Integrative Schule - Lehrpersonen stossen an ihre Grenzen

  • Ja, das ist eben auch ein Problem in unserem System. Ab der Sek I sind Förderstunden nur noch für das Niveau A vorgesehen. Heidelibelle und CluelessLabDog korrigieren mich, wenn das jetzt falsch ist, aber nach meinem Verständnis ist Kleinklasse automatisch gleichbedeutend mit dem tiefsten Leistungsniveau. ADHS und LRS haben wir aber natürlich auch am Gymnasium. Dafür sind dann allein die Eltern verantwortlich, was wir an "Nachteilsausgleich" gewähren (können), ist lächerlich.

  • Plattenspieler


    Man kann schon sagen, dass es fast 50/50 ist. Außerdem sind auch die Förderschulklassen, die ich kenne, sehr groß und in meinem Kreis ist die Förderschuldichte extrem zurückgegangen .... Vielleicht ist das hier auch ein regionales Problem?!


    Zudem: "In den letzten zehn Jahren hat sich die Inklusionsquote in NRW mehr als verdoppelt. https://www.politische-bildung.nrw.de


    Statistik halt 😉.


    Ja, ich meine "Sonder"pädagoginnen (Sorry) im Besonderen, aber eigentlich im Allgemeinen jede, die in ein multiprofessionelles Team im GL gehört (der Markt ist leer!).


    Ich bezog mich in meinem Beispiel tatsächlich auf 4/31 AOSF- Schülerinnen plus ADHS, LRS, Aperger, DAZ ....


    Wie auch immer man es dreht und wendet, es bleibt für ALLE Beteiligten eine absolute Zumutung!

  • Die Begriffe Integration und Inklusion werden zwar häufig synonym genutzt. Wir hatten mal die Inklusionsbeauftragte der Bezreg zwecks Fortbildung zu Gast und der war die Unterscheidung schon sehr wichtig.

    Die Integration geht von Menschen mit Behinderung aus, denen schrittweise Hilfestellung geboten wird um in der Welt der "Normalos" zurechtzukommen. Die Tendenz geht aber mehr zur Inklusion, was bedeutet, dass wir alle einzigartige Individuen sind mit speziellen Fertigkeiten aber auch Schwächen und wir arbeiten gemeinsam in einer Umgebung, die diese unterschiedlichen Anforderungen des Menschen an seinem Arbeitsplatz berücksichtigt

    Diesen Anspruch bitte vor Augen und jetzt bitte schauen wir uns den Chemiekollegen an, der 32 individuelle Nasen da sitzen hat und diese alleine beschulen soll. Vielleicht ist auch noch ein Integrationshelfer dabei, der kann sich dann ja auf die Fensterbank setzten. Sonderpädagogische Expertise ? Nada. Nur auf dem Papier. Die personelle Unterstützung reicht so gerade Mal, dass die in den Hauptfächern gelegentlich den Unterricht anschauen, da auch die Förderpläne schreiben und schon sind sie wieder weg. Da man ein Loch mit dem nächsten stopft und konsequent mit Abordnungen arbeitet, sind die jetzigen Förderschulkräfte nächstes Schuljahr durch andere wieder aus anderen Schulen ausgetauscht, wo Beziehungsarbeit so wichtig ist.🙈🙈

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

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  • Kleinklasse ist eigentlich schon noch einmal eine Stufe unter dem Niveau A. Einfach um eine Vorstellung zu geben wies bei uns läuft: Es gibt einzelne Kinder, die vom Verhalten her nicht in einer grösseren Klasse funktionieren, die sind aber bei uns an der Schule selten, die meisten sind einfach nur wahnsinnig schwach. Wir reden hier von 7./ 8. Klässlern, die nicht über den 100er Raum rechnen können oder/ und kaum lesen und schreiben können. Alleine wegen des Verhaltens landet niemand in einer Kleinklasse. Es gibt die Möglichkeit so schwache Schüler im Niveau A mitzuziehen, das wird dann über ILZ geregelt (Individuelle Lernziele). Das wird dann auch im Zeugnis angegeben, wer ILZ in allen Hauptfächern hat, hat eigentlich den Status eines Kleinklässlers.

    Niveau A ist gerade bei uns aber ehrlich gesagt gar nicht so das Problem, die SuS sind schwach ja, das System fängt die aber recht gut auf.

    Die meisten Verhaltensauffälligen SuS haben wir momentan im Niveau E und ja da ist es in der Tat ein riesen Problem, dass Sonderpädagogische Unterstützung da nicht in dem Ausmass vorgesehen ist, die Schüler bräuchten es aber dringend. Es gibt Mittel und Wege Unterstützung zu bekommen, wenn die Schulleitung mitspielt, ist aber immer ein Kampf und braucht enormen Einsatz der Klassenlehrperson und des Klassenteams. Wir hatten in den letzten Jahren jetzt zwei Mal in den E Klassen Teamteaching + Einsatz von Sozialpädagogen und Sozialarbeit, weil wir erfolgreich klar machen konnten, entweder da passiert jetzt was, oder wir gehen kaputt. Da bräuchte es aber dringend mehr!

    Wir bemühen uns sehr an den SuS dran zu sein, wir wissen, dass der Mobber aus der 3E zuhause aufs Dach bekommt, dass das Mädchen aus der 1E immer zu spät kommt, weil seine Eltern selber morgens nicht aufstehen und es damit überfordert ist das selber zu organisieren. Der Junge aus der 2E hat Probleme damit Autorität zu akzeptieren, ja kein Wunder zu Hause ist er alleine dafür verantwortlich seine Geschwister zu versorgen, während die Eltern arbeiten oder Gott weiss was machen. Teilweise schalten wir Behörden ein oder sie sind schon involviert, das ist a) kein Allheilmittel b) immer ein Kraftakt und c) auch immer ein Abwägen, was nützt dem Kind, was schadet eher und auch will das Kind das überhaupt?

    Die Spannweite da ist einfach enorm gross, zwischen eher schwachen aber sehr fleissigen und gut organisierten SuS aus guten Elternhäusern und blitzgescheiten Kindern, die aber von zu Hause aus riesen Päckchen mitbekommen haben. Beziehungsarbeit ist da das A und O, dafür braucht es aber einfach Zeit!

    LRS, ADHS, Asperger Autismus und sämtliche Arten von psychischen Problemen gibt es eh in allen Niveaus, je nachdem können Nachteilsausgleiche gesprochen werden, die sind aber meist ein Witz. Unsere Sozialarbeit ist Spitze, kann aber auch nicht alles auffangen.

    Dazu kommt, dass wir immer mehr Lehrpersonen bekommen, die überhaupt keine oder die falsche pädagogische Ausbildung haben. Das geht ehrlicher Weise oft erstaunlich gut, wir hatten in den letzten paar Jahren aber auch Fälle wos richtig schief ging, gerade bei den schwierigen SuS brauchst du eigentlich Personal, das zumindest eine grobe Ahnung davon hat, was es da tut. Im Moment sind es fast 20% der Lehrkräfte an unserer Schule, die keine abgeschlossene Ausbildung haben, das belastet auch die erfahrenen Lehrkräfte, die da nicht alles auffangen können!

  • Alleine wegen des Verhaltens landet niemand in einer Kleinklasse

    Bist du dir da sicher? Ich hatte mal eine Schülerin, die zeitweise in einer KK beschult wurde, das war am Ende eine 5er Matura. Im Moment habe ich eine Schülerin an der FMS, die in der Sek in einer KK gestartet ist. Die bemüht sich gerade um den Übertritt ans Gymnasium. Ich frage mich da öfter mal, wie das wohl gegangen ist.


    Dazu kommt, dass wir immer mehr Lehrpersonen bekommen, die überhaupt keine oder die falsche pädagogische Ausbildung haben

    Eben das. Aber da kann die BKSD nur bedingt was dafür. Naja, zumindest könnte man das Problem mal als wirklich ernsthaft anerkennen.

  • Hmm, also zumindest wäre es jetzt bei uns an der Schule keine Option einen verhaltensauffälligen Niveau E oder P Schüler, dessen Noten aber ok sind, in die Kleinklasse zu stecken, so meine ich das. Auch gute Niveau A Schüler gehen eigentlich nicht in die Kleinklasse. Das Verhalten kann den SuS aber schon so im Weg stehen, dass sie dann auch die Noten für ein Niveau nicht mehr bringen können, obwohl sie rein kognitiv durchaus dazu in der Lage wären.

    Mich würds sehr überraschen, wenn einer unserer Kleinklässler auf einmal die Matur packen würde, aber sag nie nie, und wie das in anderen Schulen ist und was da in den Einzelfällen abgelaufen ist, kann ich dir ehrlich nicht sagen.

    Meistens ist die Niveau Einteilung aus der Primarschule ja ok, manchmal haben wir uns aber auch schon gefragt, was da schief gelaufen ist. Wir hatten auch schon einen Schüler, der aus der Primar mit ILZ zu uns kam, damit im Niveau A gestartet ist und den uns der Klassenlehrer nach drei Wochen hoch geschickt hat, weil er Arbeitsblätter korrekt fertig gelöst hatte, bevor der Rest der Klasse überhaupt verstanden hat, was die Aufgabe ist. Der Schüler hätte Ende 1. Klasse dann auch schon ins Niveau P wechseln können, wollte das dann aber nicht. Da fragt man sich manchmal schon...

  • Ja, das ist eben auch ein Problem in unserem System. Ab der Sek I sind Förderstunden nur noch für das Niveau A vorgesehen. Heidelibelle und CluelessLabDog korrigieren mich, wenn das jetzt falsch ist, aber nach meinem Verständnis ist Kleinklasse automatisch gleichbedeutend mit dem tiefsten Leistungsniveau. ADHS und LRS haben wir aber natürlich auch am Gymnasium. Dafür sind dann allein die Eltern verantwortlich, was wir an "Nachteilsausgleich" gewähren (können), ist lächerlich.

    Für solche organisatorischen Fragen bin ich noch nicht lange genug dabei. Ich unterrichte aktuell erstmal

  • Diesen Anspruch bitte vor Augen und jetzt bitte schauen wir uns den Chemiekollegen an, der 32 individuelle Nasen da sitzen hat und diese alleine beschulen soll

    Jupp... Das geht nicht. Da können mich jetzt sämtliche Bildungsromantiker ein asoziales Arschloch nennen, aber diese Vorstellung ist komplett dumm. Wir haben schon mal jemanden mit Verhaltensauffälligkeiten dabei, aber da geht es um eine oder zwei Personen in einer Halbklasse. Im Praktikum in den Naturwissenschaften arbeite ich mit maximal 13 Jugendlichen. Wir hatten einen Fall von akuter und schwerer Selbstverletzung, da stand der Kollege temporär mit der Laborassistenz im Praktikum. Das geht. Wir kommen auch mit Rollstühlen und Zwangsneurosen zurecht. Das sind alles Einzelfälle, dafür brauche ich auch keine zusätzliche Betreuung. Das funktioniert aber nicht mit 32 Jugendlichen, von denen die Hälfte irgendwie neben der Spur ist. Das endet dann so wie im verlinkten Film, im Idealfall bräuchte jeder Einzelbespassung und man darf sich fragen, warum man dann nicht einfach separiert bzw wozu das wohl noch gut sein soll.

  • Da fragt man sich manchmal schon...

    Was soll ich sagen... Eine Arbeitskollegin war mal in der Kleinklasse und hat später an der ETH studiert. Immerhin nicht Baselland. Aber es scheint solche Kuriositäten gelegentlich zu geben ^^


    Es ist ja gut, wenn es euch rechtzeitig auffällt, dann ist das alles nicht tragisch. Was du über die E-Schüler*innen schreibst, kann ich mir lebhaft vorstellen. Zum Teil haben wir das immer noch am Gymnasium, aber natürlich nicht mehr in der Dichte. Nur frage ich mich, was man da eigentlich tun soll. Es ist, wie es ist, die Eltern ändert man nicht. Wir haben Unterstützung durch den SPD, aber je nachdem ist es wirklich mühsam vor allem für die Klassenleitung. Seit diesem Schuljahr können sich daher zwei Lehrpersonen das Amt teilen, das bringt hoffentlich Entlastung. An der FMS ist das immer schon so, da ist aber auch der Bedarf grösser. Das sind ja überwiegend die Es, die ihr uns schickt ;)

  • "dann nicht einfach separiert bzw wozu das wohl noch gut sein soll."

    Und wer soll dann die separierte Gruppe betreuen, der Hausmeister? Ich hab den Job gerne gemacht, bin aber im Moment froh, dass ich Dank meiner Interessensvertretungen aus dem Unterricht raus bin. Der einzige Gefahrstoff, den ich zum Schluss für Schülerexperimente noch zugelassen habe war Salzsäure in der Konzentration menschlicher Magensäure.

    An alle Deutschlehrer:
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  • Ich dachte, wir sind uns einig, dass kleinere Gruppengrössen (aka mehr Lehrpersonen!) erst mal sinnvoll sind. Dass auch in diesem Setting irgendwann ein Punkt erreicht ist, ab dem alles weitere nur noch absurd ist, zeigt für meine Wahrnehmung der Film.


    Abgesehen davon bringt es auch nichts, sich grundsätzlich über Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen zu beklagen. Das ist dann einfach so und offensichtlich gehört es zu meinen Aufgaben, mich damit zurechtzufinden. Man kann sich überlegen, wie man den Umgang damit besser in die Ausbildung der Lehrpersonen integriert. Mir hat jedenfalls keiner erklärt, wie man Jugendliche mit ADHS im Unterricht adäquat beschäftigt. Das überlegt man sich so nebenbei dann. Geht auch irgendwie. Meiner Erfahrung nach ist da aber nicht jede Lehrperson gleich "kreativ".

  • Die Verbände predigen geradezu, dass wir unbedingt kleinere Klassen brauchen. Was macht die Politik, sie schiebt Hatty plakativ nach vorne, mit der Erkenntnis, dass die Klassengrösse nicht entscheidend sei.

    Unklar b!eibt dabei, inwieweit Hatty Heterogenität als Kriterium überhaupt berücksichtigt. Aus eigener Anschauung habe ich Schülergruppen kennengelernt, die kann man auch mit 40 Schülern zusammen unterrichten. Ich habe andere Lerngruppen kennengelernt, da sind 20 Nasen schon zuviel.

    Das Kind ist aber in Deutschland zur Zeit in den Brunnen gefallen:

    1.) Es gibt zu wenig Lehrer

    2.) Die Zahl der Lehramtsstudenten nimmt ab

    3.)Die Zahl der Förderpädagogen ist unterirdisch und wir können uns einen NC

    4.) Uns erwartet eine Pesionierungswelle und da man den Druck auf die Mitarbeitenden erhöht, droht uns zusätzlich eine Frühpensionierungswelle


    Wer jetzt noch nicht verstanden hat, dass wir den gesamten Laden auf links drehen müssen, auch unter Mithilfe von Unis und Ausbildungsbetrieben, der wird die Bildung von zwei Generationen in den Sand setzen.

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  • Ich möchte dir gerne 99x "Danke" dafür geben :-). Ich unterschreibe jedes Wort!

  • A propos Kind in den Brunnen gefallen. Ich habe mal spaßeshalber LEO NRW ein bisschen durchstöbert. Nach wie vor gibt es fast nur feste Stellen mit Abordnungen an Grundschulen im Voraus (Ausnahme: BK). Hätte es zu meiner Zeit nur solche Stellen gegeben, hätte ich den Beruf direkt verlassen. Ich studiere doch nicht Lehramt Gymnasium um mich dann erstmal an die Grundschule abschieben zu lassen.

  • Das geht sogar soweit, dass immer wenn Brennpunkte ausgeschrieben werden, die Städte ringsum nicht ausschreiben, trotz Bedarf. Der Bedarf im Brennpunkt ist größer. Das meinte ich mit Löcher stopfen.

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  • Dabei ist es ja so schwer von einer Stelle wieder weg zu kommen. Ich finde "hauptsache eine feste Stelle" gilt nicht mehr unter diesen Bedingungen. Da würde ich lieber abwarten.

  • Was macht die Politik, sie schiebt Hatty plakativ nach vorne, mit der Erkenntnis, dass die Klassengrösse nicht entscheidend sei.

    Unklar b!eibt dabei, inwieweit Hatty Heterogenität als Kriterium überhaupt berücksichtigt.

    Hattie ist 2014, seine Metastudie greift entsprechend auf noch älteres Material zurück. Wer 2023 überhaupt noch mit Hattie argumentiert, macht sich lächerlich. Das ist so ein grundsätzliches Problem im Bildungsbereich. In der Ausbildung philosophiert man über Piaget, weil's halt ein Schweizer war und irgendjemand immer noch schlau findet, was der sich mal gedacht hat. So relativ frisch nach dem Doktorat sass ich damals schon an der PH und hätte am liebsten den Kopf auf die Tischplatte gehauen. Bring das mal bei einer wissenschaftlichen Veröffentlichung, auf 100 Jahre alten Schmu zu referenzieren. Das geht wahrscheinlich bei den Historikern, aber sonst ...

  • In meinem Gym-Studium hat die Pädagogik ja nur eine marginale Rolle gespielt - diesen Bereich doof und überflüssig zu finden, gehörte unter uns arroganten Jungakademikern fast zum guten Ton. Das lag indessen nicht nur an uns, sondern auch an der Tatsache, dass es selbst dem unambitioniertesten Kandidaten nicht verborgen blieb, wie unwissenschaftlich und selbstreferentiell dieser Schmarrn war. Auf 20 Jahre alte Untersuchungen aufbauen? In den sich immer wieder gegenseitig zitierenden Werken der immer gleichen 3 oder 4 Verlage war das doch nie ein Problem. Hauptsache, man konnte lauthals beklagen, dass man keine Anerkennung als Wissenschaft genieße.

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