Vom Wissenschaftler zum Lehrer

  • Das könnte aber auch daran liegen, dass man als Beamter Zuschläge (Kinder, Heirat) erhält, die einem Angestellten verwehrt werden. Die richtig großen Netto-Unterschiede ergeben sich v.a. bei den hohen Stufen, wo bei Angestellten (= durch die Sozialabgaben mehr Brutto) die Steuerprogression das relative Netto in erheblichem Maße senkt.

  • Zum Thema Gehalt:


    Als Angestellter würde ich derzeit, nach TVÖD, (Quelle:http://oeffentlicher-dienst.info) 2.180,- € (netto) verdienen.
    Als Beamter sind das wiederum, bei gleicher Steuerklasse, etc. 3.290 € (netto). Abzüglich meiner Krankenversicherung von 310,- € bleiben mir netto 2.980 € - also mal eben 800,- € netto mehr. Durchaus ein, in meinen Augen, lohnender Unterschied.
    Maximum wären für den Angestellten, in der gleichen Entgeltgruppe, 2860,- €. Für den Beamten 3.680 abzüglich PKV. Irgendwann relativiert sich das, für den Berufseinsteiger, der eine Familie gründen will, Haus kaufen, etc. ist das durchaus ein entscheidender Unterschied - von den Vorteilen beim Zinssatz für einen Kredit von der Bank im übrigen auch. Zumindest nach meiner Erfahrung.


    Zum Thema Quereinstieg:


    Ich bin selbst Quereinsteiger und habe das reguläre Referendariat in Niedersachsen durchlaufen. Mein Rat: frag im MK (SH, Nds., HH) nach, wie das mit dem Quereinstieg aussieht. Erkundige Dich insbesondere danach, wie das mit einer Ergänzungsprüfung, einem Ergänzungsstudium, etc. in einem Mangelfach gestalten könnte. Und: denke, gerade als Fachwissenschaftler (kenne leider Deinen Schwerpunkt nicht), ruhig mal an das berufsbildende Lehramt. BTAs brauchen auch Lehrer. Diesbezüglich kommt, lt. MK, ZfL und LSchB, ein berufsbegleitendes Ergänzungsstudium für Interessierte in der Berufspädagogik.


    Ich persönlich schätze die Arbeit als Berufsschullehrer sehr. Klar ist das Korrigieren nicht toll, aber ich vergleiche das mit der Arbeit in der Wildtierbiologie (nein danke, nie wieder), oder den Jobs, den Freunde und Bekannte so ausüben. Ich sitze lieber in meinem Arbeitszimmer auf dem Sofa um die Arbeiten und Klausuren zu korrigieren. Das Maß der Fremdbestimmung ist (für mich persönlich) deutlich geringer, als in den anderen Bereichen, in die ich hineinschauen durfte.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

    Einmal editiert, zuletzt von Jens_03 ()

  • Nehemen wir mal an du hast 8 Klassen, a 28 Schüler. Macht 224 Schüler. Mal 2 (oft auch drei) Klassenarbeiten im Halbjahr. 448 Arbeiten. Pro Arbeit zwischen 20 Minuten (einfache Abfragen in der Unterstufe) bis 1,5 Stunden (Kursarbeiten zB in Englisch in der Oberstufe mit Positivkorrektur). Nehmen wir mal als großzügiges Mittel 45 Minuten pro Arbeit. Sind 201 Stunden Korrekturen im Halbjahr, im günstigen Falle. 400 im Jahr.

    Mag sein, dass das in den Sprachen so ist, in den Naturwissenschaften sicher nicht. Ich bin in ca. 1.5 - 2 h mit einer kompletten Klasse durch. Das erste, was ich diesbezüglich gelernt habe: stelle die Prüfungsfragen so, dass eine eindeutige Antwort zu erwarten ist und der Schüler nicht einen 2 Seiten langen Aufsatz dazu schreibt ;) Ich korrigiere grundsätzlich an der Schule, habe noch nie Arbeiten mit nach Hause genommen. Ich mach es in der Regel auch noch am selben Tag, an dem die Arbeit geschrieben wurde.


    Ich bereue den Schritt von der Uni (Diplom - Promotion - PostDoc) in keinster Weise. Ich empfinde die Arbeit an der Schule als sehr viel sinnvoller und strukturierter als das, was ich an der Uni getan habe. Es ist am Anfang einfach etwas gewöhnungsbedürftig, dass die SuS wirklich GAR KEINE Ahnung vom Fach haben und teilweise auch einfach nicht in der Lage sind, abstrakt zu denken. Letzteres ist vor allem in der Chemie hin und wieder etwas mühsam, zwingt einen andererseits aber auch, sich selbst wieder sehr intensiv mit der Thematik auseinander zu setzen. Ich fand es erstaunlich, wie viel ich Jahre lang einfach als gegeben hingenommen hatte ohne es selbst wirklich verstanden zu haben ...


    Viel Spass beim Hospitieren, wirst sicher zu einer guten Entscheidung kommen! :)

    • Offizieller Beitrag

    Mag sein, dass das in den Sprachen so ist, in den Naturwissenschaften sicher nicht. Ich bin in ca. 1.5 - 2 h mit einer kompletten Klasse durch. Das erste, was ich diesbezüglich gelernt habe: stelle die Prüfungsfragen so, dass eine eindeutige Antwort zu erwarten ist und der Schüler nicht einen 2 Seiten langen Aufsatz dazu schreibt ;) Ich korrigiere grundsätzlich an der Schule, habe noch nie Arbeiten mit nach Hause genommen. Ich mach es in der Regel auch noch am selben Tag, an dem die Arbeit geschrieben wurde.


    Neidischer Seufzer...

    • Offizieller Beitrag

    absolut OT aber auch ein weiterer "Beweis", wie wenig Ahnung die Außenwelt von unserem Job hat. Immerhin konnte mein Freund (Nicht-Lehrer aus einer Nicht-Lehrer-Familie und Nicht-Lehrer-Umfeld) lachen, als ich das mit dem Tee und Sofa erzählte....
    Heute Mittag fragten meine Schwiegereltern, ob ich eine Klassenleitung hätte, was ich verneinte. "Aber dann würdest du mehr Geld bekommen, oder?" (ahah), als ich dann erwiderte, dass es eben die Ungerechtigkeit des Systems sei, dass die KorrekturlehrerInnen, die eh schon am meisten zu tun haben, auch dann am häufigsten KlassenlehrerInnen seien, und ich also davon ausgehe, dass ich nächstes Jahr dran bin, meinten sie "aber du kriegst doch mehr Geld, weil du viel mehr Klassenarbeiten korrigierst, oder?"


    Ach, war das ein lustiges Mittagessen :D

  • Ich vermute das mit der Ahnung trifft auf die Außensicht vieler anderer Berufsbilder ebenfalls zu... z.B. Polizisten sitzen einen Großteil ihrer Zeit hinterm Schreibtisch für Bürokratiekram und fahren dann oft gelangweilt ihre Streife ab; Wissenschaftler/Dozenten an der Uni haben oft null Planungshorizont für ihr Leben da sie kettenbefristet werden, nach je 2-3 Jahren die Stadt/Land wechseln (müssen) und u.U. nach 12 Jahren Uni (inklusive Promotion) praktisch ein Berufsverbot haben sofern sie kein Professor sind (auch von den Besten schaffen das nur wenige); und auch innerhalb der Lehrerschaft gibt es Bereiche in die viele Kollegen keinen tieferen Einblick haben dürften (Berufsschulsystem).

    • Offizieller Beitrag

    ja, da hast du sicher Recht.
    Nur masst sich nicht 80% der Bevölkerung ein Urteil über Polizisten, Bäcker oder Sekretäre.
    Leute, die in NDS Lehrer für "überbezahlt" und "faul" halten, haben einfach keine Ahnung, dass Lehrer eben keine Prämie pro korrigierte Klassenarbeit bekommen...
    Ist aber okay, wir leben auch gut damit :)


    chili

    • Offizieller Beitrag

    Das mit der Prämie pro Korrektur fände ich mal eine richtig, richtig, richtig gute Idee. Und die müsste nach Zeit der Korrekturen gehen.


    Mann, ich wär reich!!

  • Mag sein, dass das in den Sprachen so ist, in den Naturwissenschaften sicher nicht. Ich bin in ca. 1.5 - 2 h mit einer kompletten Klasse durch. Das erste, was ich diesbezüglich gelernt habe: stelle die Prüfungsfragen so, dass eine eindeutige Antwort zu erwarten ist und der Schüler nicht einen 2 Seiten langen Aufsatz dazu schreibt ;)


    Halte ich für eine Illusion, dass das immer so möglich ist - v.a. wenn man sich bemüht, die Aufgaben im Sinne der aktuellen "Aufgabenkultur" zu stellen.


    Man muss sich ja nicht bei der Aufgabenstellung schon total "selbst in die Pfanne hauen", aber die oberste Priorität bei der Aufgabenstellung wie beschrieben zu setzen (also weniger als 5 Minuten Korrekturzeit pro Schüler! aufwenden zu wollen..) finde ich entweder fragwürdig - oder ich bin halt im Vergleich aufgabenstellungsmäßig doof, unkreativ und/oder unfähig.

  • Ich muss wohl dazu erwähnen, dass die Klassen in der Schweiz generell kleiner sind. Meine grösste Klasse am Gymnasium hat 23 SuS, meine beiden Berufsschulklassen habe nur 11 bzw. 13 SuS. :P Von den 23 SuS geben mir dann vielleicht 1 oder 2 SuS die Musterlösung ab, weitere 1 bis 2 SuS haben so gut wie gar nichts aufs Blatt geschrieben, dann hab ich für den Rest entsprechend mehr Zeit.


    Zur Aufgabenkultur gehört für mich auch, dass man mal eine Multible-Choice-Aufgabe mit reinnehmen kann (-> super PISA-Vorbereitung ...), die ist entsprechend schnell korrigiert. Klar habe ich immer eine Denk-Aufgabe drin, deren Antwort entsprechend länger wird. Aber ich hab so meine Korrektur-Strategien um den Aufwand möglichst gering zu halten. Dazu gehört für mich unter anderem, dass ich eine ganz klare Vorstellung von der Antwort auf eine Frage habe und vorher schon genau weiss, wofür es welche Teilpunkte gibt. Die Zeit nehme ich mir schon, wenn ich die Prüfung aufsetze, dann geht es mit dem Korrigieren hinterher schneller. Zweiter wichtiger Punkt: ich korrigiere die Prüfungen aufgabenweise ohne auf die Namen zu schauen. Spätestens nach dem 5. mal weiss ich ziemlich genau, was mich bei der jeweiligen Aufgabe erwartet.


    Meine Prüfungen sind auch nicht besonders lang sondern beschränken sich auf das Wesentliche. Wozu soll ich alles noch mal haarklein schriftlich abprüfen, das ich vorher schon 3 x im Unterricht vorwärts und rückwärts mit den SuS durchgekaut habe. Bei der Prüfung geht es darum festzustellen, ob alle die wichtigsten Punkte verstanden haben und wohl oder übel darum, eine Note fürs Zeugnis zu setzen. Diesbezüglich gibt es bei uns auch nur Minimalvorgaben und ich entscheide mit der Klasse ob ich z. B. 2 oder 3 Prüfungen pro Semester schreibe. Ich kann auch aus nur 4 Noten den Schnitt fürs Jahreszeugnis machen.


    Ach ja ... ich trainiere mit den SuS im Unterricht auch SEHR ausführlich, präzise Antworten zu geben. Nicht so viel bla bla, dafür alles Wesentliche in einem Satz zusammenfassen, das ist ökonomisch ;)

  • Problematisch ist dieses Verfahren, wenn man die SuS auf zentrale Abschlussklausuren vorbereiten muss. Dann kann man schlecht vorher eine andere Aufgabenultur einüben...

    • Offizieller Beitrag

    In Hessen ist das wegen der Bindung an die Operatoren ohnehin unmöglich. Eine Biokollegin, mit der ich gestern aus war, erklärte, dass und warum die in der Oberstufe auch ganze Aufsätze schreiben müssen und dass sie für eine Arbeit auch mindestens 30 Minuten aber auch gerne mal das Doppelte braucht.

  • In NRW gibt es, wie ich mir habe sagen lassen, sogar eine Darstellungsbewertung in Bioklausuren.

    Dödudeldö ist das 2. Futur bei Sonnenaufgang.

  • Problematisch ist dieses Verfahren, wenn man die SuS auf zentrale Abschlussklausuren vorbereiten muss. Dann kann man schlecht vorher eine andere Aufgabenultur einüben...

    Da hast Du natürlich völlig recht. Bei uns gibt es aber keine zentrale Prüfungen. Hat Vor- und Nachteile. Manche Kollegen schieben hier die reinste Paranoia wenn es darum geht, Prüfungsfragen abzustimmen. Die fühlen sich sofort in ihrer persönlichen Freiheit bedroht, das kann echt anstrengend sein.


    Bei uns müssen lediglich die Maturaprüfungen einen bestimmten Standard erfüllen. Die werden auch an einen unabhängigen Experten zum Gegenlesen geschickt und man muss einen eindeutigen Korrekturschlüssel mit einreichen.


    Abgesehen davon achte ich natürlich schon auch auf Sprache und Ausdruck. Insbesondere bekommen meine SuS sofort eins auf den Deckel, wenn so Dinge wie "das hebt dann fester" in der Prüfung auftauchen - MUNDARTALARM!!! :grimmig: Andererseits gehört es für mich in der Chemie einfach dazu, dass man sich klar, knapp und präzise ausdrückt und keine blumigen Aufsätze schreibt. Manchmal tut es auch eine sauber beschriftete Skizze statt eines ellenlangen Textes als Antwort.

  • Ich achte bei meinen Bioklausuren auf einen entsprechenden Mix. Sowohl materialgebundene Aufgaben, wo eine Grafik oder ein Diagramm ausgewertet werden muss und die Schüler entsprechend halbe Aufsätze schreiben, aber zwischendurch auch Aufgaben, wo man die entsprechenden Punkte recht gut abhaken kann. Gerne auch Aufgaben vom Typ "Gib an, ob folgende Aussagen richtig oder falsch sind und stelle falsche Aussagen sinnvoll richtig." Durch entsprechende Formulierung dieser Aussagen kann an da auch gut Transfer einbauen, aber sie sind schnell korrigiert, weil die Schüler zwar einiges denken, aber nicht viel hinschreiben müssen.
    Eine Stegreifaufgabe in der Unterstufe korrigiere ich auch in etwa 2 Stunden, für die Oberstufe dauert es deutlich länger.


    Sarek

  • Ich kann mir auch vorstellen, dass man in einer Bio-Prüfung generell mehr schreibt, als in einer Chemie-Prüfung? Je komplexer die Thematik, desto komplexer die Fragen und Antworten, oder? Ich versuche meinen SuS auch immer zu erklären, dass Bio viiiel komplizierter ist als Chemie oder Physik. Ein lebender Organismus ist im Gegensatz zu einem einzelnen Molekül völlig unüberschaubar. Sie wollen es mir aber nicht glauben :)

  • absolut OT aber auch ein weiterer "Beweis", wie wenig Ahnung die Außenwelt von unserem Job hat. Immerhin konnte mein Freund (Nicht-Lehrer aus einer Nicht-Lehrer-Familie und Nicht-Lehrer-Umfeld) lachen, als ich das mit dem Tee und Sofa erzählte


    Einspruch. Erstens unterscheidet sich das Korrigieren von den Schulklausuren in der Sek II nicht wesentlich von Korrekturarbeiten, wie man sie auch an der Uni durchführt, der TE hat da also durchaus eine "Ahnung".


    Zweitens finde ich es ausgesprochen gemütlich, nachmittags bei Tee und Keksen meine Mathearbeiten zu korrigieren, womöglich noch draußen auf der Terrasse. Natürlich ist das Arbeitszeit und zum Teil auch etwas zäh. Aber dass das jetzt eine Schwerstarbeit und schrecklich wäre und dass niemand von außerhalb beurteilen kann, wie furchtbar es ist - nö, da kann ich mich nicht wiederfinden. Ich habe an der Uni schon Klausuren von 300 Teilnehmern korrigiert. Das war zweifelsohne öder.


    Unterrichtsvorbereitungen finde ich manchmal übrigens so packend, dass es mir nichts ausmacht, auch abends um 10 noch am Rechner zu sitzen.


    Ich komme auch aus der Wissenschaft und bereue den Schritt nicht. Es gibt nur zwei Dinge, die mich an der Schule belasten. Punkt 1 ist der Lärm (nicht nur Schüler. Auch Türeknallen, Stühlerücken etc). Punkt 2 sind unverschämte Schüler. Diese Belastungen schwanken sehr. Es kann sein, ich habe lauter liebe, ruhige Klassen und manchmal kann man eine Stecknadel fallen hören.


    Und dann wieder kann es furchtbar laut sein und ich gucke dauernd auf die Uhr.

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