Warum haben Lehrkräfte kein Büro?

  • Zurück zum eigentlichen Thema:

    Wenn man bedenkt, dass man bei einer 41 Stunden Woche und 30 Tagen Urlaub im Jahr 46 Wochen im Jahr von (z.B.) 7:45 bis 16:30 (incl. 30 Minuten Pause) in der Schule zubringen müsste.

    Man kann das so aber nicht organisieren, weil man z.B. Elternabende, Informationsveranstaltungen, viele Elterngespräche und Klassenfahrten sowie anderes nicht während dieser Zeit erledigen kann, oder?

    Wollte man das tun, müsste alles komplett gegengerechnet werden.


    P.S.: Ich gebe zu, dass ich für eine Englisch-Klausur in Q1 im Schnitt nur 60 Minuten brauche. Probeabi und Abi sind natürlich ein ganz anderer Schnack.

    Frage an die Deutsch-Kolleg*innen: Braucht ihr auch alle keine 41 Std. bei Vollzeit, wie es hier einige zugeben?

    Ich arbeite bewusst nur 3/4. Mathe- und Sportkolleg*innen an meiner Schule arbeiten in der Regel Vollzeit.

  • Man kann das so aber nicht organisieren, weil man z.B. Elternabende, Informationsveranstaltungen, viele Elterngespräche und Klassenfahrten sowie anderes nicht während dieser Zeit erledigen kann, oder?

    Wollte man das tun, müsste alles komplett gegengerechnet werden.

    Warum sollte das ein Problem sein? Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, und wird zumindest in größeren Betrieben auch flächendeckend gelebt - egal, ob im Büro, zu Hause oder unterwegs gearbeitet wird. Wenn ein Elternabend bis 19:30 Uhr geht, wird die Zeit auch genau so gebucht.


    Eine Klassenreise entspricht bei üblichen Bürojobs einer Dienstreise.

  • Nicht "man" wird in der Luft zerrissen, sondern zum Beispiel ganz konkret eine Sozialpädagogin ohne Unterrichtserfahrung, die allen Lehrkräften erzählt, dass sie sich mal nicht so anstellen sollen.

    Richtig, eine Sozialpädagogin die 15 Jahre lang ihre komplette Arbeitszeit am Ort Schule verbracht hat. Es gab LK (nicht nur eine oder 2) die meinten, es muss driiiingend ein Elterngespräch geführt werden. Wenn dann die Terminvorschläge (aufgrund von diversen Unständen) Nachmittags um 15 (!!!)Uhr oder Freitag nach 13 (!!!)Uhr waren, war das Gespräch gar nicht mehr so wichtig. "Nee, also um die Uhrzeit arbeite ich ganz sicher nicht." Da kannst du als Teilzeitkraft echt überlegen, ob du lachen oder weinen sollst, oder greifst dir einfach nur an den Kopf.


    Und nochmal: Nein, nicht alle Lehrkräfte haben so gehandelt. Aber es waren schon Einige.

    Siehe mein Beitrag davor: Man kann sich sehr, sehr viele Gedanken zum Unterricht, zum Klassenklima, zu einem Kind, zu Ausflügen, whatever machen. Man kann es sich aber auch sehr leicht machen. Und es gibt ganz sicher Einige, die es sich sehr leicht machen, bzw. nicht all zu viel Zeit investieren. Zwei haben es hier eben selbst zugegeben. Bei mindesten 3 anderen Mitforist*innen gibt es gewichtige Anhaltspunkte.

    Wer Fehler findet darf sie behalten und sich freuen! :victory:

  • P.S.: Ich gebe zu, dass ich für eine Englisch-Klausur in Q1 im Schnitt nur 60 Minuten brauche.

    "Nur" 60 Minuten für eine Englischklausur? Als jemand, der Englisch ausschließlich in der Oberstufe unterrichtet, wäre das mein Tod. Ich benutze beim Korrigieren eine Stoppuhr und versuche jede Arbeit in 25 Minuten zu korrigieren. Klappt ganz gut. Bei fast fehlerfreien Arbeiten bin ich nach 15 Minuten fertig.

  • 25 Minuten für eine Oberstufenklausur? 😳 Verrätst du, wie du das machst? Ich bin im Schnitt bei 1,5 Stunden (Q-Phase, EF geht bei mir auch schneller).

    Damit es keine Missverständnisse gibt, hier noch ein paar Informationen: Das Englischabitur am beruflichen Gymnasium in BW besteht aus verschiedenen Teilaufgaben, unter anderem einer Zusammenfassung, einer Textanalyse und einem Kommentar/einer Erörterung. In den regulären Klausuren bekommen die SuS nur eine Aufgabe von mir, je nachdem, was wir in den Wochen davor behandelt und geübt haben, zum Beispiel die Textanalyse.


    Faktisch haben die SuS in der Abschlussprüfung nur 60 bis 75 Minuten pro Teilaufgabe (plus 15 Minuten Einlesezeit). Daher bekommen sie in den Klausuren auch nur 60 bis 90 Minuten Bearbeitungszeit inklusive Lesezeit (je nach Aufgabe und Textlänge). Die SuS schreiben erfahrungsgemäß etwa 300 bis 600 Wörter in der Zeit.


    Bei der Korrektur einer Klausur gehe ich wie folgt vor: Ich lese jede Arbeit gründlich, aber zügig durch. Dabei markiere ich sofort alle Fehler. Eine "Positivkorrektur" gibt es nur bei Fehlern, bei denen ich sicher bin, dass der Schüler Hilfe braucht, um zu verstehen, worin genau der Fehler besteht. Rechtschreibfehler, einfache Ausdrucks- und Grammatikfehler sowie Flüchtigkeitsfehler werden von mir zwar gekennzeichnet, aber nicht korrigiert. Bei der Besprechung der Arbeit können mich die SuS trotzdem noch einmal um eine Erklärung bitten, wenn etwas unklar sein sollte.


    In der Regel muss ich eine Arbeit nur einmal lesen. Manchmal lese ich die Arbeit noch ein zweites Mal, aber das bleibt eigentlich die Ausnahme. Im Schnitt brauche ich dafür 20 Minuten. Anschließend fülle ich die (kurze) Bewertungstabelle aus (ankreuzen) und bilde dann mithilfe der Tabelle die Note. Fertig. Dafür brauche ich dann noch einmal 5 Minuten. Einen Kommentar gibt es in der Regel von mir nicht. Dafür gibt es die Tabelle. Zusätzlich füge ich immer den Erwartungshorizont hinzu. Dann können sie selbst vergleichen.


    Meine SuS geben mir immer gutes Feedback und sagen, dass meine Korrektur transparent und hilfreich sei. Ich glaube, der "Trick" ist einfach, die Arbeit nur einmal konzentriert zu lesen und dann die Tabelle auszufüllen, ohne einen Kommentar zu schreiben. Das spart unglaublich viel Zeit. Auch muss man nicht jeden Rechtschreibfehler positiv korrigieren. Das können sie auch selbst mit einem Wörterbuch machen.


    Ich unterrichte nur die Oberstufe. Ich muss so vorgehen, um zeitig fertig zu werden.

  • In NRW dauern die Klausuren leider quälend lange. Bereits in der Q1 dauern sie 135 Minuten und werden stetig länger, bis sie im Abitur 5 Zeitstunden dauern. Da wird dann natürlich gelabert ohne Ende.


    (Also am allgemeinbildenden Gymnasium bzw. am WBK, wie es an NRW Berufskollegs ist, weiß ich nicht. Du, Pyro, bist ja soweit ich weiß im beruflichen Schulwesen unterwegs.)

  • Aber gesamtgesellschaftlich gesehen sehe ich kaum eine andere Möglichkeit. Ohne beidseits voll berufstätige Eltern sind die verrenteten Boomer nicht zu finanzieren. Was wiederum annähernd ganzjährig geöffnete Schulen voraussetzt.

    Einer Berufstätigkeit von Eltern steht der Schulbesuch einer (weiterführenden) Schule ohne Ganztagsbetrieb nichts entgegen. Selbst Grundschüler können zeitweise alleine zu Hause sein oder verabreden sich jeweils bei Freunden. Im Übrigen sind zumindest hier nahezu alle Schulen Ganztagsschulen (teils offen, teils gebunden), sodass eine Betreuung bis 16 Uhr auch gesichert ist, obwohl die Lehrkräfte nicht durchgängig Präsenzpflicht haben.

  • Was ist daran praktisch?


    Es gibt die - IMHO bessere - Option schuleigener Apps oder MS Teams. Wenn Eltern sich mit mir einen Termin vereinbaren möchten oder ich mit bestimmten Eltern, oder einfach nur kurz etwas mitgeteilt werden soll, kommuniziere ich über ein schuleigenes iPad in der Schule (- auf Klassenfahrten und Ausflügen kommt entweder das iPad mit, oder die App wird auf dem eigenen Handy genutzt). Zu Hause bin ich im Feierabend und prinzipiell nicht erreichbar.


    Ist nicht meine persönliche Entscheidung, das so zu handhaben, sondern Vorgabe der Schule

  • In NRW dauern die Klausuren leider quälend lange. Bereits in der Q1 dauern sie 135 Minuten und werden stetig länger, bis sie im Abitur 5 Zeitstunden dauern. Da wird dann natürlich gelabert ohne Ende.


    (Also am allgemeinbildenden Gymnasium bzw. am WBK, wie es an NRW Berufskollegs ist, weiß ich nicht. Du, Pyro, bist ja soweit ich weiß im beruflichen Schulwesen unterwegs.)

    Ist das gesetzlich so vorgeschrieben in NRW? Bei uns an der Schule ist der Standard für eine Klausur 90 Minuten Bearbeitungszeit. Allerdings ist das am Ende der Lehrkraft überlassen. Da meine SuS im Englischabitur nicht viel Zeit pro Teilaufgabe haben werden, gewöhne ich sie schon in den Klausuren daran.

  • Einer Berufstätigkeit von Eltern steht der Schulbesuch einer (weiterführenden) Schule ohne Ganztagsbetrieb nichts entgegen. Selbst Grundschüler können zeitweise alleine zu Hause sein oder verabreden sich jeweils bei Freunden. Im Übrigen sind zumindest hier nahezu alle Schulen Ganztagsschulen (teils offen, teils gebunden), sodass eine Betreuung bis 16 Uhr auch gesichert ist, obwohl die Lehrkräfte nicht durchgängig Präsenzpflicht haben.

    Eine Betreuung bis 16:00 Uhr ermöglicht den Eltern doch keine ganztägige Berufstätigkeit.


    Zumindest Grundschüler benötigen optional eine verlässliche Betreuung bis 18:00 Uhr. Und damit meine ich keine "Verwahrung", sondern ein qualifizierte pädagogische Betreuung.


    Natürlich können die Kinder nachmittags auch mal bei Nachbarn unterkommen. Aber diese Möglichkeit ersetzt kein verlässliches, von Schulferienzeiten unabhängiges Betreuungsangebot.

  • Hierfür gibt es eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten. Unsere Kids sind regelmäßig in ganztägigen Ferienbetreuuungen, bei Freunden, in Sportvereinen, bei der Jugendfeuerwehr usw. Es mangelt nun wirklich nicht an Angeboten auch außerhalb der Schule. Wenn beide Eltern leicht zeitversetzt arbeiten können, sind nicht einmal externe Angebote nötig, um eine lückenlose Betreuung auch außerhalb der Ganztagsschule von 8-16 Uhr zu gewährleisten....die wie gesagt nicht einmal bei Grundschülern zwingend notwendig wäre.

  • Pyro

    Danke für die Erklärung. Da unterscheiden sich unsere Klausurformate leider. Wir haben immer Teil A (summary, analysis,comment/recreation) und Teil B mit Mediation oder Hörverstehen. 90 Minuten kann ich in der EF noch schreiben lassen, dann steigert es sich recht fix hoch (135 Minuten, 165 Minuten, 180 Minuten...) Der Erwartungshorizont ist auch vorgegeben und hat allein für den sprachlichen Teil in Teil A 12 Einzelkriterien, für die Mediation in Teil B nochmal 3, und dazu eben noch alle Inhaltskriterien für 4 Aufgabentypen. Selbst wenn ich alle Kategorien nur kurz "andenke", summiert sich das zeitlich auf.


    Aber ja, ich muss die Positivkorrektur sein lassen. Da gabe ich state_of_Trance recht, mache es dann aber irgendwie letztlich doch öfters, als zielführend ist.

  • 1,5 Stunden? Ernsthaft? Lass die Positivkorrektur weg. Was 5 ist, kann man auch ohne sich daran stundenlang aufzureiben als solches benennen.

    Also Transparenz sollte schon irgendwie noch eine Rolle spiele. Einfach anstreichen kann nämlich jede*r.

  • Richtig, eine Sozialpädagogin die 15 Jahre lang ihre komplette Arbeitszeit am Ort Schule verbracht hat.


    Und wenn du dein erstes Schuljahr Vollzeit unterrichtet hast, würde ich gerne mit dir noch mal über das Thema reden.


    Edit: das Problem sind mal wieder die Verallgemeinerungen. Ich kenne Schulsozialarbeiterinnen, die meinen, es würde wem helfen, sich in den Unterricht hinten rein zu setzen und die Augen zu verdrehen. Von den Pappnasen beim Jugendamt mal ganz abgesehen, die gezielt unsere Arbeit torpedieren, die wir in jahrelangem, intensiven Einsatz vorbereitet haben. Ich musste mit einigen sehr schlecht arbeitenden Sozialpädagog*innen zusammen arbeiten und reagiere deswegen allergisch auf das allgemeine Lehrerbashing. Insofern mach, wenn du denkst, du kannst es besser, aber urteile dann, wenn du den Unterrichtsalltag PLUS Elternarbeit aus eigener Erfahrung kennst.


    Und um das Allgemeine gleich wieder zu revidieren: wir haben eine fantastische Sozialarbeiterin, die seit Jahren wertvolle Arbeit leistet und auch im Jugendamt habe ich eine solche kennengelernt. Und selbstredend gibt es alle möglichen Abstufungen dazwischen von Leuten, die ihre Arbeit ganz normal machen.

  • Warum sollte das ein Problem sein? Arbeitszeiterfassung ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben, und wird zumindest in größeren Betrieben auch flächendeckend gelebt - egal, ob im Büro, zu Hause oder unterwegs gearbeitet wird. Wenn ein Elternabend bis 19:30 Uhr geht, wird die Zeit auch genau so gebucht.


    Eine Klassenreise entspricht bei üblichen Bürojobs einer Dienstreise.

    Genau, deshalb haben wir die Arbeitszeiterfassung ja auch bereits. Und sämtliche Politiker*innen finden das auch ganz klasse.


    Nichts für ungut, aber da wir keine echte Arbeitszeiterfassung haben, Politiker*innen sich dagegen verwehren und es auch nicht danach aussieht, dass diese für Lehrkräfte so kommt wie für andere Arbeitnehmer*innen, sehe ich da doch ein Problem.

    Wenn es so unproblematisch wäre, wie Sie meinen, dann hätten wir diese doch bereits, meinen Sie nicht?


    Nachtrag: Es wurde ja eine feste Arbeitszeit mit Anfang und Ende genannt. Das war meine Ausgangspunkt.

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