Tamim Ansary wird beschrieben, dass die Existenz Israels eine beständige Erinnerung daran sei, dass der Westen in der arabisch-islamischen Welt schalten und walten kann, wie er will. Die Verteidigung des Existenzrechts Israels wird folglich als ein sehr "unfreundlicher Akt" in der islamischen Welt wahrgenommen - bzw. als beständige Demütigung.


    Unsere Integrationsstaatssekretärin wurde in einem Interview zitiert, dass die türkische Seele Anerkennung haben wolle. Und in diesem Punkt sind sich die Seelen der islamischen Welt recht einig. Sie alle wollen Anerkennung. Sie alle wollen nicht Menschen zweiter Klasse auf diesem Planeten (oder im Falle der türkischstämmigen MitbürgerInnen in Deutschland) sein.


    Ich kann das von der Sache her nachvollziehen - erachte das Existenzrecht Israels jedoch für nicht verhandelbar, kritisiere aber gleichzeitig den Expansionswillen dieses Staates. Ich kann nachvollziehen, dass aus Sicht der Muslime der bis heute andauernde Niedergang ihrer einstigen Weltgeltung ab dem 17. Jahrhundert frustrierend sein muss, wenn man sich, seine Kultur und seine Religion als überlegen erachtet und so sozialisiert wurde. Die Realität straft diese Haltung Lügen. Aber wie so oft wissen Menschen, die so fühlen, nicht mit ihrer Wut, ihrem Gefühl der Minderwertigkeit umzugehen. Dies schlägt dann oft in Gewalt um.


    Wenn auf diesem Planeten in China, in Indien, und auf dem afrikanischen Kontinent Milliarden Frauen unterdrückt, entrechtet, misshandelt, gedemütigt oder ermordet werden - oder ethnische und politische Minderheiten - , dann dürfen wir das als Menschen nicht hinnehmen. Gleichwohl tragen wir mit unserem Anspruch auf (ökonomische und politische) Weltgeltung mittelbar dazu bei, dass dies geschieht. Unser Druck wird diese Missstände auf Dauer nicht beseitigen. Wer auf Druck hin seine Traditionen aufgibt, hat das Gefühl sich selbst aufzugeben - das macht kein Individuum und erst recht keine Gesellschaft mit. Und selbst wenn sich die islamische Welt ändern würde - es würde doch nichts an ihrer ökonomischen und politischen Weltgeltung ändern - die vordersten Plätze an den Trögen sind besetzt - von der westlichen Welt - und diese weiß ihre Plätze aufgrund ihrer Stärke nachhaltig zu verteidigen. Und eine Änderung in der islamischen Welt würde nicht gewertschätzt sondern als Beleg der Überlegenheit der westlichen Welt gewertet werden. Da hat die islamische Welt keine Chance.


    Wo müssten wir also anfangen? Richtig. Wir müssten erkennen und einsehen, dass wir Teil des Problems sind. Wenn wir anderen Menschen mehr Teilhabe einräumen, müssen wir einen Teil unserer "Macht" abgeben. Sind wir dazu bereit? Sind wir bereit dafür, die uns angemaßte Überlegenheit ein Stück weit abzulegen und die Plätze an den Trögen zu erweitern oder sich bei den vordersten Plätzen abzuwechseln?

    • Offizieller Beitrag

    Plattenspieler


    Das Existenzrecht Israels nicht infrage zu stellen und dennoch die israelische Expansionspolitik zu kritisieren hat mit Deiner Phrase überhaupt nichts zu tun - ich spreche nur eben den dort lebenden Palästinensern genauso ein Existenz- und Lebensrecht zu.


    Nebenbei:
    Mein Urgroßvater mütterlicherseits war Halbjude und hat im Dritten Reich entsprechende Repressalien erleben dürfen.

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