Hallo zusammen,
irgendwie bin ich an einem erneutem Tiefpunkt angelangt. Ich korrigiere gerade die Unterstufe in der FOS (= 11. Klasse Fachabitur) im Fach Deutsch. Ich bin jetzt seit bald sechs Jahren am BK und war vorher an einer Gesamtschule und an einem Gymnasium und ja, es gab immer schon einzelne Ausreißer nach unten, es gab auch immer schon Leute, bei denen Hopfen und Malz verloren war.
Mein Unterricht wird vollständig digital abgebildet, d.h. jede Aufgabe, jedes AB, jedes Ergebnis, jedes Tafelbild, jede Musterlösung, jedes Lernvideo und sämtliche Zusatzmaterialien (Lernlisten, zusätzliche Lernvideos, Checklisten, Schreibpläne...einfach alles) sind für alle SuS digital verfügbar. Ich übe und übe und übe mit den SuS, ich versuche wirklich, die auf das, was da kommt, vorzubereiten. Mein Verhältnis zu den allermeisten SuS ist gut und die Rückmeldung seitens der SuS direkt nach der Klausur war "super fair", "genau wie erwartet" etc. Die Arbeitseinstellung der SuS ist unter aller Sau, das ist bei uns aber irgendwie die Norm. Die meisten sind gefühlte Teilzeit-SuS in Gleitzeit und kommen und gehen, wie es ihnen gerade passt. Die SuS machen zu gut zwei Dritteln die HA nicht oder wenn, dann mit KI. Auch die Aufgaben im Unterricht werden zumeist mit heimlicher KI-Unterstützung erarbeitet. Wir sind dazu angehalten, die iPads zu nutzen, auch im Unterricht, Handys sammle ich bei Arbeitsphasen ein. Ich kann und will aber nicht ständig und alle 15 Sekunden die iPad-Bildschirme kontrollieren. Die sind mindestens 16 Jahre alt, ein Minimum an Eigenverantwortung sollte man erwarten können. Ein Großteil der SuS sind deutsche Muttersprachler/hier geboren, nur etwa 10 haben einen Einwanderungshintergrund aus den letzten 5-8 Jahren, sprechen aber teilweise wirklich schlecht (auch wenn die Eltern deutscher Herkunft sind) und schreiben....ähem.
Diesmal ist ein neuer Tiefpunkt erreicht. Von 38 Klausuren sind 22 "mangelhaft" bzw. "ungenügend". Es gab einmal die Note "gut". Ich bin wirklich entgeistert. Der letzte Jahrgang war schün übel, dieser toppt wirklich alles. Es gibt nicht eine Person, die wirklich ordentlich schreiben kann. Selbst die Note "gut" wurde erreicht, weil der Inhalt soweit abgedeckt wurde, dass trotz einiger Punktverluste bei R/G/Z etc. die Note noch erreicht wurde.
Das, was ich zu lesen bekomme, ist eines Fachabiturienten absolut nicht würdig. Ich habe teilweise um die 100 Fehler auf knapp zwei DIN A4-Seiten. Das fängt bei der einfachen Groß-/Kleinschreibung an und hört bei Texten ohne jegliche Verwendung von Punkt und Komma auf. Viele Schreiben Klausuren, die schlichtweg nicht lesbar/verständlich sind, weil kein einziger Satz kohärent aufgebaut ist. Man schreibt quasi seitenweise Stichpunkte/Ellipsen auf.
Mal abgesehen von der Zeit, die mich diese Korrekturen kosten, bin ich auch zunehmend frustriert, vor allem wenn ich dann in der Akte sehe, dass diese Kids mit einer zwei oder drei durch die Real-/Gesamtschule/Sekundarschule gewunken wurden. Eine zwei bis drei bei 30-40 Fehlern pro Seite?? Tja, ich unterrichte auch in der Anlage B in den Klassen, in denen der Realschulabschluss vergeben wird. Dort wird Rechtschreibung/Grammatik/etc. mit insgesamt 10% bewertet, nicht mit 28% wie im (Fach-) Abi. Kein Wunder also, dass die mit glänzenden Noten durchkommen, wenn jeder auch bei Stichpunkten noch genug Inhalt reininterpretiert.
Ich bin mittlerweile kurz davor, bei uns an der Schule wirklich Alarm zu schlagen, denn diese SuS können wirklich, so hart das klingt, wenig bis gar nichts. Auch inhaltlich ist das so extrem wenig, dass mir teilweise echt schwindelig wird. Die verwenden einfach eine auswendig gelernte Floskel nach der anderen, bauen sinnbefreite Sätze zusammen und geben voller Stolz ab mit den Worten "war richtig gut".
Mir tun die SuS wirklich leid. Ich weiß gar nicht, worüber ich mich mehr ärgere: Über die Vorgaben, die so gestrickt sind, dass auch absolute Nichtskönner sich bis zum (Fach-) Abi durchwurschteln können, oder über die Lehrer vorher, die den SUS scheinbar nie gesagt haben, dass Sie nicht schreiben können ("Ich glaube, ich habe LRS." - "Nein, Sie haben kein LRS, SIe können leider nicht schreiben.") oder über die SuS, die trotz teilweise fortgeschrittenen Alters oft absolut keinerlei Einsicht/Erkenntnis zeigen, dass dort Aufholbedarf besteht. Oder über mich, dass mich das so fuchst. Ich weiß absolut nicht, wie wir das noch abfangen sollen. Ich wünschte, ich könnte hier mal ein Beispiel hochladen.
Die waren alle etwa in der 6.-9. Klasse als Corona war, d.h. seitdem hätten längst Maßnahmen stattfinden müssen, um das abzufedern, aber ist wohl nicht viel passiert. Bzw. "Nee, Nachhilfe ist scheiße". Da geht also niemand hin, das Angebot gab und gibt es.
Geht es noch jemanden so? Ich zweifel gerade echt daran, dass wir das noch abfangen können.