Taliban besetzten Präsidentenpalast in Kabul

  • Ich finde diesen Beitrag bei Tagesschau 24 dazu recht interessant:


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    Ich fasse mal einige Aussagen des ehemaligen Nato-Generals (ab Minute 3:13) zusammen:

    • Es ist eine Demütigung des Westens und wir werden unsere Prizipien überprüfen müssen.
    • Wir müssen uns neu orientieren.
    • Sie können das Netzwerk der Taliban nicht zerschlagen, sie können auch aus humanitären Gesichtspunkten nicht jeden umbringen.
    • Das westliche Lebensmodell von Gerechtigkeit und Menschenrecht war offensichtlich nicht überzeugend.
    • Die Taliban wollen internationale Anerkennung, sie wollen kein Schurkenstaat sein, der durch andere wieder bekämpft wird.
    • China und Pakistan deuten an, daß sie das [Emirat Afghanistan] anerkennen könnten.
    • Wir als Westgemeinschaft müssen uns fragen, wie gehen wir mit Taliban morgen um. Wir können nicht sagen: "Wir machen gar nichts mehr."
    • Unser Konzept hat noch nirgendwo außerhalb Europas zum Erfolg geführt. Lybien und Tunesien sind Katastrophen, jetzt Afghanistan. Vielleicht hat es auf dem Balkan geklappt.
    • Wir werden von einer wertebasierten Politik in eine interessenbasierte übergehen.
    • Finanziell stehen die Taliban vor einem riesen Scherbenhaufen, gesellschaftlich auch.
  • Der Afghanistan-Experte Ruttig sagte:


    "Man hat von Anfang an auf einen verengten und falschen Kreis von Leuten gesetzt, und damit meine ich nicht in erster Linie die Präsidenten und ihre Kabinette und Berater. Sondern ich meine die Warlords, auf die man als Hauptkraft im Kampf gegen die Taliban gesetzt hat. Man hat ihnen dafür große Teile des politischen Systems überlassen und die Augen vor ihrer Korruption, Verwicklung in den Drogenhandel, Kriegsverbrechen und schlimmsten Menschenrechtsverletzungen verschlossen. Das hat das untergraben, was eine entstehende afghanische Demokratie hätte sein können. Das war der eigentliche Fehler. Die Warlords waren das zersetzende Element in dem neuen Afghanistan, und sie haben jetzt auch nicht lange gegen die Taliban durchgehalten."


    So als Beispiel, warum man nicht einfach gehen kann, schon gar nicht Hals über Kopf, ungeordnet und zu spät, wie es jetzt passiert. "Der Westen" HAT bereits seit vielen Jahren auf vielfältige Weise zur Situation beigetragen, weiß jemand hier, auf welche Weisen genau?


    Die Verantwortung ist da, die können wir m.E. nicht wegdiskutieren. Wahrscheinlich muss man gucken, wie man mit den Taliban redet, damit Menschenrechte möglichst gewahrt werden. Dass Ausreisen kann, wer akut bedroht ist.


    Offenbar gab es auch von Taliban kontrollierte Regionen, in denen Mädchen bis 12 in die Schule dürfen, damit das Bildungssystem nicht kollabiert, etc. Vielleicht besteht Hoffnung auf Mäßigung?:

    https://www.tagesschau.de/ausl…-machtuebernahme-101.html

  • Die Verantwortung ist da, die können wir m.E. nicht wegdiskutieren.

    Und je länger wir unsere Finger in Afghanistan im Spiel haben, desto schlimmer wird es.


    Wir waren da eine Kriegspartei, die Bundeswehr als Helfer zum Brunnenbau ist ein Märchen. Jetzt sollten wir uns nicht immer weiter und weiter in diesen Krieg hinein ziehen lassen, indem wir aus einer falsch verstandenen "Verantwortung" dort immer weiter und weiter mitmischen.

  • Ich verstehe gar nicht, wie man hier aus seiner absolut privilegierten Situation heraus, samt mangelnder Ahnung von der Geschichte dieser Region, irgend eine natürlich voll simple Lösung in ein Forum tippen kann.

    Und ich verstehe nicht, warum es immer eine möglichst komplizierte Lösung (so es überhaupt eine gibt) sein soll.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Es gibt überhaupt keine Lösung für diese Situation, weder einfach noch kompliziert.

    Na irgendwas passiert halt und das ist dann wohl die Lösung, egal wie wir das finden. Im Moment übernehmen die Taliban die Verantwortung, die USA haben sich dafür entschieden, den Präsidenten ausrei(s)ßen zu lassen, Deutschland hat sich dafür entschieden, seine Leute jetzt zu holen und Pakistan Geld zu überweisen, damit keine Flüchtlinge herkommen... Jeder trifft Entscheidungen, die wiederum Auswirkungen haben.

  • Es kursieren Videos, mit Taliban auf dem Trampolin, im Autoscooter und beim Versuch, mit Handys zu telefonieren. Gleichzeitig haben sie jetzt Zugriff auf moderne Waffen der USA für über 71 Milliarden Euro. Wenn's nicht so tragisch wäre, wäre es lustig.

  • Das kann der Westen leider nicht "heilen". Die Einsicht muss aus sich selbst heraus wachsen.

    Was beim Islam leider ungleich schwerer ist, da er die Rechts- und Wirtschaftsordnung gleich mitliefert. Dies verkompliziert die Trennung von Religion und Staat dramatisch, da sie schon aus der religiösen Schrift heraus nicht vorgesehen ist und auch kein Raum für sie gelassen wird.

  • Gewaltsamer Demokratieexport funktioniert halt nicht

    In einigen anderen Fällen hat er aber geklappt. So pauschal ist die Aussage also nicht ganz richtig.
    Vielleicht eher so:
    "Gewaltsamer Demokratieexport ist äußerst schwierig und funktioniert nur unter den richtigen Bedingungen und mit den richtigen Maßnahmen".

  • Was sind denn die "richtigen Bedingungen" und die "richtigen Maßnahmen", um Demokratie gewaltsam zu exportieren?

    Für eine vollständige Antwort habe ich momentan leider keine Zeit.

    Als ein Beispiel würde ich allerdings schon einmal unser kleines Deutschland anführen. Auch hier war es möglich eine sehr tiefgehende anti-demokratische Einstellung der Bevölkerung gewaltvoll zu durchbrechen und sie "umzuerziehen". Das hat auch sehr lange gedauert, war letztendlich aber mehr als erfolgreich.

  • ... Auch hier war es möglich eine sehr tiefgehende anti-demokratische Einstellung der Bevölkerung gewaltvoll zu durchbrechen und sie "umzuerziehen". Das hat auch sehr lange gedauert, war letztendlich aber mehr als erfolgreich.

    Die Weimarer Republik war eine ganz famose Demokratie und die aktuelle Verfassung haben wir uns auch selbst gegeben, oder nicht?

    • Offizieller Beitrag

    Marsi

    Hmmm, das halte ich für eine sehr eigenwillige Geschichtsauffassung. Und wie ich bereits schrieb, waren in Deutschland durchaus demokratische Traditionen und das Konzept der politischen Partizipation vorhanden - die ersten Ausläufer lassen sich wie ein anderer User schrieb bis ins frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Weimarer Republik war ja nicht per se zum Scheitern verurteilt - und wenn ich mich richtig erinnere, dann geht das Ermächtigungsgesetz, das als zentrales Gesetz für die Machtübernahme der Nazis gilt, nicht auf deren eigene Idee zurück. Diese Idee war meines Wissens schon vorher geboren.

    Es ist auch keinesfalls so, als wäre Deutschland nach 1945 ein einziges großes Umerziehungslager gewesen - es wurden bereits 1945 auf kommunaler Ebene demokratische Strukturen wiederbelebt.


    @samu

    Unser Grundgesetz ist ein schlechtes Beispiel. Auch wenn es im Bereich der parlamentarischen Kontrolle der Regierung und der Neuregelung der Kompetenzen der Ämter des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten die Lehren aus der Weimarer Verfassung gezogen hatte, so bedurfte es doch der Genehmigung der Alliierten bzw. der Militärgouverneure - und im Vorfeld wurde klargestellt, was vom parlamentarischen Rat erwartet wurde.

  • Die Weimarer Republik war ja nicht per se zum Scheitern verurteilt

    Sie war vor allem eine Demokratie und die Republik wurde von keiner anderen Nation aufgezwungen. Dass eine Schwachstelle ausgenutzt wurde, macht das zutiefst demokratische Konzept nicht zunichte und die Bevölkerung noch lange nicht anti-demokratisch, richtig?


    ...so bedurfte es doch der Genehmigung der Alliierten bzw. der Militärgouverneure - und im Vorfeld wurde klargestellt, was vom parlamentarischen Rat erwartet wurde.

    Auch das ist m.E. etwas anderes als ein "gewaltvolles Durchbrechen, zutiefst anti-demokratischer Strukturen", die man der Bevölkerung habe "aufzwingen" müssen.


    Davon abgesehen kann man sicher auch in einer anderen Staatsform glücklich werden, die Frage ist doch aber die nach den Menschenrechten und ob die Taliban Interesse daran haben, die Scharia im Einklang mit selbigen auszulegen. Wenn ich mir dann die Buben mit den Maschinengewehren ansehe...

  • extra 3 hat die jahrzehntelange Vorgeschichte zu den jüngsten Ereignissen ziemlich gut auf den Punkt gebracht:

    • Afghanistan: Das Versagen der Bundesregierung  • Die Geschichte der Taliban in Afghanistan


    Wer es ausführlicher mag, vier einstündige Dokus gibt es zur Zeit noch bis zum 11.9. (!).in der arte-Mediathek:

    Afghanistan. Das verwundete Land (1/4)Das Königreich

    Afghanistan. Das verwundete Land (2/4)Die Sowjetarmee

    Afghanistan. Das verwundete Land (3/4)Mudjahedin und Taliban

    Afghanistan. Das verwundete Land (4/4)Die NATO-Truppen


    Ich bin da gestern bei phoenix hängengeblieben. Geschichte wiederholt sich, auch die Bilder.

  • ...

    Ich bin da gestern bei phoenix hängengeblieben. Geschichte wiederholt sich, auch die Bilder.

    Danke noch mal für den Hinweis. Wir haben uns die Beiträge die letzten Abende angesehen. Eine äußerst schmerzhafte, bewegende und differenzierte Doku. Und diese überaus starken Frauen, es ist unfassbar.

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