Klassenlehrerprinzip - oder doch nicht?

  • Wenn man in der Grundschulzeit 4 Jahre dieselbe Lehrkraft als Klassenleitung hat, ist das vielleicht ein Problem. Gut finde ich, wie es bei uns gemacht wird: Nach 2 Jahren wechselt die Klassenlehrkraft. Aber auch bei uns wird geschaut, dass, wenn möglich, die Klassenlehrkraft so viele Fächer wie möglich unterrichtet, vornehmlich die Kernfächer.

    Aber nicht bei allen ist das wegen ihres Deputates möglich. Dann sind einige mehr Lehrkräfte in der Klassen. Und das tut den Kindern gar nicht gut. Diese Klassen haben weniger eine emotionale Heimat in der Klasse, sind insgesamt schwieriger als Klasse zu handhaben, was die Atmosphäre in der Klasse problematisch macht. Kinder sollen sich wohlfühlen, eine Klassengemeinschaft haben, damit sie in einer Klasse gerade vom Sozialen her gute Voraussetzungen für das Lernen mitbringen.

    Eine Klassenlehrkraft, die möglichst viele Stunden in der Klasse hat, kann dort viel besser erzieherisch tätig werden. Da bestehen andere Beziehungen als beim puren Fachlehrerprinzip. Z.B. wird es schon schwierig, wenn Lehrrkräfte mit unterschiedlichen "Erziehungsstilen" in der Klasse tätig sind.

    Neben den Vorteilen, wie man etwas für die Klassengemeinschaft tun kann und pädagogisch intensiver tätig sein kann, sehe ich auch die Rhythmisierung eines Unterrichtsvormittags. Da kann man einmal ein Fach intensiver machen, wenn es da nötig ist, die Fächer anders einteilen oder im Lauf des Vormittags verschiedene Herangehensweisen wählen, sodass der Unterrichtsvormittag abwechlsungreich gestaltet werden kann und auch verschiedene Kompetenzen angesprochen werden können.

    Wer bei uns Sport, Religion und Englisch unterrichten will, benötigt gewisse Zusatzqualifikationen. Sport und Englisch kann man, während man schon Lehrkraft ist, nachholen, Religion muss man als Studienfach haben.

    Wegen der Fachlichkeit habe ich keine Bauchschmerzen. Im Lauf der Jahre konnte und musste man teilweise so viele Fortbildungen machen, dass man da gut geschult war. Z.B. haben wir Fotbildungszwang, d.h. man muss auf eine gewisse Stundenzahl von Fortbildungen kommen. Außerdem ist es üblich, sich auszutauschen und im Team zu arbeiten. An meiner (ehemaligen) Schule haben wir uns gerne mit Kolleginnen, die gewisse Fächer explizit im studiert haben, ausgetauscht. (Wobei mir in der Regel kein großer Unterschied in der Didaktik aufgefallen ist.)

    Es gibt SchiLFs und da konnte man Wünsche dazu äußern.

    Und die Schulleitung legt besonders Wert auf guten Unterricht und hat dazu bestimmte Maßnahmen angestoßen. Für die Grundschule gibt es so viele gute Programme, wo Schulen mit aufspringen können.

    Vor Jahren gab es Matheinitiativen, da habe ich viel davon profitiert.

    Nur mal Rechnen beibringen ist gelinde gesagt, viel zu kurz gesehen. Bitte einfach einmal in ein aktuelles Grundschulmathematikbuch hineinschauen.

    Vielleicht noch ein Gedanke wegen der Fachlichkeit: Ich habe alle Fächer, die ich in der Grundschule (und Hauptschule) unterrichtet habe, auch bis zur 13. Klasse gehabt und in diesen teilweise Abiturprüfungen gemacht. Von uns hat man damals erwartet, dass wir im Grund- und Hauptschulbereich uns in die bis zur 9. Klasse fachfremd gegebenen Fächer aufgrund unserers Abiturwissens einarbeiten können. Die Unterrichtsplanung und Didaktik haben wir zusätzlich noch allgemein im Studium gelernt.

    Da heutzutage das Abitur bzw. die Oberstufe von den Fächern her nicht mehr ganz so allgemein ist, wird es wahrscheinlich notwendig, mehr Fächer ins Grundschulstudium zu packen, um umfassender ausgebildet zu sein bzw. mehr Fächer unterrichten zu können.

    5 Mal editiert, zuletzt von Caro07 (18. April 2025 15:00) aus folgendem Grund: Ergänzungen

  • Da heutzutage das Abitur bzw. die Oberstufe von den Fächern her nicht mehr ganz so allgemein ist

    Das stimmt doch überhaupt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Man musste in Bayern vor 25 Jahren keine Prüfung in Mathe und auch keine Prüfung in Deutsch machen bzw. entweder/oder. Das letzte Semester Deutsch habe ich gar nicht mehr eingebracht, da habe ich exakt 1 Punkt im Zeugnis stehen. Man kann heute auch nicht mehr die Anzahl an Fächern abwählen wie ich es vor 25 Jahren noch konnte.


    Ich habe alle Fächer, die ich in der Grundschule (und Hauptschule) unterrichtet habe, auch bis zur 13. Klasse gehabt und in diesen teilweise Abiturprüfungen gemacht.

    Ich unterrichte ein Fach, das ich nach der 11. Klasse abgewählt habe und werde wahrscheinlich ab dem Schuljahr 2026/27 ein Fach unterrichten, das ich selbst an der Schule niemals hatte. Mein studiertes Hauptfach hatte ich an der Schule als absolut lausigen Grundkurs ohne Abiprüfung.

  • @ Antimon: Das war aber nur in Bayern so. In BW musste vor 30 Jahren Deutsch und Mathe bis zum Schluss belegt werden und beides war als Abiturfach verpflichtend. Ich habe mich damals schon gefragt, warum sich die Bayern so viel auf ihr Abi eingebildet haben, wo die doch anders als wir abwählen konnten.

  • Das stimmt doch überhaupt nicht, das Gegenteil ist der Fall. Man musste in Bayern vor 25 Jahren keine Prüfung in Mathe und auch keine Prüfung in Deutsch machen bzw. entweder/oder. Das letzte Semester Deutsch habe ich gar nicht mehr eingebracht, da habe ich exakt 1 Punkt im Zeugnis stehen. Man kann heute auch nicht mehr die Anzahl an Fächern abwählen wie ich es vor 25 Jahren noch konnte.

    In Bayern wurde es wieder allgemeiner. Aber ist das in allen Bundesländern so? Beklagen sich nicht immer mehr, dass das Abitur immer mehr verwässert wird?

  • @ Antimon: Das war aber nur in Bayern so. In BW musste vor 30 Jahren Deutsch und Mathe bis zum Schluss belegt werden und beides war als Abiturfach verpflichtend. Ich habe mich damals schon gefragt, warum sich die Bayern so viel auf ihr Abi eingebildet haben, wo die doch anders als wir abwählen konnten.

    Das habe ich mich hinterher an der Uni auch gefragt, was uns für ein Stuss erzählt wurde, wunder wie toll unser Abi doch nicht ist. Kommentiert habe ich aber einen Beitrag, der behauptet hat, früher sei das Abi allgemeiner gewesen und das stimmt so pauschal schlichtweg nicht. Mathe hatte ich sowieso als LK, Deutsch musste ich natürlich auch bis zum Ende belegen, es mussten auch alle Mathe bis zum Ende belegen. Man konnte aber wählen, in welchem Fach man die Prüfung ablegt und das letzte Semester hat nicht mehr gezählt. Ich hatte einen Studienkollegen, der in Hessen Abi gemacht hatte und nicht eine einzige Lektion Chemie an der Schule hatte. Damit hätten wir mindestens schon mal 2 Bundesländer, für die die Aussage "früher war allgemeiner" definitiv nicht stimmt und ich nehme gleich noch RLP dazu, das bestätigt mir meine Partnerin, die neben mir sitzt.

    Beklagen sich nicht immer mehr, dass das Abitur immer mehr verwässert wird?

    Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun.

  • Die Beziehung sieht anders aus als bei älteren Schüler:innen, die Kinder beziehen dich in ihr Leben ein. Ich erinnere mich an die erstaunte Aussage eines Gym-Lehrers, der zu uns abgeordnet war.

    Das hängt nicht primär vom Alter ab sondern von der Schulform. Ich habe zu meinen Fachmittelschülerinnen eine ganz andere Beziehung als zu den Gymnasiasten, die sind aber gleich alt.

  • Hier ein Artikel zur gymnasialen Oberstufe allgemein in D:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Gymnasial…Cfung_und_-note

    Da gab es wohl einige Reformen und Kritiken. Anscheinend war meine Schule später als dort angegeben dran, denn ich kam gar nicht mehr in den Genuss der Oberstufenreform mit dem Kurssystem. Da habe ich anscheinend zu weit zurückgedacht, weil vielen die Situation vor der Reform gar nicht bekannt ist.

    Den dort erwähnten Kritikpunkt, dass man in einem allgemein bildenden Gymnasium durch irgendwelche Nebenfächer oder Fächer, die einem lagen, zu einem guten Abiturschnitt kommen konnte, habe ich mitbekommen. Dem haben offensichtlich nach einer gewissen Zeit viele Bundesländer wieder entgegengesteuert, indem es mehr verpflichtende Fächer gab.

  • Außerdem ist es üblich, sich auszutauschen und im Team zu arbeiten. An meiner (ehemaligen) Schule haben wir uns gerne mit Kolleginnen, die gewisse Fächer explizit im studiert haben, ausgetauscht. (Wobei mir in der Regel kein großer Unterschied in der Didaktik aufgefallen ist.)

    Sehe ich auch so. Es ist einem ja bewusst, dass man weitere Fächer unterrichten wird und sich einarbeiten muss. Das macht ja gerade den Reiz der Grundschule aus, dass man nicht an 2 Fächern hängen bleibt.

    Wer es sich einfach machen will, kann das in jedem Fach und in jeder Schulform versuchen oder auch umsetzen. Da gab es auch früher schon Mathe-Lehrkräfte mit einem Ordner pro Schuljahr, den sie Stück für Stück abgearbeitet haben, einmal vorbereitet - fertig.

    und werde wahrscheinlich ab dem Schuljahr 2026/27 ein Fach unterrichten, das ich selbst an der Schule niemals hatte.

    Du hast dir für ein Studium Zeit genommen, Caro07 schreibt von Fortbildungen, die in BY offenbar besser angeboten werden, als in anderen BL. Der Zwang führt auch zur Freistellung, das ist beim eigenständigen Erarbeiten von Fächern und anderen Bereichen (Inklusion) oft nicht der Fall.

    Man braucht also Zeit zum Einarbeiten, aber es ist doch möglich, sich Inhalte zu erschließen, sich auf ein neues Fach einzustellen und die Didaktik zu erarbeiten, eine gescheite Diagnostik zu erlernen und entsprechende Förderung in den Unterricht einzubauen - was noch immer keine Garantie ist, dass das Kind die Inhalte am Ende erlernt hat (*seufz*).

    Der Vorteil der Fachlehrkräfte wäre demnach, dass man das alles nicht muss - ist ein Trugschluss, man muss doch am Ball bleiben, immer wieder aktualisieren etc.

    Nachteile hinsichtlich der Beziehungsarbeit und Klassenführung finde auch ich erheblich, auch das kann den Leistungserfolg beachtlich einschränken.

  • Das war damals meines Wissens sogar ein gesamteuropäischer Trend die allgemeine Hochschulreife wirklich zu dem zu machen, was der Name impliziert: allgemein. In der Schweiz gab es bis 1995 verschiedene "Typen" an Maturen, die gar nicht alle für alle Studiengänge qualifiziert haben.

    Es gab früher ja auch noch Bezeichnungen wie Realgymnasium etc die natürlich entsprechend spezialisierte Schulformen meinten.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe konkrete Beispiele vor Augen.

    Und aufgrund deiner konkreten Beispiele verallgemeinerst du diese Aussage dann und unterstellst pauschal allen Grundschullehrern, die Mathe fachfremd unterrichten, dass sie Schuld an den mangelnden späteren Fähigkeiten der Schüler sind?

  • Und aufgrund deiner konkreten Beispiele verallgemeinerst du diese Aussage dann?

    Genau wie du auch. ;) Es waren leider keine Einzelfälle. Da hätte ich dem Schüler "die Schuld gegeben", hätte gedacht, er hat es falsch verstanden.

    (Ich hatte ursprünglich mehr geschrieben, aber ich habe seit Corona keine ausführlichen Gespräche mehr mit meinen GrundschulkollegINNen geführt, mein Wissen ist vielleicht nicht mehr aktuell, die Studiumdauer hat sich in Baden-Württemberg ja vor einigen Jahren verlängert. Aber bei manchen meiner aktuellen Fünftklässler ertappe ich mich bei dem Gedanken, ob die Kollegin Mathe studiert hat, ob sie verstanden hat, was und warum sie es unterrichtet. Früher hatten wir jährlich Gespräche in lockerer Form und ich konnte unauffällig fragen.)

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

    • Offizieller Beitrag

    Ach bitte, es gibt schon Gründe, warum NRW die Ausbildung umgestellt hat und Mathe verpflichtend macht.
    Das tut man nicht, weil die Mathedidaktiker arbeitslos wären.
    Es ist KEINE Allgemeinkritik an alle Grundschullehrkräfte, auch nicht an die ohne Mathestudium, aber selbst unter den motiviertesten schaffen es nicht alle, sich komplett einzuarbeiten, wie es wünschenswert wäre.

    • Offizieller Beitrag

    - Englisch (aus sinnvollen Gründen)

    - Sport (aus rechtlichen Gründen)

    - Religion (aus rechtlichen Gründen)

    - Musik ... kann auch die Klassenlehrerin, wenn nicht gerade eine studierte Musik-Kollegin da ist.

    Deutsch, Mathe, Sachunterricht, Förder, Kunst sollten in einer Hand sein. Wenn möglich auch die anderen Fächer.

    Sachliche Nachfrage: Warum werden Kunst und Musik unterschiedlich behandelt? (Ist nicht das erste Mal, dass es mir auffällt).

    • Offizieller Beitrag

    Genau wie du auch.

    Nur dass ich aufgrund meiner 25-Jahre Erfahrungen in der Grundschule nicht pauschal irgendwem die Qualifikation abspreche ... so wie du aufgrund deiner Einzelfall-Erfahrungen. ;)

    • Offizieller Beitrag

    Ach bitte, es gibt schon Gründe, warum NRW die Ausbildung umgestellt hat und Mathe verpflichtend macht.

    Wie ich oben schrieb: ich finde es auch gut so und würde D / M / SU im Grundschul-Studium verpflichtend machen. Nicht, weil die Grundschullehrer ohne Mathe-Studium es nicht könnten. Aber weil es so "bequemer" für sie ist, wenn sie sich in die Fächer nicht reinarbeiten müssten.

    • Offizieller Beitrag

    ja.
    Kunst und Musik sind doch gleichberechtigt in der Ausbildung-Fachwahl, oder im "Sicherheitsrisiko"?

    Hm.

    Weil Grundschulen auf dem Klassenlehrer-System basieren und man so viele Fächer fachfremd unterrichten können soll, wie irgend möglich ist.

    Die Frage ist daher weniger "Warum darf man Musik und Kunst fachfremd unterrichten" - sie ist eher "Warum Religion, Sport, Englisch" nicht.

    Dafür gibt es aber Erklärungen:

    Religion -> Einwand der Kirche, das darf man nur mit der kirchlichen Lehrerlaubnis unterrichten. (Wird aber immer mal umgangen.)

    Sport -> sicherheitsrechtliche Gründe

    Englisch -> Inhaltlliche Gründe. Der Englisch-Unterricht in der Grundschule ist darauf ausgerichtet, dass die Kinder Englisch sprechen lernen. Dafür brauchen sie ein entsprechendes Sprachvorbild. Ich wusste auch mal, auf welchem Level man Englisch sprechen muss. Kann ich dir aber gerade nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich es definitiv nicht könnte. Ich wäre als sprachliches Vorbild definitiv ungeeignet.

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