Inklusion : Ich kann es nicht !

  • Über vieles kann man ja diskutieren, aber dass einzelne Klassenarbeiten (über deren fehlende Objektivität, Reliabilität und Validität schon genug geschrieben worden ist) das Leistungsbild eines Schülers objektiver und realistischer widerspiegeln sollen als eine kontinuierliche Unterrichtsbeobachtung, bei der der Lehrer auch Einsicht in die Vorgehensweise und nicht nur die Ergebnisse des Schülers erhält, halte ich dann doch für lächerlich.

  • katta:


    Möchte Dir da gar nicht widersprechen. Ich halte viel davon, wenn die Schüler selbstständig z.B. Aufgaben rechnen, anstatt, dass ich ihnen ne Herleitung vorkaue die sie nachvollziehen müssen.
    Wir Naturwissenschaftler kennen das gut, dass man sich selber was herleiten / erarbeiten muss und nur vom Zuhören eines monotonen Vortrags nicht gleich alles versteht.
    Es ging aber wirklich nicht um die Methode. Sondern nur darum, ob es sinnvoll ist schwache Schüler mit starken Schülern gezielt zu mischen, wie es bei der Inklusion der Fall ist.
    Welche Unterrichtsmethode man wählt, ob heterogene Klasse oder homogene, sei erstmal dahin gestellt. Da hatte ich mich eigentlich gar nicht zu geäußert, okay?


    Plattenspieler


    Ich halte dennoch an Klausuren und Leistungstests fest. Reines Beobachten ersetzt imho nicht die Klausur.
    Wie vergeben wir denn das Abi demnächst? Anstatt Zentralabi gibt es Zentralbeobachtung?



    PS


    Was sagst Du zu individueller Leistungsbewertung wie in dem Beispiel vorher von mir? Wie umgeht man das Problem meines Beispiels, dass völlig verschiedene objektive Leistungsniveaus dieselbe Note (weil individuell vergeben) bekommen?
    Wenn doch keine individuelle Leistungsbewertung stattfinden soll, wie kann man die Vergleichbarkeit herstellen, wenn alle andere Aufgaben bearbeiten? (Und die Bewertung vor allem durch Beobachtung und nicht durch Klausuren erfolgt?)

    2 Mal editiert, zuletzt von Silicium ()

  • Ich würde auch nicht ins Horn für die ausschlieliche Beobachtungsbeurteilung stoßen, weil ohne jegliche Verschriftlichung seitens des Schüler immer der Willkürvorwurf seitens der Eltern im Raum stehen würde, wenn ihre Kinder schlechte Noten erhalten. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Deshalb - zumindest in der Primarstufe und der Sek. 1 - eine differenzierte und rein verbale Beurteilung: Was kann das Kind schon? Was muss das Kind noch lernen?


    Dass für zentrale Abschlussprüfungen eine andere Lösung her muss und man hier auf Noten zurückgreift, ist klar.
    Aber auch für Abschlusszeugnisse halte ich eine (zusätzliche) verbale Beurteilung für sinnvoll. Davon, wenn realistisch Stärken und Defizite in kurzer, präziser Form dargestellt sind, hat doch ein potentieller Arbeitgeber viel mehr, als wenn da eine von sechs möglichen Ziffern steht und der Jugendliche nachher doch keinen Fachtext verstehen und keinen Dreisatz rechnen kann.


    Und, Elternschreck, das stimmt natürlich, dass viele Eltern da protestieren würden. De facto ist die Willkür bei Klausuren (Tagesform in Abhängigkeit von psychischen und physischen Umständen, "Bulimielernen", Auswendiglernen ohne Verständnis, ungenaue Aufgabenstellungen, Fehler bei der Bewertung etc. - und so etwas passiert auch professionellen und erfahrenen Lehrern) aber viel größer. Und das muss man den Eltern einfach klar machen; schließlich sind wir doch die Experten für Lehren und Lernen, oder? 8)

  • Deshalb - zumindest in der Primarstufe und der Sek. 1 - eine differenzierte und rein verbale Beurteilung: Was kann das Kind schon? Was muss das Kind noch lernen?


    Na, wenn du das willst, Plattenspieler, musst du es aber selber machen. Sek 1-Lehrer wollen nämlich auch ab und zu mal schlafen. Das wird aber wohl schwierig bei mindestens 240 Schülern, für die man halbjährlich (oder dann womöglich noch öfter) eine differenzierte Verbalbeurteilung schreiben muss. Vor allem, wenn man sie nur für drei oder vier Schulstunden die Woche sieht.


    Dass für zentrale Abschlussprüfungen eine andere Lösung her muss und man hier auf Noten zurückgreift, ist klar.
    Aber auch für Abschlusszeugnisse halte ich eine (zusätzliche) verbale Beurteilung für sinnvoll. Davon, wenn realistisch Stärken und Defizite in kurzer, präziser Form dargestellt sind, hat doch ein potentieller Arbeitgeber viel mehr, als wenn da eine von sechs möglichen Ziffern steht und der Jugendliche nachher doch keinen Fachtext verstehen und keinen Dreisatz rechnen kann.


    Dass der Schüler keinen Fachtext versteht, dürfte dann aber wieder nicht drinstehen - da hättest du die gleiche Regel wie für Arbeitszeugnisse....


    Und, Elternschreck, das stimmt natürlich, dass viele Eltern da protestieren würden. De facto ist die Willkür bei Klausuren (Tagesform in Abhängigkeit von psychischen und physischen Umständen, "Bulimielernen", Auswendiglernen ohne Verständnis, ungenaue Aufgabenstellungen, Fehler bei der Bewertung etc. - und so etwas passiert auch professionellen und erfahrenen Lehrern) aber viel größer. Und das muss man den Eltern einfach klar machen; schließlich sind wir doch die Experten für Lehren und Lernen, oder? 8)


    Ach so, aber im Unterricht merke ich dann, dass der schüler ohne Verständnis auswendig gelernt hat?

  • Zitat Ixa...:

    Zitat

    Sek 1-Lehrer wollen nämlich auch ab und zu mal schlafen. Das wird aber
    wohl schwierig bei mindestens 240 Schülern, für die man halbjährlich
    (oder dann womöglich noch öfter) eine differenzierte Verbalbeurteilung
    schreiben muss

    Als zweistündiger Fachlehrer pro Klasse unterrichte ich ca. 420 Schüler ! 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zitat

    Na, wenn du das willst, Plattenspieler, musst du es aber selber machen. Sek 1-Lehrer wollen nämlich auch ab und zu mal schlafen. Das wird aber wohl schwierig bei mindestens 240 Schülern, für die man halbjährlich (oder dann womöglich noch öfter) eine differenzierte Verbalbeurteilung schreiben muss.

    Danke, IxcaCienfuegos, für diesen Beitrag , denn genau aus diesem Grund lehne ich viele Ideen aus diesem Thread hier ab! Ich habe ein Leben neben der Schule, das neben Schlaf übrigens noch einiges mehr beinhaltet, und darum unterstütze ich nicht jede wilde Idee, die von oben kommt und nicht jedes Ideal, das in der päd. Literatur formuliert wird.

  • Danke, IxcaCienfuegos, für diesen Beitrag , denn genau aus diesem Grund lehne ich viele Ideen aus diesem Thread hier ab! Ich habe ein Leben neben der Schule, das neben Schlaf übrigens noch einiges mehr beinhaltet, und darum unterstütze ich nicht jede wilde Idee, die von oben kommt und nicht jedes Ideal, das in der päd. Literatur formuliert wird.


    Warum wollen das eigentlich nur die SekI -Lehrer? Ich würde behaupten wollen, die Grundschullehrer auch und nein, die haben hier nicht unbedingt weniger Klassen, denn die Grundschule geht ja bis zur 6. klasse, es ist Fachunterricht vorhanden, selbst in einer 4. Klasse habe ich 5-7 Lehrer (je nachdem, ob man Förderlehrer und Religionslehrer dazuzählt) Unterricht haben, dementsprechend viele Klassen hat jeder auch.


    und daran sieht man, dass ist doch sehr Shculleitungsabhängig und nicht davon abhängig, ob SekI oder Grundschule, in der SekII sieht das wieder anders aus.


    Hier muss aber in der SekI z.B. auch jedes Fach unterrichtet werden, genau wie in der Grundschule, egal, was man studiert hat!

  • Stärkeres Klassenlehrerprinzip: Grundsätzlich schöne Idee,geht mit meiner Fächerkombi auch super. Wenn jemand aber Reli und Kunst oder ähnliche Kombinationen hat, dann ist das schwer. Und von fachfremdem Unterricht halte ich (in der Mehzahl der Fälle) nichts. Man kann nicht einfach mal eben Bio, Physik, Deutsch oder Englisch usw. unterrichten. Man darf sich am Ende dann zumindest nicht wundern, wenn die fächerspezifischen Herangehensweisen in der Sek 2 plötzlich nicht da sind.

  • Spräche denn aus eurer Sicht etwas gegen ein stärkeres Klassenlehrerprinzip in der Sek. 1?


    Ja, klar; die fehlende Fach- und Sachkompetenz. Das Niveau der bayerischen Realschule ist (auch) deshalb so hoch, weil wir ausschließlich Lehrkräfte in deren studierten Fächern einsetzen. Fachfremder Unterricht kommt allerhöchstens im Vertretungsfall (Schwangerschaften) mal vor, zeitlich begrenz und dann auch nur in "verwandten" Fächern.


    Das Klasslehrerprinzip hat einige pädagogische Vorteile, schlägt sich aber zwangsweise auf das Niveau nieder, weil einfach niemand überall Fachmann sein kann.

    • Offizieller Beitrag


    Spräche denn aus eurer Sicht etwas gegen ein stärkeres Klassenlehrerprinzip in der Sek. 1?


    1. die fehlende Fachkompetenz
    2. bin ich auch der Meinung, dass es irgendwann (über den Zeitpunkt lässt sich sicher streiten) nicht automatisch guttut, dass Schüler eine Art Rundum-Betreuung durch fast nur einen Lehrer erfahren.
    Ich persönlich plädiere für eine Vielfalt von Lehrer- und Unterrichtsmerkmalen, die sich letztlich auch positiv auf eine Gesamtbeurteilung auswirkt.


  • Zitat:
    So haben sich die Rahmenbedingungen verändert. Auch die Schülerschaft verändert sich zunehmend; zur Zeit habe ich eine 5. Klasse mit 85% Migrationshintergrund, darunter 3x ADHS, 2x LRS, 1x drogenabhängige Eltern ...


    Wunderschön plakativ geschrieben - aber passiert hier im Forum ja auch teilweise in ähnlicher Form. Vermeintliche psychische Krankheitsbilder beeindrucken halt. Spiegelt leider auch eine sehr interessante Sicht auf Schüler mit Migrationshintergrund wider ... Und warum sollte ein Kind nicht auf die Realschule dürfen, weil die Eltern drogenabhängig sind?!


    Zum Glück waren weder Migrationshintergrund noch ADHS noch LRS noch drogenabhängige Eltern jemals ein hinreichender Grund für sonderpädagogischen Förderbedarf.

  • Aus demselben Text:



    Inklusion macht den Lehrerberuf noch viel mehr, als er es eh schon ist, zu einem psychisch und körperlich belastenden und oftmals krank machenden Beruf. Die zusätzliche Belastung durch problematische und anstrengende Kinder, bei dem Zitat ging es um einen Jungen mit ADHS und Asperger Syndrom, von denen durch die Inklusion noch mehr als sonst an einer Regelschule angemeldet werden, steigt das Risiko für die Lehrkraft.


    Bislang wurde immer diskutiert, ob Inklusion für die zu inkludierenden Schüler besser sei und, ob die leistungsstarken Schüler Nachteile davon tragen oder es wie durch Zauberhand keine Nachteile trotz an die Wände kotender Schüler (aber auch in weniger extremen Fällen) gibt. Das ist aber nur eine Dimension. Denn welche Bedingungen ein Gymnasiast, Realschüler usw. ein paar Jahre lang seines Lebens vielleicht noch halbwegs unbeschadet übersteht, danach aus der Schule raus ist und keiner mehr bei ihm auf dem Tisch steigt, laut brüllt und Arien schmettert, ist dies über dreißig Jahre lang der Einfluss, unter dem eine Lehrkraft stehen wird.


    Es geht bei der Inklusion also auch um unsere Arbeitsbedingungen und damit auch ganz mittelbar um unsere Lebensqualität. Das muss man immer bedenken, wenn man idealistisch und verträumt vor sich herredet. Wie ist es um die Lebensqualität der Lehrkraft in dem Zitat bestellt? Mich beschleicht der Eindruck, dass diese nicht sehr ausgeglichen, entspannt und zufrieden durch ihr Leben geht. Auch berichtet sie, wie ihr familiäres Privatleben zunehmend den Bach herunter geht.
    Wie wird sich also die zusätzliche nervliche Belastung, die zusätzliche gedankliche Belastung, die zusätzliche Vorbereitungszeit durch Inklusion langfristig auf die Lehrerschaft auswirken?


    Die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter: Da wo früher noch ein Sonderpädagoge eine kleine Gruppe von 8-10 heutigen Inklusionsschülern in der Klasse hatte und für diese Fälle direkt ausgebildet wurde, Kinderpfleger an der Seite hatte in manchen Einrichtungen usw., steht jetzt der Regelschulenlehrer, der nebenher noch einen Abiturkus Deutsch zu korrigieren hat und 29 wissbegierige, fachlich sehr fordernde normale Schüler. Das Ganze natürlich bei reduziertem Einstiegsgehalt und, mit Sicherheit, weiteren Kürzungen des Gehalts der faulen Halbtagsjobber.


    Der Druck Schüler aufs Abitur vorzubereiten ist nach wie vor da und die Vorwürfe an die Regelschullehrkraft groß, wenn ein Großteil der Klasse das verbindliche Ziel Abitur nicht schafft.

    3 Mal editiert, zuletzt von Silicium ()

  • Sehr richtig, Silicium. Da kann ich dir nur zustimmen. Man denke auch mal an die Zahl von dauererkrankten LehrerInnen in Berlin, die vor ein paar Tagen durch die Presse ging. PolitikerInnen nutzen immer wieder das schlechte Image der "Halbtagsjobber" aus, um Geld zu sparen oder ihre Steckenpferdchen zu reiten. Und dann reibt man sich verwundert die Augen, dass so viele LehrerInnen ausfallen... Ich will gar nicht abstreiten, dass es eine ganze Menge KollegInnen gibt, die mit ihrer Situation zufrieden sind und einen einigermaßen ruhigen Job haben, aber viel zu vielen geht es einfach schlecht. Wie sollen diese KollegInnen SchülerInnen aller Art für ihr Fach begeistern, wenn sie selbst auf dem Zahnfleisch kriechen? Aber wie sagte mal jemand hier: "Der Karren muss erst einmal an die Wand gefahren werden!" Oder noch zynischer: Bei der "natürlichen Auslese" müssen dann später nicht mehr so viele Pensionen gezahlt werden, die jetzt so bedrohlich im Raum stehen.

  • Dann dürfte eine voll bezahlte Stelle nicht mehr als 14 Unterrichtsstunden umfassen, geehrter Silicium, wenn man die wesentlich umfangreicheren Vor- und Nachbereitungen sowie die weitaus höheren mentalen Belastungen im Unterricht berücksichtigen würde ! Selbst dann könnten wir "normalen" Sek1-Lehrer die Inklusionskinder nicht angemessen beschulen (Der Zahnarzt kann ja auch keinen Blinddarm herausoperieren!).


    Die verantwortlichen Bildungspolitiker werden da einen Teufel tun und uns stattdessen, wie schon angekündigt, gnadenlos verheitzen. Wie Du schon erwähnt hast, wird das Wartezimmer von Doc Holiday sowie die Burn-Out-Kliniken demnächst von Lehrern überfüllt werden. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Nur mal am Rande als Information: Am 13. September kommt zu der Thematik ein Kinodokumentarfilm heraus.
    http://www.bergfidel.wfilm.de/berg_fidel/Start.html

    Soweit ich mich hier aus den Ferien erinnere, ist Berg Fidel eine Montessori-Schule und die Schulgemeinschaft hat entschieden, aus den Elternbeiträgen mehr Sonderpädagogen und Sozialarbeiter einzustellen, um eine bessere Förderung für die Schüler mit Förderbedarf und Entlastung für die Klassenlehrer zu schaffen.

  • Ohne den Film oder Trailer gesehen zu haben: Klingt mir von der Webseite her schon zu gefühlsduselig.


    Die Seite der __Grundschule__ Berg Fidel macht unter dem Link "Intergration/Inklusio" klar, welche m.E. guten Bedinungen sie dort haben. So mag das vielleicht funktionieren, aber unter den Kondition, unter welchen die meisten von uns hier schon ohne I-Kinder arbeiten........


    Grüße
    Raket-O-Katz

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