Eltern holen Kind nicht ab

  • Interessant. Ich hätte gedacht, einem verletzten Kind mit Schmerzen so schnell wie möglich ärztliche Versorgung zukommen zu lassen, sei wichtiger als das schlechte Gewissen von Lehrern oder eventueller Ärger mit Eltern.


    Naja, wahrscheinlich setze ich mal wieder die falschen Prioritäten.


    Nele


    Wieso lässt du keine Abstufungen zu, sondern sieht das alles nur Schwarz? Natürlich soll das Kind so schnell wie möglich ärztlich versorgt werden. Dem widerspricht doch keiner! Aber gleich die Kollegin als "Unqualifizierte Grundschulkraft" hinzustellen, die da nicht gebraucht wird, geht gar nicht. Neben dem medizinischen Aspekt gibt es hier nämlich auch einen psychischen.
    Bleib doch mal bei der Situation und erkläre mir was dagegen spricht, dass sie wenn möglich (!!! hier im fiktiven Fall) mitfährt? Das Kind braucht doch emotionale Unterstützung. Da sitzt es ewig verletzt auf dem Stuhl und erfährt neben den physischen Schmerzen noch den emotionalen Schmerz, da es ja wohl klar mitbekommt, dass sich seine Eltern GAR NICHT um ihn kümmern. Vermutlich macht es sich in diesem Fall sogar Sorgen, dass es seinem cholerischen Vater gegenübertreten muss, weil es sich verletzt hat und dieser in die Klinik fahren muss. Da ist mit Sicherheit eine "unqualifizierte Grundschulkraft" eine enorm wichtige emotionale Unterstützung für das Kind, da diese dann dem Kind Ängste nehmen kann.


    Und nein, es ist nicht die Aufgabe der Kollegin dies zu tun. Natürlich sind die Rettungsassistenten passend ausgebildet. Dennoch hat es sich beispielsweise unser Rektor letztes Schuljahr auch nicht nehmen lassen mit einem verunfallten Kind ins Krankenhaus zu fahren. War es seine Pflicht? Nein. Fand ich es gut? Ja. Würde ich mir diese Unterstützung für meine eigenen Kinder wünschen? Ja! Würde ich sie einfordern? Niemals!


    Dir Jazzy wünsche ich gute Nerven mit den Eltern. Ich würde mich freuen, wenn du weiter berichtest und hoffe, dass der Junge mittlerweile behandelt wurde.

  • Also ich muss Nele mal zustimmen. Kinder sterben nicht, nur weil sie alleine im Krankenwagen mitfahren. Wegen eines verletzten Knöchels! Also bitte! Die haben öfter mal mit Kindern zu tun und kommen damit durchaus klar. Ich bin Lehrkraft - und zwar von mehr als 20 Kindern. Mein Auftrag ist der Bildungs- und Erziehungsauftrag. Soll der Unterricht ausfallen, weil ich ein Kind ins Krankenhaus begleite??
    Das ist erstens etwas zu viel "Engagement" und wie gesagt: Das Kind wird keinen seelischen Schaden davontragen.
    Ich habe selbst Kinder. Ich wäre einfach nur froh, wenn die Schule mein Kind in ärztliche Behandlung gibt. Dafür wäre ich dankbar in einer solchen Situation. Alles andere ist doch erst mal zweitrangig.
    Ich hab leider schon öfter mal einen Krankenwagen rufen müssen, weil die Verletzung so war, dass ich auf Nummer Sicher gehen wollte. Begleitet hätte ich keines der Kinder. Zumal (ich wiederhole mich) ich unterrichten muss.
    Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber man kann es auch echt übertreiben. Über Eltern sagen wir, sie würden ihre Kinder überbehüten und verhätscheln, ihnen nichts zutrauen und sie nicht "groß" werden lassen.
    Und dann setze ICH mich in einen Krankenwagen, wo ich definitiv nichts verloren habe?
    ….

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Um euch kurz den Ausgang des Vorfalls zu erzählen:


    Der Mittefußknochen ist gebrochen. Die Eltern sind aber erst am Samstag zum Arzt gegangen. Das Kind tut mir furchtbar leid! Laut eigener Aussage konnten sie nicht am Freitag zum Arzt, da sie Besuch hatten und der Vater arbeiten war. Als ich erwähnte, dass man mit gebrochenem Fuß nicht spielen könnte und der große Bruder doch auch Zuhause war (mit Führerschein), hat das Kind nur noch verschämt zu Boden geschaut. Das arme Kind!


    Ich habe mich bereits mit dem Direktor abgesprochen. Wir werden das Jugendamt einschalten.

  • Also ich muss Nele mal zustimmen. Kinder sterben nicht, nur weil sie alleine im Krankenwagen mitfahren. Wegen eines verletzten Knöchels! Also bitte! Die haben öfter mal mit Kindern zu tun und kommen damit durchaus klar. Ich bin Lehrkraft - und zwar von mehr als 20 Kindern. Mein Auftrag ist der Bildungs- und Erziehungsauftrag. Soll der Unterricht ausfallen, weil ich ein Kind ins Krankenhaus begleite??

    Bei uns an der Schule (NRW) sollte man nach Möglichkeit bei den "Kleinen" (5. und 6. Klasse, v.a. wenn das Kind schüchtern / ängstlich ist), das Kind zum KH begleiten und dort warten bis die Eltern eintreffen (es sei denn die Eltern sichern zu sofort zum KH zu fahren). Eine Kollegin durfte auch schon mal einige Stunden im KH warten und von dort sehen, wie sie heim kam (Auto stand an der Schule, KH war im Nachbarort, eine besonders gute öffentliche Verkehrsanbindung gab es nicht).


    @ Jazzy: Echt armes Kind. :schreien:

  • Bei uns ist das eigentlich auch so, dass ein Lehrer, nach Möglichkeit der Klassenlehrer, mitfährt und im Krankenhaus wartet, bis die Eltern kommen. Find ich eigentlich auch gut so, denn 1. kommt sowas sowieso nicht täglich vor und 2. sind die Kinder in einer solchen Situation emotional völlig überfordert. Da bedeutet es für sie schon ein Stück Sicherheit, einen bekannten Lehrer dabei zu haben, der für sie auch z.B. Gespräche mit Krankenpflegern und Ärzten führt. (Grundschulkinder sind im Schnitt zwischen 5 und 11 Jahre alt, auch wenn man es als Kollege vom Berufskolleg nicht so sieht, die sind schon noch ganz schön klein!)
    Vor den Herbstferien hatte ich auch mal das Vergnügen einen Schüler mit einer Platzwunde am Kopf zu begleiten, vom Krankenhaus abgeholt hat mich unsere Sekretärin, als schließlich die Mutter kam (und dankbar für die Begleitung ihres Sohnes war...).

  • Bei uns ist das eigentlich auch so, dass ein Lehrer, nach Möglichkeit der Klassenlehrer, mitfährt und im Krankenhaus wartet, bis die Eltern kommen.


    Und was macht in dieser Zeit der Rest der Klasse? Bzw. wer beaufsichtigt sie?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Bei uns wird dann vertreten (wenn möglich) oder aufgeteilt oder zwei Klassen gemeinsam unterrichtet. Also das gleiche was auch ist, wenn eine Kollegin krank ist oder spontan weg muss, weil z.B. ihr eigenes Kind krank ist.

  • Bei uns wird dann vertreten (wenn möglich) oder aufgeteilt oder zwei Klassen gemeinsam unterrichtet. Also das gleiche was auch ist, wenn eine Kollegin krank ist oder spontan weg muss, weil z.B. ihr eigenes Kind krank ist.


    Ist das nicht etwas viel Aufwand für ein Kind, welches adäquat betreut (durch medizinisches Fachpersonal) ist?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:


  • Ist das nicht etwas viel Aufwand für ein Kind, welches adäquat betreut (durch medizinisches Fachpersonal) ist?


    Es mag adäquat medizinsch betreut sein, aber vielleicht steht es gerade emotional neben der Spur und hätte gern eine vertraute Person an seiner Seite?
    Ich muss mich doch über einige Aussagen sehr wundern, die in meinen Ohren doch sehr unsensibel klingen. Und ehrlich gesagt stellt sich die Frage für mich nicht, wenn ich merke, dass ein Fünftklässler nicht alleine ins KH fahren möchte, dann organisiere ich das doch so, dass jemand Vertrautes mitfährt.

  • Ich glaube (äh hoffe), dass niemand hier sein eigenes 10jähriges Kind bei einer Verletzung vor der Klinik absetzt und sagt, ruf an, wenn du fertig bist. Du bist ja medizinisch versorgt.
    Vielleicht fehlt Kollegen im Sek2-Bereich einfach die Vorstellung von der Arbeit mit Grundschülern und kleinen Sek1-Schülern. Ihr werdet es kaum glauben, aber ich tröste auch und binde notfalls Schuhe zu.
    Gruß

  • Als Mutter und Grundschullehrerin in einer Person würde auch ich mit dem Kind mitfahren. Und wäre mein Kind in dem Alter in diese Situation gekommen, hätte ich mir ebenfalls SEHR gewünscht, dass eine dem Kind vertraute Person mitfährt. Nicht, weil das anderenfalls womöglich ein manifestes psychisches Trauma auslösen könnte (ziemlich unwahrscheinlich), aber weil es dem Kind damit ganz sicher besser geht in seiner unglücklichen Situation, als wenn es alleine bei Fremden gelassen wird. Medizinisches Personal rund um Notsituationen ist in der Regel eben auch NICHT auf den Umgang mit Kindern spezialisiert (übrigens weder psychologisch NOCH medizinisch). Dessen Aufgabe ist es, sich schnellstmöglich um die medizinische Versorgung des Körpers zu kümmern, aber ganz sicher nicht darum, die Hand des Kindes zu halten und ihm Trost zuzusprechen. Und es ist ja ein durchaus zu bewältigendes "Problem", die Klasse trotzdem gut zu versorgen.


    Und was das Alter betrifft: Wer selbst als Erwachsener mal mit dem Rettungswagen in die nächste Klinik gebracht werden musste, weiß es vielleicht auch zu schätzen, wenn jemand Vertrautes mitfahren kann. Klar können wir ohne - aber wesentlich angenehmer ist es mit. :spritze:
    Sunny

  • Medizinisches Personal rund um Notsituationen ist in der Regel eben auch NICHT auf den Umgang mit Kindern spezialisiert (übrigens weder psychologisch NOCH medizinisch). Dessen Aufgabe ist es, sich schnellstmöglich um die medizinische Versorgung des Körpers zu kümmern, aber ganz sicher nicht darum, die Hand des Kindes zu halten und ihm Trost zuzusprechen.


    Das stimmt nicht. Versorgung und Betreuung sind patientenorientiert, schon aus eigenem Interesse. Unkooperative Patienten sind die Hölle, ob Kind oder Demenzkranker ist da egal.

    "A lack of planing on your side does not constitute an emergency on my side."

  • Zitat

    Vielleicht fehlt Kollegen im Sek2-Bereich einfach die Vorstellung von der Arbeit mit Grundschülern und kleinen Sek1-Schülern.


    Natürlich. Welche Vorstellungen können solche Leute schon haben.


    Ich habe selbst auch keine Vorstellungen, aber eine Erinnerung. Ich erinnere mich, wie ich in der dritten oder vierten Klasse im Schwimmbad eine Tür über den Fuß bekommen habe, der daraufhin schön marmoriert aussah (und sich auch so anfühlte). Und wie ich vorzeitig zum Schulbus gehumpelt bin, um allein (!) nach Hause zu fahren und meinen Fuß vorzuzeigen. Und ich erinnere mich an die Lehrerin, die mich zum Bus begleitet hat und darauf bestanden hat, meinen Arm zu halten, damit ich nicht umfalle. Und daran, wie schrecklich peinlich ich dieses Festhalten meines Armes fand und wie dringend ich sie loswerden wollte.


    Ich will nicht von mir auf andere schließen, aber dass man nicht einmal denken darf (!), dass Kinder manches ohne Lehrerin bewältigen können - das klingt für mich doch eher so, als würde viel über das eigene Befinden und gar nicht so sehr über das der Kinder nachgedacht.

  • Ich bin in der 3. Klasse auf dem Schulhof von der Mauer gefallen und habe mir den Arm gebrochen. Ich fand es sehr hilfreich, dass meine Lehrerin einen Krankenwagen gerufen hat. Als ich dann alleine mit den Sanitätern im Krankenwagen zum Krankenhaus gefahren wurde, war es trotz aller Schmerzen sehr aufregend und die Sanitäter haben mich sehr wohl getröstet, meine Hand gehalten und ganz viel erklärt, eine Lehrerin hätte mich da nur gestört.

    • Offizieller Beitrag

    Es mag durchaus unterschiedliche Ansichten zum Mitfahren im KW geben. Empfohlen wird uns in RLP, dass jemand mitfährt. Am besten natürlich ein Elternteil, wobei das natürlich nur nötig ist, wenn das Kind anderweitig nicht ins KH kommt. Die Unfallkasse RLP rät bei solchen eher leichten Verletzungen übrigens zum Transport im Taxi mit Taxischein. Natürlich mit Begleitung.


    Bei einem Kind zwischen 5 und 8 würde ich auf jeden Fall mitfahren, wenn es schulisch zu organisieren wäre. Bei 9-12Jährigen würde ich, sofern das Kind ansprechbar ist, das Kind fragen, ob es möchte, dass ich mitfahre. Wir haben durchaus Kinder, die das nicht wollen würden, aber auch Kinder, die das unbedingt bräuchten.


    Allerdings würde ich nach Möglichkeit mit dem Auto hinterher fahren (habe ich auch schon einmal gemacht), um sicher zu stellen, dass ich heim komme.

  • Also da gibt es sicher verschiedene Einstellungen. Ist ja auch nicht weiter schlimm, denn die medizinische Erstversorgung ist ja trotz allem noch am Wichtigsten. Und ob man letztendlich mit fährt oder nicht….
    Ich bin wirklich die Meisterin im Trösten und Schuhebinden ;) aber das wäre mir sogar zu viel. Aber das muss jeder selbst entscheiden. Kommt vielleicht auch aufs Kind an.
    Das Kind tut mir jedenfalls unendlich leid. Unglaublich, dass die Eltern nicht zum Arzt sind. Wie furchtbar. Da wird es mir schon wieder ganz schlecht ;(

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Hängt vom Kind ab und was von Seiten der Eltern bzw. Bezugspersonen passiert.


    Vor dem Sommerferien hatten wir ein Kind aus der 4. Klasse bei uns (AG-Teilnahme), das sich auf dem Schulhof übel die Nase eingerannt hat. Ich hatte Aufsicht, habe das in Strömen blutende (klaffende Wunde ...) und wie am Spieß schreiende Kind erst einmal versorgt. Zum Glück hatte ich den großen Bruder, der aber schon frei hatte, so dass ich das Kind ein wenig vertrauter ansprechen konnte. Nach weiterer Versorgung durch die hauseigenen Sanitäter kam der Krankenwegen, dessen Sanitäter das Mädel ungern so mitnehmen wollten. Es wurde geklärt, dass die Eltern (oder nur die Mutter) auf jeden Fall gleichzeitig zum KH fahren und man sich da treffen würde. Kind war zudem schon etwas ruhiger, weil sein AG-Lehrer gekommen war. Hier hatten wir wie gesagt die Situation, dass es ein schulfremdes GS-Kind auf AG-Besuch war. Hätten wir die Eltern nicht erreicht, wäre ein Kollege mitgekommen. Da wir eine große Schule sind, hat eigentlich immer wer gerade Freistunde, so dass jemand mit fahren könnte.


    Wenn ich mir so manche unserer 5er und 6er ansehe, würde ich sie auch nicht unbeding alleine losschicken mit dem Krankenwagen. Ob ich selber mitfahren würde hinge davon ab, was für eine Klasse es ist, er vertreten kann.

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