erster UB Katastrophe, ich fühle mich absolut disqualifiziert. Was sind meine Möglichkeiten, wenn ich es nicht schaffe?

  • Guten Tag,

    Ich bin seit Mai im Ref. in RLP und hatte am Dienstag meinen ersten Unterrichtsbesuch im Fach Pädagogik. Mein Studium ist lange her (noch 1. Staatsexamen, Englisch und Pädagogik) und ich bringe gefühlt nichts mit in diesem Fach und muss mir alles neu anlesen, geschweigedenn habe ich methodisch-didaktisch Erfahrung oder Wissen. Veranstaltungen am Seminar gab es wenige dazu, aber es fühlt sich an, als bräuchte man eben die Erfahrung um zu wissen wie man's macht.

    Der Lehrplan in Rheinland-Pfalz lässt einem viele Freiheiten, der Jahresarbeitsplan der Schule ist quasi nur der Lehrplan mit "methodischen Hinweisen", d.h. ich muss mir alles selbst zusammenschustern und versuche (erfolglos) einen roten Faden in meine didaktische Abschnittsplanung zu bekommen. Mein Mentor versucht mir zu helfen, allerdings fühle ich mich bereits so abgestempelt, dass ich große Hemmungen habe, ihn in dem Maße zu konsultieren, wie ich es wohl bräuchte. Ich weiß schon jetzt, dass er nicht denkt, dass ich für dieses Fach tauge.


    Ich hatte jetzt bei meinem ersten "richtigen" Unterrichtsbesuch das Gefühl, dass die Stunde gut lief. Dass die Schülerinnen und Schüler gut mitmachen und man die Zeit bis zum Schluss gut ausschöpft sind allerdings noch gar keine Kriterien für eine gute Stunde. Meine Dokumentation, die ich jetzt den Tränen nahe in den Händen halte, liest sich wie ein "Mangelhaft" - Noten gibt es bei uns keine, und mein Mentor sagte mir ein paar Tage nach der Nachbesprechung, wenn es "so weiter geht", würde er "die Reißleine ziehen".... ("aber wir sind ja noch am Anfang").


    Natürlich werde ich nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, alles besser zu machen, in der Dokumentation steht ja auch "gut erklärt", was alles "schlecht" ist, jedoch habe ich große Zweifel, dass ich es packen werde. Ich bräuchte Hilfe von jemandem, der sich mit mir hinsetzt und alles durchspricht, aber wüsste nicht, an wen ich mich wenden könnte, ich habe schon fast eine Blockade entwickelt.


    Ging es jemandem im Referendariat ähnlich? Konntet ihr euch irgendwo Hilfe holen? Es geht bei mir rein ums Fachliche, ich bin nicht labil, obwohl mich das gerade sehr fertig macht.


    Auch würde es mir vielleicht helfen zu erfahren, was ich für Möglichkeiten habe, wenn ich das Ref nicht packe. Es fühlt sich einfach gerade alles danach an.


    Eigentlich würde ich lieber in Niedersachsen Lehrerin sein, da lebt meine kranke Mutter. Allerdings kommt man dort mit den Fächern Englisch und Päd. nicht ins Referendariat. Umzusatteln und das Referendariat für Realschulen zu machen, wäre wohl nur eine Möglichkeit, wenn ich noch ein Fach dazustudiere, aber das ist ja auch nicht mal eben gemacht.


    Kann mir jemand ein wenig die Angst nehmen, dass der Aufprall für mich kein Genickbruch ist, wenn ich es nicht schaff? Ich bin nur am Weinen.

  • ... in der Dokumentation steht ja auch "gut erklärt", was alles "schlecht" ist,

    Toll, dann bist du ja Genauestens informiert *Ironie off*


    Kannst du dem Text entnehmen, was du als nächstes angehen möchtest? Ich würde versuchen, erst mal nur einen Kritikpunkt rauszupflücken und als einen Aspekt auf einer Skala zu sehen, bei der es immer nach oben Potential gibt oder nach unten Verschlechterungsmöglichkeiten. Und zwar jede Stunde neu, bis an dein Berufsende. Es wird immer Leute geben, die einen Aspekt tendenziell etwas besser beherrschen und einen anderen etwas weniger gut als du. Aber jeder hat jede Stunde eine neue Chance, einen Aspekt heute und jetzt zu verändern. Alles ist im Flow.


    Zu dem anderen kann ich nichts sagen, wenn du lieber näher bei deiner Mutter wärst, musst du dahingehend eine Entscheidung treffen. Was ich aber sicher sagen kann: Sich nach einer einzigen Stunde komplett infrage zu stellen ist absoluter Humbug:rose:

  • Hmmm...mein erster UB steht mir noch bevor, insofern kann ich dir nur bedingt helfen. Auch ich fühle mich in dem einen Fach deutlich fitter und sicherer als im Anderen. Da hilft wohl nur, sich hinzusetzen und nachzuackern. Tatsächlich gibt es zu allen möglichen Themen mittlerweile sehr viele Erklärvideos bei Youtube. Das kann man als erste Orientierung gut nutzen, um dann noch tiefergehend zu recherchieren.

    Wurden denn die vermittelten Inhalte als fachlich falsch kritisiert?

    Wenn es für Pädagogik in RLP kein richtiges Kerncurriculum gibt, dann könntest du evtl. in anderen Bundesländern schauen. Um welche Schulform und Jahhrgangsstufe geht es denn? Für Hessen gibt es für das berufliche Gymnasium in der Fachrichtung Erziehungswissenschaften z.B. ein recht gutes Kerncurriculum.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • Der Lehrplan in Rheinland-Pfalz lässt einem viele Freiheiten, der Jahresarbeitsplan der Schule ist quasi nur der Lehrplan mit "methodischen Hinweisen", d.h. ich muss mir alles selbst zusammenschustern und versuche (erfolglos) einen roten Faden in meine didaktische Abschnittsplanung zu bekommen.

    Das war tatsächlich bei mir ähnlich. Es gab einen Stoffkatalog mit Inhalten die ich zu unterrichten hatte. Die Tiefe lies sich daraus kaum erschließen und Lernsituationen gab es erst recht nicht.

    Bezüglich der Reihenfolge und Tiefe könntest du vielleicht mal bei Kolleginnen und Kollegen fragen, die in deinem Bildungsgang in der Vergangenheit unterrichtet haben. Zu Methoden gibt es viele gute Bücher, die Methoden als solche beschreiben und auch in welche Phase sie gut passen. Was dann zum Thema und zur Lerngruppe passt muss man tatsächlich selbst schauen.


    Schau bei dem was in den Rückmeldungen stand was du als erstes angehen möchtest und arbeite an dem Punkt. Bei uns gab es nie eine ausführliche schriftliche Dokumentation von außen. Es gab eine Nachbesprechung zu der man selbst ein Protokoll angefertigt hat. Es wurde auch immer ein Ziel für den nächsten UB festgelegt. Also worauf ein Fokus liegen sollte etc.

  • Hallo Anna. Zu Beginn meines Refs, vor nun fast genau einem Jahr, war es fast ähnlich. Danach habe ich viel harte Kritik eingesteckt und diese versucht so gut wie nur möglich umzusetzen. Ich kann dir nach heute, wo ich einen der letzten UBs abgehalten habe versichern, dass auch dieser KOMPLETT in die Hose gehen kann, obwohl davor zwei wirklich, wirklich gute UBs gezeigt wurden. Es war halt von vornherein klar, dass das nichts werden kann... In so einer Nachbesprechung wird dir dann meist zu spät klar, dass das Mist ist, wo du dann bei dem ganzen Drumherum (Klausuren, Kollegen, die komplett durchgeplanten Unterricht fordern für Gutachten oder Seminararbeit die Zeit einfordert) irgendwie ein Brett vor dem Kopf hast.

    Wie schon gesagt wurde: lass dir nach einer verhauenen Stunde nicht den Wind aus den Segeln nehmen. Progression ist (fast) alles!

  • Nach meinem ersten Unterrichtsbesuch hatte ich auch eine Liste mit mindestens 40 Kritikpunkten. Ich war heftig geschockt.

    Bin dann diese Liste durchgegangen und habe jeden einzelnen Kritikpunkt zerpflückt.


    Was kann ich in der nächsten Unterrichtsstunde direkt ohne Aufwand ändern bzw umsetzen. Beispiel: größere Schrift an der Tafel.

    Bis zu: Wo habe ich erheblichen Beratungsbedarf und brauche Unterstützung? Beispiel: Chaos/Struktur. Für letzten Punkt blieben gar nicht mehr so viele Kritikpunkte übrig. Dann unterschied ich auch noch nach Dringlichkeit.

  • Hallo liebe Anna Teh,


    zunächst fühle dich herzlich gedrückt von mir - mir ging es anfangs in einem Ausbildungsfach (bei mir Deutsch) ähnlich wie dir, wenn auch nicht so dramatisch.


    Ich bin Quereinsteigerin, mein Germanistikstudium lag lange zurück - mein Hauptproblem aber war, dass ich gar nicht richtig wusste, was man von mir hören wollte. Mein Mentor hätte mir - wie sich später herausstellte - nicht helfen können, er wusste es selbst nicht besser leider. Und so hat er mich bei meinem ersten UB, zu dem ich ihn (noch) konsultierte - sehr schlecht beraten. Ich war ehrlich verzweifelt "damals", weil der Tipp, mich an andere Deutschlehrer meiner Schule zu wenden, misslang. Ich wurde immer auf meinen Mentor zurückverwiesen. Wahrscheinlich wollte man mir nicht hinter dessen Rücken helfen oder ihm in den Rücken fallen.


    Mein Glück war dann, dass es einen Mitreferendar im selben Fach gab, der allerdings schon weiter im Ref war. Und meine Verzweiflung bemerkte UND Hilfe anbot. Er gab mir einige seiner sehr guten UBs zu lesen - und plötzlich wusste ich, was "die" von mir wollten, bzw. von den SuS und dass meine Stunde viel zu lehrerzentriert war trotz guter Mitarbeit. Ich erkannte, was genau den Unterschied in seinen UBs ausmachte und was ich dich didaktisch-methodisch (die Methode folgt immer der Didaktik) falsch gemacht hatte, bzw. dass es eben verzahnt sein muss. Der nächste UB war gut - die anderen auch. Das einzig Schwierige war, meinen Mentor außen vor zu lassen...Mein Tipp also an dich: Höre dich um im Seminar und bitte andere Refs offen um Mithilfe und einige Beispiele guter UBs. Daraus lernst du enorm. Gleichzeitig würde ich dir raten, deinen Mentor offen um Hilfe zu bitten. Das war auch mein erster Schritt. Der ist für dich da, das ist sein Job. Dass manche Mentoren dennoch nicht wissen, was das Seminar will, steht auf einem anderen Blatt..Aber fragen würde ich ihn zuerst. Und dann durchaus auch parallel fragen. Ganz wichtig war für mich übrigens mein Gefühl, das ich im Ref in und vor der Klasse hatte. Ich fühlte mich schnell wohl mit den SuS, natürlich auch nicht immer und bei allen, aber grundsätzlich hatte ich das Gefühl, dass ich gut ankam, dass ich einen Draht zu meinen Schülern hatte und dadurch bei dem einen oder anderen Schüler auch was bewirken konnte. Mir war es auch bei dem ersten nicht so guten UB wichtiger, was "das Seminar" und "die Schule" zu meiner Beziehung zu den SuS sagte. Am Fachlichen kannst du nämlich schleifen, aber wenn du nicht gut mit den SuS "klar" kommst, ist das ein größeres Problem. Daher, wenn du gut klarkommst mit den SuS und dir das Unterrichten an sich Spaß macht, bleib dran. Das wird.

  • Zunächst: Rücken gerade - Kopf erhoben - Bange machen gilt nicht!
    Mit Kritik musst du leben - und sie annehmen oder abhaken. Kein Besucher deines Unterrichts wird dich danach mit Lobpreisungen erheben.
    Da muss immer noch etwas Kompetenz durchscheinen, die "es besser weiß".
    Lass dich nicht ins Boxhorn jagen - und mach es, so gut wie du es kannst.


    Falls es am Ende nicht zur Soforteinstellung kommt - es gibt Möglichkeiten:
    Aber - du schaffst das. Don't let them take you down. ;)
    Falls du aus dem Narrenverein aussteigen willst:
    https://www.autenrieths.de/lehrerberuf.html

    Das Diskutieren von Tatsachen ist eine "wunder"bare Sache.

  • Hallo nochmal!


    Vielen Dank für eure herzlichen sowie sachlichen Antworten und die guten Tipps. Es tut gut, das zu lesen. Ich habe noch ein paar Herausforderungen bis zu den Weihnachtsferien und melde mich dann nochmal ausführlich.


    Ganz liebe Grüße

  • Das Problem mit dem Lehrplan kenne ich zu genüge. Hier würde ich versuchen entweder Lehrpläne aus anderen BL zu studieren, ob dort mehr genannt wird oder nach einschlägigen Schulbüchern zu schauen.


    Mit einem halbwegs guten Schulbuch kann man bereits einiges an Material extrahieren um ein Referendariat zu bestehen.


    Das sich die Dokumentation grausam liest ist normal und darauf würde ich erstmal nicht sonderlich viel geben. Ich habe in meiner Laufbahn schon unzählige davon lesen dürfen und welche Note am Ende dann wirklich herauskommt steht auf einem ganz anderen Blatt. Selbst die 1er Kandidaten haben im Referendariat Kritik einstecken müssen. Einer meiner UBs wurde in der Luft zerrissen und am ende war es trotzdem eine 1. Es geht darum, dass der Referendar nicht auf dem aktuellen Stand stehen bleibt, sondern sich (positiv) weiterentwickelt, sich ausprobiert.


    Ein Alarmsignal ist allerdings die Aussage vom Mentor, dass er die Reisleine ziehen möchte. Das heißt, dieser ist extrem unzufrieden mit dir und ich würde mit ihm das Gespräch suchen warum das so ist. Liegt es am fachlichen? Liegt es an der Methodik? Danach kann man ansetzen und versuchen es besser zu machen.


    Leider sind auch viele Referendare absolut keine Kritik mehr gewohnt, was mir in den letzten Jahren immer mehr aufgefallen ist. Da die Universitäten Noten komplett verschenken sind so einige Aspiranten gewohnt, nur 1en zu haben und jede Note außerhalb dieses Korridors (1 bis 1-) wird nicht akzeptiert. Im Referendariat sieht die Sachlage dann doch anders aus. Die Seminare, zu denen ich kenne, haben eine Normalverteilung. Das heißt, wenige 1/2en, relativ viele 3/4en aber auch einige die mit 5 durchfallen.

  • Hi,


    mein erster UB war auch nicht gut und nach dem, was da alles auf mich niederprasselte, dachte ich daran, alles hinzuschmeißen. Das habe ich nicht getan und am Ende mit 1,7 abgeschlossen 😃

    Schreib mir eine PN, vielleicht kann ich dir helfen.

  • Mein Mentor versucht mir zu helfen, allerdings fühle ich mich bereits so abgestempelt, dass ich große Hemmungen habe, ihn in dem Maße zu konsultieren, wie ich es wohl bräuchte. Ich weiß schon jetzt, dass er nicht denkt, dass ich für dieses Fach tauge

    Das klingt nach sehr viel Selbstkritik und wenig Selbstwertgefühl. Ist dein Mentor Lehrer?

    Was ich über manche meiner KuK sagen kann, ist, dass viele gar nicht mehr wissen, was im Ref gefordert ist und nach welchen Kriterien Unterricht beurteilt wird. Die Aussage mit dem Reißleine ziehen finde ich nach der kurzen Zeit unprofessionell.

  • Hallo, auch wenn ich nahezu direkt von Studium ins Ref überging, kann ich absolut nachempfinden, dass man zu Refbeginn auch fachlich überfordert sein kann.

    Inhalte des Studiums und Lehrplan sind nicht wirklich aufeinander abgestimmt gewesen (zumindest war es bei mir so), was ich aber übrigens richtig und wichtig finde. Denn mein Studiumswissen setzt da an, wo es im Unterricht über den Tellerrand hinausgeht und ich bin froh, dass ich fachwissenschaftlich noch einiges in der Hinterhand habe, wenn es benötigt/gefordert/nachgefragt wird.

    Das bedeutete aber eben auch, dass ich mir typische Schulgrammatik (die natürlich nicht Teil des Germanistik-Studiums war) oder wie eine textgebundene Erörterung zu verfassen ist eigenständig erarbeiten musste (wie andere schon geschrieben haben: in guten Schulbüchern nachsehen). Wenn du ein Studium erfolgreich abgeschlossen hast, ist das aber an sich keine große kognitive Herausforderung, kostet aber dennoch Zeit. Die solltest du dir aber auf jeden Fall nehmen, denn kein Methodenfeuerwerk kann mangelnde Fachkompetenz wett machen

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