Perspektiven für Brennpunktschulen - aus: PTBS und Panikstörung nach Dienstunfall

  • Häh? Fragst Du das hier ernsthaft?

    Mehr Personal, verschiedene Professionen, kleinere Klassen, eine Schulleitung, die hinter den Lehrkräften steht, angemessene Ausstattung...

    Sorry, ich meinte realistisch. Wo kommt das Geld für mehr Personal her? Und selbst wenn es da ist, wo findest Du diese Lehrkräfte? Es fehlen doch jetzt schon massiv Lehrkräfte. Gleiches gilt natürlich auch für die verschiedenen anderen Professionen.

    Die meisten/Viele Schulleitungen stehen hinter ihren Lehrkraft. Aber trotzdem, wie genau setzen wir das um?

    Kleinere Klassen? Super, wer unterrichtet die anderen Schulen?

    Angemessene Ausstattung? Sicherlich wichtig. Frage 1: Woher kommt das Geld? Viele Kommunen sind pleite. Frage 2: Wie setzen wir es zeitnah um? Frage 3: Was hilft das wirklich?

    Ich habe das Gefühl, dass nichts davon realistisch so umgesetzt werden kann, um die Arbeitsbedingen an Brennpunktschulen vernünftig zu verbessern.

  • Richtig, ich finde auch, dass das Problem systematisch ist. Gäbe es ÜBERALL kleine Klassen und genug Professionen, die Problemfällen helfen können, entsteht der Brennpunkt gar nicht erst in der Dimension, wie er vielleicht heute vorliegt.

    Brennpunktschulen entstehen durch gesellschaftliche Veränderungen, Ghettobildung, veränderte Kindheit etc.

    Ja, der Dienstherr lässt uns alle und müsste mehr tun. Aber das Problem ist viel zu schwerwiegend und strukturell bedingt. Selbst ein guter Dienstherr könnte es nicht einfach lösen.

  • Sorry, ich meinte realistisch. Wo kommt das Geld für mehr Personal her? Und selbst wenn es da ist, wo findest Du diese Lehrkräfte? Es fehlen doch jetzt schon massiv Lehrkräfte. Gleiches gilt natürlich auch für die verschiedenen anderen Professionen.

    Na ja, hier in BW wurden gerade erst wieder fast 1000 Gymnasiallehrkräfte nach dem Ref nicht übernommen, weil man sie an den Gymnasien nicht zu brauchen meint. Es wäre ein Leichtes, das Einstellungsverfahren anzupassen, so dass wer sich für eine Gymnasialplanstelle bewirbt sich auch automatisch mit für Sek.1 - Stellen bewirbt oder auch an den Gymnasien die Vertretungsreserve anzuheben / Differenzierungsstunden zu erhöhen / … Stattdessen werden gut ausgebildete Lehrkräfte nicht übernommen in den Schuldienst, die dringend gebraucht werden würden.

    "Benutzen wir unsere Vernunft, der wir auch diese Medizin verdanken, um das Kostbarste zu erhalten, das wir haben: unser soziales Gewebe, unsere Menschlichkeit. Sollten wir das nicht schaffen, hätte die Pest in der Tat gewonnen. Ich warte auf euch in der Schule." Domenico Squillace

  • Es ist nicht unrealistisch. Es ist eine Frage der Prioritäten. Und die Bildung hat eine Priorität, die völlig falsch ist. Es ist genug Geld da. Es wird falsch ausgegeben und das kostet am Ende mehr Geld. Die ganzen Schüler, die auf der Strecke bleiben, schlecht ausgebildet sind, die wollen Sozialleistungen haben. Und das wird auf Dauer nicht funktionieren


    Ich rede nicht davon, was morgen passieren kann, sondern dass die Politik dringend in Schulen investieren muss! Ich verstehe einfach nicht, wieso das nicht passiert, obwohl alle die Missstände kennen. Es ist mir klar, dass ich das nicht mehr erlebe, wenn heute angefangen wird zu investieren. Aber so geht es doch nicht weiter.

    In Hagen wurden mehrere Gebäudeteile von 2 großen Berufskollegs gesperrt. Von heute auf morgen. Wegen Brandschutzmängeln. Es wird gespart und gespart. An Gebäuden, Infrastruktur, Personal. Das fällt uns jetzt schon auf die Füße, aber Frau Fellner führt noch weitere Tests ein, anstatt die Grundschulen mehr zu fördern.

  • Na ja, hier in BW wurden gerade erst wieder fast 1000 Gymnasiallehrkräfte nach dem Ref nicht übernommen, weil man sie an den Gymnasien nicht zu brauchen meint. Es wäre ein Leichtes, das Einstellungsverfahren anzupassen, so dass wer sich für eine Gymnasialplanstelle bewirbt sich auch automatisch mit für Sek.1 - Stellen bewirbt oder auch an den Gymnasien die Vertretungsreserve anzuheben / Differenzierungsstunden zu erhöhen / … Stattdessen werden gut ausgebildete Lehrkräfte nicht übernommen in den Schuldienst, die dringend gebraucht werden würden.

    Ich stimme dir in allem zu, aber das Problem ist, dass in weiteren Schularten weiterhin dringender Lehrerbedarf besteht. Politisch ist es ein halbes Jahr vor der Landtagswahl schwer zu vertreten, wenn an einem Ort wegen Lehrermangel einerseits das SBBZ oder die Grundschulen Unterricht quasi reduzieren müssen und anderseits am Gymnasium Klassen geteilt werden müssen.

    Zudem: es gibt die Stellen. Auch an Gymnasien. Nur nicht in Baden-Württemberg. Ein Referendar von uns zieht jetzt mit Lehrergattin nach Brandenburg. Dort konnten die beiden sich aussuchen, an welcher Schulart und an welchem Schulort sie eingesetzt werden.

  • In Nds. gibt es auch offene Stellen an Gymnasien. Aber man muss auch überlegen, ob eine Gymnasiallehrkraft, die keine Stelle am Gymnasium bekommen dann überhaupt bereit wäre an die Brennpunktschule nach NRW zu gehen. Ich glaube, dass das die wenigsten würden.

    Ich bin natürlich auch mehr für Mehrausgaben im Bildungssektor. Und es natürlich auch eine Frage von Prioritäten. Aber selbst mit einem großen 100 Mrd. Packet würden wir nur wenige finanziell bedingte Probleme lösen. Der Investitionsstau ist riesig. Das sind eher Aufgaben über die nächsten 20 Jahre. Und in diesen 20 Jahren brauchen wir trotzdem Lehrkräfte, die in Brennpunktschulen unterrichten. Das Schulsystem ist strukturell bedingt auch einfach viel träger als die Gesellschaft. Wenn Politik, Gesellschaft und Verwaltung gemeinsam mehr für Schulen erreichen wollen, haben wir trotzdem immer das Problem, dass wir gar nicht so schnell auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren können. Man kann so viel besser machen, aber am Ende wird es immer noch unbeliebte (Brennpunkt)schulen geben und wir immer noch das Problem haben, dass der Bedarf und die Wünsche der Lehrkräfte nicht übereinstimmen.

  • Ich arbeite an einer Brennpunktschule und unser Kollegium ist recht stabil, es bewirbt sich keiner weg, wir sind personell gut aufgestellt, haben junge, engagierte Kollegen und auch ältere (wie mich), die allesamt dort bleiben wollen.

    Wir haben ein neues Schulhaus, Sozpäds und fühlen uns wohl.

    Brennpunkt kann auch so aussehen!

  • In Nds. gibt es auch offene Stellen an Gymnasien. Aber man muss auch überlegen, ob eine Gymnasiallehrkraft, die keine Stelle am Gymnasium bekommen dann überhaupt bereit wäre an die Brennpunktschule nach NRW zu gehen. Ich glaube, dass das die wenigsten würden.

    Nein, die vielleicht nicht, aber wenn alle übernommen werden würden, hätte man einen größeren Pool, aus dem man schöpfen könnte.

  • Nein, die vielleicht nicht, aber wenn alle übernommen werden würden, hätte man einen größeren Pool, aus dem man schöpfen könnte.

    Natürlich. Aber einerseits sind die Haushalte der Länder durchaus belastet und die Perspektive ist nicht wirklich gut. Anderseits gibt es sicherlich viele tolle Schulen mit schwierigen Klientel an denen sich die Lehrkräfte wohlfüllen. Aber es wird auch immer die Schulen geben, an denen keiner arbeiten will. Und wir werden auch mittelfristig nicht genug Personal und vor allem Fachkräfte haben und den Problemen zu begegnen. Das fängt bei uns schon damit an, dass Eltern 1-2 Jahre auf Termine zur Überprüfung beim Psychologen etc. warten müssen.

  • Statt Brennpunktschulen besser auszustatten, sollte eher geschaut werden, wie ein Wohngebiet infrastrukturell verändert werden kann, dass es langfristig gar nicht mehr in die "Brennpunktkategorie" fällt. Alles Andere lindert vielleicht Symptome, aber nicht die Ursache. Und ja, auch dafür müsste dann Geld ausgegeben werden, aber bekannterweise gibt es Rekordsteuereinnahmen. In Deutschland besteht derzeit ein Ausgabe-, kein Einnahmeproblem.

  • Statt Brennpunktschulen besser auszustatten, sollte eher geschaut werden, wie ein Wohngebiet infrastrukturell verändert werden kann, dass es langfristig gar nicht mehr in die "Brennpunktkategorie" fällt. Alles Andere lindert vielleicht Symptome, aber nicht die Ursache. Und ja, auch dafür müsste dann Geld ausgegeben werden, aber bekannterweise gibt es Rekordsteuereinnahmen. In Deutschland besteht derzeit ein Ausgabe-, kein Einnahmeproblem.

    Oh, das geht natürlich viel einfacher!

  • Natürlich wäre es nicht einfacher, sondern eher mit mehr Aufwand und Kosten verbunden. Investiert man "nur" in die Schule, bleibt sie in 20 Jahren immer noch eine Brennpunktschule, da dieser unrühmliche Titel nicht an der Schule selbst liegt, sondern am demographischen Einzugsgebiet. Wird das Viertel jedoch von Grund auf infrastrukturell und städtebaulich aufgewertet, steigt auch sein sozioökonomische Status und die Schule verliert automatisch ihren Status als Brennpunktschule.

  • In Nds. gibt es auch offene Stellen an Gymnasien. Aber man muss auch überlegen, ob eine Gymnasiallehrkraft, die keine Stelle am Gymnasium bekommen dann überhaupt bereit wäre an die Brennpunktschule nach NRW zu gehen. Ich glaube, dass das die wenigsten würden.

    Ich bin natürlich auch mehr für Mehrausgaben im Bildungssektor. Und es natürlich auch eine Frage von Prioritäten. Aber selbst mit einem großen 100 Mrd. Packet würden wir nur wenige finanziell bedingte Probleme lösen. Der Investitionsstau ist riesig. Das sind eher Aufgaben über die nächsten 20 Jahre. Und in diesen 20 Jahren brauchen wir trotzdem Lehrkräfte, die in Brennpunktschulen unterrichten. Das Schulsystem ist strukturell bedingt auch einfach viel träger als die Gesellschaft. Wenn Politik, Gesellschaft und Verwaltung gemeinsam mehr für Schulen erreichen wollen, haben wir trotzdem immer das Problem, dass wir gar nicht so schnell auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren können. Man kann so viel besser machen, aber am Ende wird es immer noch unbeliebte (Brennpunkt)schulen geben und wir immer noch das Problem haben, dass der Bedarf und die Wünsche der Lehrkräfte nicht übereinstimmen.

    Und deswegen ändern wir einfach gar nichts? Weil Änderungen erst in einigen Jahren sichtbar werden?
    Na dann.

    Schule muss sich dringend verändern. Sie muss sich den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen. Aber es passiert nichts. Es hängt einfach von dem Engagement Einzelner ab. Das frustriert mich immer mehr.

  • Magellan : Vielleicht in einzelnen Fällen. Ich fürchte jedoch eher, dass Kinder, die in einem sozioökonomisch schwierigen Viertel aufwachsen und den gesellschaftlichen Aufstieg schaffen, tendenziell eher später in sozioökonomisch bessere Viertel ziehen, statt vor Ort zu bleiben und das Viertel zum Positiven zu verändern.

    state_of_Trance : Ohne die Schulen näher zu kennen, hätte ich vermutet, dass eine eventuell ein Profil hat, das besonders attraktiv für bildungsnahe Elternhäuser ist. Gibt es da einen entsprechenden Zusammenhang?

  • Ja, das ist doch wunderbar, wenn diese Kinder den Aufstieg schaffen. Was hast du da dagegen? Du sagst ja, das lohnt nicht, den Schulen Geld zu geben. Sind es die Kinder, die den Aufstieg schaffen, nicht wert? Genau das schreibst du nämlich.

  • Ja, das ist doch wunderbar, wenn diese Kinder den Aufstieg schaffen. Was hast du da dagegen? Du sagst ja, das lohnt nicht, den Schulen Geld zu geben. Sind es die Kinder, die den Aufstieg schaffen, nicht wert? Genau das schreibst du nämlich.

    Ich bin froh für alle Kinder, die den Aufstieg schaffen, keine Frage. Ich fände es nur schade, wenn die Brennpunktviertel sich abstrampeln, dass aus ihrem Nachwuchs trotz schwieriger Startbedingungen etwas wird, und sobald ihnen das gelungen ist, profitieren sie selbst nicht vom Ertrag, sondern die Viertel, die die jungen Leute sich als Lebensmittelpunkt jetzt leisten können. Aus der Makroperspektive mag es egal sein, wer den Aufwand betreibt, für die einzelnen Standorte wäre es ein wichtiges Zeichen, dass nicht nur die Kinder, sondern auch die Standorte selbst von dem Aufwand profitieren.

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