Ungewollt Amtsarzt "belogen"

  • Hallo, ich hab zu meiner, etwas speziellen, Frage keinen Eintrag gefunden, deshalb stellt ich sie hier:


    Unter welchen Umständen erfährt bzw. fordert der Arbeitgeber bzw. Amtsarzt von einem langjährigen Beamten die Patientenakte?


    Ich war für die Verbeamtung bei der amtsärztlichen Untersuchung, habe dort wahrheitsgemäß angegeben, dass keine Vorerkrankungen vorliegen.


    Kurz danach, vorher zeitlich leider nicht möglich, hab ich meine elektronische Patientenakte eingesehen und entsetzt festgestellt, dass meine Hausärzte mir über fünf Jahre in den meisten Quartalen 4-5 Erkrankungen parallel diagnostiziert hat, ohne mein Wissen, unter anderem, wie gesagt jeweils zeitgleich, chronische Nebenhöhlenentzündung und undefinierter Kopfschmerz UND drei psychische Diagnosen, z.T. wurden Depressionen in verschiedenen Schweregrade gleichzeitig diagnostiziert. In der Summe über die Jahre ca. 50 Fehldiagnosen.


    Sollte meine Schule davon erfahren, sieht dass natürlich so aus, als hätte ich bei der amtsärztlichen Untersuchung in hohem Maße die Unwahrheit gesagt, die Konsequenzen gehen meines Wissen nebst Kündigung und Verlust der Pensionsansprüche bis Rückforderung der gezahlten Beamtenbezüge und Anzeige wegen arglistiger Täuschung.


    Die Handlung meiner Ärztin lässt sich aber auch als Straftat lesen "Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse" (§278 StGB, bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe, bei 50 Fällen wohl eher im oberem Bereich des Strafmaßes...). Ich bin deshalb vorsichtig pessimistisch, dass ich sie überzeugen kann, die Diagnosen zu korrigieren, da dies einem impliziten Schuldeingeständnis nahe kommt bzw. sie damit diesen Anschein nährt, deshalb:


    Wie wahrscheinlich ist es, dass es rauskommt, dass ich, scheinbar, bei der Amtsärztlichen Untersuchung "gelogen" habe, welche KONKRETEN Umstände gibt es, bei denen diese Infomationen in die "falschen" Hände kommen, weil ich jemanden Zugang zu meiner Patientenakte geben MUSS(dies geht nur mit meinem Einverständnis).


    Da ich neu bin, hab ich wenig Erfahrung mit den Prozeduren Beihilfe etc...und diese delikate Frage möchte ich auch nicht meinen Kolleginnen vor Ort anvertrauen, vielen Dank im Voraus für Eure Antworten!

  • Das ist ein Fall für einen Anwalt und nicht für eine Rechtsberatung durch Laien in einem Lehrerforum, sofern diese Räuberpistole tatsächlich stimmen sollte.

  • Dem kann ich mich nur anschließen. Es ist m.E. völlig unglaubhaft, dass eine ganze Reihe von Diagnosen (50!) in den Patientenakten auftauchen, die man als Patient alle gar nicht kennt und über die nie mit einem gesprochen wurde. Die konkreten Auswirkungen dieser zumindest mutmaßlichen arglistigen Täuschung und die sich daraus ergebende Strategie bespricht man am Besten wirklich mit einem geeigneten Rechtsbeistand.

  • Kann ich mir auch nicht vorstellen. Außer vielleicht, der Arzt versucht dadurch, ständig irgendwelche Dinge abzurechnen, die es in Wirklichkeit nie gab. So etwas soll es ja geben :-/


    Da fragt man sich, was wohl in der eigenen Akte stehen könnte? By the way - Wie sieht man seine elektronische Patientenakte ein?

  • Nur mal ergänzend: Die arglistige Täuschung ist bereits bei billigender Inkaufnahme der Nichtwahrheit eigener Behauptungen erfüllt, nicht erst beim Wissen darum. Es wäre m.E. hier vom Patienten zu erwarten gewesen, vorab seine Ärzte um Auszüge aus den Patientenakten zu ersuchen, bevor versichert wird, dass keine Vorerkrankungen vorliegen.

  • Ich hatte mir vor einigen Monaten ein Rezept für Manuelle Therapien ausstellen lassen und auf der zugehörigen Rechnung standen sieben unterschiedliche Diagnosen, die bis zu 17 Jahren zurücklagen und diverse Disziplinen (Nerven, Bewegungsapparat, Infektion ...) berührten. Teilweise waren es nur Verdachtsdiagnosen, die von Spezialisten dann ausgeschlossen worden waren.

    Daher kann ich mir schon vorstellen, dass in jeder Akte viele Dinge stehen, von denen wir nichts wissen und die vor allem bei Kassenpatienten zur höheren Abrechnung genutzt werden.

  • Ich würde- sollten deine Schilderungen stimmen- auch zum Anwalt gehen. Dennoch muss ich sagen, dass ich echt daran zweifle warum mehrere Ärzte einfach irgendwelche Diagnosen stellen sollten, die sich nicht bewahrheiten. Selbst wenn es darum ging “nur etwas abzurechnen” bezweifle ich, dass sich gleich eine ganze Hausarztpraxis zu so einer Tat verschwören würde… Macht alles nicht wirklich Sinn.


    Und ich schätze das hier der Spruch “Unwissenheit schützt vor Strafe nicht” ganz gut passt. Fakt ist, dass du gelogen hast, ob deine story jetzt stimmt oder nicht. Du kannst ja auch nicht nachweisen, dass du zu dem Zeitpunkt von den Diagnosen nichts wusstest. Eine Diagnose hätte man evtl noch rechtfertigen können Aber so viele?


    Letztendlich ist wohl der Anwalt der richtige Schritt. Eine Rechtsberatung hier zu erfragen ist also wenig zielführend…

    Holy Moses met the Pharaoh

    Yeah, he tried to set him straight

    Looked him in the eye,

    "Let my people go!"

    Holy Moses on the mountain

    High above the golden calf

    Went to get the Ten Commandments

    Yeah, he's just gonna break 'em in half!

  • Ich hatte mir vor einigen Monaten ein Rezept für Manuelle Therapien ausstellen lassen und auf der zugehörigen Rechnung standen sieben unterschiedliche Diagnosen, die bis zu 17 Jahren zurücklagen und diverse Disziplinen (Nerven, Bewegungsapparat, Infektion ...) berührten. Teilweise waren es nur Verdachtsdiagnosen, die von Spezialisten dann ausgeschlossen worden waren.

    Daher kann ich mir schon vorstellen, dass in jeder Akte viele Dinge stehen, von denen wir nichts wissen und die vor allem bei Kassenpatienten zur höheren Abrechnung genutzt werden.

    Das ist eher bei Privatpatienten zu erwarten, die dann aber naturgemäß aufgrund ihrer Rechnung auch sehen, was da stehen würde.


    Im Eröffnungsbeitrag war von Hausärzten die Rede. Diese rechnen mit der GKV zunächst über Besuchspauschalen (je nach Lebensalter ca.15-30€ pro Quartal) und Gesprächspauschalen ab. Chroniker- und Demenzpauschalen sind hier vermutlich noch nicht einschlägig. Darüber hinaus können die Hausärzte noch bestimmte Einzelleistungen wie Wundnaht, Ultraschall, Impfungen o.ä. abrechnen. Die Hausärzte verdienen aber gerade nicht deutlich mehr durch mehr niedergeschriebene Diagnosen. Schon gar nicht mehr genug, um sich strafbar zu machen. Der durchschnittliche Honorarbetrag für GKV-Patienten liegt bei Allgemeinmedizinern übrigens bei 55-70€ pro Quartal. Dafür erfindet man keine 50 Falschdiagnosen.

  • Erstaunlich, wie viele überzeugte Einschätzungen hier dann doch vorgenommen werden, obwohl jeweils nachgeschoben wird, dass man keine Ahnung habe.

  • Erstaunlich, wie viele überzeugte Einschätzungen hier dann doch vorgenommen werden, obwohl jeweils nachgeschoben wird, dass man keine Ahnung habe.

    Du verwechselst da die persönliche Einschätzung der Glaubwürdigkeit und die recherchierbaren Informationen zum Abrechnungswesen mit der nur Juristen vorbehaltenen eigentlichen Rechtsberatung.

  • Hallo Zusammen, schon einmal vielen Dank für die Antworten, ich verstehe, dass meine Geschichte unglaubwürdig klingt, ca. 50 Fehldiagnossen (5 Erkrankungen a 12 Quartale, d.h. 3 Jahre). Sie ist leider wahr.


    Um die eigene elektronische Patientenakte einzusehen, muss man, zumindest bei der Techniker Krankenkasse, sich erst auf deren Website registrieren und dann die App runterladen und dort nochmals registrieren, dabei zweimal ein "Sonder"-Zugangscode per Post anfordern.

    Bis dies geschehen war, hatte ich bereits mein Termin beim Amtsarzt. Ich habe deshalb vor meinem amtsärztlichen Termin meine Hausärztin telefonisch nach dem Inhalt meiner Akte bei Ihr gefragt, sie hat gesagt, es gäbe, wie von mir erwartet, keine Einträge. Wie berichtet entsprach dies nicht der Wahrheit


    Ich kann an dieser Stelle jedem raten, g einmal die Akte anzufordern, bzw. über die Krankenkasse einzusehen. Hierzu auch ein Artikel über ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Techniker Krankenkasse, in der selbst er diesen Missstand beklagt:

    https://www.versicherungsmagaz…ehldiagnosen-1889616.html


    Und ja, ich suche nächste Woche einen Anwalt für Medizinrecht auf, und hoffe, die Falschdiagnosen bereinigen zu können. Aber ich wollte eben auch die Gefahr dieses "Damoklesschwert" einschätzen, sollte die Akte sich nicht bereinigen lassen, deshalb das Interesse an konkreten Situationen in der beamtlichen Laufbahn, an denen die Krankenakte wieder von Interesse sein könnte. Aber selbstverständlich spiele ich auch mit dem Gedanken dieses Risiko nicht einzugehen, und schweren Herzens dieser in der Summe, doch recht schöne Profession in dieser Form wieder zu verlassen, um einer "Entdeckung" meiner "Täuschung" zuvorzukommen


    Beste Grüße k

  • Andrew z.B. behauptet einfach mal, dass der TE lügt.


    Ich für meinen Teil habe dieselben Erfahrungen gemacht wie der TE und Swinging Phone. Als Kassenpatient erfährst du deine (Verdachts-) Diagnosen nämlich nicht. Dumm ist also der Ehrliche, der überhaupt anfängt, nachzuforschen.

  • V.a. oder A.v. ist beim Amtsarzt auch unerheblich...

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • Nur mal ergänzend: Die arglistige Täuschung ist bereits bei billigender Inkaufnahme der Nichtwahrheit eigener Behauptungen erfüllt, nicht erst beim Wissen darum. Es wäre m.E. hier vom Patienten zu erwarten gewesen, vorab seine Ärzte um Auszüge aus den Patientenakten zu ersuchen, bevor versichert wird, dass keine Vorerkrankungen vorliegen.

    Das wird doch bei der Verbeamtung gar nicht verlangt?

  • Andrew z.B. behauptet einfach mal, dass der TE lügt.

    Du weißt schon, dass sich “du hast gelogen” auf die Angaben beim Amtsarzt beziehen? Der TE hat ja chronische Erkrankungen und diese nicht angegeben. Somit ist DAS gelogen. Ob die Verschwörung stimmt oder nicht habe ich nicht beurteilt. Ich habe lediglich meine Zweifel betont ;)

    Holy Moses met the Pharaoh

    Yeah, he tried to set him straight

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  • Andrew: Ich verstehe Deine Skepsis und frage mich auch warum meine Hausärztin da mitmacht, die Krankenkassen bekommen für kränkere Versicherte mehr Geld aus dem Gesundheitsfond, aber die im Interview/Artikel beschriebenen Prämien von 10€ pro Diagnose würden mich als Hausarzt auch keinesfalls motivieren.


    Zur Klarstellung falls ich mich missverständlich ausgedrückt habe, natürlich erwarte ich hier keine Rechtsberatung, sondern, vor allem als Erfahrungsbericht aus der eigenen Situation oder von Kolleg*innen:


    In welchen konkreten Situationen wird im weiteren Verlauf des Berufslebens nach der Krankenakte gefragt?


    Nochmals vielen Dank für Eure Antworten!

  • Das wird doch bei der Verbeamtung gar nicht verlangt?

    Es ist durchaus üblich und normal, dass der Amtsarzt nach Vorerkrankungen fragt. Wer dann - obwohl vielfach beim Allgemeinmediziner gewesen und sicher das ein oder andere diagnostische Gespräch geführt zu haben - einfach mal überzeugt mit "Nein" antwortet ohne vorher Akteneinsicht zu nehmen, hat dann halt möglicherweise ein Problem am Hals.


    kasperklarname Bevor du den Beruf gleich wieder verlässt, ist es vlt. sinnvoller (mit Anwalt abklären!) gegenüber dem Dienstherrn eine Klarstellung der Vorerkrankungen vorzunehmen. Viele Vorerkrankungen sind inzwischen für die Verbeamtung nicht mehr so deutliche Ausschlussgründe wie noch vor einigen Jahren, da sich hierbei eine entscheidende Formulierung geändert hatte. Inwiefern die charakterliche Eignung in Frage gestellt wird, kann ich nicht beurteilen.

  • Seph: Ich habe überzeugt mit "Nein" geantwortet, da auch meine Hausärztin vor der amtärztlichen Untersuchung auf meine Nachfrage nach Einträgen mit "Nein" geantwortet hat.

    Es gab auch in den letzten Jahren keine diagnostischen Gespräche, die zu diesen Diagnosen, unter anderem Depression und Angststörung, hätten führen können.

    Aber Du hast recht u. U. sollte ich das klärende Gespräch suchen, obwohl ich mir auch nicht glauben würden...

  • und nochmals zur Klarstellung, ich habe oder hatte keine chronischen Erkrankungen, habe niemals unter Depressionen oder Angststörung gelitten, wurde deshalb niemals behandelt, den, mir nicht mitgeteilten, Diagnosen folgte keine Verschreibung von Psychopharmaka oder Überweisung an eine Psychotherapeutin etc...

  • In welchen konkreten Situationen wird im weiteren Verlauf des Berufslebens nach der Krankenakte gefragt?

    Normalerweise gar nicht, aber es wird dir auch niemand Absolution erteilen können. Da dir nicht wohl ist mit der ganzen Angelegenheit, bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als dich beraten zu lassen. Zumal du bei der Privaten Krankenkasse ja dann ebenfalls Informationen unterschlagen haben musst, ob wissentlich oder nicht, weißt nur du.

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