Wer oder was ist eigentlich eine "Lehrerpersönlichkeit"?

  • Guten Morgen liebe Foristen!

    Ein herzliches Hallo auch an alle, die eher widerwillig mitlesen!

    Muss das sein? Ein (weiterer) Thread zum Themenkomplex LEHRERPERSÖNLICHKEIT? Ist dazu nicht längst alles gesagt? Nein, ich denke nicht!

    Ich würde die Sommerferien und den Abstand zu unserem Tagesgeschäft jedenfalls gerne nutzen, um mit euch über dieses seltsam schillernde und schwer greifbare Konstrukt ins Gespräch zu kommen.

    Was macht einen Menschen in seiner Lehrerpersönlichkeit aus? Was formt Wesen und Charakter im Hinblick auf die LP? Und was ist im Zusammenhang mit diesem Begriff vielleicht nur Phantasterei, Wunschdenken oder auch schlicht Bullshit?

    Ich bin jedenfalls extrem gespannt auf eure Meinungen, Gedanken und Ideen!

    Ach ja: Keiner MUSS diesen Thread lesen. Man kann auch ins Freibad fahren oder den Hund füttern. Oder das sogenannte 'gute Buch' rauskramen. Wem das alles zu doof ist, der klinkt sich einfach aus...und sucht sich vielleicht einen Ort, an die geschwätzige Welt ihm nichts anhaben kann. Ich empfehle dafür übrigens einen Ort, den viele spontan für denkbar ungeeignet halten werden: das Lehrerzimmer! Man nehme sich einmal eine Stunde Zeit und setze sich dorthin, wo es sonst nie ruhig ist und genieße die Stille dieses dann plötzlich völlig unwirklichen Ortes. Ein Lehrerzimmer ohne Lehrer ist ein wahrhaft heilsamer - unfortunately it's not what it is built for...

  • Wenn ich versuchen sollte, den Begriff zu definieren, dann vermutlich als Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen einer Person, die für das Handeln und den Erfolg im Lehrerberuf bedeutsam sind. Dazu gehören m.E. noch keine konkreten antrainierten Handlungskompetenzen. Zu den "Big Five" der Persönlichkeitsmerkmale in der Psychologie gehören:


    • Neurotizismus
    • Extraversion
    • Offenheit für neue Erfahrungen
    • Verträglichkeit
    • Gewissenhaftigkeit


    Daraus lassen sich noch viel mehr Eigenschaften (z.B. Anspruchsdenken, Geduld usw.) ableiten. Wir könnten die Big Five ja mal für einen Versuch nutzen, wie diese für Lehrkräfte ausgebildet sein sollten, sofern sich das überhaupt sagen lässt. Ich selbst bin nämlich davon überzeugt, dass es DIE ideale "Lehrerpersönlichkeit" gar nicht gibt. Gleichwohl denke ich, dass diese prägend für das eigene Handeln im Beruf ist und man sich in diesem Bewusstsein gut mit dem eigenen Handeln auseinandersetzen kann.

  • ... vielleicht können die folgenden Gedanken einen Impuls setzen...

    Ein vormaliger Schulleiter (inzwischen pensioniert) sagte mir kürzlich, er sehe ein Problem darin, dass häufig diejenigen den Beruf des Lehrers ergreifen, deren eigene "Schulbiografie" eher unproblematisch verlaufen sei. "Es ist ja oft so", führte er aus, "dass diejenigen auf die Idee kommen Lehramt zu studieren, die auf eine eher erfolgreiche Schulzeit zurückblicken und insgesamt positive und erfolgreiche Zeiten in der Schule erlebt haben".

    Ich hielt diese seine Gedanken zuerst für trivial, aber dann wurde er deutlicher. "Viele, die später auf Lehramt studieren, waren früher gute oder sehr gute Schüler, die früh ein positives Verhältnis zu diesem Ort entwickelt haben, und die diese Erfahrungen gerne als Lehrer weitergeben möchten. Zudem kommen statistisch betrachtet viele Lehrer aus funktionierenden und unterstützenden Elternhäusern, in denen gute schulische Leistungen zugleich gefordert und honoriert werden.

    Als Lehrer sind diese Menschen später jedoch überwiegend mit Kindern konfrontiert, die oftmals ungern zur Schule gehen und deren "Schulkarriere" oft schon in der Grundschule von zahlreichen Enttäuschungen, Niederlagen und Frustationen geprägt ist. Und das genau diese Kinder wiederum überdurchschnittlich häufig aus eher bildungsfernen und sozial schlecht gestellten Elternhäusern kommen, ist ja allgemein bekannt."

    "Wie also", so fragte mein Gesprächspartner in die Runde, "sollen gerade diese Lehrer ein Schülerklientel verstehen und begleiten können, das ihnen fast naturgemäß fremd sein muss."

  • Eine bemerkenswert knappe Antwort! Meinen Schülern sage ich im gegebenen Zusammenhang oft, dass ich mich besonders über den Teil der Antwort freue, der auf den ersten Satz folgt...

    Du sprichst mit Grundschülern über "Lehrerpersönlichkeit"?


    Meine Meinung dazu: Diese ominöse Lehrerpersönlichkeit gibts nicht. Wer meint, dass man eine solche (wie auch immer aussehende) Persönlichkeit haben sollte, hat nicht verstanden, dass ganz viel Handwerk dabei ist.


    Und dazu gab auch schon zig Fäden. Suchen hilft.

  • Du sprichst mit Grundschülern über "Lehrerpersönlichkeit"?


    Meine Meinung dazu: Diese ominöse Lehrerpersönlichkeit gibts nicht. Wer meint, dass man eine solche (wie auch immer aussehende) Persönlichkeit haben sollte, hat nicht verstanden, dass ganz viel Handwerk dabei ist.


    Und dazu gab auch schon zig Fäden. Suchen hilft.

    Deine Eingangsfrage dürfte ironisch-humoristisch gemeint gewesen sein...

    Interessant finde ich, dass die Skizzierungen dessen, was die LP ist oder sein könnte, schon nach kürzester Zeit zwischen einer "Big Five"-Beschreibung und "... gibt's nicht! oszillieren.

  • Das ist eine Fehldeutung. Die "Big Five"-Beschreibung bezieht sich auf den Persönlichkeitsbegriff in der Psychologie an sich. Gleichzeitig habe auch ich geschrieben, dass es m.M.n. DIE Lehrerpersönlichkeit so nicht gibt.

  • ... vielleicht können die folgenden Gedanken einen Impuls setzen...

    Ein vormaliger Schulleiter (inzwischen pensioniert) sagte mir kürzlich, er sehe ein Problem darin, dass häufig diejenigen den Beruf des Lehrers ergreifen, deren eigene "Schulbiografie" eher unproblematisch verlaufen sei. "Es ist ja oft so", führte er aus, "dass diejenigen auf die Idee kommen Lehramt zu studieren, die auf eine eher erfolgreiche Schulzeit zurückblicken und insgesamt positive und erfolgreiche Zeiten in der Schule erlebt haben".

    Ich hielt diese seine Gedanken zuerst für trivial, aber dann wurde er deutlicher. "Viele, die später auf Lehramt studieren, waren früher gute oder sehr gute Schüler, die früh ein positives Verhältnis zu diesem Ort entwickelt haben, und die diese Erfahrungen gerne als Lehrer weitergeben möchten. Zudem kommen statistisch betrachtet viele Lehrer aus funktionierenden und unterstützenden Elternhäusern, in denen gute schulische Leistungen zugleich gefordert und honoriert werden.

    Als Lehrer sind diese Menschen später jedoch überwiegend mit Kindern konfrontiert, die oftmals ungern zur Schule gehen und deren "Schulkarriere" oft schon in der Grundschule von zahlreichen Enttäuschungen, Niederlagen und Frustationen geprägt ist. Und das genau diese Kinder wiederum überdurchschnittlich häufig aus eher bildungsfernen und sozial schlecht gestellten Elternhäusern kommen, ist ja allgemein bekannt."

    "Wie also", so fragte mein Gesprächspartner in die Runde, "sollen gerade diese Lehrer ein Schülerklientel verstehen und begleiten können, das ihnen fast naturgemäß fremd sein muss."

    Vielleicht sollte der Herr "Pensionierter Schulleiter" mal über den Tellerrand schauen. In meinem Kernseminar war die Hälfte der Referendare angetreten, weil sie Schule scheiße fanden und es besser machen wollten. Und in meinem jetzigen Lehrerzimmer sieht es nicht besser aus.

    Aber: Ankedotische Geschichten taugen eh nicht für eine objektive Betrachtung, weder die des "Pensionierten Schulleiters" noch meine. Insofern: Alles irrelevant.



    Zur "Lehrerpersönlichkeit":

    Halte ich für einen verkürzten Begriff für eine Mischung aus Rollenverständnis/-klarheit, Charisma, Fachwissen und beruflichen Fertigkeiten. Und das Mischungsverhältnis ist meines Erachtens nach je nach Individuum verschieden.

  • ... vielleicht können die folgenden Gedanken einen Impuls setzen...

    Ein vormaliger Schulleiter (inzwischen pensioniert) sagte mir kürzlich, er sehe ein Problem darin, dass häufig diejenigen den Beruf des Lehrers ergreifen, deren eigene "Schulbiografie" eher unproblematisch verlaufen sei. "Es ist ja oft so", führte er aus, "dass diejenigen auf die Idee kommen Lehramt zu studieren, die auf eine eher erfolgreiche Schulzeit zurückblicken und insgesamt positive und erfolgreiche Zeiten in der Schule erlebt haben".

    Ich hielt diese seine Gedanken zuerst für trivial, aber dann wurde er deutlicher. "Viele, die später auf Lehramt studieren, waren früher gute oder sehr gute Schüler, die früh ein positives Verhältnis zu diesem Ort entwickelt haben, und die diese Erfahrungen gerne als Lehrer weitergeben möchten. Zudem kommen statistisch betrachtet viele Lehrer aus funktionierenden und unterstützenden Elternhäusern, in denen gute schulische Leistungen zugleich gefordert und honoriert werden.

    Als Lehrer sind diese Menschen später jedoch überwiegend mit Kindern konfrontiert, die oftmals ungern zur Schule gehen und deren "Schulkarriere" oft schon in der Grundschule von zahlreichen Enttäuschungen, Niederlagen und Frustationen geprägt ist. Und das genau diese Kinder wiederum überdurchschnittlich häufig aus eher bildungsfernen und sozial schlecht gestellten Elternhäusern kommen, ist ja allgemein bekannt."

    "Wie also", so fragte mein Gesprächspartner in die Runde, "sollen gerade diese Lehrer ein Schülerklientel verstehen und begleiten können, das ihnen fast naturgemäß fremd sein muss."

    Eindrucksvoll!

    Der pensionierte Schulleiter stellt eine gute und wichtige Frage. Allerdings erscheint mir die These der negativen Korrelation zwischen »guter Schüler gewesen sein« und »nun schwache Schüler verstehen können« untersuchungsbedürftig.

  • Die Big Five sind das aktuellste und gleichzeitig differenzierteste Modell, um Persönlichkeit zu beschreiben.

    Ach ja: Keiner MUSS diesen Thread lesen. Man kann auch ins Freibad fahren oder den Hund füttern. Oder das sogenannte 'gute Buch' rauskramen. Wem das alles zu doof ist, der klinkt sich einfach aus...und sucht sich vielleicht einen Ort, an die geschwätzige Welt ihm nichts anhaben kann. Ich empfehle dafür übrigens einen Ort, den viele spontan für denkbar ungeeignet halten werden: das Lehrerzimmer! Man nehme sich einmal eine Stunde Zeit und setze sich dorthin, wo es sonst nie ruhig ist und genieße die Stille dieses dann plötzlich völlig unwirklichen Ortes. Ein Lehrerzimmer ohne Lehrer ist ein wahrhaft heilsamer - unfortunately it's not what it is built for...

    Hier die Skala: Neurotizismus vs. Emotionale Stabilität.


    Auf die Lehrperson bezogen vermute ich, soll es vor allem um die Person vor der Klasse im Unterricht gehen. Welche Werte jeweils positiv wahrgenommen werden, halte ich für recht eindeutig: Aufgeschlossen, aber nicht aufdringlich. Humorvoll, aber nicht übertrieben selbstdarstellerisch. Zufrieden, aber nicht Selbstzufrieden. Selbstsicher, aber nicht dominant. Emotional stabil, aber dabei empathisch etc.


    Dass niemand ausschließlich über positive Eigenschaften verfügt oder sich in jeder Lebenslage gleichermaßen verhalten kann, ist, denke ich, klar. Trotzdem gibt es natürlich Eigenschaften, die es erleichtern, in diesem hochgradig sozialen Job gesund und erfolgreich zu arbeiten.

  • Eine bemerkenswert knappe Antwort! Meinen Schülern sage ich im gegebenen Zusammenhang oft, dass ich mich besonders über den Teil der Antwort freue, der auf den ersten Satz folgt...

    Meinen Schülern sage ich gerne, dass sie nicht schwafeln sollen, sondern bitte bevorzugt kurz und knapp auf den Punkt kommen mögen. War in der zitierten Antwort der Fall 👍 Ein Psychologe muss auch nicht selbst schizophren sein, um Schizophrenie-Patienten behandeln zu können. Der Schuldnerberater muss nicht selbst auf eine Vergangenheit finanziell chaotischer Verhältnisse zurückblicken, um seinen Job professionell ausüben zu können. Eine Hebamme muss nicht selbst Kinder bekommen haben, um eine Geburt zu begleiten. Liste beliebig fortsetzbar.

  • Der schizophrene Psychologe ist sicher problematisch, einen Menschen mit chaotischer finanzieller Vergangenheit (nicht Gegenwart!) könnte ich mir gut als Schuldnerberater vorstellen. Verständnis für die Entstehung unguter Lebenslagen ist in vielen Bereichen sozialer Arbeit sicher kein Nachteil. Da bedarf es aber eines gerüttelten Maßes an Reflexionsfähigkeit, um sich nicht in schädlicher Weise mit den Klienten zu solidarisieren.

    Auf der anderen Seite - wer kennt ihn nicht, den Mathelehrer, der so gar kein Verständnis hat für die Verständnisprobleme seiner Schüler? Oder den dito Sportlehrer?

  • Natürlich könnte man sich das vorstellen. Aber es ist ebenso wenig notwendig, um den Job gut und professionell auszuüben, wie im Lehramt. Insofern finde ich die These, man könne bei anderem eigenen Background sein Klientel weniger gut begleiten, etwas steil.

  • Das ist eine Fehldeutung. Die "Big Five"-Beschreibung bezieht sich auf den Persönlichkeitsbegriff in der Psychologie an sich. Gleichzeitig habe auch ich geschrieben, dass es m.M.n. DIE Lehrerpersönlichkeit so nicht gibt.

    Ja, ist richtig. Ich hatte deinen Beitrag (in lehrerhafter Manier) nur oberflächlich zitiert und dann verkürzt wiedergegeben. Sorry!

  • Vielleicht sollte der Herr "Pensionierter Schulleiter" mal über den Tellerrand schauen. In meinem Kernseminar war die Hälfte der Referendare angetreten, weil sie Schule scheiße fanden und es besser machen wollten. Und in meinem jetzigen Lehrerzimmer sieht es nicht besser aus.

    Aber: Ankedotische Geschichten taugen eh nicht für eine objektive Betrachtung, weder die des "Pensionierten Schulleiters" noch meine. Insofern: Alles irrelevant.



    Zur "Lehrerpersönlichkeit":

    Halte ich für einen verkürzten Begriff für eine Mischung aus Rollenverständnis/-klarheit, Charisma, Fachwissen und beruflichen Fertigkeiten. Und das Mischungsverhältnis ist meines Erachtens nach je nach Individuum verschieden.

    Interessant! Ich kenne persönlich z. B. keinen einzigen Lehrer, der mal eine "Ehrenrunde" gedreht hat. Keinen einzigen! Diejenigen aus meinem Umfeld, die Schule "sch..." fanden, wollten im Normalfall nie wieder etwas mit dem System Schule zu tun haben. Daneben gab es noch eine kleine Gruppe von Mitschülern, die mit Ach und Krach das Abi gepackt haben und die danach unbedingt ins Lehramt wollten - nicht, "um etwas zu verändern", sondern primär um dauerhaft einen gut bezahlen Job zu haben! Hat immerhin bei zwei von dreien ganz gut funktioniert!

  • Meinen Schülern sage ich gerne, dass sie nicht schwafeln sollen, sondern bitte bevorzugt kurz und knapp auf den Punkt kommen mögen. War in der zitierten Antwort der Fall 👍 Ein Psychologe muss auch nicht selbst schizophren sein, um Schizophrenie-Patienten behandeln zu können. Der Schuldnerberater muss nicht selbst auf eine Vergangenheit finanziell chaotischer Verhältnisse zurückblicken, um seinen Job professionell ausüben zu können. Eine Hebamme muss nicht selbst Kinder bekommen haben, um eine Geburt zu begleiten. Liste beliebig fortsetzbar.

    Danke für deine Antwort, die mir zu denken gibt... und mich zu einer anderen statistischen Auffälligkeit führt: sehr viele Lehrer*innen haben selbst Kinder. Ist das eurer Meinung nach eine wichtige oder wertvolle bzw. sogar unabdingbare Voraussetzung dafür, gut und erfolgreich als Lehrer arbeiten zu können?

  • Eigene Kinder? Nein. Definitiv nicht.

    Insofern finde ich die These, man könne bei anderem eigenen Background sein Klientel weniger gut begleiten, etwas steil.

    Das wollte ich auch nicht behauptet haben.

Werbung