Ich will nicht dauernd Schule neu erfinden!

  • In Deutschland haben wir schon 16 Bundesländer mit 16 mal unterschiedlicher Schulpolitik und teilweise anderem Schulsystem und anderen Schulformen.
    Damit kann man ja leben... das ist offenbar die heilige Kuh, an der nicht gerüttelt werden darf.
    Solange ich nicht umziehe ist es mir wurscht, ob Schleswig Holstein da anders arbeitet als Hessen.


    Aber was in einem einzigen Bundesland so abgeht... das ist auch schon bemerkenswert.
    Die Regierung wechselt... schwupp, gibt es Kopfnoten... die Regierung wechselt wieder... schwupp, sind die Kopfnoten wieder weg.
    Mir egal... wes Brot ich ess, des Lied ich sing und dessen Kopfnoten schreib ich oder auch nicht.
    Mal gibt es Noten, mal Berichtszeugnisse, mal dies mal das...
    Alles klar... so sind wir Lehrer das gewohnt und stellen uns flexibel darauf ein.


    Aber jetzt muss sich jede Schule auch noch dauernd selbst erfinden... und sich ein Schulprogramm schreiben... höchst individuell... sich selbst ein Konzept zur aus dem Boden gestampften Eingangsstufe überlegen... sich selbst überlegen, wie sie Inklusion verwirklicht.... so dass schon ein Umzug in derselben Stadt zu völlig anderem Unterricht und völlig anderer Schulphilosophie führen kann...
    Alles ohne Hilfe, ohne Fortbildungen, ohne ein Konzept der Leute, die mehr als A 12 dafür bekommen und das eigentlich hauptberuflich machen sollten und nicht wie wir, neben dem Alltagsgeschäft.


    Hätte ich an Schulentwicklung Freude, wäre ich an der Uni geblieben!
    Dann wäre ich da in Wissenschaft und Forschung gegangen, hätte Schulkonzepte erfunden... vielleicht sogar VOR der Umsetzungspflicht in Schulen.


    Aber nun sitzt da bei uns ein Kollegium... Durchschnittsalter 54 Jahre... und soll ein Konzept zur Inklusion entwickeln... soll über Notengebung entscheiden... soll ein neues Schulprogramm entwickeln... soll Halbjahrespläne schreiben....
    Alles neben dem normalen Unterrichtsgeschäft!


    Wofür gibt es denn Richtlinien und Lehrpläne?
    Soll die doch jemand hauptberuflich konkretisieren und ich unterrichte danach? Wegen mir brauch ich auch keine pädagogische Freiheit... ich mach es, wie es da steht!
    Aber ich will mir nicht jede Kleinigkeit selber ausdenken müssen.
    ich will nicht zu allem und jedem selbst ein Konzept entwickeln...
    Wie wäre es denn mal, dass das Schulministerium selbst mal arbeitet und Konzepte entwickelt? Möglichst BEVOR mal wieder so halbgare Theorien in der Zeitung stehen, die uns informieren, was wir als nächstes zu entwickeln haben.... und im Schulministerium klopft man sich auf die Schulter! Wieder keine Arbeit fürs Ministerium... keine schlechte Presse... denn irgendjemand hat ja immer was zu meckern... udn man kann es den Schulen auch noch so schön verkaufen, dass sie selbst entscheiden dürfen... ganz individuell... wie sie arbeiten möchten.
    Ich will da nichts mehr entscheiden und entwickeln.


    ich möchte eigentlich nur mal in Ruhe unterrichten!
    Wenn man mir dabei helfen will, dann reduziere doch mal jemand meine Klassenstärken von 28-30 Kindern auf 20 bis 23... das würde mir schon reichen... da brauche ich auch keinerlei neue Konzepte mehr.


    Wollte ich nur mal gesagt haben!

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Du sprichst mir aus der Seele.


    Und es bleibt ja nicht dabei einmal ein Konzept zu schreiben. Nein, jedes Jahr neu. Neue Zeugnisse (jede Schule natürlich anders), neue Bildungspläne, neue Schulformen, ach ja, dann müssen ja auch die Bildungspläne wieder neu, also auch die schulinternen Pläne wieder anders. Mal mit Vorgaben, mal ohne Vorgaben, ...

    • Offizieller Beitrag

    Same here in SH :(

  • unterschreibe ich, caliope.
    der tropfen, der das fass zum überlaufen brachte, war bestimmt die neue erlasslage zu zeugnissen/zensuren, oder?


    man wünscht sich doch mal einfach 2 wochen "nur" über unterricht nachdenken zu müssen, ihn gescheit vor- und nachzubereiten, aber das gehört ja inzwischen eher zu unseren nebentätigkeiten habe ich den eindruck.

  • Tja, Du lebst mit der Schule in einer Demokratie und erfreust dich der Vorteile, dann musst Du auch mit den Nachteilen leben.

    natürlich.
    ich sag ja auch gar nichts gegen Kopfnoten oder nicht Kopfnoten oder Noten oder Berichtszeugnisse oder Empfehlungen die mal bindend sind und mal nicht und ich diskutiere auch nicht den Sinn warum man neben der Gesamtschule nun auch noch eine Gemeinschaftsschule und eine Sekundarschule haben muss... und natürlich wie gehabt auch noch Gymnasium, Realschule und Hauptschule... alles in einer Stadt.... sondern informiere gerne die Eltern darüber, welch tolle individuelle Möglichkeiten sie jetzt für ihr Kind haben.
    Das alles wechselt nach jeder Wahl im Bundesland... und manchmal auch zwischendurch je nachdem, wie PISA oder andere Studien ausfallen und man mal wieder gerne einen aktionistischen Schnellschuss machen muss, um zu zeigen, wie toll und flott man sich doch darauf einstellt.
    Daran sind wir doch alle schon immer gewöhnt.


    Und ich verwende meine Energie sicher nicht darauf, diese Dinge zu überdenken oder gar noch dagegen zu sein.
    Mir egal.... sagt mir, was ich machen soll, ich mach es.
    Ich bin jeder Neuerung gegenüber aufgeschlossen.


    Ich will es nur nicht selbst erfinden, entwickeln, Konzepte schreiben...


    Ich will endlich einfach nur unterrichten.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • The same im Saarland!!!
    Und wir haben am 25.3 vorgezogene Neuwahlen, was danach wieder kommt...

    Ich bin Grundschullehrer, ich muss nicht die Welt retten!!!

  • Mal eine Anfängerfrage:


    Inwiefern kann man eigentlich dazu gezwungen werden solche Dinge neu zu erfinden?
    Ich meine, ich kann mir vorstellen, wenn von übergeordneter Stelle eine Anordnung kommt, dass es neuerdings Kopfnoten geben soll, so leuchtet mir das ein. Dann muss man das umsetzen und es kann auch gut kontrolliert werden.
    Wie soll das aber funktionieren, dass man aufwändige Entwicklungsaufgaben zu leisten hat? Ich meine kann man gezwungen werden Arbeitskreise zu bilden? Kontrolliert jemand die Anwesenheit darin? Wird kontrolliert, dass man nicht nur die Zeit darinnen absitzt und eben zu keinem Ergebnis kommt, weil man eben einfach keine Ideen dazu hat? Woran wird festgestellt, dass man nicht ordentlich gearbeitet hat, weil das erstellte Konzept genau welche vorgegebenen Kriterien nicht genau erfüllt? Da kann mir doch keiner nachweisen, dass ich die Vorgaben nicht einhalte, weil es da doch wohl keine rechtlich bindenden Vorgaben gibt, wie das entwickelte Konzept auszusehen hat?


    Als Anfänger tue ich mich ein wenig schwer damit, dass man als Lehrer ohne Kompensation finanzieller oder zeitentlastender Natur einfach unzählige neue Aufgaben aufgebrummt bekommen kann. Das hat für mich was von Leibeigenschaft.
    Klar, wenn man jetzt jemanden sucht, der solche Konzepte entwickelt und dafür A14 ausschreibt, wäre das vielleicht eine Stelle, auf die man sich bewerben könnte. Wenn man dann "versagt", bekommt halt ein anderer die A14 Stelle, also habe ich Interesse daran gute Arbeit zu leisten um in der Entwicklungsgruppe zu bleiben.


    Wenn ich aber auf meiner normalen A13 Stelle sitze und auf einmal von "oben" her die Anweisung kommt, ich müsste auch noch dies oder das tun, dann geht das nur, wenn


    1) ich vorher für Vollzeit bezahlt wurde, aber eigentlich nicht genug Arbeit hatte um "vollzeit beschäftigt" zu sein (unwahrscheinlich!) und dadurch nun erst bei Vollzeit angelange
    2) eine anderweitige, zeitliche Entlastung geschaffen wird
    3) ein Bonus gezahlt wird um die Überstunden abzugelten, denn vorher wird man ja mit den normalen Aufgaben schon vollzeit ausgelastet gewesen sein


    Man muss sich mal überlegen, dass solche Entwicklungsaufgaben a la "Wo soll es hingehen mit dem Betrieb" zum Beispiel in Unternehmen in die allerhöchsten Ebenen verlagert werden. Als normaler Angestellter, sogar auch als kleiner Bereichsleiter mit ein paar unterstellten Leuten (~Gehaltsniveau Lehrer) beschäftigt man sich nicht mit "Betriebsentwicklung".
    Aus meiner Sicht müssen solche Dinge der Schulleitung oder gar noch höheren Ämtern vorbehalten sein. Diese werden dafür auch deutlich besser bezahlt.
    Als normaler A13er werde ich bestimmt nicht unbezahlt verantwortungsvolle Entwicklungsarbeit leisten.


    Man kann nicht Häuptlingsarbeit von Indianern verlangen!


    Man schaue sich mal um, selbst bei nichtstudierten Berufen ist das so! Wer entwickelt denn die Speisekarte, der Küchenchef mit dem größeren Gehalt oder die Küchenhilfe mit dem kleineren Gehalt?
    Kann der Küchenchef seiner Küchenhilfe ans Bein pinkeln, wenn diese es einfach nicht auf die Reihe bringt eine ordentliche Speisekarte auf die Beine zu stellen? Glaube kaum.

  • Schließe mich Vorschreibern voll und ganz an.
    Neue Regierung = Neue Säue durchs Dorf und das ned nur einmal.
    Kontinuität in der Grundschule gibts nicht, wohl in keinem Bundesland!!
    Trotzdem machen die Lehrer(innen) ihre Arbeit und dies sogar sehr gut

  • In Ba-Wü machen sich auch die Wildschweine breit.... :P
    Wir kommen kaum nach, die Säue zu zählen, die hier ständig durchgetrieben werden.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Mir sind Säue jeder Art völlig egal... ich kann mich mit allem arrangieren.
    Hauptsache, es sind keine Säue im Bastelsatz...

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Tja, Silicium - Herzlich Willkommen im Lehrerleben.


    Und glaub mir - du wirst solche Arbeit als A13 Kraft aufgedrückt bekommen. Je nach Schulleitung mehr oder weniger. (Und dann freu dich drüber, dass du A 13 bekommst, aber das Thema möchte ich jetzt nicht neu aufrollen).
    Es wird eben alles nach unten weiter gereicht - es liegt nicht daran, dass Lehrer alle total unbelastbar sind, dass so viele krank werden...

  • Und glaub mir - du wirst solche Arbeit als A13 Kraft aufgedrückt bekommen. Je nach Schulleitung mehr oder weniger.

    Danke für die Info Lieslotte. Dann hoffe ich mal auf eine gute Schulleitung.

  • Ach Caliope, dein Beitrag sprach auch mir aus der Seele!


    Jetzt mal eine kleine Schilderung, die auch silicium interessieren dürfte. An meiner Schule sind wöchentliche Zusammenkünfte nur zum Zwecke außerunterrichtlicher Arbeiten üblich. Die SL unterscheidet sog. Große Konferenzen (180 Minuten), Kleine Konferenzen (120 Minuten) und Arbeitskreise (90 Minuten). In jeder dieser wunderbaren Zusammenkünfte nehmen diverse konzeptionelle Aufgaben einen großen Platz ein. Wir schreiben uns die Finger wund und denken uns den Kopf blöde für einen Haufen schöner Worte, die in irgendwelchen Ordnern verstauben, bis irgendwann die böse QA kommt - und uns endlich mal jemand für die geleistete Arbeit lobt. :P Ihr könnt euch denken, wie motiviert wir an dieses unendliche Werk gehen und wie effizient diese Arbeitszeit ist. Da ich an einer Förderschule arbeite, deren Zukunft ohnehin gerade etwas fragwürdig erscheint, leistet man diese Arbeit noch viel lieber.


    Aber, das soll hier keine Beschwerde sein! Schließlich hat man mich im Kolloquium zum 2. StEx nach den Lehrerfunktionen gefragt, und ich wusste, dass dazu auch Organisieren und Verwalten, Evaluieren, Innovieren und Kooperieren gehören. Also wusste man ja, worauf man sich einlässt und erledigt diese Aufgaben mit dem gleichen Elan und der gleichen Begeisterung, wie man auch unterrichtet (und erzieht, und berät, und fördert, und fordert, und diagnostiziert, und und und.) Natürlich macht man das für A12 genauso gerne und gewissenhaft wie für A13, das ist doch keine Frage! *ironie aus*

  • Aber jetzt muss sich jede Schule auch noch dauernd selbst erfinden... und sich ein Schulprogramm schreiben... höchst individuell... sich selbst ein Konzept zur aus dem Boden gestampften Eingangsstufe überlegen... sich selbst überlegen, wie sie Inklusion verwirklicht.... so dass schon ein Umzug in derselben Stadt zu völlig anderem Unterricht und völlig anderer Schulphilosophie führen kann...


    Ich sehe das ganau so wie du. Mein eigentlicher Job, den ich wollte und kann ist zu unterrichten und alles was damit zusammenhängt. Dei "Tintenpisse"( Sorry für den Ausdruck) wird immer mehr, in die keiner reinschaut. Ich habe schon immer individuell gearbeitet, da brauche keine seitenweise Pläne, die nur herum liegen. Was die Konzepte für Inklusion angeht grenzt an eine Katastrophe. Wir schreiben uns die Finger wund wie es funktionieren könnte und im Grunde genommen weiß keiner wie es gehen soll, weil die Rahmenbedingungen nicht da sind. Die Ordner in den Schränken werden immer mehr und voller und keiner schaut rein, außer vielleicht die Damen und Herren von der Qualitätsanalyse. Wo bleiben hier die Standards? Es kann doch nicht angehen, dass es jede Schule macht, wie es beliebt. Da muss es doch verlässliche Umsetzungspläne geben. Man stelle sich nur mal vor, ein Kind zieht um, war bisher vielleicht in einer Förderschule und findet am neuen Wohnwort völlig andere Bedingungen vor. Wäre ich ein Schwätzer, wär ich jetzt Politiker. Die Kollegen von uns, die im Gu sind, müssen auch immer mehr Schreibkram erledigen. Das ist alles der reinste Wahnsinn und die Qaulität der deutschen Bildung wird immer schlechter.

  • Inwiefern kann man eigentlich dazu gezwungen werden solche Dinge neu zu erfinden?



    Ich frage mich auch regelmäßig, warum man sich nicht mit mehreren Schulen zusammen tut und jeder trägt einen Teil bei.
    Dann haben halt 30 Schulen das gleiche Konzept. Wo ist das Problem?
    Ich habe hier eher das Gefühl, dass das so Hamster-ABM-Maßnahmen sind, die die Mitabeiter vor dem Nachdenken, welcher Schwanchsinn eigentlich manches ist, abhalten sollen.


    Wo wäre das Problem, wenn man sich die Konzepte teilt, diese vage formuliert und dann doch macht, was man will?

  • Annie, genauso läuft es doch.
    Unsere Schule hatte 18 Punkte bei der QA.
    All meine Freundinnen haben bei uns vom Schulprogramm abgeschrieben, als bei denen die QA vor der Türe stand...
    Wir schicken uns die Halbjahrespläne hin und her...
    Wir sind in vier verschiedenen Städten in NRW... es gelten also überall dieselben Richtlinien und Lehrpläne.
    Und wenn eine unserer Schulleitungen mal wieder auf Druck von oben einen lästigen Aktivismus entwickelt und uns solche Dinge tun lassen möchte... dann machen wir uns nicht unnötig das Leben schwer, sondern kopieren von einer Freundin.... oder aus dem Net... und schreiben es auf unsere Schule passend um.
    Nur blöd, dass meine Schulleitung die aktionistischste von allen ist... ich muss es immer zuerst machen und kann nicht kopieren.
    Und all das läuft natürlich nur unter der Hand... unsere Schulleitungen wissen nicht, dass wir das so machen.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

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