Schwanke zwischen Förderschwerpunkt GE und ESE

  • Guten Tag,


    ich muss mich zum nächsten Semester zwischen den oben genannten Förderschwerpunkten entscheiden (ich studiere Sonderpädagogik mit profilbildung Grundschule). Das problem ist, dass ich jeweils einige Aspekte pro Förderschwerpunkt mag aber auch nicht so gerne machen möchte.


    Bei GE wären pros:

    - eher geringere Belastung was Eskalation angeht.
    - ich interessiere mich gezielt für Kinder, die im Autismusspektrum liegen.


    Contra:

    - Ich möchte keine pflegerischen Tätigkeiten übernehmen im Sinne von Windeln wechseln etc..

    - ich weiß nicht, wie belastend Kinder für mich sein könnten, die kognitiv sehr eingeschränkt sind (im Sinne von stoff vermitteln oder normen etc.)


    Bei ESE wären pros:

    - keine pflegerischen aufgaben

    - es können auch kinder mit autismus unter dem schwerpunkt fallen

    - vielleicht kann ich mit meinem Migrationshintergrund gegebenfalls mehr einfluss auf die Kinder haben, die aufgrund von Migration eine belastende biografie haben.


    Contra:

    - ich weiß nicht, wie ich auf dauer mit Kindern umgehen kann, die aggresiv sind (auch wenn das nicht die einzige art von Verhaltensauffälligkeit ist).

    - ich habe Bedenken, dass es auf dauer von der Lautstärke zu stressig sein könnte (abgrenzen kann ich mich jedoch gut)


    Falls sich jemand auskennt mit einem der Förderschwerpunkte oder sogar mit beiden, wäre ich ihm/ihr dankbar, wenn die eigene Erfahrung oder ein Tipp gegeben werden könnte :). Und gerne würde ich etwas über eure Work- life balance hören !

    Danke im Voraus!

  • Was ist denn dein anderer Förderschwerpunkt? Oder musst du den erst später wählen? In dem Fall könntest du ja auch beide wählen? Oder ganz andere - oder warum stehen nur die beiden zur Wahl?

    eher geringere Belastung was Eskalation angeht

    Da wäre ich mir nicht so sicher. Es gibt solche und solche Schulen/Klassen/Schüler in dem Förderschwerpunkt.

    ich interessiere mich gezielt für Kinder, die im Autismusspektrum liegen

    SuS mit dieser Diagnose (oder dem Verdacht darauf) findet man prinzipiell in allen Förderschwerpunkten (und natürlich auch an allgemeinen Schulen ohne Förderbedarf), aber im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung sicher in größerer Häufung, ja.

    Ich möchte keine pflegerischen Tätigkeiten übernehmen im Sinne von Windeln wechseln etc..

    Als Sonderpädagoge/Förderschullehrer wäre das auch an G-Schulen (oder K-Schulen) nicht vorrangig deine Aufgabe, aber klar, ganz sicher ausschließen oder vermeiden lässt es sich je nach Situation nicht.

    ich weiß nicht, wie belastend Kinder für mich sein könnten, die kognitiv sehr eingeschränkt sind

    Hast du denn Erfahrungen mit der Personengruppe?


    Ich stimme dir in der Einschätzung zu, dass der Alltag in beiden genannten Förderschwerpunkten anstrengend sein kann. (Habe aber an beiden Schultypen keine längere Erfahrung.)

    Prinzipiell kannst du ja unabhängig vom gewählten Förderschwerpunkt an allen Förderschultypen eingesetzt werden. Und auch in der Inklusion kannst du es prinzipiell mit allen Förderschwerpunkten zu tun haben.

    Insofern würde ich auch danach gehen,

    1. was mich persönlich von den Studieninhalten am meisten interessiert,

    2. was besser zu meinem anderen Förderschwerpunkt und meinen Fächern passt,

    3. was mir unabhängig davon, in welchem Bereich ich später arbeiten werde, wohl am meisten bringt (und in dieser Beziehung würde ich emotional-sozial einen größeren Nutzen zuweisen, ohne jetzt natürlich eure Studienordnung etc. zu kennen).

  • Nächster Gedanke:

    Man weiß nicht, in welche Richtung sich die inklusive Beschulung entwickelt.

    Derzeit werden in NDS die GE-Schüler:innen noch in Förderschulen beschult, es gibt auch Schüler:innen in der Inklusion, bei ESE würde ich es eher anders herum bewerten: die meisten dieser Schüler:innen sind in den Regelklassen, nur einzelne sind in ESE-Schulen, zumal diese häufig private Schulen sind, denn es gibt kaum staatliche ESE-Schulen in NDS.

    Das wird in anderen Bundesländern anders sein, aber man muss sich dennoch damit befassen, dass es sich eher dahin entwickelt, dass mehr Schüler:innen in den Regelschulen beschult werden.

  • Bei GE wären pros:

    - eher geringere Belastung was Eskalation angeht.

    Eskalationen kann es immer und überall geben, auch ohne Förderschwerpunkt. Du weißt nie, welche Schüler/innen du bekommst.

  • Die Elternarbeit dürfte entscheidend anders sein:

    Was ich an der Schule zur Erziehungshilfe erlebt habe und was mich davon abschreckt, sind renitente Eltern, die unhöflich, inkompetent und einfach ätzend sind.

    Ich selbst arbeite an einen Förderzentrum L, war aber ein Jahr an einer Schule zur Erz. und mein Mann arbeitet an einer E-Schule.

    Die Eltern, die ich von der G- Schule kenne sind viel öfter zugewandt, freundlich, interessiert, dankbar.

    Dies alles bitte als überspitzte Zusammenfassung verstehen, die natürlich Ausnahmen hat.

  • Guten Morgen,

    ich arbeite an einer S I Schule im Gemeinsamen Lernen und dort sind alle FS vertreten von GE bis KM, Hören haben wir z.Z. nicht.

    Unsere ASS Schüler sind dem FS ESE zugeordnet, einige mit LE andere zielgleich.

    GE Schüler sind kognitiv stark eingeschränkt, das ESE Spektrum ist auch von … bis.


    Du solltest dir überlegen, wo du später arbeiten möchtest, an einer Förderschule oder in der Inklusion. Letztendlich bedient man gerade in der Inklusion alle FS. Die beiden Förderschulen in unserer Stadt sind LE und ESE Schulen, dann haben wir noch eine reine GE Schule, aber auch dort gibt es Kinder mit GE und ESE.


    Am besten hospitierst du in der Inklusion und an einer Förderschule.

  • Worin unterscheidet sich die arbeit mit GE und ESE kindern grob eigentlich? Und findet ihr die regelschule oder förderschule/ReBBz besser als arbeitsplatz?

    Soz-em hat denselben Lehrplan wie die Grundschule, du unterrichtest psychisch kranke Kinder, die von der Klinik als austherapiert zu dir geschickt werden. Es sind extrem belastete und sehr häufig aggressive Kinder. Introvertierte SuS kann man in ihren Klassen belassen.

    GE ist viel basalere Arbeit, Alltag gestalten, du musst dich auch mit mehr Erwachsenen im Raum arrangieren.

    Was hindert dich am Hospitieren?

  • Meine Antwort auf die Frage: Findet ihr die Regelschule oder die Förderschule besser:


    Ich denke, es kommt immer darauf an, an welcher Schule man arbeitet, ob es einem in der Inklusion an der Regelschule oder in der Förderschule besser gefällt. Aus meiner Sicht als Grundschullehrerin in der Regelschule würde ich persönlich die Arbeit an der Förderschule vorziehen, weil ich da mein " eigener Herr" bin. In der Inklusion kommt es doch sehr darauf an, wie sie an der Regelschule gelebt wird und so wie ich es bisher erlebt habe reicht das Spektrum von: "Die Sonderpädagogin fährt zwischen den Schulen hin und her und taucht irgendwann im Unterricht auf und macht, was die Grundschullehrerin ihr sagt" bis: "Die Sonderpädagogin ist in der Grundschule fest im Stundenplan verankert und übernimmt in einzelnen Fächern den Unterricht komplett und die Grundschullehrerin ist sozusagen in diesen Fächern die Assistenz."

    So wie ich es erlebt habe, kann es mit der Inklusion sehr unterschiedlich laufen und manchmal ist die Stimmung nicht so gut, weil manche Kolleginnen denken, es sei ungerecht, dass die Sonderpädagogin in einer höheren Gehaltsstufe ist und sich nur stundenweise um ein paar Kinder aus der Klasse kümmert, während die GS-Lehrerin diese Kinder ansonsten immer allein mit der ganzen Klasse unterrichten muss und auch noch weniger Anerkennung dafür bekommt. Wenn man der Sonderpädagogin, die gerade aus dem Auto gesprungen kommt auch noch sagen muss, was ansteht, dann stößt das manchem auf.

    Bei mir war es anders, da war die Sonderpädagogin der Schule zugeordnet und hat den kompletten Deutschbereich in meiner Klasse übernommen. Wir haben von der Zusammenarbeit profitiert und und uns gut absprechen können. Ich war im Unterricht anwesend und habe unterstützt.

    In einem anderen Fall hatten die Inklusionskinder (G-Schule) einen eigenen Klassenraum neben meinem und kamen nur in den Nebenfächern zu uns. Den Unterricht haben wir an einem Nachmittag komplett zusammen für die Woche geplant. In De und Ma hatten die Inklusionskinder fast nur Einzelförderung und konnten in die 3. Klasse nicht integriert werden, da sie manchmal nur 6 Buchstaben konnten und auch in Mathe wäre das nicht gegangen. Aber in MU, Sport, Kunst, Sachunterricht haben wir alles gemeinsam gemacht und es war schön. Die 7 Inklusionskinder haben mir noch nach Jahren über den benachbarten Schulhof zugewunken, nach der Grundschule wurden sie in der benachbarten Förderschule weiter unterrichtet.

    Meine Schüler haben gerne mit den Inklusionskindern gespielt und gearbeitet. Meist handelte es sich bei den Beeinträchtigungen um Down-Syndrom oder Kanner-Syndrom.

    Auch in diesem Fall denke ich, dass die Sonderpädagogin glücklich war mit der Zusammenarbeit, so wie ich auch. Aber wie gesagt, habe ich es schon anders erlebt, besonders, wenn die Kolleginnen mehrere Schulen anfahren müssen und nicht richtig ins Kollegium integriert sind. Aber vielleicht ist das in anderen Bundesländern anders geregelt.

  • Ich kann nicht allzu viel dazu beitragen, aber:

    Ich war einmal sehr erstaunt, als zwei befreundete Sonderpädagogen mir über ihre Arbeit an einer Schule für GE in Ba-Wü erzählten. Sie sagten, sie müssten sehr viele pflegerische Arbeiten übernehmen. Vorher dachte ich nämlich auch, dass man als Sonderpädagoge in diesem Schultyp vor allem für die schulisch- kognitive Förderung zuständig ist.

    Von der hiesigen Förderschule GE habe ich nicht diesen Eindruck gewonnen - da habe ich selbst einmal eine Führung mitgemacht - bei dem Träger gab es vielleicht entsprechend Personal.

    Deswegen schließe ich mich an: Hospitiere unbedingt an den Schultypen, die du ins Auge gefasst hast und rede mit den dort tätigen Sonderpädagogen!

  • Eine Lehrerin aus dem Bekanntenkreis arbeitet an einer Schule für Körperbehinderte und ja, da gehört das Windeln wechseln zu den Aufgaben.

  • Man kann sich auch die Curricula ansehen, auch das gibt einen Eindruck, worin sich die Zieldifferenzierung unterscheidet.

    GE kann auch Mehrfachbehinderung bedeuten, Sprachanbahnung, Alltagsbewältigung, LE ist zwar reduziert in den Anforderungen, aber Alltägliches bekommen diese Schüler:innen oft gut und selbstständig geregelt.

  • Tendenziell wird der Bedarf an ESE weiter steigen, während GE voraussichtlich einigermaßen gleich bleibt.

    Vorteil an der Förderschule ist die eigene Klassenleitung, denke ich, du kannst noch besser Beziehung aufbauen und bist dein eigener Herr. Außerdem wird in der Inklusion im Vertretungsfall als Erstes die Förderung zusammengestrichen. Ich kenne keine Regelschule, an der die Inklusion reibungslos funktioniert und Grundschullehrkräfte und Sonderpädagogen ganz zufrieden sind, wohl aber viele, die an der Förderschule zufrieden sind - natürlich nicht unbedingt repräsentativ.

    In der Arbeit mit verhaltensauffälligen SuS finde ich es aber auch sehr befriedigend, durch eine sehr klare Sprache, Ritualisierung etc. aktiv zur Besserung des Verhaltens beizutragen, auch wenn es kräftezehrend ist. Bei GE-Kindern in der Inklusion habe ich hingegen eher oft das Gefühl, dass diese ggü einer Förderschulbeschulung unter ihren Möglichkeiten bleiben und es aus verschiedenen Gründen zu oft auf Beschäftigungstherapie hinausläuft.

  • Ich hab eine langjährige Freundin, die damals als ich sie kennen gelernt habe (vor ca 20 Jahren) an einer ESE Schule gearbeitet hat. Eine Zeitlang auch gerne, aber nachdem sie viele Jahre dort war irgendwann nur noch weg wollte, weil sie nicht so verbittert und hart werden wollte wie ihre älteren Kollegen (und es stimmt schon auch, ihre Arbeit hat z.B. auch auf den Umgang mit ihrer Tochter abgefärbt. Ich glaube das kann man irgendwann gar nicht mehr abstellen.), dann hat sie jahrelang in einer GE Schule gearbeitet (tut sie aktuell noch immer) und möchte da nun aber auch seit einiger Zeit gerne weg. Sie ist genervt davon, dass so viele Erwachsene mit im Raum sind und es generell immer laut ist (wenn Schüler in der Klasse sind, die ständig Geräusche machen). Sie strebt es nun an in eine Grundschule in den Gemeinsamen Unterricht zu kommen.

    Mir selbst fehlt da die Erfahrung, aber ich habe einmal bei einer Fortbildung an einer Förderschule Emotional Sozial und Lernen hospitiert und da erfahren,dass es wohl gar nicht so selten ist, dass diese beiden Förderschwerpunkte in Klassen zusammen unterrichtet werden. Wenn dein zweiter Schwerpunkt also Lernen ist, würde sich ESE dann vielleicht eher anbieten.

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