"Flüchtlinge" als Unterrichtsthema in der Grunschule

  • Liebes Forum,
    gestern ist eine Stunde bei mir spontan in das Thema "Flüchtlinge" "ausgeufert". Aus einer harmlosen Nachfrage meinerseits sprudelten auf einmal von einzelnen, tonangebenden Kindern Vorurteile, wie man sie von den schwärzesten Stammtischen kennt (Die wollen alle nur nicht arbeiten. Jeder Flüchtling bekommt ein Iphone und 2000€ im Monat. etc.)
    Andere Kinder waren verunsichert, andere hatten eine gnaz andere Meinung, trauten sich aber nicht so richtig, was gegen die Meinungsführer zu sagen. Das Thema hat die Kinder anschließend noch den ganzen Tag weiterbeschäftigt, wie mir die KOllegenerzählten.


    Ich möchte gerne hier anknüpfen, und ein wenig "Grundlagenaufklärung" betreiben. Kennt ihr das Material vom Matobe-Verlag? Ist das für die Grundschule geeignet? Habt ihr noch weitere Materialtipps?

  • Hier könntest du es mal versuchen: http://missioforlife.de/ausstellung das ist zwar soweit ich weiß für Ältere, aber vielleicht haben die auch Materialen für die Grundschule.
    Es werden sehr lebensnah Situationen erzeugt und die Kinder lernen, wie es ist in anderen Ländern zu leben. Das könnte schon bei der Bewusstseinsbildung helfen. Vielleicht könnte man auch versuchen ein Planspiel für die Kinder zu entwickeln. Das wäre zeitaufwändiger aber bestimmt interessant.

  • Ich kann mir nicht richtig vorstellen, wie ausgeprägt das Bewusstsein und die Sensibilität für Andersartigkeit in anderen Ländern ist. Denn die Lebensverhältnisse dort sind ja klimatisch, kulturell politisch und gesellschaftlich anders geprägt als das Leben hier in Deutschland.


    Ich glaube, ich würde einen Film zeigen (und diesen dann im Unterricht bearbeiten) über das Leben der Kinder dort im Krieg. Das ist ja schon erschreckend, die zerbombten Häuser zu sehen. Auf youtube gibt es die Monitor-Doku "Die Kinder von Aleppo", ist aber schon über ein Jahr alt und ich weiß nicht, ob inhaltlich geeignet für Grundschule.


    Die Kinder müssen jedenfalls lernen, dass die Menschen tatsächlich fliehen, um ihre Haut zu retten.


    Dass nicht alle hier nach Deutschland kommen und schon gar nicht hier bleiben können, ist ja klar, aber das ist dann natürlich erst die nächste Frage, der nächste Schritt.


    Das von Dir angesprochene Material kenne ich nicht, der Inhalt erscheint mir aber nicht so geeignet. Das scheinen hauptsächlich Arbeitsblätter zu sein, also Papier, das meiner Meinung nach die Fluchtursachen nicht so gut rüberbringen kann wie eine Film-Doku.
    Und was soll die Diskussion Zuwanderung pro oder contra? Die Antwort liegt doch auf der Hand: Pro, aber nicht unbegrenzt. Aber auf diese politische Fragen würde ich nicht so engehen: Erstens kommt man gegen die Vorurteile sowieso nicht so gut an, und zweitens ist es doch wichtig, dass sich die Kinder wenigstens im konkreten Fall kooperativ verhalten,also im Umgang mit Flüchtlingskindern in Eurer Schule, falls Ihr welche habt. Wir haben so eine Art Patenschaften an unserer Schule, das klappt ganz gut. Aber wir haben nur einige Flüchtlingskinder.


    Hamilkar.

    • Offizieller Beitrag

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • Die Kinder müssen jedenfalls lernen, dass die Menschen tatsächlich fliehen, um ihre Haut zu retten.

    Meine Schüler stellen genau das sehr kritisch in Frage, warum diese Menschen denn aus der sicheren Türkei nach Europa kommen. Und warum sie dann von Südosteuropa nach Deutschland oder Schweden gehen. Zwischen Syrien und Deutschland liegen immerhin tausende Kilometer und mehr als ein halbes Dutzend Staaten, in denen sie bereits sicher sind. Viele Schüler sind der Meinung, dass diese Migration nach Mitteleuropa nichts mehr mit Flucht zu tun hat, sondern eher mit dem materiellen Wohlstand, der in Ländern wie Deutschland oder Schweden über deutlich grösser ist als in der Türkei oder in Mazedonien oder Rumänien.


    Ein brandaktuelles Thema in meinen Klassen ist derzeit auch der Vorschlag von einigen prominenten CDU-Politikern, einen einjährigen "Pflichtdienst" für alle Jugendlichen nach dem Schulabschluss einzuführen, um die Masseneinwanderung irgendwie zu bewältigen.

  • Halt, halt. Langsam: Ich spreche von Grundschülern! Hier geht es um grundlegende Dinge: Warum flüchten Leute? Was ist Bürgerkrieg? Was haben die Leute vorher gemacht? Was tun die Flüchtlinge hier=? etc. . Ich will mit Schülern keine politischen Diskussionen führen!


    Dass es da in den weiterführenden Schulen andere Möglichkeiten und Interessen gibt ist klar.


    Danke für eure Hinweise. DIe Kinder von Aleppo habe ich mir gestern schonmal angeschaut. In Auszügen kann ich den sicherlich zeigen. Danke auch für die übrigen Links - ich bin am planen. :)


    Von der Sendung mit der Maus gibts auch nen kleines Filmchen, falls noch jemand sucht.

  • Ich würde mal die Seiten der bpb empfehlen. Die haben manchmal auch grundschulgeeignete Sachen.
    z.B.: "Warum machen die das?"


    Warum nicht Flüchtlinge besuchen gehen und real kennenlernen?

    Weil wir nicht im Zoo sind. Oder welchen Rahmen hast du dir vorgestellt? Vielleicht verstehe ich es falsch.


    PS: Claudius, höre auf zu trollen und diesen wichtigen Thread hier zu entführen, danke.

  • Ich glaube so hat Plattenspieler es nicht gemeint - aber ich find die Vorstellung auch kurios (und ziehe es nicht in Betracht). Aber ich weiß, dass die weiterführende Schule im Ort das gemacht hat, aber nicht im Sinne von Zoobesuch *schmunzel* sondern im Sinne von Lebensumstände kennenlernen, Vorurteile abbauen und Hilfsmaßnahmen kennenlernen und teilhaben. Sie haben waren also nicht Besucher, sondern haben sich dort einen Vormittag unterhalten, haben geholfen etc.

  • Um Kinder für die Flüchtlingsthematik zu sensibilisieren, nutze ich im Augenblick alte VHS-Kassetten mit einer Serie vom ZDF aus den Neunzigern... Die Serie hieß "Karfunkel" und ist sehr empfehlenswert, auch heute noch. Einige Folgen sind auch über die Landesbildstellen zu kriegen.


    Fernsehlexikon
    39-tlg. dt. Kinderserie.Die multikulturellen Berliner Autoren wollten pädagogisch davon erzählen, dass und wie Andersartigkeit das Leben bereichert. Die abgeschlossenen Episoden über wechselnde Kinder ausländischer Herkunft, die jetzt in Deutschland leben, beschäftigen sich mit den Gründen ihrer Einwanderung (Kriege, politische oder religiöse Verfolgung), Fremdenhass, Toleranz, Integration und Kommunikation. Es gibt keine durchgehenden und nur zwei sporadisch wiederkehrende Rollen: der Rentner Schimmelpfennig (Hannes Stelzer), der Fremden mit großer Skepsis begegnet und immer von seinem Hund Klopstock begleitet wird, und der weltoffene Mexikaner Mario (Mario Vazquez).Die 25 Minuten langen Folgen liefen nachmittags.

    Über die einzelnen Folgen kann man sich hier informieren: 39 Folgen
    L.G. Pia

  • Na ihr habt ja Spaß in "meinem" Thread.. Naja, who cares..
    Für alle Mitleser die die Meinung vertreten, dass das nicht in die Schule/Grundschule gehöre oder man die Kinder indoktrinieren würde: Lest euch doch mal den Hessischen Rahmenplan für die Grundschule durch.... Seite 1 - mehr braucht ihr eigentlich gar nicht...


    Das Matobe-Material ist für Grundschüler übrigens recht unbrauchbar. Von den 12 Seiten sind möglicherweise 2 einsetzbar.

  • Hallo,


    mir fiel zur eigentlichen Frage dieses Beitrags das Bilderbuch "Irgendwie anders" ein. Das trifft natürlich die Flüchtlingsproblematik nicht direkt, ist aber wunderbar bis zur 3. Klasse geeignet. Darin geht es hauptsächlich um die Ablehnung derer, die "irgendwie anders" und "nicht so wie wir" sind. Und es geht um das Willkommen heißen derer, die "irgendwie anders" sind. Das Themenheft, das es zum Bilderbuch zu kaufen gibt, ist auch sehr nett gestaltet. Dazu kann man Rollenspiele spielen etc. Bestimmt ergeben sich aus dem Bilderbuch auch Ideen zur weiteren Umsetzung oder zum Gespräch über Flüchtlinge.


    Zur Flüchtlingsproblematik selbst möchte ich aber auch noch meinen Senf :saint: dazu geben:
    Meine Großmutter war vor 70 Jahren auch "Flüchtling". Sie wurde als Jugendliche aus dem Sudentenland vertrieben bzw. flüchtete aus ihrer Heimat. Sie musste ganz neu anfangen. Ich bin sehr froh, dass sie eine Anstellung bei einem Bauern fand und hier, wo ich jetzt wohne, Fuß fassen konnte. Das ist schon sehr lange her. Trotzdem: Welches Urteil steht uns zu, wohin diese Menschen gehen? Ich würde nie über einen Flüchtling urteilen, in welches Land er flüchtet.


    (Dennoch macht eine Überprüfung der Flüchtlinge vor dem Hintergrund der Terroranschläge sicher Sinn und auch nicht verwerflich. Erschreckend finde ich eher, dass viele andere EU-Länder nicht helfen wollen....)

  • Danke an den Check-Eins Tipp. Den Link von Hanuta habe ich mir bereits heute früh angeschaut. Sehr brauchbar.


    Ich würde mich sehr freuen, falls sich ein Mod die Arbeit machen würde und die Diskussion in einen Off-Topic-Beitrag ausgliedern würde. Ich denke, dass das Thema aktuell viele Lehrkräfte betrifft - aber sicherlich nich alle 3-10 Seiten Diskussion durchzulesen, um zwischendurch die tollen Links zu entdecken.

    • Offizieller Beitrag

    Hier gibt's noch ne Sammlung an Materialien: http://www.gew.de/aktuelles/de…10-tipps-fuer-die-praxis/ - Nummer 3 sind kurze clips für Grundschulkinder, es gibt Arbeitsblätter und ausführliche Unterrichtsvorschläge dazu.


    Ein Flüchtlingsheim zu besuchen fände ich auch etwas over-the-top - aber hier in meiner Gegend gibt es schon etwas deutsch oder gut englisch sprechende Flüchtlinge (müsste man dann den Kindern halt übersetzen), die gerne in Klassen kommen und sich Fragen stellen lassen. Vielleicht einfach mal Kontakt aufnehmen und ein kinderfreundliches Prozedere absprechen?


    Ein Kind einer Bekannten (2. Schuljahr) war ganz begeistert, der geflüchtete Mensch hat selbst zwei Kinder, hat ganz sensibel erzählt (Englisch, Lehrerin übersetzte), ohne wen zu verschrecken, die Kinder haben ihm Löcher in den Bauch gefragt. Kind guckt sich jetzt Atlanten an und will seine alten Legosteine spenden...

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Wie setzt man den Beutelsbacher Konsens eigentlich in der Grundschule um? Wenn ich mir die hier vorgebrachten Materialen ansehe, dann gehen die nahezu alle in die "Refugess Welcome"-Richtung, wobei da insbesondere auf Emotionalisierung der Schülr gesetzt wird. Da wird dann zum Beispiel ein gleichaltriges syrisches Kind mit grossen Kulleraugen vorgestellt, das seinen Teddy und seine Spielsachen in Syrien zurücklassen musste etc. Das bewirkt bei einem Grundschüler natürlich automatisch auf der emotionalen Ebene Solidarität und positive Zustimmung. Wo ist da die Grenze zur Indoktrination und wie wird die Kontroversität bei diesem hochpolitischen Thema gewahrt? Das stelle ich mir bei Grundschülern ziemlich schwierig vor.

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